Protokoll der Sitzung vom 21.01.2009

Da werden Sie nämlich schnell wieder nüchtern. Von Nachhaltigkeit und Generationsgerechtigkeit sind Ihre Vorstellungen jedenfalls weit entfernt.

(Ingo Egloff SPD: Der geht immer nicht dran, wenn man ihn anruft!)

Für die Regierungspartei ist es wichtig, die Mittel nicht irgendwie nach dem Gießkannenprinzip einzusetzen, sondern stattdessen – mit den Worten unseres Wirtschaftssenators gesprochen – die richtige Branche zur richtigen Zeit und mit den richtigen Mitteln zu treffen.

(Beifall bei der CDU)

Augenmaß und Vernunft, geehrte Kollegen der Fraktion DIE LINKE, sind das einzig richtige Mittel und nicht Verschwendung und aberwitzige Steuererhöhung.

Das vom Senat geplante Konjunkturprogramm sieht zur Unterstützung seiner Wirtschaft vorgezogene Investitionen in Höhe von rund 250 Millionen Euro vor. Dieses Geld wird früher als geplant in erster Linie für Hafen, Schule, Klimaschutz, Forschung und Gesundheit freigegeben. Wir wollen die Projekte so umsetzen, dass die Vergabe so

kleinteilig wie möglich und damit mittelstandsfreundlich geschieht, wie es eben sinnvoll sein kann. Für Bürgschaften steht ein Schutzschirm von insgesamt 400 Millionen Euro zur Verfügung, für Liquiditätsengpässe kleiner und mittlerer Unternehmen werden Darlehen zur Verfügung gestellt. Unser Ziel ist es vor allem, eine weitere Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und deswegen werden wir die Ausbildung und Qualifizierung noch weiter verstärken.

Daneben wird Hamburg voraussichtlich 230 Millionen Euro plus 70 Millionen Euro Eigenmittel aus dem anstehenden Konjunkturprogramm II des Bundes erhalten; zwei Drittel für Bildung und Wissenschaft und ein Drittel für Infrastruktur und das innerhalb der nächsten zwei Jahre. Was wir tun werden, darf keine Einmaleffekte hervorrufen und nicht verpuffen, sondern unsere Maßnahmen müssen darauf ausgerichtet sein, nachhaltig und wachstumsfördernd zu wirken, Arbeitsplätze zu schaffen und die entsprechende Wirtschaft zu sichern.

Nicht diskutieren, meine Damen und Herren von der LINKEN, werden wir mit Ihnen über irgendeine Form der Steuererhöhung oder Wiedereinführung einer Steuer, die Sie sich so wünschen. Zum einen gehört dieses Thema nach Berlin und zum anderen wird Ihr Wunschtraum von einer Sanierung der öffentlichen Finanzen durch Neidsteuer, wie zum Beispiel eine Millionärs- oder Vermögenssteuer, und der Finanzierung sozialer Wohltaten durch höhere Steuersätze auf höhere Einkommen und Unternehmensgewinne nicht in Erfüllung gehen. Für Sie mag das der ultimative Weg sein, für uns ist es die Bestrafung derjenigen, die wir als die Mitte unserer Gesellschaft und als Leistungsträger unseres Landes ansehen. Um Ihnen das noch einmal zu verdeutlichen: 25 Prozent der deutschen Steuerpflichtigen zahlen 80 Prozent des Aufkommens.

(Wilfried Buss SPD: Ja, das sind wir!)

Gut ein Fünftel der Bevölkerung zahlt also einen Großteil der Steuern, auf die wir als Staat angewiesen sind und mit denen wir unseren Sozialstaat überhaupt nur finanzieren können. Die Grenze zum Glück der vermeintlich besser Verdienenden, die Sie so gerne noch mehr schröpfen möchten, liegt zurzeit bei einem Jahreseinkommen von 37 000 Euro. Das sind alle Menschen mit einem monatlichen Bruttogehalt von rund 3000 Euro. Noch mehr an der Steuerschraube zu drehen, wäre der völlig falsche Weg und im Sinne der Unterstützung der Wirtschaft und Stabilisierung der Konjunktur völlig kontraproduktiv.

(Ingo Egloff SPD: Die Vermögenssteuer trifft aber andere!)

Vielmehr brauchen diese Menschen noch eine Entlastung. Leben Sie in Ihrem Wolkenkuckucksheim, meine Damen und Herren von den LINKEN. Die

Menschen brauchen Hilfe in der Realität und das bieten unser Senat und unsere Koalition.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat Herr Schwinke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zu später Stunde noch eine weitere von der Fraktion DIE LINKE angemeldete Debatte zu einem unserer Leitthemen Konjunkturprogramm Hamburg. Die eigentliche Debatte hierzu wird erst im Rahmen der Haushaltsberatungen und einem in Rede stehenden Nachtragshaushalt zum Konjunkturprogramm final Anfang März 2009 geführt werden können. Hamburgs Sozialdemokraten und meine Fraktion haben hierzu rechtzeitig Vorschläge unterbreitet. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Rede unseres Fraktionsvorsitzenden Michael Neumann in diesem Hause vom 10. Dezember 2008 und unseren Antrag 19/1638 vom 26. November 2008.

Der schwarz-grüne Senat und seine Regierungsfraktionen wollen ihr Hamburger Konjunkturprogramm Anfang Februar 2009 in einer Klausurtagung sicherlich auch unter Würdigung des Bundesprogramms und der Vorschläge der Kammern, Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften sowie der Fraktionen in diesem Hause beraten und beschließen. Wir werden sehen, was dabei herauskommen wird und wie groß die Bereitschaft sein wird, darüber im Wirtschafts- und Haushaltsausschuss ehrlich und verlässlich mitgestaltend zu reden. Wir haben dazu als SPD-Fraktion rechtzeitig die Hand gereicht, um für die Menschen in dieser Stadt Gutes zu erreichen.

(Beifall bei der SPD)

In diesem Zusammenhang ist der von der Fraktion DIE LINKE eingebrachte Antrag zu einem Strukturprogramm für Hamburg zu sehen. Die aktuelle Krise führt uns allen vor Augen, wie wichtig eine Politik ist, die wirtschaftliche Dynamik, soziale Gerechtigkeit und ökologischen Fortschritt vereint. Es geht darum, soziale Regeln für die Marktwirtschaft aufzustellen und für nachhaltiges Wachstum zu sorgen. Diese Ziele werden in letzter Zeit von Wirtschaftswissenschaftlern und auch der Politik in einen Zusammenhang mit einer Beschreitung eines sogenannten dritten Wegs gebracht, der vor allem von sozialdemokratischen Elementen geprägt ist. Wir freuen uns natürlich, dass angesichts der Finanzkrise derzeit alle Parteien sozialdemokratisch reden und handeln.

(Beifall bei der SPD)

In Pessimismus zu verharren, hilft uns nicht weiter und doch müssen wir erkennen, dass wir in der Tat vor einer schweren weltweiten Wirtschaftskrise stehen. Die Staatengemeinschaft ist deshalb gefor

(Barbara Ahrons)

dert, alles in ihrer Macht Stehende zu unternehmen, um diese Krise abzuwenden. In Berlin hat die Große Koalition gehandelt und mit dem zweiten Konjunkturprogramm 50 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Dazu heute aktuell "Die WELT":

"Grüne stechen die FDP im Bundesrat aus."

Hamburg und Bremen stimmen zu, wenn die Abwrackprämie für Altautos vom CO2-Ausstoß des Neuwagens abhängig gemacht wird. Dem können wir aus Hamburger Sicht zustimmen, solange das Gesamtpaket damit nicht gefährdet wird.

Wir beraten heute einen Antrag der Fraktion DIE LINKE, deren Wirtschaftsexperten festgestellt haben, dass alle anderen in diesem Hause vertretenen Parteien die Finanz- und Wirtschaftskrise noch nicht verstanden haben. DIE LINKE fordert 2 Milliarden Euro jährlich. Trotz dieser enormen Summe möchten sich die Experten der LINKEN nicht auf eine Erfolgsgarantie festlegen. Wörtlich heißt es:

"Die Wirtschaftskrise kann damit nicht verhindert, aber deutlich abgemildert werden."

Meine Damen und Herren der Linksfraktion, ich danke Ihnen für diese Erkenntnis und im Übrigen auch für Ihre Wertschätzung. Weil Ihnen das Wort Konjunktur viel zu marktwirtschaftlich ist, nehmen Sie es lieber gar nicht erst in den Mund, sondern reden von einem wohlklingenden Strukturprogramm. Es wird in diesen Tagen viel davon gesprochen, dass die Krise auch eine Chance sein kann. Sie sehen in der Krise eine Chance, Ihre eigenen Ziele zu propagieren und umzusetzen. Wenn das nicht klappt, dann war eben die Wirtschaftskrise Schuld und nicht das Programm. Ich hoffe auf die Einsicht, dass die Hamburger LINKE sich den Erfordernissen des Wirtschafts- und Arbeitsstandorts Hamburg stellt und nicht bundespolitischen realitätsfernen Programmatiken nachhängt.

(Beifall bei der SPD)

Die von Ihnen propagierte Abkehr von der Exportwirtschaft bei gleichzeitiger Ausweitung der Ausgaben für öffentliche Aufgaben ist kein Lösungsansatz und verkennt die Rahmenbedingungen unseres Wirtschaftssystems. Seit über 1000 Jahren lebt diese Stadt vom Handel. Der Hafen ist immer das wirtschaftliche Zentrum gewesen, ihm verdankt die Stadt ihren Wohlstand. Hamburg hat in den letzten Jahren in besonderer Weise von der Globalisierung profitiert, Hamburg ist eine Drehscheibe bei der weltweiten Vernetzung von Produktionsstätten. Hamburg ist ein festes Glied in den internationalen Versorgungsketten. Diese Position darf nicht durch unsinnige Strukturdebatten untergraben werden. Die SPD steht deshalb zum Berliner Konjunkturpaket. Nur ein Bündeln von Maßnahmen kann der Krise entgegenwirken.

Der Senat hat bereits angekündigt, mit dem Geld aus dem Konjunkturprogramm wichtige Investitionen in Bildung und Infrastruktur vornehmen zu wollen. Wir begrüßen diese Aussage ausdrücklich. Unsere Ziele sind dabei klar.

Erstens: Die finanziellen Mittel müssen schnell und unmittelbar vorwiegend in Zukunftsinvestitionen fließen. Infrastrukturmaßnahmen für den Hamburger Hafen stehen dabei an vorderster Stelle.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Investitionen in die maroden Gebäude von Schulen, Universitäten und Kitas haben ebenso unsere volle Unterstützung wie Investitionen in den Klimaschutz. Wichtig ist uns, dass die jetzt finanzierten Maßnahmen die Menschen in die Lage versetzt, die Schulden zu erträglichen Bedingungen abzutragen. Investitionen in den Bildungsbereich sind dazu ebenso geeignet wie die Stärkung der Hamburger Wirtschaftskraft.

Zweitens: Jede Krise bietet Chancen. Auch dafür gibt es Beispiele. 1930, mitten in der Weltwirtschaftskrise, wurde die Sparda-Bank München gegründet, heute die größte und mitgliederstärkste Genossenschaftsbank in Bayern. Bietet dieses Beispiel aktuell auch die Chance, die Idee einer Hamburger Investitionsbank voranzubringen? – Wir würden uns darüber freuen.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen gerade in schwierigen Zeiten innovativen und kreativen Ideen zum Erfolg verhelfen.

Drittens: Der Bereitstellung von Gewerbeflächen und der Unterstützung von Existenzgründungen muss besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Ich gebe nur einen kleinen Hinweis, was das neue Geschäftsfeld der Gesundheitswirtschaft anbelangt.

Viertens: Die Landesinvestitionen dürfen nicht zurückgefahren werden. Eine Senatspolitik, die versucht ihren Haushalt mit Mitteln aus dem Konjunkturprogramm zu entlasten und zu sanieren, werden wir nicht mittragen.

(Beifall bei der SPD)

Wir erwarten verlässliche Zusagen des Bürgermeisters vor allem in der Hafenfrage.

Die Politik ist gefordert, den von Arbeitslosigkeit bedrohten Menschen und den von Konkurs bedrohten Unternehmen zu helfen. Wir können es uns nicht leisten, dass uns unternehmerisches Potenzial verloren geht und qualifiziertes Personal in die Arbeitslosigkeit geschickt wird. Mit jedem Konkurs geht unwiederbringlich entwicklungsfähige Wirtschaftskraft verloren. Das wichtigste Ziel ist deshalb, so viele Betriebe wie möglich zu retten und so viele Arbeitsplätze wie möglich auch mit Kurzarbeit zu sichern. Je besser das gelingt, je schneller werden wir die Krise überwinden. Und je

schneller wir die Krise überwinden, umso besser werden wir uns am Weltmarkt behaupten können.

(Beifall bei der SPD)

So sehr man den frommen Wünschen der Linksfraktion zugeneigt sein kann, sie sind in diesem Umfang nicht finanzierbar. Sie sind einseitig und verneinen die weltwirtschaftliche Verflechtung Hamburgs. Gleichwohl ist meine Fraktion bereit, die positiven Ansätze im Wirtschaftsausschuss zusammen mit allen anderen Vorschlägen zu diskutieren. Wir stimmen einer Überweisung dieser Drucksache an den Wirtschaftsausschuss zu. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat Herr Kerstan.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Tat leben wir zurzeit in schwierigen Zeiten. Aus der Vergangenheit wissen wir, dass Hamburg in konjunkturellen Boomphasen immer deutlich besser abgeschnitten hat als der Rest des Bundesgebiets. Leider gilt das aber auch in der anderen Richtung. Hamburg geht es normalerweise auch wesentlich schlechter als dem restlichen Bundesgebiet, wenn die Weltwirtschaft einbricht. Insofern sind die Herausforderungen, vor denen Hamburg steht, besonders groß, wenn man weiß, dass für das Bundesgebiet ein Minus der Wirtschaftsleistung in diesem Jahr von mindestens 2 Prozent prognostiziert wird. In der Vergangenheit lag Hamburg dann in der Regel sogar noch 1 bis 2 Prozentpunkte darunter. Das soll jetzt keine Angst machen, aber es beleuchtet die Herausforderungen, die vor uns stehen und denen auch das staatliche Handeln gerecht werden muss, wenn man diese heraufziehende Konjunktur- und Wirtschaftskrise abmildern möchte.

Insofern ist es eine gute Botschaft, wenn nicht nur der Hamburger Senat bereit ist, jetzt energisch gegenzusteuern, sondern auf Bundesebene auch die Große Koalition mittlerweile zum Ergebnis gekommen ist, dass das erste Konjunkturpaket nicht ausreicht, sondern ein zweites notwendig ist. Das ist allein deshalb wichtig, weil klar ist, dass selbst bei größten Anstrengungen – selbst bei den Summen, die die Linksfraktion in den Raum stellt, wenn Hamburg sie investieren würde und auf Bundesebene würde nicht eine deutliche Anstrengung erfolgen – man eigentlich keine Chance hätte, die Wirtschaftskrise abzumildern. Insofern ist es eine gute Nachricht, dass auf Bundesebene einiges geschehen wird.

Aber bevor ich über die Bundesebene rede, weil ich glaube, dass man es in diesem Zusammenhang einfach tun muss, wenn man entscheiden will, ob das, was man plant, wirklich Erfolg haben