Sie, Herr Freytag, reden viele Minuten über Schulden, alte Schulden, neue Schulden, Schulden-Machen, Keine-Schulden-Machen. Sie reden aber nicht über das Kernproblem, das jeder Verschuldung zugrunde liegt. Auf dieses Kernproblem hat uns der Rechnungshof Anfang des Jahres energisch hingewiesen. Das Kernproblem Ihrer Haushaltsführung ist die einfache Tatsache, dass der
Senat seit Jahren mehr Geld ausgibt als er einnimmt. Das nennt man gemeinhin Defizit. Fachleute sagen auch "negativer Finanzierungssaldo".
Ich nenne es einfach Haushaltsloch. Nur Sie sprechen von einem ausgeglichenen Haushalt und das tun Sie nur, um die Leute zu verwirren. Herr von Beust, Sie sitzen jetzt gerade genau richtig vor mir – das ist gut, da Sie seit 2001 über 6,6 Milliarden Euro mehr ausgegeben als eingenommen haben. Jeden Tag Ihrer Amtszeit haben Sie 2,5 Millionen Euro mehr ausgegeben als eingenommen, und das keineswegs in wirtschaftlich schlechten Zeiten. Der rot-grüne Senat hatte 2001 Steuereinnahmen von 6,3 Milliarden Euro. Sie haben heute 8,6 Milliarden. Das sind 2,3 Milliarden Euro mehr, ein Zuwachs von über 36 Prozent, deutlich mehr, als die Inflationsrate ausmacht. Sie haben neben diesen sprudelnden Steuereinnahmen großzügig weiteres Geld genommen: Von SAGA-Mietern, aus den sozialen Brennpunkten, von Familien mit Kindern und mithilfe von Bildungsgebühren von der Kita bis in die Universitäten. Sie nehmen das Geld, ohne rot zu werden, zucken aber zurück, wenn wir über Steuerehrlichkeit großer Unternehmen oder von Einkommensmillionären reden. Dann ist Ihnen jeder Betriebsprüfer zu viel. Sie weiten die Flächen der Hamburger Behörden in den letzten vier Jahren auf über 100 000 Quadratmeter aus, aber beim Finanzamt für Großunternehmen herrscht Mangel. 100 Stellen für Betriebsprüfer sind vakant, Betriebsprüfer, die jeder für sich eine Million Euro Mehreinnahmen im Jahr bewirken. Die soziale Spaltung Hamburgs spiegelt sich in der Art und Weise wider, wie Sie Steuern und Abgaben erheben, ohne soziales Gespür und ohne finanzpolitischen Verstand.
Trotz Ihrer Einnahmen auf Rekordniveau kommen Sie mit dem Geld nicht hin, denn so großzügig, wie Sie in die Portemonnaies der Familien greifen, so großzügig geben sie es auf der anderen Seite für Projekte wieder aus, die die Stadt nicht braucht. Sie bauen Haftanstalten auf und wieder ab. Sie machen den Jungfernstieg für Millionen an Steuergeldern neu und reißen ihn gleich wieder auf. Sie geben Millionen aus für Verkehrsprojekte ohne Nutzen für die Mobilität der Menschen. Sie bauen eine teure U4 in die HafenCity, statt einer günstigen und effizienten Stadtbahn für ganz Hamburg. Neuerdings bauen Sie beides parallel. Ein neuer Kreuzfahrtterminal für 30 Millionen Euro muss her, in der Planung und wirtschaftlichen Betrachtung völlig unausgegoren, und Sie versprechen eine Elbphilharmonie zum Pauschalfestpreis und werfen dann dreistellige Millionenbeträge für schlechte Planung und noch schlechteres Management aus dem Fenster. Das ist der Grund für Ihr Defizit, Herr Finanzsenator und Herr Bürgermeister, nicht die
ist in den Koalitionsverhandlungen blass geworden angesichts der Haushaltslöcher, die uns die CDU im Wahlkampf verschwiegen hat. Herr Kerstan, Sie scheinen sich gut erholt zu haben. Nach einem kräftigen Schluck aus der Pulle hat die GAL wieder richtig Farbe im Gesicht, denn jetzt geht es um Ihre Projekte. Primarschule heißt das Zauberwort, mit dem Sie die gegensätzlichen Ziele von GAL und CDU zusammenbringen wollen. Wir wissen aber noch nicht, was das eigentlich soll. Von einem Schulgesetz will ich gar nicht reden. Nicht einmal ein Eckpunktepapier liegt der Bürgerschaft vor. Aber das Geldausgeben hat schon begonnen: Planungen, Studien, Monitoring, Evaluation, Durchführung von Schulkonferenzen und was weiß ich nicht alles.
Aber eine klare Zielvorstellung – das ist das Ziel und so wollen wir dort hin - das gibt es hier im Parlament bisher nicht. Geldausgaben und Auftragserteilungen ohne sorgfältige Planung kennen wir von der Elbphilharmonie. Das ist keine sparsame Haushaltsführung wie Sie die Landeshaushaltsordnung vorschreibt. Dafür sind Sie, Herr Freytag, verantwortlich.
Deshalb setzt sich das Defizit der CDU-Senate unter Schwarz-Grün fort. Nehmen wir den Haushaltsplan, der heute vorliegt. Wir haben das alles gehört: Herkulesaufgabe, Zeit zum Abschiednehmen von Liebgewonnenem, neue Aufgaben der Koalition müssten in einem kraftvollen Pakt für die Zukunft gemeistert werden. Das ist rhetorisch sehr beeindruckend. Aber wenn man die nüchternen Zahlen zusammenrechnet, ist das Ergebnis so negativ wie die Bilanz der HSH Nordbank. Im Doppelhaushalt besteht nach der aktuellen Steuerschätzung ein Defizit von 1,45 Milliarden Euro. Das ist ein merkwürdiges Abarbeiten von Herkulesaufgaben. Ihr Haushaltsplan-Entwurf ist nicht schwarz, er ist nicht schwarz-grün, er ist tief in den roten Zahlen.
Sie sprechen bei all dem von einem ausgeglichenen Haushalt aus eigener Kraft, um die Leute zu verwirren. Sie sagen nämlich nicht, dass Sie Ihr Riesenhaushaltsloch durch Rücklagen stopfen, durch Vermögensverkäufe, durch Verkauf von
Grund und Boden. Sie sagen, Sie hätten das Tafelsilber erhalten. Das Gegenteil ist der Fall: LBK, HHLA, Immobilien, Grund und Boden, PRIMO 1, 2 und 3. Es ist nicht wahr – Sie haben das Tafelsilber verkauft. Alles das, Rücklagenverkäufe, Mobilisierung von Vermögen und Verkauf von Grund und Boden ist mindestens so schädlich wie die Aufnahme von Krediten. Je größer das Haushaltsloch ist, desto lauter klingt die Parole "keine neuen Schulden". Was heißt das eigentlich, "keine neuen Schulden"? Die Wohnungsbaukreditanstalt muss sich verschulden, um die Bürokratie Ihrer Studiengebühren zu finanzieren. Über 200 Millionen Euro neue Schulden, nicht um Studiengebühren abzuschaffen, sondern um sie durch Bürokratie zu erhalten und zusätzlich auch Studierenden mit Kindern, Behinderungen und chronischen Erkrankungen abzunehmen. Die Zinsen zahlt der Steuerzahler. So geht es weiter. Die HPA macht Schulden für die Hafeninvestitionen. Die Hochbahn soll Schulden für die Stadtbahn und die Hafenbahnsanierung machen. Die SAGA oder ein anderes öffentliches Unternehmen – welches, wurde uns noch nicht verraten – soll Schulden für die Sanierung der Schulen machen. Gerade gestern haben Sie dem Haushaltsausschuss erklärt, der Großmarkt solle seine Rechtsform ändern, damit er sich um 25 Millionen Euro für eine dringende Sanierung verschulden könne, die Sie nicht mehr bezahlen wollen. Schulden wohin wir blicken, und für alles zahlen die Bürgerinnen und Bürger in Hamburg am Ende genauso wie für die Schulden im öffentlichen Haushalt. Das ist die Wahrheit Ihrer Finanzpolitik.
Ich will dabei gar nicht behaupten, dass es immer falsch sei, Investitionen über Kredite zu finanzieren. Das macht jedes erfolgreiche Unternehmen. Viele Investitionen rechtfertigen Kredite, der Einstieg bei Hapag-Lloyd beispielsweise, den wir alle gemeinsam begrüßen. Man muss Verkäufe, Schulden und Investitionen nur abwägen, Nutzen und Ertrag gegen Zinsen und Belastung. In dieser Abwägung machen Sie Fehler. Sie verkaufen Anteile der HHLA gegen den Protest der Öffentlichkeit und der Beschäftigten, obwohl dadurch wichtige Gestaltungsmöglichkeiten und Einnahmen verlorengehen. Um dem Protest zu begegnen, haben Sie dann versprochen, die Erlöse würden für zusätzliche Hafeninvestitionen eingesetzt.
Jetzt heißt es, die HHLA-Milliarde ersetze die bereits eingeplanten Mittel. Sie reißen damit ein neues Investitionsloch im Hafen auf. Sie brechen ein klares Versprechen und missbrauchen die HHLAMilliarde zum Ausgleich Ihres defizitären Haushalts. Das empört die Beschäftigten im Hafen und die gesamte Hafenwirtschaft, denn nicht "Hafen finanziert Hafen" ist Ihre Parole, sondern "Hafen finanziert Schwarz-Grün".
Das Kernproblem, das Ihr Defizit ausmacht, Herr Freytag, ist die mangelnde Konsolidierung. Seit Ihrem Amtsantritt 2007 mangelt es an Sparsamkeit bei den laufenden Betriebsausgaben. Sie haben nämlich zum Überschuss im Betriebshaushalt, den Sie hier immer so vortragen, selbst gar nichts beigetragen. Der Überschuss kommt nur durch die aktuell noch sprudelnden Steuereinnahmen der Hamburgerinnen und Hamburger zustande. Sie haben immer nur die Ausgaben erhöht. Im vorliegenden Doppelhaushalt erhöhen Sie die laufenden Betriebsausgaben um über eine Milliarde Euro. Das ist eine Steigerung von über sechs Prozent in zwei Jahren. Wenn Sie jetzt angesichts einbrechender Steuereinnahmen von eiserner Haushaltsdisziplin sprechen, dann redet – mit Verlaub gesagt – ein Blinder von der Farbe. Ihr Vorgänger, Herr Peiner, hat wenigstens noch versucht zu konsolidieren, zwar nicht so erfolgreich wie Rot-grün, der Vorgängersenat – Herr Maier lässt grüßen –,
aber er hat es versucht und war mäßig erfolgreich. Seit 2007 jedoch gibt es große Worte und es ist Schluss mit Konsolidierung. Deshalb steigt Ihr Defizit von 210 Millionen Euro unter Herrn Peiner in 2006 an. Ihr erstes Amtsjahr als Finanzsenator, 2007, wies bereits ein Defizit von 245 Millionen Euro auf. 2008 liegt es trotz der zusätzlichen Einnahmen gemäß der letzten Steuerschätzung bei über 500 Millionen Euro und 2009, das erste Jahr dieses Doppelhaushalts, wird ein Defizit von über einer Milliarde Euro aufweisen. Das ist Ihre Bilanz als Finanzsenator, Herr Freytag, und die Situation, in der uns die Finanzmarktkrise trifft. Alle Rücklagen sind aufgebraucht, keine Vorsorge ist vorhanden zum Beispiel für ein Konjunkturprogramm, das wir jetzt eigentlich zusätzlich benötigen, ein Investitionsprogramm für Arbeit, Bildung und Umwelt.
Wir werden deshalb in den kommenden Haushaltsberatungen alle Positionen Ihrer Einzelpläne durchgehen und prüfen, ob sie den Anforderungen der jetzigen Situation gerecht werden. Unsere Schwerpunkte haben wir schon benannt: Bildung und Maßnahmen gegen die soziale Spaltung.
Einen Punkt möchte ich noch konkret benennen: Am 17. September 2008, dem Weltkindertag, haben sich die Schüler einer katholischen Schule auf der Moorweide versammelt, um gegen die zunehmende Kinderarmut in Hamburg zu protestieren und Spenden für einen pädagogischen Mittagstisch zu sammeln. Warum eigentlich versammeln wir uns über alle Parteigrenzen hinweg, wenn es um Themen geht wie Hapag-Lloyd. Aber warum versammeln wir uns nicht, wenn es darum geht,
Warum stehen wir dann auf einmal alleine da? Was soll das? Liebe CDU, liebe GAL, es wäre mir peinlich an Ihrer Stelle, dass Sie diesen Punkt nicht schon lange in ihrem Milliardenhaushalt berücksichtigt haben. Wir werden deshalb Vorschläge machen, auch für Projekte, die zusätzliche Investitionen auslösen, und zwar, um einem drohenden Einbruch der Konjunktur zu begegnen, weil das auch wiederum unsere finanziellen Rahmenbedingungen in Hamburg schwächt. Wir werden dies tun, indem wir das tun, was Sie vor den Koalitionsverhandlungen versprochen, aber dann nicht umgesetzt haben. Wir werden für jeden neuen Vorschlag einen Deckungsvorschlag machen …
Nein, das ist nicht das erste Mal, das war vor zwei Jahren schon genau so, Herr Voet van Vormizeele –
… und Maßnahmen streichen, die nicht erforderlich oder nicht effizient sind. Das sind Deckungsvorschläge, die CDU und GAL bei ihren Koalitionsverhandlungen eben nicht gemacht haben,
Zum Schluss komme ich auf das Prinzip "Klarheit und Wahrheit", das Herr Freytag in seiner Rede erwähnt hat und das in der Finanzpolitik immer gefordert wird und das auch nötig ist, um vernünftig über die Lösung von Haushaltsproblemen reden zu können. Herr Freytag, Sie behaupteten im Haushaltshausschuss am 11. November – vielleicht liegt es auch am Datum –, Sie hätten kein Defizit. Heute legen Sie uns einen Doppelhaushalt mit einem Defizit von 1,45 Milliarden Euro vor. Das ärgert mich, denn der Haushaltsausschuss ist kein Wahlkampfstand der CDU. Er ist ein Haushaltsausschuss, auch wenn Journalisten anwesend sind. In einem solchen Ausschuss muss der Finanzsenator die Wahrheit sagen. Sie sprechen von einem Konsolidierungkurs und steigern die Betriebsausgaben der Behörden um 1,2 Milliarden Euro. Sie sprechen von einem kraftvollen Pakt für die Zukunft, aber die Investitionsquote sinkt von 14,5 Prozent auf 10,6 Prozent in zwei Jahren und bis 2012 auf 9,1 Prozent. Sie sagen, sie würden keine neuen Schulden machen. Das stimmt formal, aber Sie missbrauchen diesen Punkt, um davon abzulenken, dass Sie außerhalb des Haushalts Schulden machen wie die Weltmeister. Milliardeninvestitionen für Schulen, Hochschulen, Hafen, für die Stadtbahn sind im Haushalt nicht gedeckt
Ihre Nullverschuldung im offiziellen Haushalt ist ein Ablenkungsmanöver. Ihr Defizit wird gedeckt durch Rücklagen, Vermögensmobilisierung und Verkauf von Grund und Boden. Sie haben trotz der boomenden Konjunktur keine Rücklagen gebildet, sondern diese aufgebraucht, sodass Sie nun bei konjunkturell schlechterem Wetter immer noch in kurzen Hosen dastehen und behaupten, Sie hätten kein Defizit. Sie haben auch keine Reserven für einen Rückgang der Steuereinnahmen, für steigende Sozialleistungen oder die Kosten der Elbphilharmonie. Sie betreiben eine Finanzpolitik der großen Worte und der kleinen Aktionen. Wahrheit und Klarheit sind die Grundlage solider Finanzen
und nicht Täuschung und Ablenkung. Das ist das Problem Ihrer Haushaltspolitik und ist das Problem einer Stadt, die dringend eine verlässliche Rahmenplanung für eine neue Politik gegen die soziale Spaltung und für eine Zukunft braucht, die wir "menschliche Metropole" nennen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Tschentscher, vielen Dank für die Ankündigung, dass zukünftig die SPD ihre Forderungen mit Deckungsvorschlägen unterlegen will. Das war in der Vergangenheit nicht der Fall.
Etwas problematisch ist, dass Sie immer noch nicht zwischen Verschuldung in der Finanzierung und zum Beispiel Vermögensverkäufen unterscheiden können.