Protokoll der Sitzung vom 27.09.2007

Wir haben, als wir die Hamburgische Verfassung geändert haben, ganz bewusst die Regelung in die Verfassung aufgenommen, dass ein durch Volksentscheid zustande gekommenes Gesetz nicht innerhalb von zwei Jahren durch einen erneuten Volksentscheid geändert werden kann. Genau das steht in der Verfassung und genau das halten wir für richtig. Das heißt aber auch, dass die letzte Verantwortung nach der Hamburgischen Verfassung weiterhin beim Parlament, bei dieser Bürgerschaft, liegt. Das - das ist meine tiefste Überzeugung - ist auch richtig so.

(Beifall bei der CDU)

Ich stelle mir auch die Frage, warum es eigentlich jetzt so erleichtert werden muss, die Hamburgische Verfassung per Volksentscheid zu ändern.

(Doris Mandel SPD: Weil Ihr das verbrochen habt!)

Wir haben in 55 Jahren hamburgischer Verfassungsgeschichte gerade einmal zehn Änderungen der Verfassung gehabt. Das heißt, dass wir mit dieser Verfassung und mit den Regularien, die darin stehen, hervorragend gefahren sind. Weshalb soll künftig eine Minderheit die Verfassung ändern dürfen, wenn die Mehrheit und alle Hamburger davon betroffen sind?

(Beifall bei der CDU)

Bei der Verfassung, der Grundlage unseres Zusammenlebens, geht es nicht darum, Regeln zu etablieren, die Änderungen möglichst leicht machen, sondern es muss darum gehen, die Regeln so zu schaffen, dass sie von einem möglichst breiten Konsens getragen werden.

(Manuel Sarrazin GAL: Das hat der Bürgermeister aber ganz anders gesagt!)

Mit Ihrer Änderung machen Sie das genaue Gegenteil.

(Beifall bei der CDU - Dr. Andreas Dressel SPD: Sie machen es unmöglich!)

Ich möchte dann noch ganz kurz auf ein, zwei Stilaspekte eingehen. Frau Goetsch, Sie sollten sich wirklich einmal ansehen, wer in dieser Sache Ihre Bündnispartner sind. Ihre Bündnispartner von "Mehr Demokratie" distanzieren sich in einer Presseerklärung sehr lauwarm von den Beschädigungen der CDU-Plakate - ich will jetzt gar nicht auf ein mögliches Vorbild für solche Aktionen eingehen -, sagen in derselben Erklärung im Schlusssatz aber auch sinngemäß, dass wenn die CDU solche Positionen vertritt, sie selbst Schuld hat, wenn ihre Plakate kaputtgemacht werden.

(Erhard Pumm SPD: Lesen Sie die doch einmal vor!)

Das sind Ihre Bundesgenossen.

(Beifall bei der CDU)

Genau dieselben Leute - in diesem Falle Frau Gardiner - erklären unter dem Datum vom 24. September:

"Ungeklärt ist weiterhin, auf welcher Rechtsgrundlage der Bürgermeisterbrief erfolgte."

(Glocke)

Hier kann ich Nachhilfe geben - und das ist der letzte Satz, Herr Präsident: Artikel 5 Absatz 1 Grundgesetz:

"Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten […]. Eine Zensur findet nicht statt."

- Auch nicht durch Sie.

(Langanhaltender Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Neumann.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen, meine Herren! Was Stilberatung angeht, Herr Reinert und Herr von Beust, scheinen Sie dieselbe zu haben. Sie tragen heute immerhin die gleichen Krawatten.

(Karen Koop CDU: Das ist ja eine staatstragende Aussage. Das gibt es ja wohl nicht!)

Das scheint zumindest in dem Stilbereich - abgestimmt zwischen der CDU und dem Senat - zu funktionieren, auch wenn es ein Werbegeschenk der Kommission anlässlich der G8-Präsidentschaft ist.

Herr Reinert, Sie haben gesagt, dass wir in Hamburg bisher hervorragend mit der Hamburgischen Verfassung gefahren sind. Dann denken Sie doch einmal darüber nach, weshalb die Menschen - es haben über 100.000 in der zweiten Stufe unterschrieben - zu dem Ergebnis gekommen sind, dass wir mit dieser Form der Verfassung offensichtlich nicht mehr hervorragend fahren, weil diese Verfassung es eben möglich macht, dass Ihre Fraktion und dieser Senat den Volkswillen dauerhaft missachten.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das ist doch die zentrale Frage: Warum diskutieren wir überhaupt hier im Hause und auf den Straßen - wie der Herr van Vormizeele, der das immer so tapfer vorgibt zu tun? Wir diskutieren darüber, weil offensichtlich die Menschen jedwedes Vertrauen in den Hamburger Senat verloren haben, dass Volksentscheide ernst genommen werden. Sonst wäre dieses ganze Verfahren zur Verfassungsänderung überhaupt nicht notwendig. Sie haben mit Ihrer Politik diese Reaktion provoziert. Sie klagen jetzt darüber, dass die Gespenster kommen, die Sie vorher riefen. Es ist Ihre Politik, die das zu verantworten hat.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Thema Geschichte: Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass Herr von Beust und ich uns einmal über Geschichte unterhalten, aber das ist auch etwas. Wenn man sich die Volksentscheide oder die Entscheide anschaut, die es in Weimar gab, können Sie auch Ihrer Freundin, der Prinzessin von … - Wo kam die her?

(Dr. Andreas Dressel SPD: Schleswig-Holstein!)

(…) Schleswig-Holstein sagen: Auch in Weimar ist die Volksabstimmung über die Enteignung der Fürsten abgelehnt worden. Das Volk hat solche schlimmen Dinge nicht gegen den Adel beschlossen. Sie sehen also, Sie müssen gar keine Angst davor haben. Das Volk ist wesentlich klüger, als Sie denken. (Beifall bei der SPD und der GAL)

Immerhin hat der Bürgermeister heute beim Thema Volksentscheid das Wort ergriffen. Es scheint ihm wichtig zu sein, anders als gestern, wo er es nicht für nötig befand, in die Diskussion einzusteigen. Ich habe auch das Glück gehabt, solch einen Brief zu bekommen von einem Herrn von Beust, Leinpfad 74. Ich dachte mir gleich: Aha, er hat die Wohnung in St. Georg noch nicht gekündigt. Ich habe den Brief aufgemacht. Darin stehen einige Argumente. Zum einen, dass Hamburg bisher die günstigsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Volksgesetzgebung habe.

(Bernd Reinert CDU: Ja, super!)

War das die Entscheidung der CDU?

(Bernd Reinert CDU: Haben wir das übernommen oder nicht?)

Oder war es nicht eher so, dass das Volk sich auch das gegen den parlamentarischen Willen und gegen die Hamburger CDU ertrotzen und erkämpfen musste?

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Dann steht hier, die bewährte Hamburger Verfassung könne sich ändern. Ich meine, Herr von Beust hat 1993 als Prozessbevollmächtigter selbst seine Erfahrungen gemacht, als das Verfassungsgericht entschieden hat, dass die Kandidatenaufstellungen der CDU verfassungswidrig gewesen sind.

(Karen Koop CDU: Jetzt kommt die alte Leier wie- der. Bleiben Sie doch bei der Sache!)

Da haben Sie eine Niederlage erlitten. Von daher kann kaum jemand besser beurteilen, ob unsere Verfassung wirklich greift oder nicht. Sie haben mehrere Niederlagen - als Bürgermeister und als Rechtsanwalt - erlitten.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Zu guter Letzt schreibt Herr von Beust, wo Demokratie drinsteht, solle auch Demokratie drin sein. Diesen Maßstab hätten Sie bei Ihrem eigenen Brief auch anlegen müssen, Herr von Beust.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Dann bekommt das Wort der Abgeordnete Dr. Steffen für maximal zwei Minuten.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Das mit dem Vorbild, Herr Reinert: Sie meinten offensichtlich den Bürgermeister, der einmal über Plakate Ihres früheren Koalitionspartners gesagt haben soll, dass er das nicht ganz so schlimm finde, wenn die beschädigt würden. Darauf haben Sie offensichtlich angespielt, als Sie eben über Ihre Plakate geredet haben.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Aber ich will noch einmal sagen: Es geht im Kern der Auseinandersetzung um die Frage, welcher Schaden eigentlich entsteht, wenn tatsächlich Volksentscheide entscheiden können und wir tatsächlich Sicherungen in die Verfassung einbauen, die eine Verbindlichkeit der Volksentscheide gewährleisten sollen. Welcher Schaden entsteht dadurch? Welcher Schaden entsteht, wenn wir uns auf Auseinandersetzungen zum Beispiel über den Verkauf der Krankenhäuser einlassen und wirklich die Regierung in der Verantwortung ist, die Bürgerinnen und Bürger davon zu überzeugen, dass ihre Gesundheitsversorgung gewährleistet ist, auch wenn die Krankenhäuser verkauft werden? Welcher Schaden würde entstehen im Vergleich zu der Situation, die wir jetzt erreicht haben? Der Schlamassel, den Sie beim LBK angerichtet haben - so schlimm hätte ein noch so populistisch irregeleitetes Volk diese Frage gar nicht entscheiden können.

(Beifall bei der GAL und der SPD)