Protokoll der Sitzung vom 23.01.2008

(Dr. Andreas Dressel SPD: Und Sie erst, Herr Jäger!)

Deshalb bin ich überzeugt davon, dass Sie von der SPD nach den Wahlen Vernunft annehmen werden und mit uns gemeinsam in Berlin auch die erforderlichen Änderungen im Strafrecht beschließen werden.

(Beifall bei der CDU)

Frau Möller hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich muss es leider jetzt zum dritten Mal ansprechen. Ich habe mir die alten Debatten, die wir dazu geführt haben - die eine im März 2007, die andere im

November 2007 - noch einmal angeschaut. Auch da habe ich mich jedes Mal gefragt, wann wir das eigentlich fachlich mit Ihnen von der CDU diskutieren. Sie sind bei diesem Thema so angepiekt, dass es überhaupt nicht mehr möglich ist, inhaltlich auch nur wirklich einen einzigen Punkt ernsthaft zu diskutieren oder eine Meinung darüber auszutauschen. Herr Jäger, Sie haben das auch diesmal wieder getan. Sie steigen vehement ein, allerdings statt mit der Verteidigung und Werbung um Akzeptanz und Überzeugung für Ihr Konzept mit einer Beschimpfung der SPD,

(Gerhard Lein SPD: Der kann nicht anders!)

ohne dass Sie inhaltlich in irgendeinem Punkt auf den SPD-Antrag eingehen. Dann kommt im Mittelteil Ihrer Rede mit, ich glaube, fünf Sätzen die Beschreibung des Konzepts und dann endet die Rede wieder mit einer Beschimpfung der SPD. Das könnte uns als GALFraktion oder mir als innenpolitischer Sprecherin der GAL-Fraktion natürlich egal sein, weil Sie sich mit uns gar nicht beschäftigt haben. Das müssen Sie auch nicht, aber mir wäre es lieb gewesen, Sie hätten sich mit Ihrem Konzept beschäftigt.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Immerhin hat es ein Jahr gedauert, bis der Senat überhaupt eins zustande gebracht hat. Alles, was Sie noch einmal hergeleitet haben - im Herbst 2006 und Hamburg immer voran und so weiter -, das haben wir auch alles schon dreimal besprochen. Interessant ist nur Ihre Schlussfolgerung, dass es sich in Wirklichkeit gar nicht um ein hamburgisches Problem handelt - das scheinen Sie noch einmal für nötig gefunden zu haben, dies zu sagen -, sondern um ein bundesweites Problem.

Darum würde ich gerne wieder auf die Innenausschussdebatte zurückkommen, in der der Senator sehr deutlich gesagt hat, dass sich das Konzept, das wir vorgelegt bekommen haben, sehr wohl ganz speziell auf die hamburgische Situation bezieht und deswegen so lange gebraucht hat und genau abgewogen worden ist. Daran habe ich doch ganz große Zweifel. Der Kollege von der SPD hat schon das Aufspringen auf das Kochsche Pferd oder auf den lahmen Esel - je nachdem, wir werden es am Wochenende sehen - des Senators erwähnt. Obwohl das Konzept noch nicht beschlossen war, waren plötzlich Jugendcamps das neue Wundermittel. Das haben wir alle in der Zeitung lesen können. Kaum hatte Herr Koch vom Jugendcamp geredet, hat auch Herr Nagel vom Jugendcamp geredet. Interessant ist dann allerdings, dass wir im Innenausschuss zu diesem Stichwort nichts fragen durften und auch keine Antworten bekommen haben, weil der Senator dazu natürlich nichts sagen wollte. Vielleicht ist Ihr verqualmtes Büro doch nicht so gut für die richtigen Ideen, Herr Senator.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Denn es bleibt doch - auch wenn der Kollege Maier das Verqualmen von Büros unterstützt - die Frage, wie beliebig eigentlich dieses Konzept ist. Was wollen Sie tatsächlich in die unterschiedlichen Behörden, die beteiligt sein müssen, hineinbringen? Was soll in diese Amtsleiterrunde, die die große Federführung bei diesem Thema hat, als ernsthafte Arbeitsaufgabe hineingetragen werden? Ich zitiere noch einmal einen Satz aus der Drucksache. Der ist kompliziert, aber ich lese ihn auch zwei oder drei Mal, bis ihn alle verstanden haben. Das sage ich einmal vorweg. Zitat:

"Darüber hinaus wird die Amtsleiterrunde in den kommenden zwei Jahren darauf hinarbeiten, eine systematische, an den oben genannten Handlungsansätzen orientierte kontinuierliche Ergänzung und Überprüfung aller Maßnahmen von der Primärprävention bis zur Strafverfolgung vorzunehmen."

Ich fasse den Satz kurz: Die Amtsleiterrunde wird in den nächsten zwei Jahren darauf hinarbeiten, eine systematische Ergänzung und Prüfung aller Maßnahmen vorzunehmen. Das ist richtig praktisch und es hat so richtig mit dem Umsetzen von Konzepten zu tun. - Eben nicht und das ist das große Problem.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Fangen wir bei der Primärprävention an. Primärprävention taucht unter dem Stichwort Handlungsansatz auf. Primärprävention - für die, denen sich das Wort nicht gleich erschließt - hat etwas mit damit zu tun, wie es den Kindern und Jugendlichen in dieser Stadt geht. Was ist mit Armut, was ist mit Ausgrenzung, was ist mit Bildungsnotstand und was ist mit eigenen Gewalterfahrungen? Also, Stichwort Handlungsansatz. Bei den Maßnahmenbeschreibungen kommt das Stichwort nicht mehr vor. In diesem Handlungskonzept des Senats gibt es keine Maßnahmenbeschreibung für das Stichwort Primärprävention. Das ist das Hauptmanko an diesem Konzept.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Gäbe es ein ergänzendes Konzept der Sozialbehörde, der Schulbehörde oder einer anderen Behörde, die sich tatsächlich für die soziale Situation in dieser Stadt verantwortlich fühlt, wäre das gut. Aber das gibt es nicht. Es gibt keine ergänzenden Erklärungen, es gibt nichts in diesem Bereich der Primärprävention. Dafür wurde Straßensozialarbeit abgebaut. Dafür haben Häuser der Jugend am Wochenende geschlossen. Die Kollegin Blömeke wird dazu sicherlich noch mehr Details haben.

Ein weiteres Beispiel für die durchschlagende Kraft, die dieses Konzept höchstwahrscheinlich haben wird, sind die großen Absätze über "Ausbildung/Fortbildung" und "Berufsübergreifende Fortbildungskonzepte" für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die dieses Konzept umsetzen wollen. Dazu gibt es eine Seite Text, allerdings keine Haushaltsmittel. Auf Nachfrage im Innenausschuss wurde uns mitgeteilt, dass sich diese Mittel durch Umschichtung fänden. Es sind ganz große Fortbildungsmaßnahmen geplant. Kein einziger Euro wird dafür zusätzlich zur Verfügung gestellt. Das ist eine Farce.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Weil wir es auf Seiten der CDU bei diesem Thema scheinbar so gerne populistisch haben, möchte ich aus dem Periodischen Sicherheitsbericht der Bundesregierung des Jahres 2006 zwei Punkte erwähnen. Das ist ein Sicherheitsbericht, der, weil er der Großen Koalition entstammt, auch der CDU gefallen müsste. Dort wird erstens sehr deutlich gesagt, dass das Jugendstrafrecht, das wir haben, in seinen allgemeinen und konkreten Maßnahmen ausreichend sei und keiner Veränderung bedarf, Punkt 1. Der zweite Punkt ist, dass dort sehr vorsichtig - das ist ein seriöser Bericht - formuliert wird, dass entgegen der Alltagsmeinung, die zum Beispiel Herr Trepoll vorhin schon vertreten hat und die auch Herr Dr. Dräger eben vertreten hat und vielleicht - Herr Warnholz, Sie sind jetzt schon im Gespräch - auch Herr Warnholz gleich noch

vertreten wird, die ich gerne als Stammtischmeinung bezeichnen würde, nämlich dass Abschreckung das entscheidende Mittel sei, um etwas gegen Jugendkriminalität zu machen, genau dieser Abschreckungswirkung von Strafe in der wissenschaftlichen Forschung statistisch keine messbare Bedeutung zukommt. Im Übrigen verhindert sie auch nicht messbar die Rückfallwahrscheinlichkeit. Damit sind wir wieder genau bei der Frage, wo die Debatte anfangen muss. Die Debatte und die Umsetzung von Maßnahmen müssen bei der Prävention anfangen, bei der Situation der Kinder, Jugendlichen und Familien in dieser Stadt.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Genau an der Stelle ducken Sie sich weg, meine Damen und Herren von der CDU.

Jetzt aber noch einmal zum SPD-Antrag. Wir teilen im Großen und Ganzen - das wissen Sie auch aus den Innenausschusssitzungen - die Kritik an der Arbeit der eigentlich dafür zuständigen Behörden. Wir haben uns ein bisschen deutlicher als die SPD dazu positioniert, dass wir den Ansatz, die Federführung bei der Innenbehörde zu belassen, für völlig falsch halten. Im Detail würden wir inhaltlich - deswegen haben wir auch um eine punktuelle Abstimmung gebeten - einem Teil der Maßnahmen - vor allem im präventiven Bereich -, die Sie auch beschreiben, zustimmen. Aber, ich habe das eben schon angekündigt, die gesetzlichen Verschärfungen tragen wir nicht alle mit.

Zwei Punkte möchte ich gerne herausgreifen. Wir halten sehr viel von Antigewalttrainings, von Coolnesstrainings und Ähnlichem. Wir halten vor allem viel von diesen Maßnahmen als Präventionsmaßnahme. Wenn sie dann durch richterliche Entscheidung auch Intensivtätern - Jugendlichen, die immer wieder durch Gewalttätigkeit auffallen - auferlegt werden, ist das auch richtig. Wir sehen keine Notwendigkeit, sie obligatorisch einzuführen, so wie die SPD das möchte. Denn dann würde das Konzept verwässert werden. Aber das sind Details, für die wieder eine lange Debatte notwendig wäre.

Das Alkoholverbot ist sicherlich ein Thema, das uns auch in die nächste Legislaturperiode hinein begleiten wird. Die Überprüfung des Verkaufs von Alkohol unterstützen wir, dem Alkoholverbot selber stimmen wir nicht zu. Genauso würden wir gerne länger über die Notwendigkeit streiten, das Kontakt- und Näherungsverbot durch weitere gesetzliche Regelungen zu ermöglichen. Aus unserer Sicht kann man das mit dem SOG, dem Gewaltschutzgesetz und dem richterlichen Vorbehalt, den wir für notwendig halten, auch jetzt schon erreichen.

Das Fazit ist schlicht und einfach. Die Federführung der Innenbehörde bei diesem Konzept ist falsch. Die CDU steht bei diesem Thema ziemlich vor der Wand, das haben wir schon mehrfach festgestellt. Sie bemühen sich durch populistische Rundumschläge, aus diesem Loch herauszukommen. Nur wird Ihnen das nicht gelingen. Vor allem wird es Ihnen nicht gelingen, weil Sie sich schlicht und einfach weigern, sich mit der gebotenen Ernsthaftigkeit mit der Situation der Jugendlichen und Kinder in dieser Stadt sowie mit der Situation in den sozialen Brennpunkten - ob man sie so nennen will oder nicht - und mit der sozialen Spaltung in dieser Stadt zu beschäftigen. Denn da müssen die Anfänge der politischen Arbeit liegen. Und die kann man nicht der Innenbehörde überlassen, sondern dafür ist der Senat in Gänze zuständig.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Jetzt hat Herr Senator Nagel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Genau ein Jahr ist es her. Und zwar exakt am 23. Januar 2007 beherrschte das Thema Jugendgewalt noch nicht die Schlagzeilen, sondern Fachleute aus Bund und Ländern waren zu einer Konferenz in Hamburg, um über das Thema Jugendkriminalität zu beraten. Fachleute aus allen Bundesländern und aus allen Bereichen, die sich mit diesem Thema beschäftigten, nahmen an dieser Tagung teil. Damit haben wir das Thema damals unspektakulär und umfassend angepackt.

(Beifall bei der CDU)

Ich freue mich deshalb, heute das Ergebnis dieser Fachkonferenz, nämlich das Senatskonzept "Handeln gegen Jugendgewalt", zur Beschlussfassung vorlegen zu können. Auf die Forderungen der SPD und der GAL zu diesem Thema werde ich am Ende meiner Rede eingehen. Vorab nur so viel dazu, Dr. Dressel. Erstens: Es ist simpel zu fordern, was rechtlich nicht möglich ist, es ist simpel zu fordern, was praktisch nicht umsetzbar ist und es ist besonders simpel, das zu fordern, was die CDU schon seit Jahren gefordert hat.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt möchte ich mich erst einmal mit der Realität befassen. Rund Hundert Vorschläge wurden auf dieser Fachtagung zu den Bereichen Prävention, Intervention und Repression entwickelt und auf ihre Hamburgtauglichkeit untersucht. Und, Frau Möller, da ist nichts beliebig, um es ganz deutlich zu sagen, und da stehen wir auch nicht an der Wand, sondern da sind wir sehr erfolgreich. Der Kern dieses Maßnahmenpakets, das Neun-Säulen-Konzept, das mittlerweile allen Anwesenden hinreichend bekannt sein sollte, liegt Ihnen nun zur Beschlussfassung vor.

Noch eine Sache, Frau Möller. Seit vier Jahren erlebe ich hier Parlamentsdebatten. Zu jedem Thema, das wir aufgreifen, beschweren Sie sich, dass es nicht ausreichend und genügend Zeit gab, sich inhaltlich damit auseinanderzusetzen.

Sie haben erneut wieder erklärt, dass zu diesem Thema keine Auseinandersetzung möglich ist. Fakt ist und hieran liegt mir sehr viel, dass wir mehrere Ausschusssitzungen durchgeführt und uns damit umfangreich bis hin zu einer öffentlichen Anhörung befasst haben.

(Beifall bei der CDU)

An dieser Stelle werde ich Ihnen heute exemplarisch einige Maßnahmen nennen, insbesondere, weil laut Opposition kaum Präventionselemente in unserem Antrag enthalten sein sollen.

Nehmen wir das "early-starter"-Programm. Hier wollen wir frühzeitig Prävention betreiben und rechtzeitig besonders aggressives Verhalten im Kindesalter erkennen. Das Ziel hierbei ist, dass wir den Eltern rechtzeitig Hilfe anbieten wollen.

Eine weitere Säule ist die behördenübergreifende Durchsetzung der Schulpflicht. Mir geht es hier nicht nur um das Schulschwänzen, wie das die SPD immer ganz platt behauptet, sondern es geht um viel mehr. Die Verletzung

der Schulpflicht ist häufig ein Anzeichen für Kindeswohlgefährdung.

Beispielsweise war es Polizeibeamten, die morgens in der Innenstadt Schulkinder antrafen, bisher nicht möglich, festzustellen, ob diese nicht eigentlich in der Schule sein müssten. Durch das jetzt eingerichtete zentrale Schülerregister können Polizeibeamte, wenn sie auf schulpflichtige Kinder treffen, bei der Schulbehörde nachfragen und entsprechende präventive Maßnahmen einleiten.

(Beifall bei der CDU)

Auch hierbei steht durch die obligatorische Einschaltung der Jugendämter der Hilfegedanke im Vordergrund, und zwar die Prävention.

Kommen wir zum nächsten Punkt, die Verbindlichkeit erzieherischer Maßnahmen in Schulen.

(Erste Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)

Bisher unterlagen die erzieherischen Maßnahmen an Schulen keiner verbindlichen Regelung. Auch das wollen wir gemeinsam mit der BBS ändern und dann beispielsweise die Meldung über Gewaltvorfälle an Schulen durch eine Richtlinie neu regeln. Nicht nur die Schulbehörde wird informiert, sondern auch die Polizei und das zuständige Bezirksjugendamt müssen unverzüglich in Kenntnis gesetzt werden, um drohende Fehlentwicklungen frühzeitig zu stoppen.