Protokoll der Sitzung vom 19.11.2008

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und ver- einzelt bei der GAL)

1995, also vor 13 Jahren, empfahl der Zentrale Kreditausschuss allen Kreditinstituten, für jede Bürgerin und jeden Bürger ein Girokonto bereitzuhalten. Diese Bereithaltung soll unabhängig von der Höhe des Einkommens und von SCHUFA-Einträgen sein. Die Bundesregierung berichtet regelmäßig über die Umsetzung dieser Empfehlung. Zuletzt stellte sie im Juli 2006 fest, dass der Zugang zu einem Girokonto nach wie vor nicht für jede und jeden möglich ist und dass die Empfehlung des Zentralen Kreditausschusses aus dem Jahr 1995 nicht zur Lösung des Problems beigetragen hat. Bisher wird von der Bundesregierung eine gesetzliche Verpflichtung zur Bereitstellung eines Girokontos noch nicht als notwendig eingestuft. Sinnvolle andere Maßnahmen wie zum Beispiel die Reform des Kontopfändungsschutzes sind in der Vorbereitung. Diese Reform würde immerhin den Menschen helfen, die vom Verlust des Kontos bedroht sind. Die rot-grüne Landesregierung in Bremen will Nägel mit Köpfen machen und hat in den Bundes

(Senator Dietrich Wersich)

rat einen Gesetzentwurf eingebracht, der die Kreditinstitute in Zukunft gesetzlich verpflichten soll, jeder Bürgerin und jedem Bürger ein Girokonto anzubieten. Die SPD-Fraktion unterstützt diese Initiative und fordert den Senat auf, den Antrag im Bundesrat zu unterstützen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Mit dem Antrag, der Ihnen heute zur Abstimmung vorliegt, wollen wir einen ersten Schritt hin zur Unterstützung des Bremer Antrags gehen. Zwar berichten Verbraucherverbände und Schuldnerberatungen immer wieder über Fälle der Kontoverweigerung, eine amtliche Statistik dazu gibt es jedoch nicht. Wir beantragen deshalb einen Bericht des Senats über die Anzahl der Hamburgerinnen und Hamburger ohne Girokonto. Weiter fragen wir den Senat nach seinen Bemühungen, die Kreditwirtschaft zur Anwendung der Selbstverpflichtung von 1995 zu bewegen.

Ich möchte schließen mit den nach wie vor richtigen Worten von Frau Gregersen aus dem Jahr 2004:

"Wir wissen alle, dass ein Girokonto nötig ist. Von daher bitten wir, nach vorne zu gucken. Wir fordern den Senat auf, alles zu tun, um diese Umsetzung zu schaffen."

Deshalb überweisen Sie den Antrag zur Beratung an den Sozialausschuss. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das Wort hat Herr von Frankenberg.

(Ingo Egloff SPD: Mal sehen, was Sie jetzt für eine Ausrede haben!)

Es ist immer ganz nett, wie Sie in alten Protokollen stöbern, um noch irgendwelche Zitate zu finden. Aber da die Worte von Frau Gregersen aus 2004 nach wie vor richtig sind, glaube ich nicht, dass Sie jetzt einen großen Widerspruch aufgedeckt haben.

Das Anliegen als solches – das ist gar keine Frage – unterstützen wir. Es ist völlig unstrittig, dass ein Girokonto zur Teilhabe wichtig ist und dass es erforderlich ist, ein Girokonto zu haben. Den Antrag als solches unterstützen wir aber aus verschiedenen Gründen nicht. In meinen Augen ist das im Grunde genommen gar kein Antrag, sondern eher eine Anfrage, eine Kleine Anfrage, genaugenommen sogar eine sehr kleine Anfrage. Für mich hat das mehr so ein bisschen den Eindruck erweckt – wir wollen einmal darüber reden und fabrizieren schnell einen Platzhalter.

(Zuruf von der SPD: Werden Sie doch ein- mal inhaltlich! Was soll denn das?)

Es ist nicht so die echte Substanz vorhanden. Wenn ich mir Ihren Antrag anschaue, dann ist es so, dass Sie fordern, der Senat soll berichten, wie viele Bürgerinnen und Bürger in Hamburg seit 2000 kein Girokonto besitzen und wie viele davon Transferleistungen beziehen. Wie viele seit 2000 kein Girokonto haben, das könnte man doch nur schätzen, oder soll man da jetzt von Tür zu Tür gehen? Das ist im Grunde genommen nicht das, worum es geht. Sondern wir wollen, dass die Menschen die Möglichkeit bekommen, ein Girokonto zu haben.

(Philipp-Sebastian Kühn SPD: Was tun Sie denn dafür?)

Aber das, was Sie dort fordern, ist nun wirklich überhaupt nicht hilfreich.

(Wilfried Buss SPD: Nicht reden, handeln!)

Dann stellen Sie mündlich die Forderung auf, Sie wollen den Bremer Antrag unterstützen, schreiben es aber in Ihren Antrag noch nicht einmal hinein.

(Zurufe von der SPD)

Ich erzähle Ihnen nur, was die Diskrepanz zwischen dem ist, was Sie erzählen, und dem, was in Ihrem Papier steht.

(Ingo Egloff SPD: Dann überweisen Sie das in den Ausschuss, dann können Sie darüber reden!)

Insofern macht der Antrag wenig Sinn. Einer Überweisung werden wir nicht zustimmen und die Bremer Bundesratsinitiative als solches wird ja behandelt. Es gibt dort einige Probleme. Man muss es einfach so sehen: Banken, die keinen Geschäftsund Publikumsverkehr haben, müssten demnach auch Konten einrichten. Das macht wenig Sinn und der Antrag ist an dieser Stelle auch als zu weit gehend anzusehen. Ich würde Ihnen eher eine gewisse Zurückhaltung empfehlen. Es ist immer eine Diskrepanz zwischen den Worten, die Sie hier finden, und dem, was Sie zu Papier bringen.

(Dr. Monika Schaal SPD: Was sagen Sie denn dazu?)

Insofern würde ich vorschlagen: Machen Sie es lieber noch einmal besser.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, das Wort hat jetzt Frau Möller.

Herr Präsident, meine Damen und Herren. Das ist wieder diese interessante Zeit mittwochs abends, niemand außer uns hört uns zu und dann kommen immer die spannendsten Debatten. Dann haben wir vor allem auch immer dieses Spiel: Wer ist eigentlich moralisch der Gefestigtste oder die gefestigtste Fraktion? Hier zeigen

(Ksenija Bekeris)

einige Leute auf sich, das sehe ich schon. Und dann sind wir dabei, wie unmoralisch es denn ist, eine Große Anfrage nicht zu überweisen, wie wir es eben hatten, oder einen Antrag nicht zu überweisen. Und dann kommt Frau Bekeris mit dem großen moralischen Anspruch, Sie oder ihre Fraktion würde einen Antrag vorlegen, in dem das Girokonto für alle gefordert wird. Mitnichten ist das so, mitnichten, davon steht nichts in diesem Antrag. Und das ist eigentlich das Schlechteste an diesem Antrag.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Wir haben hier – der Kollege von Frankenberg hat das schon gesagt – nichts weiter als vier Fragen, die Sie auch in einer Kleinen oder einer Großen Anfrage stellen könnten. Eine große Eintracht aber haben wir in diesem Haus darin, dass wir es alle für richtig halten, dass alle ein Girokonto haben können, sollen und dürfen. Dazu gibt es eine Bundesratsinitiative und ich muss an dieser Stelle doch einmal daran erinnern, auch wenn es nur noch ein Jahr hin ist, wer eigentlich gerade auf Bundesebene regiert und wer längst das Kreditwesengesetz geändert haben hätte können.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Die CDU muss leise klatschen, aber die SPD ist zumindest dabei. Daran sehen wir dann vielleicht, dass die Bundesratsinitiative von Bremen, die im Moment nur auf Eis liegt, weil es noch eine inhaltliche Änderung geben soll, möglicherweise der beste Weg ist. Und das kann dann hoffentlich auch von sozialdemokratisch regierten und mitregierten Ländern unterstützt werden. Wir werden auch das Unsere aus dieser Koalition heraus tun. Wir sollten uns auch noch einmal darüber unterhalten, dass die Banken und Sparkassen in einer Selbstverpflichtung sind und dieser seit zwölf Jahren schlicht und einfach nicht nachkommen. Das ist das Fatale an dieser Situation.

Einerseits kann man erleben, dass Sechsjährige zum Schulanfang inzwischen als zukünftige Kunden und Kundinnen gelockt werden ohne Ende. Hier wird prophylaktisch schon einmal gesagt: Kommt zu uns, ihr wisst eigentlich noch nicht richtig, wie man zählt und welches Geldstück eigentlich was wert ist, aber Hauptsache ihr habt schon ein Girokonto bei uns. Das ist eine perfide Entwicklung, die wir eigentlich viel mehr kritisieren sollten, als wir das tun. Andererseits gibt es die große schweigende Mehrheit der Personen, die tatsächlich mit all den Problemen, die von der SPD eben genannt worden sind, ohne Girokonto auskommen müssen. Wir wollen daran etwas ändern und wir werden das über den Bundesrat tun müssen, wenn die Bundesregierung es selber nicht macht. Das sollte der gemeinsame Weg sein und Ihre vier Fragen, die Sie im Antrag gestellt haben, sollten Sie in eine Große Anfrage umwandeln. Dann sind wir vielleicht schon weiter.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort bekommt Herr Joithe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dass in dem Antrag nicht stehen würde, Frau Möller, was ein entsprechendes Konto betrifft, kann ich so nicht teilen. In Unterpunkt 3 wird der Senat ersucht, darüber einen Bericht zu verfassen, wie er in den vergangenen Jahren auf die Hamburger Kreditwirtschaft einwirkte beziehungsweise aktuell einwirkt, um sicherzustellen, dass diese Selbstverpflichtung der Kreditwirtschaft aus dem Jahre 1995 von allen Hamburger Banken und Sparkassen konsequent angewendet wird.

(Glocke)

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage von Frau Möller zu?

Ja, lasse ich zu.

Bitte schön, Frau Möller.

Gehe ich richtig in der Annahme, dass der SPD-Antrag nicht die Forderung beinhaltet, der Senat möchte sich dafür einsetzen, dass ein Girokonto für alle eingeführt wird?

(Ingo Egloff SPD: Das ist doch kleinkariert!)

Das ist ein bisschen kleingeistig.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Wir müssen uns wirklich einmal fragen, worum es denn hier geht.

(Frank Schira CDU: Was da drinsteht, dar- um geht's!)

Es geht darum, dass Frau Bekeris sehr gut dargestellt hat, welche Probleme es gibt, wenn man über ein solches Konto, ein Konto auf Guthabenbasis, nicht verfügt.

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Gut, dass wir einmal darüber geredet haben!)