Aber ich appelliere auch an Ihren nüchternen Blick. So richtig es ist, Propagandadelikte, Hakenkreuzschmierereien als Straftat zu werten und zu zählen, so schwierig ist es natürlich für die Polizei, gerade diese Delikte, die schnell, dezentral und unauffällig ausgeführt werden, völlig zu verhindern. Das ist eine ganz schwere Arbeit. Das weiß jeder, der sich mit Polizeiarbeit nur ein wenig auskennt. Außerdem muss ich angesichts mancher populistischer Überspitzungen, gerade bei den Zahlen, dem einen oder anderen doch noch einmal die Zahlen verdeutlichen. Um was geht es denn?
Wir hatten in Hamburg im Bereich der Gewaltkriminalität insgesamt im Jahre 2006 rund 8.900 Straftaten. Davon waren 29 Taten rechtsextremistische Gewalttaten, ein Anstieg um neun Delikte vom Jahre 2005 auf das Jahr 2006 von 20 auf 29. Das ist der Sachverhalt. Das will ich hier nicht verharmlosen. Das sage ich ganz deutlich auch in Ihre Richtung, Frau Möller, weil mir manche Dinge gerne unterstellt werden. Jede dieser Taten ist eine zu viel. Trotzdem möchte ich schlicht und einfach noch einmal die Zahlen sagen dürfen.
Die Propagandadelikte, die ich vorhin ansprach - darunter auch Delikte im Zusammenhang mit Demonstrationen -, machen im Übrigen den Großteil mit 285 Fällen rund zwei Drittel der rechtsextremistischen Straftaten in Hamburg aus. Auch hier betone ich noch einmal: Es ist richtig, jedes einzelne Delikt zu ahnden.
Meine Damen und Herren! Die Zahlen belegen aber noch ein Weiteres. Wir gucken ganz genau hin. Die Sicherheitsbehörden registrieren jede Straftat und schauen nicht einfach weg. Die Zahlen beweisen, dass wir auf dem rechten Auge nicht blind sind und auf dem linken übrigens auch nicht. Wer aber in seinen Pressemeldungen - ich zitiere -
"dann Aktivitäten der Behörden fordert, der verkennt, dass Wahlen zunächst Angelegenheit konkurrierender Parteien und keineswegs der Exekutiven sind."
Den Wahlerfolg der Rechten verhindert man dann - das wurde heute auch schon einmal angesprochen -, indem man einen eigenen, überzeugenden Wahlkampf macht und die Wähler von den eigenen Fähigkeiten und politischen Konzepten überzeugt, meine Damen und Herrn von der Opposition. Wer dafür die Unterstützung von Behörden braucht, wie es der eine oder andere selbsternannte Innenexperte hilflos fordert, der hat schon verloren.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Abschluss aber auch noch auf die Frage der Gewalttaten eingehen. Die Zunahme der Gewaltkriminalität macht uns in allen Bereichen Sorgen. Im Bereich des Rechtsextremismus ist das nicht anders. Die Analyse der Straftaten des Jahres 2006 zeigt einen hohen Anteil an Einzeltätern auf der einen Seite und einen hohen Anteil von Gewaltdelikten, begangen unter Alkoholeinfluss. Das ist alles wenig erfreulich und auch nicht zu unterschätzen. Aber
immerhin zeigt es auch, dass wir in Hamburg nicht von organisierten rechten Schlägerbanden reden. Die gibt es in Hamburg nicht. Aber auch den, zumindest in den Augen der Öffentlichkeit, betont gewaltfreien Teil des rechtsextremistischen Spektrums haben wir genau im Visier. Ich darf ein Beispiel anführen: Rechtsextreme, insbesondere Neonazis, die sich aus taktischen Gründen zunehmend um ein bürgerliches Auftreten bemühen, indem Stadtteilanliegen aufgegriffen werden, werben um Anerkennung und Akzeptanz im bürgerlichen Spektrum. Das ist eine Entwicklung, die der Verfassungsschutz sorgfältig beobachtet und der die gesellschaftlichen Kräfte ebenso entschieden entgegentreten müssen. Zum anderen sprechen Rechtsextreme immer geschickter gerade Jugendliche an. Das wurde heute auch schon einmal betont. Das ist ein ganz wichtiger Faktor. Da geht es vor allem um Musik. Da werden zum Teil symbolisch Stilmittel und Habitus der klassischen linken Jugendbewegungen aufgegriffen und quasi rechts umgedeutet und unterwandert. Besonders hier ist es wichtig, dass die Jugendlichen das Ziel unserer vielfältigen gesellschaftlichen Präventionsarbeit in den Schulen und Jugendeinrichtungen bleiben. Gerade in diesem Bereich gibt es in Hamburg spezialisierte und sehr aktive andere Akteure im Jugendbereich oder in den Stadtteilen. Die Antwort auf die Große Anfrage hat auch das jedem deutlich gemacht, der es verstehen wollte.
Frau Möller, um das einmal ganz deutlich zu sagen, wir sind nicht ignorant und verharmlosen auch nicht. Das ist mir ein ganz wichtiger Punkt.
Meine Damen und Herren! Die Menschen in Hamburg werden sich auch in Zukunft darauf verlassen können, dass dieser Senat keine Form - und ich darf das noch einmal aufnehmen, was Herr Trepoll auch gesagt hat - des Extremismus tolerieren wird, egal, auf welcher Seite. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Es ist in der Tat erfreulich, dass wir in der heutigen Debatte zunächst einmal ganz klare Aussagen haben und auch noch einmal Klarstellungen bekommen, denn manche Äußerungen der Vergangenheit vom Innensenator im Hinblick auf dieses Thema Verharmlosung konnten anders interpretiert werden, wenn zum Beispiel der Hinweis gegeben wurde, das seien überwiegend Propagandadelikte gewesen. Auch das, was Herr Trepoll sagt, ist zunächst einmal recht erfreulich.
Wir müssen sehen, ob das von Dauer ist. Herr Sarrazin wies mich gerade darauf hin, Herr Trepoll, dass Sie sich vor gut zwei Jahren schon einmal zum Harburger Bündnis gegen Rechts zusammengefunden haben. Sie waren auch einmal da, danach nicht mehr. Das sind Fragen, auf die man dann natürlich kommt, wenn Sie Ihre Anteilnahme und Ihr Mitgefühl ausdrücken, ob das tatsächlich von Dauer ist, wenn sich tatsächlich andere politische Kräfte in dieser Stadt plötzlich als Opfer von rechtsextremistischen Straftaten sehen.
Ich möchte an der Stelle auch noch einmal deutlich sagen, dass das Beispiel Harburg das deutlich macht.
Man sollte einmal, um diese Situation richtig zu erfassen, die Opferperspektive einnehmen. Wie fühlt sich jemand, nachdem man eine bestimmte politische Aktivität entfaltet hat, eine Diskussionsveranstaltung gemacht hat oder Ähnliches, wenn dann am nächsten Tag eine Schmiererei rechtsextremistischen Inhalts, ein Hakenkreuz oder "Wir kriegen Dich" oder ähnliche Hinweise an seinem Haus zu finden sind. Das ist dann in der polizeilichen Arbeit erst einmal ein Propagandadelikt, aber sicherlich liegt darin auch eine Drohung, die auch so gemeint ist, dass im Zweifelsfall mit Gewalt zu rechnen sei. Das zeigt sich dann auch ganz real, wie wir es in den letzten Tagen erlebt haben. Da ist es dann ein Stein, der in eine Schaufensterscheibe fliegt. Natürlich sind da Steigerungen auch ohne Weiteres denkbar. Ich will nicht dramatisieren, aber es reicht aus, dass in jedem zehnten dieser Fälle ein Stein in eine Scheibe fliegt, um diese Drohung, die schon in dieser Schmiererei, in dieser einen Verwendung eines Nazisymbols liegt, dann auch plausibel zu machen. Das ist dann der Punkt, dass man, wenn man sich diese Situation in Harburg ansieht, den Eindruck haben kann, dass das System hat, weil es immer wieder diejenigen trifft, die sich aktiv gegen Rechtsextreme in Harburg stellen und deswegen auch unsere gemeinsame Unterstützung haben sollten.
Wir wollten dem Senat mit dieser Anfrage gewissermaßen eine Hilfestellung geben und haben deswegen ganz bewusst nicht so angefangen wie die SPD es gemacht hat, die erst einmal gesagt hat, wir brauchen ein Programm und dann schreibt man mal so grob rein, was es vielleicht sein sollte. Wir haben gesagt, der erste Schritt muss sein, dass man zunächst einmal ganz genau hinguckt, dass man sich eben nicht damit abfindet, einfach nur die Zahlen auszuwerten, die natürlich die Polizei vorliegen hat, die insgesamt beunruhigend sind. Ich nehme mit Beruhigung zur Kenntnis, dass Sie genaue Erkenntnisse darüber haben, wie sich diese Straftaten auf die Stadtteile verteilen. Ich frage mich nur, warum Sie das nicht auf unsere explizite Frage in der Anfrage beantwortet haben.
Was wir wissen wollten, war, wie es denn in den anderen Bereichen aussieht und welche Erkenntnisse es über die Entwicklung von Rechtsextremismus in Hamburg gibt, weil wir eine qualitative Betrachtung haben wollten und auch Tendenzen erkennen wollten, die schon beginnen, bevor es zu registrierten Straftaten kommt. Wir haben alle möglichen Bereiche abgefragt. Welche Erkenntnisse gibt es über rechtsextreme Aktivitäten? Welche Maßnahmen gibt es dagegen? Der Befund war durchweg: Wir haben keine Erkenntnisse über rechtsextreme Aktivitäten und na ja, Maßnahmen, ein bisschen wird das überall mitgemacht. Der einzige Bereich, der da positiv herausstach, war der Sportbereich, wo es explizite Maßnahmen gibt, aber in allen anderen Bereichen wird gesagt, ja, in den Schulen steht es auch auf den Lehrplänen. Besondere Maßnahmen gibt es nicht.
Herr Nagel, Sie haben immer wieder betont, gerade aus der Anfrage ergäbe sich, wie in breiter Form in Hamburg gegen Rechtsextremismus vorgegangen würde. Ich will nur mal ein Beispiel zeigen und wir hätten gar nicht gedacht, dass es tatsächlich derartige Defizite gibt. Nach der Antwort auf die Anfrage sind wir schlauer. Auf Seite 17 der Anfrage haben wir gefragt:
"Welche Fortbildungsangebote gibt es für das Personal im Bereich Jugendarbeit zum Thema Rechtsextremismus und wie werden diese genutzt?"
"Die Fortbildung für sozialpädagogische Fach- und Führungskräfte hat im Jahr 2002 eine Veranstaltung "Rechtsextremen Orientierungen in der Jugendarbeit entgegenwirken" angeboten, die wegen mangelnden Interesses nicht stattgefunden hat. Bedarfsmeldungen zu diesem Themenkomplex haben in den folgenden Jahren nicht vorgelegen (…)"
Dann heißt es, das wird irgendwie so mitgemacht und das ist auch die Haltung, die sich hier durchweg zeigt. Das kam auch in Ihrem Redebeitrag durch, als Sie gesagt haben, die anderen Bereiche, die anderen Behörden unterstützen wir dort, wenn wir gefragt werden. Es wird deutlich, dass es eine sehr abwartende Haltung gibt. Da wird mal im Jahre 2002 - immerhin fünf Jahre her - eine Fortbildung angeboten, dann wird das nicht nachgefragt und keiner macht sich Gedanken darüber, warum das so ist. Niemand macht sich Gedanken darüber, warum das Personal im Bereich Jugendarbeit eine solche Fortbildung nicht in Anspruch nimmt. Da kann doch nicht ernsthaft der Glaube sein, dass es keinerlei Probleme mit rechtsextremen Jugendlichen gibt, mit denen das Personal in der Jugendarbeit konfrontiert wird.
Nur wenn es diese Überzeugung gäbe, wäre diese Haltung wirklich verantwortbar, aber das kann nun wirklich nicht der Glaube sein, dass es derartigen Handlungsbedarf im Bereich der Jugendarbeit nicht gibt.
Mir ist es immer wieder zu laut. Es ist ein unglaubliches Gemurmel. Können Sie bitte Ihre Nebengespräche einstellen oder draußen fortführen. Herr Steffen, bitte.
So ähnlich stellt es sich auch im Schulbereich dar, wo es sehr qualifizierte Angebote an Lehrerinnen und Lehrer gibt, die aber nicht hinreichend nachgefragt werden. Da müssen sich die Behörden fragen, ob sie nicht tatsächlich beim Thema Rechtsextremismus wegschauen, das als ein zu vernachlässigendes Thema ansehen und dementsprechend unverantwortlich handeln. Wir haben sogar mehrere Beispiele gefunden, bei denen wir im Hinblick auf rechtsextreme Vorfälle schlauer waren als der Senat - ein bisschen schlauer - und bei denen wir wussten, dass es rechtsextreme Vorfälle gab, von denen der Senat nicht zu berichten wusste. Das letzte Beispiel war das mit der Lehrerin, das durch die Medien ging. Aber wir hatten auch ein Beispiel, das sogar bei der Bürgerschaft sozusagen aktenkundig geworden ist. Wir hatten als Rechtsausschuss einmal an einer Führung durch die Zellen teilgenommen, die seinerzeit für die Abschiebehaft genutzt wurden.
Als wir uns eine Zelle in der U-Haft anschauten, die seinerzeit auch noch dafür genutzt wurde, fanden wir ein Hakenkreuz und darunter den freundlichen Hinweis, dass
Jürgen Rieger ein ganz hervorragender Anwalt für deutsche Strafgefangene sei. So etwas in der Abschiebehaft - das fanden wir als Rechtsausschuss schon relativ schwerwiegend. Die Anstaltsleitung meinte, das würde bei Gelegenheit weggemacht werden. Wir haben dann in einem Briefwechsel darauf bestanden, dass das sofort weggemacht wird, was dann auch geschah. Insoweit verwundert aber, dass dieser Fall in der Antwort auf die Anfrage überhaupt nicht aufgeführt wird, obwohl die Leitung der Justizbehörde mit diesem Vorgang befasst war. Das macht deutlich - und wir vermuten, dass das leider nur ein kleines Beispiel dafür ist -, dass vorhandene Informationen über rechtsextreme Entwicklungen und Vorfälle nicht gebündelt werden und deswegen dieser Fall bei unserer Frage nicht berücksichtigt wurde beziehungsweise die Antwort auf die Anfrage insoweit überhaupt nicht wahrheitsgemäß ist.
Worauf ich hinaus will, ist, dass man eine genaue Analyse über die rechtsextreme Entwicklung in Hamburg benötigt, um überhaupt handeln zu können. Man muss erst einmal hinsehen und nicht wegschauen, um darauf ein wirksames präventives Programm gegen Rechtsextremismus aufbauen zu können.
Um ein einfaches Beispiel zu nennen: Würde man hinsehen, würden Schulen hinsehen, würden Schulen tatsächlich wahrnehmen, dass es rechtsextreme Aktivitäten gibt, dann bestünde die Möglichkeit, eine enge Kooperation mit der Polizei zu suchen und umgekehrt. Das wäre eine ganz zentrale Möglichkeit, dass nicht nur polizeilich auf rechtsextreme Straftaten reagiert wird, sondern dass auch der Hinweis seitens der Polizei gegeben wird: "Wir haben eine regionale Häufung. Schule, schau doch einmal, ob das etwas mit Euch zu tun hat. Könnt ihr da noch intensiver arbeiten?" - Aber auch umgekehrt, dass die Schule sagt: "Wir haben hier offenkundig eine Gruppe, die ganz massiv rechtsextremen Gedanken anhängt und die wir deswegen auch als eine Gruppe sehen, die rechtsextreme Straftaten ausüben könnte." Da auf lokaler Ebene eine enge Zusammenarbeit hinzubekommen, wäre sehr wichtig. Insgesamt ist es notwendig, dass wir gebündelte Programme hinbekommen, die die Möglichkeiten für Prävention gegen Rechtsextremismus in den Vordergrund stellen, und dass es eine enge Zusammenarbeit gibt. Die Große Anfrage hat belegt, dass der Senat schon auf der einfachen Ebene, nämlich auf der Ebene der Analyse, noch ganz am Anfang steht.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich eines ganz zu Beginn feststellen: Die Bekämpfung des Rechtsextremismus wie auch die Bekämpfung jedes Extremismus ist die gemeinsame Aufgabe aller politischen Parteien. Ich glaube - das hat die Debatte auch gezeigt -, dass bei diesem Punkt Einigkeit unter den Fraktionen in diesem Hause herrscht.
Natürlich ist es auch die Aufgabe der Regierung, also des Senats, in diesem Bereich tätig zu werden. Aber der Senat ist auch tätig und macht eine ganze Menge. Insofern, Frau Möller, fand ich den Hinweis, der Senat handle ignorant, wenig hilfreich - um es zumindest einmal so auzudrücken.
Richtig ist auch, dass die Zahlen in Hamburg gestiegen sind. Aber es bringt wenig, wenn wir - das hat die Opposition auch getan - überwiegend auf die prozentualen Steigerungen hinweisen. Ich möchte keine dieser Taten relativieren. Jede Tat, die in diesem Bereich begangen wird, ist eine Tat zuviel. Aber, wenn man sich die absoluten Zahlen anschaut, bringt es, glaube ich, wenig, sich an den prozentualen Steigerungen zu berauschen und zu sagen, wir hätten ein ganz massives Problem. Wir haben ein Problem, ich will das auch nicht kleinreden. Aber manchmal neigen Sie dazu, es ein bisschen zu groß zu reden. Dazu auch der Hinweis mit dem Stadtteilbezug: Wir haben im rechtsextremen Bereich 400 Straftaten gehabt. Wir haben über 100 Stadtteile. Welche - das müssen sie mir wirklich einmal erklären - Erkenntnisse wollen Sie daraus ziehen, dass Sie diese 400 Straftaten auf über 100 Stadtteile verteilen?
Damit ist ein Beamter beschäftigt. Ich sage Ihnen, mir ist es lieber, dieser Beamte ist vor Ort tätig und bekämpft die extremen Straftaten dort.