Vielen Dank, Frau Präsidentin! Überzeugungstäterinnen, die nicht gewillt sind, sich zu bessern, bekommen hoffentlich nächstes Jahr im Februar Strafverschärfung.
"Damit legt der Senat gegenüber der Bürgerschaft Rechenschaft über wesentliche familien- und jugendpolitische Entscheidungen und Entwicklungen ab. In einem gesonderten Bericht wird sich der Senat mit den Lebenslagen von Leistungsbeziehern nach Sozialgesetzbuch II und XII (…) befassen, der die besondere Situation von Familien, Kindern und Jugendlichen in diesen Leistungsbereichen beleuchten wird."
Das klingt zwar nett, aber im Klartext heißt es, dass gerade die Familien und Kinder, die am stärksten auf staatliche Hilfen angewiesen sind, in diesem Bericht nicht stattfinden.
Auf 73 nett gestalteten Seiten gibt es fast keine Informationen über die Kinder von Arbeitslosen, über Familien im Sozial- und Transferleistungsbezug, kein Wort über die, die auf solidarische Hilfe besonders angewiesen wären. Frau Dr. Hilgers und Frau Blömeke haben bereits gesagt, dass eine wesentliche Entwicklung, nämlich die der zunehmenden sozialen Spaltung der Stadt, die gerade im Bereich von Kindern und Jugendlichen, wo alle Weichen gestellt werden, so alarmierend ist, bei Ihnen komplett ausgeblendet wird und sie ist auch in der Rede der Senatorin ausgeblendet worden.
Eine wesentliche Entscheidung des Senats ist es offenbar, bestimmte Problemlagen einfach nicht zur Kenntnis zu nehmen. Da wird sich hier hingestellt und gesagt, die Kinderarmut hätte keinen Platz in Hamburg. Wofür sind denn das Löwenhaus und die Arche da und warum gibt es sie, Frau Strasburger? Sie wollen nicht wissen, wie die unterschiedliche Entwicklung der Lebenssituation der Kinder und Jugendlichen in den verschiedenen Stadtteilen Hamburgs aussieht; das ist zynisch.
Dass dies, Frau Senatorin, kein wichtiges Handlungsfeld sein soll, das in so einen Bericht gehört, wie Sie eben sagten, versteht wohl niemand. Übrigens ist auch kein Kind für die Arbeitslosigkeit seiner Eltern verantwortlich.
Meine Damen und Herren! Wenn ein Senat Jahr für Jahr etliche Milliarden Steuergelder zur Verfügung hat, ist es nicht besonders bemerkenswert, davon auch ein paar Hundert Millionen für Kinder, Jugendliche und Familien auszugeben, insbesondere dann, wenn es sich im Wesentlichen um gesetzliche Leistungen oder Rechtsansprüche handelt. Das ist weder bemerkenswert noch eine besondere Leistung, es ist schlicht die Aufgabe dieses Senats; Frau Dr. Hilgers hat es bereits gesagt. Dass bei den Maßnahmen auch ein paar vernünftige sind, liegt in der Natur der Sache. Schließlich haben Sie von uns eine kompetente Verwaltung mit vielen exzellenten Kennern der Materie übernommen.
(Beifall bei der SPD - Zuruf von Klaus-Peter Hesse CDU - Ingo Egloff SPD: Herr Hesse, wol- len Sie das bestreiten?)
Bemerkenswert ist vielmehr, Herr Hesse, dass Sie sich einfach weigern, einen erheblichen Teil der Hamburgerinnen und Hamburger überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Sie schreiben in Ihrem Bericht, die seien nicht wesentlich und deshalb müssten sie auch nicht vorkommen. Frau Senatorin, damit bleiben Sie sogar noch hinter Ihrem Bürgermeister zurück. Der fährt nach eigenem Bekunden immerhin ab und zu, maskiert mit einer Baseball-Cap, durch die von ihm erkannten Problemstadtteile und schaut sich aus dem Auto heraus das Leben genau dieser Jugendlichen an, die Sie bewusst und mit voller Absicht bei Ihrer Politik ausklammern.
Fragen Sie ihn doch einmal, Frau Senatorin, vielleicht leiht er Ihnen mal seine Mütze und, Frau Strasburger, vielleicht kommen Sie auch gleich mit.
In Wahrheit entlarvt dieser Kinder- und Jugendbericht doch Ihre gesamte Politik. Wenn jemand nicht einmal wissen will, wie es den Bedürftigen dieser Stadt geht, wer eigentlich Hilfe benötigt, dann will er in Wahrheit auch nicht helfen und das, Frau Senatorin, ist die Ignoranz und soziale Kälte, die wir Ihnen regelmäßig vorwerfen.
Die Zeichen Ihres Nichthandelns sind zum Teil alarmierend. Im Juni haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bergedorfer Allgemeinen Sozialen Dienstes einen Brief an den Bürgermeister geschrieben. Sie haben Über
lastungsanzeigen gestellt, weil sie nur noch mit unbezahlten Überstunden, Wochenend- und Nachtarbeit die schlimmsten Fälle verhindern und Kinder schützen konnten. Das passt übrigens nicht zu dem, was Sie vorhin erzählt haben, Frau Strasburger, und das war übrigens auch nicht der erste derartige Brief. Mühsam haben wir vor zwei Jahren im Rahmen der Jessica-Untersuchung das Thema ASD und Personal überhaupt nur erörtern können,
Sie tönten stets, alles sei in Ordnung und das Personal reiche aus. Dann wurden irgendwann in den Bezirken zumindest die vorhandenen Stellen wieder besetzt, aber es war auch ganz schnell klar, dass das nicht reichen würde und diese Briefe belegen es. Sie haben seitdem in allen Ihren Berichten geschrieben, dass Sie, wie wir es gemeinsam im Sonderausschuss gefordert hatten, die Sollstärken der ASD-Mitarbeiter überprüfen und gegebenenfalls anpassen würden. Diese Arbeit haben Sie bis heute, mehr als zwei Jahre nach dem Tod von Jessica, immer noch nicht gemacht.
Nun kommt aus Bergedorf wieder einmal Post und was macht der oberste Dienstherr? Gar nichts. Wir haben gestern im Familienausschuss nachgefragt: Es gäbe keinen neuen Sachstand, der Bergedorfer Brief habe überhaupt nichts ausgelöst und die Senatorin sei eigentlich auch gar nicht zuständig.
Meine Damen und Herren! Das ist keine glaubwürdige Politik. Während Sie einen bunten Strauß an Maßnahmen ankündigen und eben auch wieder angedeutet haben, knausern Sie ausgerechnet im Kernbereich des Kinderschutzes.
Frau Strasburger und Frau Schnieber-Jastram haben über einige Seiten dieses ungenügenden Berichts gesprochen, die sie immer wieder gerne betonen. Sie haben dabei auch wieder einige falsche Behauptungen wiederholt. Es stimmt, dass die Kindertagesbetreuung ausgebaut worden ist, aber doch nur, weil wir sie mit einem Volksbegehren durchgesetzt haben, nachdem Sie sie hier immer wieder abgelehnt haben, und die Eltern seitdem Rechtsansprüche haben.
Ebenso stimmt es, dass eine Reihe der Hilfsmaßnahmen für Familien gut und sinnvoll sind. Einen Teil davon haben Sie sich ausgedacht, ein großer Teil hat seinen Ursprung in den Initiativen von uns und auch der GAL und ein nicht unerheblicher Teil ist durch Vorgaben der Bundesregierung möglich geworden, durch rotgrüne Initiativen, die jetzt mit einiger Verspätung auch Hamburg erreicht haben. Nehmen Sie Ihre Verantwortung auch gegenüber den 63.000 Kindern wahr, die in Hamburg in Armut leben.
Wenn Sie nicht endlich akzeptieren, dass Kinder und Familien kein lästiges Anhängsel der wuchernden Stadt sind, wenn Sie nicht endlich beginnen, sich um die zu kümmern, die es nötig haben, dann werden Sie Ihrer Verantwortung gegenüber der Stadt und ihren Bürgerinnen und Bürgern nicht gerecht. Es reicht nicht aus, jede neue Schachtel Buntstifte für eine Hamburger Kita zu feiern, Frau Senatorin. Es ist nicht genug, eine halbe Stelle hier und eine kleine Maßnahme da zu feiern. Hören Sie auf, diejenigen auszublenden, die auf unserer aller Hilfe angewiesen sind; sie sind auch Teil dieser schönen Stadt.
die wir so bei Ihnen noch nicht oft gehört haben; sonst kommt immer gebetsmühlenartig dasselbe. Dieses Mal war auch ein bisschen Arbeitsmarktpolitik darin enthalten, das war ja nicht schlecht, es ist ein bisschen ganzheitlicher gewesen. Aber wirklich innovativ wäre es gewesen, wenn Sie sich hier hingestellt und konkrete Maßnahmen benannt hätten, um diesen 63.000 Kindern zu helfen, am besten gleich mit einem Konzept, welche Zugänge Sie für diese Kinder im Rahmen der Kindertagesbetreuung schaffen wollen. Da nützt es wenig, wenn Sie immer wieder beteuern, dass Sie in die Einrichtungen gehen und bei Ihren vielen Terminen mit den Sorgen und Nöten konfrontiert werden. Das nützt genauso wenig wie Ihr Bürgermeister, der sich hinsetzt und mit den Kindern Kartoffelpuffer isst. Das ist alles gut und schön, aber es kommt nichts dabei heraus. Sie gehen dorthin, aber Veränderungen erleben wir keine. Wir führen keine Mitleidsdebatte, eine Mitleidsdebatte sieht ganz anders aus, wir müssen aber die Probleme benennen.
Wir müssen die Probleme benennen und das passiert im Kinder- und Jugendbericht nicht und das passierte auch in Ihrer Rede eben wieder nicht. Sie haben gesagt, Sie arbeiteten auf drei Ebenen. Da kann man nur feststellen, dass gerade die Ebene der Kindertagesbetreuung eine absolute Schieflage hat. Da passiert gar nichts für die benachteiligten Kinder.
Hilfe erhalten in schwierigen Lebenslagen: Wo passiert denn das? Es fand doch in diesen drei Jahren keine Veränderung statt. Die Kinder nicht berufstätiger Eltern bleiben nach wie vor vor der Kita-Tür, anstatt in der Kita zu sein. Richtig ist, dass ihr Rechtsanspruch im Alter von drei bis sechs Jahren fünf Stunden beträgt. Aber in dem Alter, wo es darauf ankommt, die frühen elementaren Grundlagen zu legen, bleiben die Kinder vor der Tür. Das ist doch keine Hilfe, das ist ein Aussperren.
Noch einen kurzen Satz zur Diffamierung. Sie haben gesagt, wir diffamierten Ihren Kinder- und Jugendbericht. Wissen Sie, wer diffamiert? Ihr Staatsrat,
indem er behauptet, 208 Euro wären ausreichend und von 2,57 Euro könne man einen Fünfzehnjährigen durchaus gesund ernähren. Das empfinde ich als zynisch; das möchte ich an dieser Stelle einmal deutlich sagen. Versuchen Sie einmal selbst, sich von 2,57 Euro zu ernähren. Wenn Sie dann noch einen Fünfzehnjährigen mit diesem Europreis ernähren wollen, dann geht das völlig daneben. Das empfinde ich als zynisch und deswegen geht es bei Ihrer Politik einfach nicht weiter. Das sind auch die Lücken, die wir im Kinder- und Jugendbereich haben, die füllen Sie nicht aus. Sie blenden sie aus, Sie klammern sie aus und ich kann mich nur wiederholen: Alles, was bleibt, ist eine schnöde Selbstgefälligkeit.
Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer einer Überweisung der Drs. 18/6573 an den Familien–, Kinder– und Jugendausschuss zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe. - Enthaltungen. - Dann ist das Überweisungsbegehren angenommen.