Protokoll der Sitzung vom 18.06.2004

Können wir weitermachen?

(Bernd Reinert CDU: Gleich! – Gegenruf von Dr. Willfried Maier GAL: Hatten Sie eine Schu- lung? – Christian Maaß GAL: Das ist langsam ein bisschen peinlich!)

Als nächste hat Frau Güçlü das Wort.

(Unruhe im Hause – Glocke)

Keine weiteren Diskussionen, Frau Güçlü hat das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Senatorin, Sie haben gesagt, Sie würden niemanden im Stich lassen, der Ihren Schutz braucht. Eben habe ich aus Ihrem Beitrag herausgehört, dass Sie meinen, die Frauen, die den Weg ins Frauenhaus nehmen, schienen diesen zu gehen, weil sie eine Art von Frauenhaustourismus betrieben. Ich kann Ihnen in Kenntnis der Zustände in den Frauenhäusern versichern, dass das nicht der Fall ist. Ich werde nachher noch darauf eingehen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Ich möchte aber zunächst mit einem anderen Punkt beginnen. Wie Sie sicherlich aus der Presse mitbekommen haben, haben wir jetzt endlich eine Einigung über das Zuwanderungsgesetz erzielen können. Es ist sicherlich in vielen Punkten noch verbesserungswürdig. Ich denke aber, es bildet eine Grundlage und ist ein Schritt in die richtige Richtung. Hamburg täte gut daran, jetzt schon mit Weitsicht die organisatorischen und finanziellen Vorbereitungen für die Implementierung des Zuwanderungsgesetzes vorzubereiten. Es wird Hamburg und unseren Bürgermeister wahrscheinlich auch sehr freuen, dass der Bund hierbei die Kosten für die so genannten Integrationskurse übernommen hat.

(Bernd Reinert CDU: Wessen Verhandlungserfolg war das?)

Ich erinnere mich noch an die Bürgerschaftswahlen und an den Wahlkampf. Da ist die CDU und vor allem unser Bürgermeister damit angetreten, dass er gesagt hat, die Integration von männlichen und weiblichen Zuwanderern sei eine Aufgabe hoher Priorität. Ich erinnere mich, ihn auf dem Sofa in "Oriental Night" sitzen zu sehen, mit dem Versprechen, sich mehr für die Integration einzusetzen, aber auch wohl betonend, dass er das gesellschaftliche Zusammenleben mit männlichen und weiblichen Zuwanderern als große Bereicherung empfinde.

(Beifall bei Antje Möller GAL)

Jetzt sehe ich mir seine Politik an und muss erschreckt feststellen, dass er und unsere Sozialsenatorin genau den umgekehrten Weg gehen.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Bernd Reinert CDU: Dann haben Sie ein Wahrnehmungsprob- lem!)

So haben wir schon gleich im Haushaltsjahr 2002 – das liegt zwar etwas zurück, aber da hat es ja schon begonnen –, gleich zu Anfang und ohne fachliche Auseinandersetzung eine dramatische Mittelkürzung gehabt und zwar genau da, wo die Integrationsarbeit geleistet wird, bei den Hamburger Integrationszentren, gleich mit dem Hammer, 30 Prozent.

Dieser Zustand ist auch im Haushalt eingefroren. Das ist derselbe Zustand, das heißt, da ist nichts dazugekommen. Schlimmer noch, wir haben das Büro der Hamburger Ausländerbeauftragten abgeschafft und einen Integrationsbeirat ins Leben gerufen,

(Frank-Thorsten Schira CDU: Das war doch nur Verwaltung!)

der strukturell so angelegt ist, dass er im Grunde genommen gar nicht zu handeln fähig ist. Aber das scheint ideologisch gewollt.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Ich möchte Ihnen jetzt deutlich machen, an welchen Stellen im Haushaltsplan 2004 sich die massiven Kürzungen im Hinblick auf Integrationsarbeit weiter fortsetzen, auch wenn man sie vordergründig nicht erkennen mag, Herr Schira. Gestern schon hat unsere Fraktionsvorsitzende auf die Streichung der Erzieherinnenausbildung aufmerksam gemacht. Das ist ein großes Erfolgsmodell, das einfach heruntergefahren wird, und zwar gleich auf Null und das in Zeiten, wo wir wissen, dass die Arbeitslosenquote unter Menschen mit Migrationshintergrund leider

doppelt so hoch ist wie unter Einheimischen. Wo ist hier die besondere Förderung, frage ich?

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Ähnliches betrifft auch die Umschichtung im Schulbereich, wie das unsere Schulsenatorin gestern deutlich gemacht hat. Hier fallen besondere Förderprogramme weg, Sprachprogramme, muttersprachliche Programme und das, obwohl wir wissen, dass Kinder eine Zweitsprache am besten lernen, wenn sie auch in der Muttersprache gestärkt werden. Wo sind hier die Verbesserungen, frage ich Sie?

Ein weiterer Bereich ist natürlich die Arbeit im Bereich der Weiterbildung. Dass der Frauentitel im Bereich der Schulbehörde ersatzlos gestrichen wird, wird zu 50 Prozent Frauen mit Migrationshintergrund treffen, weil sie noch einmal ganz deutlich stärker von Arbeitslosigkeit betroffen sind und weil sie diese Angebote in Anspruch nehmen. Das ist unverantwortlich, gerade auch vor dem Hintergrund, dass wir wissen, dass viele Migrantinnen durchaus Qualifikationen mitbringen und das Problem nur darin besteht, dass ihre Qualifikationen hier nicht anerkannt werden. Das ist eigentlich der Bereich, in dem etwas passieren müsste.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Ich komme jetzt noch einmal auf das Frauenhaus zurück. Die Frauenhäuser sind völlig ausgelastet. Ich möchte das, was Frau Brinkmann gesagt hat, nur unterstützen. Es ist traurig, dass es so ist. Es ist auch Fakt, dass Frauen an andere Bundesländer weitervermittelt werden müssen, weil Sie den Schutz suchen und brauchen. 50 Prozent dieser Frauen sind Frauen mit Kindern und circa 50 Prozent sind Frauen mit Migrationshintergrund. Diese Frauen brauchen den Schutz und wenn dieser Schutz den Frauen versagt wird, dann handelt die Politik hier fahrlässig

(Michael Neumann SPD: Vorsätzlich!)

und billigt, dass Frauen in Gefahr kommen. Das möchte ich deutlich sagen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Durch die Schließung des ersten Hamburger Frauenhauses – hinter der ich die Möglichkeit vermute, diese Immobilie zu veräußern, denn es ist ein interessantes Objekt – wird eigentlich die Täter-Opfer-Rolle vertauscht. Es sind doch die schlagenden Männer, die hier die Kosten verursachen, und nicht die Schutz suchenden Frauen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Bitte schön, suchen Sie sich Modelle und holen Sie sich das Geld bei den schlagenden Männern.

Ich möchte darauf verzichten, auf weitere Kürzungen einzugehen. Ich möchte nur deutlich machen, Herr Bürgermeister und Frau Sozialsenatorin, Ihr Verständnis von Integrationspolitik, Ihr Verständnis von Frauenförderung unterscheidet sich ganz gravierend von dem, was wir hier in der Stadt brauchen. Ihr Frauenbild in der Frauenpolitik – wir haben das auch 2002 mit den ganzen Reduzierungen im Frauenbereich gesehen – ist das Bild, dass wir die Frauen wieder heim zurück am Herd haben wollen. Dann können wir uns auch den Kita-Gutschein sparen.

Mit der Integration verhält es sich im Grunde nicht anders. Wir müssen beginnen, hier umzudenken. Es wäre schön, Frau Senatorin, wenn Sie zuhören würden,

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Das kann sie nicht! – Gegenruf von Frank-Thorsten Schira CDU: Das kann sie schon!)

denn ich glaube, das sind ganz wichtige Punkte. Statt die Diskussion mit sicherheitspolitischen Gedanken zu überschatten, wäre es wichtig, hier zu gucken, wie das tatsächlich gelingen kann, denn wir haben alle ein Interesse daran, unsere Gesellschaft und den sozialen Frieden in unserer Gesellschaft zu erhalten. Ich glaube, unser Innensenator hat dazu bisher eigentlich gar nichts beigetragen.

(Bernd Reinert CDU: Im Gegenteil!)

Ich glaube, unser Innensenator sollte sich vielleicht auch einmal Gedanken darüber machen, dass der Schutz von Frauen auch eine Frage der inneren Sicherheit ist.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Meine Damen und Herren, Integrationspolitik kann nicht nur von denjenigen geleistet werden, die hier zuwandern. Eine moderne Integrationspolitik bezieht natürlich auch die Einheimischen mit ein. Adressat von Integration sind beide Seiten. Wir können nicht auf der einen Seite anerkennen, dass wir ein Einwanderungsland sind, auf der anderen Seite aber verweigern, dass sich das auch in unseren Strukturen niederschlägt. Es wird Zeit, dass wir uns darüber Gedanken machen, wann und wo wir die interkulturelle Öffnung einleiten. Vielleicht ist unser Innensenator auch darüber informiert, dass sich selbst Bayern und dort München eine Beauftragte für interkulturelle Öffnung leisten kann.

(Beifall bei der GAL)

Meine Damen und Herren, Globalisierung ist die Öffnung einer Gesellschaft nach außen. Ich bin überzeugt, die interkulturelle Öffnung ist die nach innen, denn es will mir nicht einleuchten, warum wir ins Ausland fahren, um unseren geistigen Horizont zu erweitern, aber im Inland den Kontakt mit den Menschen nicht suchen. Das ist ein Widerspruch.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Ich denke, faktisch sind wir ein Einwanderungsland geworden. Wir sind aber hier in Hamburg noch weit entfernt von einer Kultur zur Einwanderung. Dafür bitte ich um Konzepte und biete auch unsere Unterstützung an. – Danke schön.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Jetzt hat Frau Brinkmann das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Herr Schira! Meine Selbstempörung oder, wie Sie es letztes Mal meinten, meine Gene …

(Zuruf von Frank-Thorsten Schira CDU)

das haben Sie letztes Mal gesagt: Das müsse an meinen Genen liegen. Das können Sie nachlesen. –

(Heiterkeit bei der CDU)