Protokoll der Sitzung vom 21.01.2009

Seien Sie doch nicht so nervös.

(Karl-Heinz Warnholz CDU: Das kommt morgen in die "BILD-Zeitung"! Sie zerschla- gen eine Bank. Ich lache mich kaputt!)

Sie müssen ein bisschen Geduld lernen.

Jetzt will ich das letzte …

(Hans-Detlef Roock CDU: … Bank kaputt machen!)

Bei Ihrem Finanzsenator müssen Sie mir vorwerfen, dass ich eine Bank kaputt mache? Sie sind doch nicht ganz dicht im Kopf.

(Glocke – Lang anhaltender Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk (unterbrechend) : Herr Bischoff, ich bitte Sie zur parlamentarischen Sprache zurückzukehren.

– Also, ich entschuldige mich. Herr Roock, bleiben Sie ruhig.

Ich entschuldige mich. Das war überrissen, tut mir leid.

(Zurufe von der SPD: Aber recht haben Sie! Weitermachen!)

Ich korrigiere mich, ich wollte Sie nicht persönlich angreifen, auch sonst niemanden. Ich wollte nur sagen: Mir können Sie nicht die Ruinierung einer Bank unterstellen. Mir können Sie nicht unterstellen, dass ich in Milliarden-Größenordnung die Hamburger Steuerzahler mit abenteuerlichen Geschichten belaste. Das können wir aber morgen noch ausdiskutieren.

Ich wollte etwas sagen zu der Schuldenbremse und dem Ganzen, womit wir konfrontiert sind. Herr Kerstan, zwei Argumente. Wenn Sie 480 Milliarden Euro Schirm für die Banken und Finanzierungsinstitute der Automobilfirmen anbieten, dann können Sie nicht – jedenfalls ich kann das nicht – der Bevölkerung erklären, dass kein Geld da ist. Und wenn Sie mir sagen, dass das alles nur Bürgschaften seien, dann rechnen wir später einmal nach, wie viel davon wirklich zugeschossen werden muss. Wenn Sie sich anschauen, wie viel jetzt als zweiter Schirm aufgelegt worden ist in den USA, in Irland und in Großbritannien, dann sage ich Ihnen: Wir kommen auf die Frage, was das im Endeffekt bedeutet, noch zurück.

Zweites Argument: Frau Ahrons kann zwar sagen, ich solle einmal Herrn Freytag fragen, wie viel Geld er eigentlich zur Verfügung hat. Ich glaube aber, das wäre eine ziemlich untaugliche Frage an Ihn aus meiner Sicht. Das Problem will ich akzeptieren, ich will Ihnen nur noch einmal sagen: Japan, das das Platzen einer sehr viel kleineren Vermögensblase bewältigen musste in den Jahren 1989/1990, hatte zu der Zeit eine Staatsverschuldung von 60 Prozent. Jetzt, bevor wir in die neue viel größere weltweite Blase und deren Bewältigung eintreten, hat Japan eine Staatsverschuldung von 190 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

(Präsident Berndt Röder übernimmt den Vorsitz.)

Dazu sagt ein bestimmter Teil der Ökonomen, das gebe ich Ihnen zu, es werde sowieso teuer. Wir müssen gerade jetzt schauen, wie wir mit den Mitteln richtig die Strukturen verändern, weil das dann auf lange Sicht preisgünstiger für das Gemeinwesen ist. Da will ich gerne, Herr Schwinke, zum Schluss sozialdemokratisch reden und handeln. Ich habe jetzt gelernt, dass es wirklich vorangeht. Seit Finanzminister Steinbrück sagt, er gehe endlich daran, die Steueroasen zu schließen, und mit Liechtenstein und der Schweiz einen richtig heftigen Konflikt anfängt, finde ich, kommen wir auf den richtigen Korridor.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Dr. Tschentscher.

Herr Bischoff, ich bin sicher, dass wir morgen noch einmal zurückkommen auf die Frage, wer Banken ruiniert und wer das nicht tut. Aber ich wollte noch einmal betonen, Herr Kerstan: Ihren Ansatz, dass die FDP ausgebremst wird mit Ihren überkommenen neoliberalen Ansätzen in Ehren – da haben Sie alle Unterstützung, ob Sie das rot-grün in Bremen tun oder schwarz-grün in Hamburg, das ist richtig und da stehen wir voll hinter Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Wir reden heute über einen Antrag der Linksfraktion zum Konjunkturprogramm und da gibt es einen Teil berechtigter Kritik. Zum Beispiel die Frage, ob es wirklich konjunkturwirksam ist, kostenlose Kultureinrichtungen für bestimmte Gruppen zu ermöglichen, mit Konjunktur hat das nichts zu tun. Das kann aus anderen Gründen sinnvoll sein, mit Konjunktur, da gebe ich Ihnen recht, hat das aber nicht ganz so viel zu tun. Beim kostenlosen Mittagstisch hört es aber schon auf. Da in der Tat, genau wie bei der Abschaffung des Büchergelds, geht es nämlich darum, Kaufkraft zu stärken in Bevölkerungsgruppen, die das sofort umsetzen in Konsum. Deswegen hört es da schon auf, nicht mehr konjunkturwirksam zu sein. Das ist uns auch von Experten bestätigt worden und das sollten wir in der Diskussion im Wirtschaftsausschuss berücksichtigen.

(Mehmet Yildiz DIE LINKE: Das können Sie nicht vergleichen!)

Dann, Herr Kerstan – laxer Umgang mit Steuergeldern: Das überspringe ich einmal. Darauf kommen wir noch zurück, wenn wir Elbphilharmonie und HSH Nordbank besprechen. Aber einen Satz kann ich mir nicht verkneifen: Da muss nun das Konjunkturprogramm herhalten um zu begründen, dass dieser Senat wieder anfängt Schulden zu machen. So wird das dargestellt. Und das ärgert mich schon. Wir haben mindestens ein Jahr lang eine Schuldenrhetorik erlebt von diesem Senat, von Herrn Freytag, die alles an Finanzpolitik reduziert hat auf die Frage, ob wir im Kernhaushalt neue Schulden machen oder nicht. Alles andere wurde ausgeblendet. Sie wissen genau wie wir, dass das falsch war. Das war eine grobe Täuschung und jetzt müssen Sie über das Konjunkturprogramm den Ausweg finden. Das ist eine Irreführung. Sie haben die letzten Jahre den schweren Fehler gemacht, liebe CDU, dass Sie die guten wirtschaftlichen Jahre nicht genutzt haben, um Rücklagen zu bilden, die wir jetzt dringend brauchen. Sondern Sie haben die Rücklagen aufgebraucht

(Wolfgang Beuß CDU: Das waren die Sozi- aldemokraten!)

und haben Defizite aufgebaut von 2006 bis 2009 von über 1 Milliarde Euro. Das ist der Grund, weswegen wir jetzt nicht den nötigen Spielraum haben, das Konjunkturprogramm, das wir eigentlich jetzt brauchen, solide in Gang zu bringen.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen muss sich niemand von uns aufs hohe Ross setzen. Wir sollten alle Vorschläge, so wie es unser Fraktionsvorsitzender vor Monaten angeboten hat, im Wirtschaftsausschuss nebeneinander legen und versuchen gemeinsam mit den richtigen Vorschlägen wirtschafts- und finanzpolitisch solide aus dieser Krise herauszukommen.

(Beifall bei der SPD – Olaf Ohlsen CDU: Aber nicht mit Ihnen!)

Der Abgeordnete Kerstan wünscht das Wort. – Er bekommt es.

Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Tschentscher, ich kann verstehen, wenn Sie jetzt noch einmal ein bisschen Schärfe hineinbringen wollen in ein Thema, bei dem wir uns eigentlich einig sind. Aber lassen Sie doch einfach einmal die Kirche im Dorf. Auf Bundesebene reden wir im Moment darüber, dass die Bundesregierung die wahrscheinlich jemals höchste Neuverschuldung angesichts dieser Krise in Angriff nehmen muss, um ihre Maßnahmen zu finanzieren, die dem Kampf gegen die Konjunkturkrise dienen sollen. Dieser Senat hat jetzt beschlossen, seinen Eigenanteil an einem Programm von 300 Millionen Euro in Höhe von 70 Millionen Euro kreditär zu finanzieren. 70 Millionen Euro für zwei Jahre, das sind 35 Millionen Euro pro Jahr. Bitte lassen Sie die Kirche im Dorf. Das ist keine grundlegende Kehrtwende. Ich glaube, dass das den Streit nicht lohnt.

Aber ich möchte an Herrn Bischoff gerichtet eine Bemerkung machen – aber vielleicht auch an die Gewerkschaften, die manchmal dazu neigen zu sagen, jetzt müsse man einfach Schulden machen und das sei nicht weiter schlimm. Darauf möchte ich einmal hinweisen, weil das ein Thema ist, das Ihnen wichtig ist: Verschuldung hat eine sehr starke Umverteilungswirkung, und zwar von unten nach oben. Wenn Sie Milliarden und Abermilliarden an Schulden vom Staat aufnehmen, dann mögen Sie vielleicht um Steuererhöhungen herumkommen, aber wer bezahlt denn das? Wer stellt die Kredite zur Verfügung? Das sind die Leute, die Geld haben. Letztendlich tragen dann Tilgungen und Zinszahlungen die Steuerzahler und das sind die kleinen Leute. Gerade wenn Sie sagen, soziale Kriterien müssten eine Rolle spielen, muss man darauf achten, dass die Staatsverschuldung nicht zu weit ausufert. Mir wäre wichtig, dass wir das dabei im Kopf behalten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL, der CDU und bei Mi- chael Neumann SPD)

Ich sehe jetzt keine Wortmeldungen mehr. Wir kommen zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 19/1897 an den Wirtschaftsausschuss zu? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 35, Drucksache 19/1901, Antrag der SPD-Fraktion: Hochschulzugang für Berufstätige.

[Antrag der Fraktion der SPD: Hochschulzugang für Berufstätige – Drs 19/1901 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 19/2023 ein gemeinsamer Antrag von CDU- und GAL-Fraktion vor.

[Antrag der Fraktionen der CDU und GAL: Hochschulzugang für Berufstätige – Drs 19/2023 –]

Beide Drucksachen möchte die SPD-Fraktion an den Wissenschaftsausschuss überweisen. Wird das Wort gewünscht? – Der Abgeordnete Kühn hat es.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir hatten – ich meine im November – eine Debatte, in der Sie sich vor allem, Herr Beuß, darüber beklagt haben, dass vonseiten der Oppositionsfraktionen zu wenig Anträge im Bereich Wissenschaftspolitik kommen würden. Nun haben wir uns natürlich fest vorgenommen, auch ich mir persönlich, diese Kritik ernst zu nehmen.

(Ingo Egloff SPD: Das haben Sie jetzt da- von!)

So haben wir nun zu dieser Sitzung diesen Antrag eingebracht. Es verwundert mich allerdings – aber dazu werde ich gleich im Anschluss noch kommen – die Art und Weise, wie Sie mit diesem Antrag umgehen wollen. Aber wir werden in der jetzt stattfindenden Debatte noch genügend Raum finden, dies zu diskutieren.

Wenn man sich das Thema dieses Antrags anschaut, dann mag man zunächst zu dem Eindruck gelangen, dass es sich dabei um eine Nebendebatte handelt. Denn Hochschulzugang für Berufstätige klingt nicht gerade nach einem Thema, das in seiner Brenzligkeit jedem augenfällig wird. Wenn man sich aber mit diesem Thema genauer beschäftigt, dann ist es ein wunderschönes Beispiel,

das wieder einmal deutlich macht, dass Deutschland in einer entscheidenden Bildungsfrage vor allem auch gegenüber anderen europäischen Partnern weit zurückhängt. Worum geht es im Kern? Es geht darum, größere Offenheit zum Zugang zu Bildung, auch zu Hochschulbildung, zu gewährleisten. Denn größtmögliche Durchlässigkeit ist der beste Garant dafür, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sich fortbilden können. Wie wir alle wissen, ist gute Bildung der beste Garant für dauerhafte und krisensichere Beschäftigungsverhältnisse.

(Beifall bei der SPD)

Gerade auch in Anbetracht des Themas, das wir gerade diskutiert haben, wird noch einmal auf besondere Art und Weise deutlich, wie wichtig dieser Punkt ist. Wir kennen es schon von vielen anderen internationalen Studien. Auch in diesem Punkt hinkt Deutschland bei internationalen Vergleichsstudien deutlich hinterher. Das ist besonders aufgrund zweier Punkte dramatisch, nämlich zum einen, weil gerade in der Bundesrepublik die Verknüpfung von Qualifikation und Beschäftigungsquote besonders stark ausgeprägt ist und zum anderen unsere Wirtschaft auf eine ganz besondere Art und Weise darauf angewiesen ist, viele hoch und gut ausgebildete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu finden.

Deshalb ist es besonders beängstigend aus meiner Sicht, dass wir in der Bundesrepublik Deutschland gerade einmal 1 Prozent Zugang zu Hochschulen haben von Studierenden, die nicht über die klassische Hochschulreife verfügen. Ich möchte einmal Vergleichszahlen nennen: England kommt auf 15 Prozent, Spanien und die Schweiz auf 9 Prozent, Norwegen schafft 8 Prozent und die Bundesrepublik Deutschland 1 Prozent. Ich hoffe, dass das noch einmal – auch fraktionsübergreifend – deutlich macht, dass es notwendig und wirklich an der Zeit ist, dass wir uns gemeinsam dieses Themas annehmen.

(Beifall bei der SPD)

Nun will ich aber als guter Parlamentarier, auch als guter Oppositionsparlamentarier, nicht nur die Notwendigkeit des Problems skizzieren, sondern möchte ohne der parlamentarischen Diskussion vorweg zu greifen mit einigen Lösungsvorschlägen aufwarten. So wäre zum Beispiel aus meiner Sicht durchaus denkbar, Meistern und Inhabern anderer vergleichbarer Fortbildungsabschlüsse einen generellen Zugang zu den Hochschulen zu gewähren vergleichbar zur allgemeinen Hochschulreife. Dies sollte ein Weg sein, zu dem wir uns gemeinsam entschließen.

(Beifall bei der SPD)

Man kann aber an dieser Stelle auch die Frage stellen, wie wir mit Leuten umgehen, die nicht den Meister gemacht haben oder zum Meister vergleichbare Abschlüsse haben. Hier könnten wir