Protokoll der Sitzung vom 22.01.2009

Von den Schutzschirmen profitieren nicht nur Banken mit staatlicher Mehrheit wie die HSH Nordbank, sondern ganz überwiegend werden private Geschäftsbanken gerettet. Wenn Sie sich international das unvorstellbare Ausmaß anschauen, das die Pleite von Lehman Brothers ausgelöst hat, kann ich nur sagen: Es ist gut, dass die amerikanische Regierung diesen schweren Fehler nicht wiederholt hat und die Citigroup, die am Rande des Abgrunds stand, gerettet hat mit immerhin einem Engagement von über 350 Milliarden US-Dollar. Die Bank of America wird mit 138 Milliarden USDollar gestützt. In Großbritannien muss jetzt die Royal Bank of Scotland, die auch in Deutschland engagiert ist, zu 70 Prozent ins Staatseigentum übernommen werden.

In Deutschland wird der Schutzschirm genutzt nicht nur von Landesbanken – im Moment sind es die HSH Nordbank und die BayernLB –, sondern ganz intensiv von privaten Banken, von der Hypo Real Estate mit 42 Milliarden Euro und der Commerzbank mit über 30 Milliarden Euro. Die Commerzbank ist die zweitgrößte Privatbank Deutschlands zusammen mit der Dresdner Bank. Wer hätte es für möglich gehalten, dass diese Bank teilverstaatlicht wird? Ich hätte es nicht für möglich gehalten. Ich weiß nicht, wie gut Ihre prophetischen Möglichkeiten waren. Ich habe es – das sage ich ganz offen – nicht vorhergesehen.

Staatliche Banken sind genauso betroffen wie private. Das Verlustvolumen der privaten Geschäftsbanken ist deutlich höher als das der Landesbanken oder der staatlichen Banken. In den Aufsichtsräten der privaten Banken, die jetzt überwiegend den Rettungsschirm in Anspruch nehmen, sind eben nicht Politiker. Dort sitzen ausschließlich Wirtschaftskoryphäen, Experten und Sachverständige. All dieser Sachverstand hat es nicht vermocht zu verhindern, dass auch diese großen weltweit agierenden Banken in den Strudel geraten sind. Ich bekenne mich auch zu dem, was ich im "Hamburger Abendblatt" gesagt habe. Ich empfinde die ungeheure Wucht, mit der wir auch in Hamburg von der Finanzkrise durch die HSH Nordbank aber auch durch andere Effekte getroffen werden, als bedrückend und beängstigend. Ich kann vor allen Dingen die Bürger sehr gut verstehen, die jetzt

(Dr. Joachim Bischoff)

die Frage stellen, wie das passieren konnte und wer Schuld hat.

Wie konnte das passieren? Ich frage mich gelegentlich, wo eigentlich all die Propheten gewesen sind, die uns jetzt wortreich erklären, warum alles so gekommen ist? Wo sind die gewesen, als wir ihren Rat noch hätten brauchen können? Wir brauchen jetzt nicht Heldentum nach Ladenschluss,

(Michael Neumann SPD: Denken Sie an die Demut!)

sondern eine Bestandsaufnahme und aktives Handeln, um die Krise zu beseitigen.

(Beifall bei der CDU)

Wer hat Schuld? Das ist natürlich eine Frage, die sich alle stellen. Gibt es einen Sündenbock, fragt sich natürlich die SPD-Opposition und beantwortet gleich die Frage. Gibt es einen Sündenbock, an dem wir uns alle abreagieren können? Das ist – oh Wunder – der Finanzsenator in Hamburg, der erst seit Februar 2007, Herr Tschentscher, in diesem Aufsichtsrat sitzt. Das Problem, das die SPD hat, weniger DIE LINKE – es gilt wieder einmal die alte Weisheit: Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. Und wer sitzt in der Grube? Die SPD.

(Beifall bei der CDU – Ingo Egloff SPD: Die Behauptung müssen Sie erst einmal bewei- sen!)

Tatsache ist, lieber Herr Tschentscher: Die HSH Nordbank ist keine CDU-Bank und sie ist auch nicht von dem CDU-Senat geführt, sondern es ist eine Bank, an der Hamburg im Moment 30 Prozent Anteil hat. 70 Prozent sind andere Eigentümer. Diesen 30-prozentigen Anteil, den wir halten, führen wir zusammen mit einem anderen Bundesland, nämlich Schleswig-Holstein. Ich sage der SPD: Bei allen Problemen, die diese Bank hat, insbesondere bei den Kreditersatzgeschäften, sind Sie eben nicht außen vor, sondern das Kreditersatzgeschäft ebenso wie das Auslandsgeschäft, das Sie so kritisieren, ist in großem Stil begonnen worden von den Vorgängern der HSH Nordbank, nämlich von der Landesbank Schleswig-Holstein und der Hamburgischen Landesbank.

1998 wird im Geschäftsbericht der Hamburgischen Landesbank freudig darauf hingewiesen, dass man zwei Institute auf der Insel Guernsey gegründet hat. Das ist die Insel, deren Bruttosozialprodukt ganz überwiegend oder jedenfalls zum größten Teil mit Finanzdienstleistungen bestritten wird. Aufsichtsratsvorsitzende in diesem Jahr war Ingrid Nümann-Seidewinkel, die Finanzsenatorin der SPD. Wirtschaftssenator Dr. Thomas Mirow saß im Aufsichtsrat, Staatsrat Reimers, SPD, Eugen Wagner, SPD, durfte auch nicht fehlen und der Finanzminister des Landes Schleswig-Holstein, Möller, war auch mit im Aufsichtsrat.

Ich will dies nicht kritisieren.

(Zurufe von der SPD: Nein, nein!)

Ich will das nicht kritisieren, ich will Sie nur daran erinnern,

(Christiane Schneider DIE LINKE: Sagen Sie doch einmal etwas zur Sache!)

dass die Kreditersatzgeschäfte die Geschäfte sind, die uns jetzt besonders viele Probleme machen. Das ist im Haushaltsausschuss, dessen Bericht wir jetzt debattieren, vom Vorstand der HSH Nordbank ganz explizit erklärt worden. Die Kreditersatzgeschäfte sind begonnen worden im großen Stil von der Landesbank Schleswig-Holstein und von der Hamburgischen Landesbank. Herr Tschentscher, Sie haben das Problem, dass die SPD den Stein ins Rollen gebracht hat und Sie jetzt von diesem Stein mit überrollt werden. Das ist Ihr Problem.

(Beifall bei der CDU)

Gehen wir einmal weiter. Nun war die SPD nicht die ganze Zeit in der Regierung. Sie glauben zwar, wir hätten sozusagen alles zu verantworten in Hamburg, aber tatsächlich war es so, dass Sie bis 2001 noch regiert haben, Herr Tschentscher. In der ganzen Zeit hat allerdings die SPD im Aufsichtsrat immer mitgestimmt, nämlich durch die Landesregierung in Schleswig-Holstein. Sie waren immer dabei, die ganze Zeit, sowohl in der Landesbank Schleswig-Holstein als auch in der Hamburgischen Landesbank als auch in der HSH Nordbank ab 2003. Aufsichtsratsvorsitzende war – genau zu der Zeit, wo Sie jetzt die vielen Auslandsbeteiligungen kritisieren – Heide Simonis, die Ministerpräsidentin der SPD.

(Wolfgang Beuß CDU: Hört, hört! – Michael Neumann SPD: Da wissen Sie, was sie schon hinter sich hat und was Sie noch vor sich haben. Die ist schon abgewählt!)

Es ist fünf Jahre lang dabei gewesen der langjährige Finanzminister Stegner, SPD, Ihr Spitzenkandidat in Schleswig-Holstein. Es ist der DGB intensiv vertreten gewesen mit Peter Deutschland, es liest sich wie ein "Who is who" der SPD-Prominenz. Das heißt, die Sozialdemokraten sind die ganze Zeit dabei gewesen. Ich finde es einfach unehrlich,

(Michael Neumann SPD: Demut! Denken Sie an die Demut!)

wenn eine Partei wie die SPD durch ihre Minister und Senatoren bei allen Aktivitäten der Bank dabei gewesen ist und sich jetzt feige davonstehlen will. Das ist unehrlich.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Übrigens, die Cayman Islands, die Sie so gerne zitieren, sind gegründet worden im Jahr 2004. Mitglied des Aufsichtsrats war Ihr damaliger SPD-Finanzminister Stegner. Warum nehmen Sie den Stegner eigentlich so ran? Jeder Schlag gegen

(Senator Dr. Michael Freytag)

diesen Senat ist ein Schlag gegen die SPD-Vertreter in den Aufsichtsräten.

(Klaus-Peter Hesse CDU: So sind die Ge- nossen untereinander!)

Warum tun Sie das?

(Christiane Schneider DIE LINKE: Das ist doch peinlich!)

Ich finde es nicht in Ordnung, ich will Ihnen einmal eins sagen, Herr Tschentscher. Ich nenne Ihnen eine Definition Ihres Verhaltens aus der Enzyklopädie Wikipedia:

"Das Vertreten eines Anspruchs an das Verhalten anderer, wenn man selbst diesem Anspruch nicht gerecht wird",

wird hier Heuchelei genannt. Oder:

"Das Vortäuschen tatsächlich nicht vorhandener Gefühle oder Gemütszustände"

ist Heuchelei,

"So mag ein Dieb Überraschung heucheln, wenn das Fehlen eines von ihm gestohlenen Gegenstands bemerkt wird."

(Michael Neumann SPD: Oder ein Finanzse- nator, der Demut heuchelt!)

Oder, ich ergänze, es ist auch Heuchelei, wenn man vorgibt, nicht beteiligt gewesen zu sein an Vorgängen, bei denen viele SPD-Senatoren und SPD-Minister Verantwortung mitgetragen haben. Ich werfe diesen Kollegen das nicht vor. Ich werfe es ihnen ausdrücklich nicht vor. Ich plädiere genauso, wie eben gesagt wurde, für Freispruch. Aber es ist einfach unehrlich und unwahrhaftig, dass das, was Sie und wir gemeinsam über viele Jahre in den Aufsichtsräten der Banken nach vorne gebracht haben, heute einseitig der CDU anlasten. Das glaubt Ihnen kein Mensch, Herr Tschentscher.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL – Christiane Schneider DIE LINKE: Kommen Sie einmal zur Sache!)

Jede Schuldzuweisung, mit der man den anderen treffen will, trifft einen selbst. Die Fakten sind einfach so. Es bringt uns relativ wenig, wenn wir jetzt versuchen uns gegenseitig mit Schuldzuweisungen zu überziehen.

(Zurufe von der SPD)

Das bringt uns gar nichts. Deshalb lassen Sie es sein. Denn wir müssen jetzt handeln, weil die Lage ernst ist. Sie ist sehr ernst.

(Uwe Grund SPD: Nehmen Sie Ihren Hut und gehen!)

Ich würde wirklich darum bitten, dass man sich dieser Lage auch bewusst ist. Weltweit, auch in Hamburg, sind zweifellos Fehler gemacht worden,

(Dirk Kienscherf SPD: Aber nicht von Ihnen!)

Fehler auch in der HSH Nordbank. Alle haben Fehler gemacht. Die Frage ist aber in der Tat, ob Fehler vorhersehbar gewesen sind. Ich wundere mich wie gesagt über die vielen Leute, die jetzt unterwegs sind und es jetzt besser wissen und uns, als es soweit war, nichts gesagt haben.

(Zurufe von der SPD)

Weder die Bundesbank noch die Bankenaufsicht noch die Wirtschaftsprüfer noch der Vorstand noch der Aufsichtsrat noch die Politik hat in den Jahren, in denen die Kreditersatzgeschäfte gut funktioniert haben und alle mit Triple A geratet waren, jemals die Stimme erhoben und gesagt, wir sollen das nicht mehr machen. Im Gegenteil: Alle haben diese Geschäfte, die weltweit üblich waren, gerne mitgemacht und man hat auch sehr gerne die Früchte dieser Geschäfte in die Haushalte überführt. SPDLandesregierungen haben das genauso gemacht wie CDU-Landesregierungen.

Die HSH Nordbank hat für Hamburg in den Jahren 2003 bis 2007 Abführungen gemacht von 600 Millionen Euro, die auch im Haushalt eingesetzt worden sind. Egal welcher politischen Couleur, es gab keinerlei Hinweis darauf, dass wir dieses Geld nicht nehmen sollten. Es kommt übrigens nicht nur aus Kreditersatzgeschäften, es kommt natürlich auch aus dem Kernbereich der Geschäfte der HSH Nordbank. Sie ist Marktführer bei den regionalen mittelständischen Unternehmenskunden und sie ist im Schifffahrtsgeschäft sowohl international als auch in der Region sehr intensiv ausgerichtet auch auf die hamburgischen und norddeutschen Unternehmen.

(Uwe Grund SPD: Das ist inzwischen alles verbrannt, Herr Senator! Es ist alles weg!)