Protokoll der Sitzung vom 20.06.2007

Das Ergebnis dieser klugen und vorausschauenden Politik ist, dass heute ganz Europa über eine integrierte europäische Meerespolitik spricht. Es geht dabei um nicht weniger als um einen ressortübergreifenden koordinierten Ansatz im Umgang mit dem Meer, der wirtschaftliche, ökologische, soziale und kulturelle Aspekte zusammenführt.

Ich hätte mir gewünscht, dass der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg sich in vergleichbarer Weise um das Thema gekümmert hätte.

(Beifall bei der SPD)

Leider ist das nicht der Fall. Im Juni vergangenen Jahres hatte die EU-Kommission das sogenannte Grünbuch

vorgelegt, in dem sie Fragen aufwirft, wie eine europäisch integrierte Meerespolitik aussehen kann. Der Konsultationsprozess zu diesem Grünbuch läuft noch bis Ende dieses Monats. Der Bundesrat hat unter Federführung der norddeutschen Länder im März eine Stellungnahme für Deutschland verabschiedet. Der Ausschuss der Regionen hat sich unter Federführung des schleswigholsteinischen Europaministers Uwe Döring ebenfalls geäußert.

Im Juli wird das Europäische Parlament seine Stellungnahme verabschieden und im Oktober wird die Kommission auf der Grundlage der Konsultationen einen Aktionsplan vorlegen.

Die SPD-Bürgerschaftsfraktion hat schon im März dieses Jahres einen Antrag vorgelegt, der den Senat dazu bewegen wollte, Stellung zu diesem wichtigen Thema zu beziehen und seine Bedeutung für Hamburg zu konkretisieren.

(Wolfgang Beuß CDU: Hört, hört!)

Es ist keineswegs damit getan, nur Einfluss auf den Meinungsbildungsprozess der europäischen Institutionen zu nehmen. Bereits heute, da sich eine europäische Meerespolitik in ihren Konturen abzeichnet, müssen wir auch hier vor Ort unsere Hausaufgaben machen. Es geht um wichtige Themen, einige sind schon genannt: die Verbesserung und der Schutz der Meeresumwelt, die nachhaltige Nutzung der Ressourcen der Meere, die Rolle der Häfen und der Schifffahrt, die Arbeitsbedingungen auf See, Ausbildungskapazitäten in der Seefahrt und - nicht zuletzt - die Bewältigung der Folgen des Klimawandels.

Die SPD-Fraktion wollte, dass sich der Senat hierzu äußert. Leider hat die CDU unseren Antrag im Ausschuss abgelehnt.

(Rolf Harlinghausen CDU: In der Zeit hat der Senat gearbeitet!)

Vielleicht war sie eifersüchtig, dass ihr das nicht vorher eingefallen war. Aber egal, Sie haben die Kurve noch bekommen und haben sich dem Thema inhaltlich zugewandt. Das ist gut so und deshalb haben wir im Europaausschuss alle konstruktiven Vorschläge unterstützt, die zur Meerespolitik passen und dahin gehören. Wir begrüßen also ausdrücklich das Ergebnis. Der Forderungskatalog liegt Ihnen vor. In ihm sind, so denken wir, in ausreichendem Maße sowohl die ökonomischen als auch die ökologischen Dimensionen berücksichtigt. Was uns allerdings fehlt, ist der Hinweis auf die Hausaufgaben, die in Hamburg zu erledigen sind.

Die maritime Wirtschaft bietet gerade für Hamburg erhebliche Entwicklungspotenziale. Hamburg ist ein renommierter Werftenstandort. Allein in der Schiffbau- und in der Offshore-Zuliefererindustrie sind in Hamburg circa 10.000 Menschen in 80 Unternehmen beschäftigt. Hamburg ist der herausragende Reederstandort. Mit der HSHNordbank ist der weltgrößte Schiffsfinanzierer am Standort Hamburg. Dazu kommen Forschungseinrichtungen von Rang, ebenso der Internationale Seegerichtshof.

Hamburg ist der maritime Standort schlechthin in Deutschland. Was tut der Senat? Er gibt ein Gutachten in Auftrag. Während Schleswig-Holstein zum Vergleich bereits umfangreiche Potenzialanalysen vorgelegt hat und seine Aktivitäten in einer Landesinitiative Zukunft Meer bündelt, wird in Hamburg erst Mitte des Jahres mit

den Ergebnissen eines Gutachtens über ein maritimes Cluster mit Schleswig-Holstein gerechnet.

Der SPD-Fraktion war es ein Anliegen, dass Hamburg die Chancen, die in einer europäischen Meerespolitik liegen, nicht verschläft. Dazu muss man der Entwicklung vorangehen und nicht hinterherlaufen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Die Stellungnahmen zum Grünbuch der EU-Kommission, die heute mit dem Ausschussbericht zur Abstimmung stehen, kommen für die EU-Kommission noch rechtzeitig, für die große Konferenz Anfang Mai in Bremen ist sie schon zu spät. Wir stimmen dieser Stellungnahme zu, aber wir halten es für einen Fehler, dass der Senat in Hamburg das Thema Meerespolitik so zögerlich angeht. Das sieht die Handelskammer übrigens ähnlich. Sie fordert vom Senat ebenfalls ein stärkeres und schnelleres Handeln.

Ich komme zurück zum eingangs zitierten ShakespeareZitat:

"Wer die Gunst der Flut nicht nutzt, muss später die Not der Klippen meistern."

In diesem Sinne fordere ich den Senat auf, das Thema in Hamburg offensiver als bisher voranzutreiben, damit Minister Uwe Döring - ich zitiere ihn vollständig - mit seiner Äußerung über Hamburgs mangelndes Engagement bei diesem Thema

"Die sitzen mit den Füßen in der Elbe und mit dem Hintern auf dem Hafen."

nicht Recht behält. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Herr Sarrazin hat das Wort.

Liebe Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Klooß, vielen Dank für dieses sehr anregende Zitat. Ich kann nichts Gleichwertiges dagegenhalten, aber es gibt ein Zitat, das die Kommission auf den Entwurf des Grünbuchs gesetzt hat. Sinngemäß: Es ist doch komisch, dass wir unsere Welt Erde nennen, wenn doch der Großteil der Erdfläche von Wasser bedeckt ist. Das ist das Motto, mit dem sich die Europäische Kommission dem Thema Meerespolitik zugewendet hat. Im Parlament waren es Initiativen der GAL und der SPD, die das Thema in den Europaausschuss gebracht haben, wo der Ball aus meiner Sicht sehr erfolgreich und sehr gut von der CDU aufgenommen wurde.

Warum reden wir über Meerespolitik und warum ist es genau richtig, wenn Frau Duden sich für das Thema Meerespolitik interessiert. Das muss ich kurz erklären. Herr Krüger, Sie fahren zum Beispiel am nächsten Wochenende an die Ostsee, baden dort mit ihren Angehörigen, Ihre Tochter oder Ihr Sohn wird vielleicht von einer Qualle gebissen und Ihnen ist das ganze Wochenende verhagelt, weil das Kind den ganzen Tag heult, glauben Sie, dass das etwas mit dieser Debatte zu tun hätte, wo Sie doch lieber nach Hause wollen? Ja, es hat etwas damit zu tun. Genauso hat es damit zu tun, wenn wir eine übersäuerte Ostsee haben, ein Sauerstoffloch, Algenplagen und zum Beispiel das Auftreten von Quallen. In Schweden ist es heute schwangeren Frauen angeraten

- Herr Harlinghausen hatte es angedeutet -, keinen Ostseefisch zu essen, weil in dem Fisch so viele Dioxine enthalten sind, dass das Kind im Bauch der Mutter Beeinträchtigungen davon haben könnte. Eine Stadt wie Hamburg, die am Wasser liegt, hat die Aufgabe, sich dafür einzusetzen, dass sich das verändert.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Deswegen haben wir unseren Antrag vom März überschrieben mit:

"Für eine Zukunft unserer Meere! Für eine Zukunft unserer Ostsee!"

Es ist wichtig, dass wir uns in der Zusammenarbeit der Ostseeanrainer besonders stark dafür machen, dass die Ostsee eine Modellregion für eine in Zukunft wieder ökologisch intakte Meeresumwelt wird.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt der SPD)

Warum ich mich darüber freue, dass dieser Beschluss heute zustande kommt, ist vor diesem Hintergrund nachzuvollziehen. Die CDU hat in ihrem Antrag, den Sie in den Ausschuss eingebracht hat, viele grüne Punkte aufgenommen und darüber hinaus auch viele weitere Punkte benannt; ich benenne ein paar.

Die CDU oder wir als Europaausschuss stellen letztendlich auch gemeinsam fest - Zitat -:

"Wirtschaftliche Entwicklung und der Schutz der Meere bedingen sich gegenseitig."

Das finde ich klasse. Das ist so grün, wenn Sie das in der Wirtschaftspolitik öfter so betonen würden, wäre es gar nicht schlecht. Sie stimmen mit uns darin überein, dass als Maßnahmen zum Naturschutz Meeresschutzzonen mit konkreten Flächenzielen definiert und ausgewiesen werden sollen. Das ist eine regelrecht grüne Forderung, die wir heute beschließen werden.

(Beifall bei der GAL)

Wir wollen gemeinsam, dass die Fischereiquoten der Europäischen Union gesenkt werden, damit tatsächlich die Biodiversität der Ostsee und der anderen Meere geschützt werden kann und wir wollen - das haben Sie auch schon gesagt - als Hamburger gemeinsam, dass die Agrarpolitik verändert wird, die zu über 50 Prozent der diffusen Nährstoffeinträge in der Ostsee beiträgt. Da ist es so, Herr Krüger, wenn Sie nachher zum Beispiel einen Hungerast bekommen und auf dem Weg nach Harburg noch einmal bei McDonald's halten und sich einen Burger reinpfeifen - das machen Sie nicht sehr häufig, man sieht es, Sie sind noch gut gebaut, das passiert mir auch ab und zu -, was hat das mit der Ostsee zu tun? Dieser Burger, den wir uns manchmal reinpfeifen, hat direkt mit der Ostsee zu tun, weil unsere Nutzung der Landwirtschaft gerade dazu beiträgt, dass die Eutrophierung die Ostsee verschmutzt.

Die Umwelt ist aus meiner Sicht der Punkt im Grünbuch, der bisher im Kommissionsentwurf am meisten zu kurz gekommen ist. Deswegen freue ich mich darüber, dass wir hier gemeinsam Schwerpunkte setzen. Das soll aber nicht unterschlagen, dass es viele weitere Themen gibt, die von allen Fraktionen gemeinsam angegangen werden, vom integrierten Küstenzonen-Management bis hin zur Frage der blauen Biotechnologie. Viele davon sind angesprochen worden.

Bei der Frage der Elbvertiefung haben Sie uns zu wenig Tiefgang vorgeworfen. Ich glaube, Sie sprechen hier von Tiefgang, den in Wirklichkeit keiner braucht.

(Olaf Ohlsen CDU: Sie haben doch keine Ahnung!)

- Ich habe keine Ahnung? Dann erklären Sie mir doch einmal, wie es kommt, dass man in allen Ausschussberatungen erstens immer hört, der Hafen boomt, wir müssen sämtliche Terminals und Hinterlandsverbindungen ausbauen, sonst kommen wir überall in der ganzen Nordrange mit den Containern nicht weiter. Wenn man dann fragt, was ist mit der Elbvertiefung, heißt es, wenn wir die nicht machen, ist morgen der Hafen leer. Das hat sich für mich bisher noch nicht erschlossen. Das können Sie ja noch einmal erklären.

(Beifall bei der GAL und bei Dr. Monika Schaal SPD)

Aber das Beispiel Elbvertiefung zeigt ein Problem, das der Senat tatsächlich beim Thema Meerespolitik hat. Herr Ohlsen, wenn Sie mir noch zuhören mögen, Sie müssen noch nicht einpacken, ich habe noch etwas zu sagen.

(Bernd Reinert CDU: Sie haben noch Redezeit, aber nichts zu sagen! - Glocke)

Herr Sarrazin hat das Wort und sonst niemand.

Das Problem ist, dass wir eine Europäische Kommission haben, die einen innovativen, integrierten neuen Ansatz von Politik formuliert. Das haben wir von Ihnen lange nicht mehr gehört. Dieser Ansatz sagt, wir wollen in Zukunft die Politik, die das Meer betrifft, vom Meer aus denken. Wir wollen nicht in verschiedenen Einzelbereichen über das Meer reden, sondern wir wollen, dass alles von einem Ausgangspunkt, vom Meer aus denken. Und was sagt Ihr Senat dazu? Der Senat sagt, wir haben da sowieso das Projekt der Elbvertiefung, das ist jetzt mal Meerespolitik und im anderen Bereich haben wir sowieso etwas in der Fachbehörde vorliegen, das ist jetzt mal Meerespolitik. Damit wird der Senat dem intelligenten Ansatz des Grünbuchs keineswegs gerecht.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)