Wir kommen zunächst zum Bericht des Wirtschaftsausschusses aus Drs. 18/6926. Wer möchte der darin enthaltenen Ausschussempfehlung zur Drs. 18/5641 folgen? - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das ist bei einer Vielzahl von Enthaltungen so erfolgt.
Wer möchte sich der Ausschussempfehlung aus Drs. 18/5644 anschließen? - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das ist mehrheitlich erfolgt.
Nun zum SPD-Antrag aus Drs. 18/6973. Wer möchte diesen annehmen? - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist mehrheitlich abgelehnt.
Ich rufe den Punkt 31 der Tagesordnung auf, Drs. 18/6976, Antrag der GAL-Fraktion: Eine Zukunft für die Pop- und Rockstadt Hamburg gestalten.
[Antrag der Fraktion der GAL: Eine Zukunft für die Pop- und Rockstadt Hamburg gestalten! - Drs. 18/6976 -]
Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion an den Kulturausschuss überweisen und Herr Müller wünscht das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Lemke, ehrlich gesagt, hätte ich nicht damit gerechnet, dass wir durch die von Ihnen angesprochene Kreativwirtschaft einen solchen Übergang zu dem jetzigen Thema hinbekommen. Das zeigt nur noch einmal, dass Sie keine Ahnung haben, was in der Kreativwirtschaft los ist.
Kommen wir aber zu dem Thema Musik, das wir heute angemeldet haben. Vor drei Tagen ist die Popkomm zu Ende gegangen. Das ist die größte Musikmesse der Welt. Sie hat Besucher aus 57 Ländern angezogen. 15.000 Fachbesucher und 80.000 Festivalbesucher haben dort hereingeschaut. Das wichtigste aber, was man hierzu aus Hamburger Sicht sagen muss, ist, dass diese Messe in Berlin stattfindet. Und Berlin ist nicht mehr die selbsternannte, sondern sie ist inzwischen die Musikhauptstadt.
Dass in Berlin die Musikszene boomt, während uns in Hamburg die Felle davon schwimmen, scheint für Sie in der CDU-Fraktion, aber auch für den Senat, offenbar ein Naturgesetz zu sein. Wir erleben einen Wirtschaftssenator, der mit offenem Mund und den Händen im Schoß zusieht, wie Berlin unsere Talente abwirbt. Ich denke hierbei an den Popkurs, der gerade noch vor sich hin lebt sowie an die vielen Bands, die hier groß gemacht wurden und inzwischen in Berlin sind. Das ist Ihr Verdienst in den Jahren, in denen Sie hier regiert haben.
Herr Uldall, der Erfolg Berlins und die Nachteile Hamburgs sind hausgemacht und sind vor allem von Ihnen verursacht.
Wir haben soeben erlebt, dass Ihnen jegliches Verständnis abgeht, was momentan in den kreativen Szenen dieser Stadt los ist. Ich bin der Meinung, dass es nicht reicht, irgendeine Unternehmensberatung zu beauftragen, etwas herauszufinden, wenn man selbst keine Ahnung hat, was in dieser Stadt los ist.
Wir haben immer noch nichts gehört, wie Sie die hiesigen Talente fördern, geschweige denn, Talente von außerhalb hierher bringen wollen. Daher haben wir ein Programm vorgelegt, wie wir das in dieser Stadt ändern wollen.
Ein Musiker hat mir einmal mit einem etwas lachenden Ausdruck im Gesicht gesagt: Ach, dieser Senat kennt nur alles, was fliegt und was schwimmt. Alles andere spielt für die keine Rolle.
(Inge Ehlers CDU: Und das haben Sie ihm geglaubt? - Gegenruf von Dr. Willfried Maier GAL: Alles, was "brumm, brumm" macht!)
Hierzu muss man nichts mehr sagen. Ich konnte ihm nicht mehr lächelnd zustimmen, sondern nur bestätigen, dass das auch mein Eindruck ist. Mehr ist bei der Wirtschaftsbehörde unter dem CDU-Senat nicht herausgekommen.
Nehmen wir die Filmförderung, die ohne Not mit den Kürzungen gegen die Wand gefahren wurde und auch nicht durch den Zusammenschluss mit SchleswigHolstein in die Nähe einer Wettbewerbsfähigkeit mit den anderen Bundesländern, geschweige denn mit Berlin, gekommen ist.
Ebenso haben Sie vor zwei Jahren einfach sang- und klanglos die Finanzierung des Popkurses verschwinden lassen. Wir können froh sein, dass der Medienunternehmer Frank Otto in dieser Zeit die Finanzierung gerettet hat. 150.000 Euro jährlich sind dafür notwendig. Sie waren nicht in der Lage, dieses Geld im Haushalt zu bewegen. Wir haben in den letzten Haushaltsverhandlungen einen Vorschlag unterbreitet, wie das Geld zustande kommen kann und es wäre kein Problem gewesen, das auch zu tun.
Jetzt haben wir in den Zeitungen lesen müssen, dass Sie die Idee mit einer Stiftung haben. Das werden wir uns genau anschauen, wenn Sie dann in der Lage sind, dem Parlament Ihre genauen Vorstellungen vorzulegen. Für diesen Popkurs ist es fünf Minuten vor zwölf und ich hoffe, dass das, was wir in den Zeitungen lesen konnten, nicht nur eine Marketingblase war, sondern auch bald Realität wird.
Für die Betroffenen, die jetzt weggegangen sind, ist es bitter, dass man keinen Blick für die Realitäten in dieser Szene hat und keine Wirtschaftsförderung erhält. Tocotronic, die Gruppe Seeed und viele andere wären gern in dieser Stadt geblieben,
aber wenn diese Bands verdienen wollen und ihre Songs an die Menschen bringen möchten, dann müssen sie momentan nach Berlin gehen, was sie gar nicht unbedingt wollen, aber müssen, um zu bestehen. Manche pendeln auch, denn das geht inzwischen sehr gut.
Aber das ist eine Situation, die hier geschaffen wurde und wir haben hier heute Maßnahmen vorgelegt, die wir gleich ansprechen werden, wie wir diese Situation wieder ändern können. Hierbei hoffen wir auf Ihre Mithilfe, denn das ist keine Sache, die das Parlament sozusagen in der Mitte teilen sollte, sondern wir sollten alle gemeinsam diese schwierige Situation, die Berlin uns hier geschaffen hat, einerseits durch Ihr Nichtstun und andererseits durch eine sehr geschickte Politik des Berliner Senats
Die Hamburger Band oder fast schon die "ehemalige" Hamburger Band Tocotronic - die Lieblingsband des Ersten Bürgermeisters - hat auf der CD "Diverse Menschen Deiner Stadt" ein paar sehr gute Sätze gesungen, die ich zitieren möchte:
"Diverse Menschen in deiner Stadt, haben uns schon lange satt. Wir passen nicht so ganz hierher und sie verachten uns dafür."
- Nein, das war kein Selbstgespräch, sondern der Songtext von Tocotronic. Aber die Frage ist nicht untypisch aus dieser Richtung. Das war mir klar, dass das für Sie böhmische Dörfer sind.
Die Band Tocotronic wird inzwischen von einem Berliner Label sehr erfolgreich verlegt. Hin und wieder kommen sie mal nach Hamburg und spielen, wie beispielsweise zum Reeperbahn-Festival, das im Übrigen heute beginnt. Das zur Information für die Seite, die das noch nicht mitbekommen hat.
Es ist wirklich Zeit für einen Kurswechsel und es ist noch nicht zu spät. Wir wollen Ihnen nur ein paar Vorschläge unterbreiten, die Sie auch im Antrag lesen können. Wir finden es auch sehr schade, dass Sie mit uns hierüber noch nicht einmal im Ausschuss reden wollen.
Das tut mir nicht nur für die Betroffenen Leid, sondern ich finde es auch bedauerlich, dass im Wettbewerb der politischen Ideen nicht einmal die Bereitschaft vorhanden ist, darüber zu diskutieren. Ich kann das nicht verstehen und ich glaube, die Musiker und die Musikwirtschaft auch nicht.
Was brauchen wir für Hamburg? Wir benötigen intelligente Vermarktungshilfe für diese Labels. Wir brauchen Hilfe nach draußen. Wie das geht, macht Ihnen das "Hamburger Abendblatt" vor, die bereits zum zweiten Mal eine Compilation mit Hamburger Bands herausgebracht hat. Das macht Ihnen "NDR 90,3" vor, der im Schmidt Theater Hamburger Musikerinnen und Musiker sowie Bands die Chance geben, sich vorzustellen.
Es wäre sehr schön, wenn der Hamburger Senat in Zukunft auch eine Idee hätte, wie man diesen Bands helfen kann und die Hamburger Musikszene auch über unsere Grenzen hinaus bekannt machen kann, wobei es aber auch schon gut wäre, wenn die Hamburgerinnen und Hamburger selbst sie kennenlernen würde. Hierfür haben wir einen Vorschlag vorgelegt.
Es ist ganz klar: Hamburg ist eine Konzertstadt, aber irgendwo muss die Musik auch stattfinden. Das Problem ist, dass uns eine Konzerthalle mittlerer Größe fehlt. Wir plädieren nicht dafür, dass die Stadt eine Halle baut, sondern wir plädieren dafür, dass denjenigen, die eine Halle bauen wollen, auch geholfen wird, und zwar planerisch und natürlich auch hinsichtlich der Standortfrage. Das ist das Einzige, was die Konzertwirtschaft von uns vielleicht erwartet, ihnen hierbei zu helfen. Das ist nicht viel, aber es ist sehr wichtig und notwendig.
Was auch ganz wichtig ist - das sagen Ihnen alle, die in der Musik tätig sind - ist, dass wir endlich eine größere Bühne für diese neu entstehende Musik benötigen. Wir brauchen ein redaktionelles Musikradio. Ob das nun über den NDR oder aus privater Hand kommt ist für die Betroffenen erst einmal egal.
Hierfür wollen wir uns als Grüne stark machen und mit dem NDR reden. Wir machen natürlich zusätzlich einen
Aufruf an den Medienrat Schleswig-Holstein und Hamburg, auch private Sender, die dieses Konzept verwirklichen und hierfür Frequenzen freimachen wollen, bevorzugt anzusprechen. Aber das muss politisch gewollt sein und man muss dann als Bundesland Hamburg auf den NDR-Staatsvertrag und andere Bundesländer auch Einfluss nehmen.
Schauen Sie sich Berlin-Brandenburg an, die bis jetzt bereits drei redaktionelle Musiksender haben. Dort findet Musik statt und dort findet neue Musik auch neue Zuhörerinnen und Zuhörer. Hier in Hamburg bleiben sie in den Nischen. Das ist auch ein weiterer Grund, warum viele nach Berlin gehen. Das ist also ein ganz wichtiger Punkt und kostet der Stadt nichts, außer ein wenig Mühe, zu der Sie offenbar nicht einmal bereit sind.
Es gab - vielleicht haben Sie das ein bisschen über Ihre Kollegen aus dem Bezirk Mitte mitbekommen - ein Gutachten, was die Bedürfnisse der St. Pauli-Musikwirtschaft und der dortigen Labels untersucht hat. Einer der wichtigen Punkte - was auch nichts kostet - ist, dass sie einen Ansprechpartner für alle Musikfragen in der Stadt Hamburg haben wollen. Und in diesem Gutachten, was Ihren Kollegen aus dem Bezirk Mitte vorliegt, war ganz deutlich herauszuhören, dass dieser Ansprechpartner der Bezirk Mitte sein soll, weil er am meisten Erfahrung hat und jetzt auch schon sehr viele Kapazitäten bereitgestellt hat, seitens der Behörde entsprechend Rat für die Live Musik Clubs, für die Konzertveranstalter und für die kleinen Labels zu geben. Das alles kann sofort beginnen, allerdings muss der Senat das beschließen, wozu ein Bezirksamt nicht in der Lage ist. Auch hier würde ich mir von Ihnen ein wenig mehr Zuhören und mehr Offenheit wünschen.