Protokoll der Sitzung vom 03.09.2008

Die neuesten Berechnungen des Statistischen Bundesamts haben ausgewiesen, dass wir im Vergleich von 2003 zu 2007 17 Prozent mehr Absolventen mit Abitur und Fachhochschulreife haben. Aber im gleichen Zeitraum sank die Zahl der Studienanfänger um 5 Prozent. In Hamburg sank in dem Jahr, nachdem die Studiengebühren eingeführt wurden, der Anteil um 4 Prozent, nur nicht an der Hochschule für bildende Künste, wo ein Boykott durchgeführt wurde. Da blieb der Anteil der Studienanfänger gleich. Auch das zeigt deutlich, welchen Zusammenhang es zwischen Studium und Studiengebühren gibt.

Das alles müsste verantwortungsbewusste und an Menschen interessierte Politiker und Politikerinnen doch zum Nachdenken veranlassen. Nur davon kann ich leider nicht viel sehen. Wie gesagt, von der CDU erwartet das kaum einer, aber von der GAL mit ihrem über Jahre gepflegten Anspruch auf Streitkultur. Wir appellieren an die GAL, nicht nur die Studiengebühren in Hessen abzuschaffen,

sondern auch in Hamburg. Sie haben dabei unsere volle Unterstützung.

(Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Ich habe darauf hingewiesen, dass wir hier im Plenum heute zum ersten Mal über diesen Gesetzentwurf diskutieren. Bisher haben wir das nur im Ausschuss getan. Für die letzten 20 Meter mit dem Antrag, die erste und zweite Lesung zu trennen, kann ich mich nur in aller Form entschuldigen. Ich weise aber darauf hin und mit aller Macht zurück: Das ist kein Trick. Denn sonst wäre es wohl nicht erlaubt. Wir machen von dem demokratischen Recht Gebrauch und ich finde, es zeugt auch von einem gewissen Respekt vor dem Parlament, wenn ein so weitreichendes Gesetz beraten wird, dass man sich zwischen der ersten und zweiten Lesung auch Zeit nimmt, noch einmal darüber nachzudenken. Deswegen erheben wir Widerspruch dagegen, dass die zweite Lesung heute gleich mit durchgeführt wird, und plädieren für eine Trennung. Ansonsten haben wir vier Anträge vorgelegt. In diesen vier Anträgen versuchen wir, die bittersten sozialen Härten, wenn dieses Gesetz denn doch angenommen werden sollte, noch abzumildern und bitten auch da um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat Senatorin Gundelach.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf hat ein in Deutschland bislang einmaliges System zur Erhebung nachgelagerter Studiengebühren zum Inhalt. Er ist ein aus unserer Sicht tragfähiger und auch beispielgebender Kompromiss zwischen den im Ausgang – und das geben wir zu – unterschiedlichen Vorstellungen der Koalitionspartner. Es war und ist das Anliegen der CDU, Studiengebühren zu erhalten, da sie den Hochschulen eine weitere und zuverlässige Einnahmemöglichkeit sichern, den Studenten den Wert ihres Studiums verdeutlichen und sie auch zu einem bewussteren Umgang mit dem Studienangebot veranlassen und – was genauso wichtig ist – den Hochschullehrern ihre Lehrverpflichtung verdeutlichen, denn die Studenten bezahlen künftig für eine Dienstleistung.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Es ist das Anliegen der GAL, dass während des Studiums keine zusätzlichen finanziellen Belastungen aufgebaut werden, die begabte junge Menschen aus finanziellen Gründen vom Studium abhalten beziehungsweise ihnen das Studium erschweren.

(Unruhe im Hause – Glocke)

Verzeihen Sie, Frau Senatorin. Ich bitte um mehr Ruhe im Plenarsaal. Diejenigen, die den Debatten nicht lauschen möchten, mögen bitte den Saal verlassen. – Frau Senatorin.

– Danke.

Der Gesetzentwurf nimmt beide Argumentationsstränge auf, er sichert den Hochschulen die dringend benötigten Mittel zur Verbesserung der Situation der Lehre – und zwar geht es konkret um 38 Millionen Euro im Jahr – und er legt den Studierenden keine zusätzlichen finanziellen Belastungen auf, da die Gebühren erst nach dem Studium zu zahlen sind.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU und der GAL)

Nicht die finanzielle Situation im Studium ist ab diesem Wintersemester entscheidend, sondern der finanzielle Gewinn durch ein Studium und nach Beendigung des Studiums. Dem Gesetzentwurf wird oft der Vorwurf gemacht, es handele sich dabei um keine echte Nachlagerung, da der Student schon während des Studiums erklären müsse, ob er von seinem Stundungsrecht Gebrauch machen will. Ich frage Sie: Wie stellen Sie sich eine sogenannte echte Nachlagerung eigentlich vor? Soll die Hochschule in Zukunft etwa wie folgt vorgehen und diejenigen, die die Einrichtung dann verlassen, mit folgendem Tenor anschreiben? – Sehr geehrte Damen und Herren, es freut uns, dass Sie an einer Hamburger Hochschule studiert haben. Um Sie aber nicht mit allen Fakten zu konfrontieren und gegebenenfalls zu verunsichern, haben wir Ihnen nicht mitgeteilt, dass Ihr Studium bei uns gebührenpflichtig ist. Nun, da Sie uns verlassen haben, müssen wir Sie leider davon in Kenntnis setzen, dass für Ihr Studium inzwischen ein Stundungsbetrag in Höhe von 3 750 Euro aufgelaufen ist, den wir bitten, auf unser Konto einzuzahlen, sofern Sie ein Brutto-Einkommen von 30 000 Euro erzielt haben. Wenn Sie dieses Einkommen allerdings noch nicht erreicht haben, reichen Sie uns bitte in Zukunft Ihren Einkommensnachweis unaufgefordert jedes Jahr ein. Mit freundlichen Grüßen Ihre Hochschulleitung.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie glauben doch nicht im Ernst, dass eine solche Vorgehensweise etwas mit einem vernunftgemäßen und damit rechtmäßigen Handeln zu tun hat.

(Wolfgang Rose SPD: Wer fordert das denn?)

Eine auf einer solchen Basis angestrengte Klage von Betroffenen würden wir bei jedem Gericht verlieren.

(Dora Heyenn)

Doch, das war die Forderung. Man solle die Studenten sozusagen im Vorfeld gar nicht allzu intensiv davon unterrichten. Nachgelagert hieße, man solle sozusagen an sie herantreten, wenn sie das Studium beendet hätten. Das exakt würde in einem solchen Fall dieses bedeuten.

(Wolfgang Rose SPD: Und wer fordert das?)

Denn auch nachgelagerte Studiengebühren haben ihren Entstehungsgrund im Studium und davon muss der Studierende rechtzeitig unterrichtet werden.

Noch ein weiterer Vorwurf wird dem Gesetzentwurf regelmäßig gemacht, nämlich dass er zu teuer sei. Sicher, ich gebe Ihnen zu: Er ist nicht billig. Aber es ist gut ausgegebenes Geld, denn es trägt dazu bei, den schon geschilderten Zielsetzungen Rechnung zu tragen und – und das ist für mich das Wichtigste – jungen Menschen zu einer qualifizierten Ausbildung zu verhelfen.

Noch einen Vorwurf höre ich ständig. Studiengebühren seien eine unzumutbare Belastung und schreckten junge Menschen vom Studium ab. Auch das stimmt nicht. Erstens haben wir in Hamburg so viele Studenten wie schon lange nicht mehr. Zweitens wurde mir bei meinem Gespräch mit dem Studierendenwerk ausdrücklich bescheinigt, dass das Thema Studiengebühren bei ihren Beratungsgesprächen so gut wie keine Rolle spiele, und drittens – ich betone es nochmals – müssen in Hamburg ab diesem Wintersemester während des Studiums keine Zahlungen mehr geleistet werden.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch noch einmal auf die konkrete Belastungshöhe zu sprechen kommen. Es handelt sich in der Regel um einen Betrag zwischen 2 250 Euro für ein Bachelor-Studium und 3 750 Euro für einen MasterAbschluss, der erst ab einem Brutto-Einkommen von 30 000 Euro zurückgezahlt werden muss. Dieser Betrag ist so gering, dass er mit Sicherheit heute keinen jungen Menschen davon abhält, ein Studium aufzunehmen,

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

und zwar ein Studium, das ihm – ich glaube, man kann das gar nicht oft genug sagen – in der Regel einen deutlich besser dotierten Arbeitsplatz garantiert und ihn auch weitaus weniger als alle anderen der Gefährdung aussetzt, später arbeitslos zu werden.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Meine Damen und Herren von der Opposition, ich glaube, das sehen auch die Studenten so. Denn der massenhafte Protest, den Sie so lautstark angekündigt haben, ist ausgeblieben und so fanden sich zum Beispiel bei der abschließenden Bera

tung im Haushaltsausschuss nur noch ein paar Versprengte ein. Auch die Zahl der in der Behörde eingegangenen Briefe hielt sich sehr in Grenzen und der Aufruf eines Kommilitonen, doch auch im kommenden Semester massenhaft zum Studiengebührenboykott aufzurufen, wurde von anwesenden Studenten mit den Worten konterkariert: "Wir haben keine Zeit, wir müssen studieren." Auch heute scheint mir, wenn ich so in die Ränge blicke, die Resonanz – bei den Studenten zumindest – nicht so hoch zu sein, dass sie hier massenhaft aufgetaucht sind. Infolgedessen ist daraus zu schließen, dass die Studenten mit dieser Regelung sehr wohl leben können.

(Beifall bei der CDU und bei Andreas Wal- dowsky GAL)

Danken möchte ich in diesem Zusammenhang aber auch meinen Mitarbeitern, die den Gesetzentwurf in der gebotenen Eile zuverlässig und sorgfältig erarbeitet haben. Und danken möchte ich den Koalitionsfraktionen, die aus der Anhörung eine für mich sehr wertvolle Anregung aufgenommen haben und durch einen Änderungsantrag sichergestellt haben, dass diejenigen Studierenden, die sich in Zukunft in der Hochschulpolitik und in Hochschulgremien engagieren wollen, einen um zwei Semester verlängerten Stundungsanspruch haben. Fazit: Wer qualitativ gute Hochschulen mit besserer Betreuung der Studierenden will, den bitte ich um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Tschentscher.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe mich eigentlich gemeldet, um noch einmal ein paar kritische Anmerkungen zu dem finanziellen Konstrukt zu machen, das uns der Senat vorgelegt hat. Aber nach dem Verlauf der Debatte möchte ich doch zwei Vorbemerkungen machen.

Das eine ist die Frage des parlamentarischen Verfahrens. Da, finde ich, ist es ziemlich unfreundlich, dass man uns oppositionelles Gehabe vorwirft, nachdem wir auf Bitte und Vorschlag Ihrer Senatorin noch vor der Sommerpause gesagt haben: Ja, wir stellen sicher, dass der neue Gesetzentwurf zum Wintersemester dieses Jahres in Kraft treten kann. Dazu hat gehört, dass ich zum Beispiel die Protokolle aus dem Wissenschaftsausschuss erst am Tag der Beratung unseres Haushaltsausschusses lesen konnte. Wir haben als Opposition also sichergestellt, dass dieses Verfahren so ablaufen kann. Frau Senatorin, wir danken Ihnen dafür, dass Sie uns ermöglicht haben, uns daran zu beteiligen. Sie haben sich nur bei Ihren Koalitionsfraktionen bedankt, dass dort so schnell gearbeitet

(Senatorin Dr. Herlind Gundelach)

wurde. Ich will das einfach noch einmal sagen, weil ich glaube, dass das ein Ablenkungsmanöver ist,

(Wolfgang Beuß CDU: Gottchen, Gottchen!)

dass Sie an dieser Stelle das oppositionelle Gehabe auf einmal in den Vordergrund stellen. Wir geben Ihnen mit der zweiten Lesung einfach die Gelegenheit, noch einmal ein, zwei Nächte darüber zu schlafen und noch einmal nachzudenken, liebe GAL-Fraktion, ob das alles richtig gelaufen ist.

(Wolfgang Beuß CDU: Richtig pädagogisch! Der große Pädagoge!)

Da komme ich zu meiner zweiten Bemerkung, liebe GAL. Frau Gümbel, Sie wissen, dass ich Ihnen so gut wie nie widerspreche – und wenn, dann nur höchst ungern. Aber bei dem Thema Studiengebühren sind Sie völlig aus der Spur gekommen. Ich muss Ihnen sagen: Wenn Sie uns vorrechnen, dass das für die Studierenden jetzt alles in Ordnung sei und dass sie nur nachträglich bezahlen müssten, bin ich noch froh, dass Sie nicht auf die Idee gekommen sind zu sagen, man müsste einmal die Kosten jedes Studiums ermitteln und dann diejenigen, die den Abschluss gemacht haben, anteilig auch für die Kosten Ihres Studiums aufkommen lassen.

(Wolfgang Beuß CDU: Dann hätten Sie rich- tig bezahlen müssen!)

Dann wäre nämlich ein Medizinstudium fünfmal teurer als manch ein anderes Studium. Und diejenigen, die das dann angehen, müssen sich auf ziemliche Darlehenssummen gefasst machen. Das ist alles ein bisschen abstrus.

Es geht auch nicht um die Frage, wie Studiengebühren auf die Studierenden wirken. Natürlich ist es so, dass 500 Euro bar auf den Tisch härter sind als 375 Euro als Darlehen später bezahlt. Das ist aber gar nicht das Thema. Wir reden von sozialer Ausgrenzung. Und das ist keine politische Ansichtssache, sondern das ist etwas, was das Deutsche Studentenwerk ganz sorgfältig untersucht hat. Die Ergebnisse sind Ihnen im Wissenschaftsausschuss dargelegt worden. Da geht es nicht um politische Ansichten. Es ist eine Tatsache, dass bei der Nichtaufnahme eines Studiums die finanziellen Gründe, insbesondere Studiengebühren, bei denjenigen an erster Stelle stehen, die ein Studium aufnehmen wollen oder nicht aufnehmen wollen.

(Wilfried Buss SPD: Hört, hört!)

Vor allem Studienberechtigte aus einkommensschwachen Herkunftsgruppen lassen sich dadurch abschrecken,

(Dora Heyenn DIE LINKE: Richtig!)

dass sie sich mit der Inanspruchnahme von BAföG und eben auch durch Studiengebühren für ihre Zukunft verschulden. Das ist der Punkt, über den wir reden.