Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Drei Bemerkungen zu dem sicherlich sehr komplizierten Thema, auch wenn wir mit dem Bericht des Haushaltsausschusses nur einen kleinen Teil davon erfassen können: Wenn ich mich richtig erinnere, hat das "Hamburger Abendblatt" eine Geschichte über das Drama HSH Nordbank vor Kurzem vorgestellt und hat – das fand ich richtig – darauf hingewiesen, dass wir eine Situation hatten, wo der Finanzsenator dünnhäutig wurde, indem er klar gesagt hat, er sei
Er sei auch ein bisschen sauer darüber, dass sogenannte Feuerwehrleute jetzt erschossen werden sollten.
Weil Sie das alles aufgegriffen haben, möchte ich noch einmal wiederholend sagen, denn das habe ich damals in der Diskussion schon gesagt: Es wäre wirklich völlig vermessen bei all den Fähigkeiten, die dieser Senat und Herr Freytag haben, zu sagen, er wäre für die internationale Finanzkrise verantwortlich. Herr Kruse, weil Sie das noch einmal gesagt haben, ich plädiere für Herrn Freytag auf nicht schuldig in diesem Punkt.
Herr Kerstan, Sie haben gesagt, das sei ziemlich dramatisch. Gestern in der Diskussion, fand ich, haben Sie es ziemlich kleingeredet, was dieser Tsunami angerichtet hat. Aber das wollen wir gar nicht weiter erörtern. Jedenfalls nach der Aufstellung der Bank von England sind in den USA bis Mitte Januar 5 Billionen US-Dollar für die Rettung des Finanzsystems investiert worden – 5,1 Billionen US-Dollar, das sind in etwa 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Für Großbritannien haben Sie eben schon die neuesten Zahlen angegeben. Jeder von uns sieht auch mit einigem Stirnrunzeln die Auseinandersetzungen in Island – sicherlich ein Land und eine Bevölkerung, die einen ganz tiefen Absturz hinter sich haben – aber auch in Spanien und anderswo. Die Latte ist beeindruckend und es ist überhaupt gar keine Frage, dass wir eine ganz andere Ausgangsbedingung haben, nicht nur uns selber zu helfen, sondern eben auch in diesem Fall den anderen Ländern zu helfen. Wenn wir irgendwann bei den weiteren Beratungen auf den Punkt kommen, dass die Situation fürchterlich ernst ist, dann wäre meines Erachtens in der Diskussion in diesem Hause und in den Fraktionen schon einiges gewonnen.
Insofern, Herr Tschentscher, ist die Aufzählung richtig: Da ist verzockt worden, da sind Leute ins Kasino gegangen, da sind ein paar Leute außer Rand und Band, 25 Prozent Eigenkapitalrendite erreichen zu wollen, aber das greift aus meiner Sicht zu kurz. Ich plädiere immer noch bezüglich des ersten Punkts: Herr Freytag ist an diesem Räderwerk, an diesem gigantischen Abkopplungsprozess des Geldvermögens von der Realökonomie, den wir seit Jahrzehnten haben und der bestens analysiert ist, und zwar nicht nur von linker Ecke, sondern auch beispielsweise von der Europäischen Zentralbank et cetera, nicht schuld. Aber wir wussten es alle. Dass wir vielleicht schlechte Argumente hatten uns verständlich zu machen und
dass manche Leute das nicht hören wollten, ist etwas anderes. Aber dieser Abkopplungsprozess ist ziemlich klar erkennbar gewesen.
Der Hintergrund für dieses Kreditersatzgeschäft, in dem die HSH Nordbank nun einmal stand, lässt sich auch lapidar erklären. Das können Sie auch überall nachlesen. Man kann sagen, die hätten überhaupt kein Kreditersatzgeschäft machen sollen. Aber wenn sie es nun schon einmal machen, dann hätten sie für Staatspapiere amerikanischer Prägung vielleicht 3 bis 4 Prozent bekommen, während Sie bei diesen Investitionen, um die es geht – in Hypotheken besicherte, zu Paketen gebündelte Papiere – 6 bis 9 Prozent bekommen haben. Wir haben noch in der letzten Runde diskutiert, es seien vorwiegend Landesbanken. Das ist nicht richtig, wie wir jetzt auch von Herrn Ackermann und Co. wissen. Es sind alle Banken in dieses Investment hineingegangen, weil es eben überdurchschnittliche Zinsen gab.
Ich sage das nur deshalb, um deutlich zu machen, dass das, was dort in den letzten Jahrzehnten passiert ist, sich auch nicht mit einem Federstrich ausräumen lässt. Ich habe viel Kritik an Ihrem Altvorderen, Helmut Schmidt, aber wenn Sie sich in "Der Zeit" von vor zehn Tagen, die von Helmut Schmidt genannten sechs Punkte anschauen, dann hat er das mit diesen sechs Punkten richtig umrissen. Um was es da geht, ist ein ganz komplizierter Rückbau dieses abgehobenen Finanzsektors auf die Realökonomie. Insofern immer: Nicht schuldig, Herr Freytag. Wir können aber darüber reden, ob wir unseren Beitrag leisten, auch wir in Hamburg, um in diesem Prozess des Rückbaus ein Stück voranzukommen.
Jetzt kommen wir aber der Sache noch einmal in einem zweiten Punkt näher. Was ich nicht akzeptiere, auch heute, Herr Kruse, nicht in dieser Diskussion, und wobei es bei mir schon kritisch wird, was Herr Freytag zu verantworten hat, will ich Ihnen sagen. Denn die Zäsur ist nicht der September 2008, Lehman Brothers, die Beschleunigung, AIG und was sich dann noch getan hat. Sondern die Finanzkrise – da will ich mit Ihnen keine Debatte im Einzelnen führen – und der Ausbruch, das Hinausplatzen der Luft aus dieser Blase, datiert aus dem Frühjahr 2007. Es muss sich jeder Politiker, der Verantwortung hat, fragen, ob er das, was 2007 passierte, zur Kenntnis genommen hat.
Ich kann natürlich sagen – das ist auch nachzulesen im "Hamburger Abendblatt" –, wir hatten einen Wahlkampf Anfang 2008. Ich war jedenfalls von meinen bescheidenen Informationen her sicher bei der HSH Nordbank. Ich glaube die Fernsehsendung war im Januar. Da haben wir den bislang noch nicht schuldigen Herrn gefragt, ob der HSH Nordbank genau dasselbe passieren wird wie der Landesbank Sachsen oder der WestLB – ich will sie jetzt nicht alle aufzählen. Wir müssen sehen,
wenn Sie schon in dem Bild bleiben, dass da zwar keiner erschossen worden ist, aber Milbradt – aus meiner Sicht – ist zu Recht in die Wüste geschickt worden ein halbes Jahr, bevor hier der Wahlkampf zu Ende war.
Da sagen Sie, ich möchte Ihnen das einmal kurz vorlesen aus dem "Hamburger Abendblatt" aus Ihrem Interview:
"Ich bin, was das angeht, demütig geworden. Wir haben sicher alle Fehler gemacht. Es ist nur schwer, Fehler zu vermeiden, die man nicht erkennen konnte."
Was ich in dem Punkt einklage, Herr Kruse: Wie schlau konnte man im Januar 2008 sein, wenn man einen Ministerpräsidenten in der Partei hat, der in die Wüste geschickt wird wegen dieser Sache?
Ich bin davon überzeugt, dass man das im Januar 2008 wusste. Nun lasse ich den Wahlkampf weg, da wird immer gemogelt, wie wir wissen. Aber zumindest nach den Wahlen haben wir, die Opposition, immer wieder dieses Thema auf die Tagesordnung gesetzt und waren nicht beständig gut informiert, sondern haben das immer wieder eingeklagt. Das einzige Argument, das wir hatten, war doch: die Krise datiert aus dem Frühjahr 2007 und sie wird schlimmer.
Sie sagen jetzt, Herr Kruse – auch Frau Ahrons hat mir das in der Diskussion ein paar Mal entgegengehalten: Wenn ich als Bürgerschaftsabgeordneter sage, dass ich das ein ziemlich hohes Risiko für die Stadt finde, und versuche, im Ausschuss und an anderer Stelle zu sagen – ich bin in meinem eigenen Laden auch verschrien dafür –, lasst uns eine Lösung finden, es muss aber wenigstens ein Problembewusstsein existieren, dann sind Sie beständig mit dieser Formel gekommen, ich würde das Ding schlechtreden. Das ist, Herr Kruse, nicht akzeptabel. Das ist völlig daneben.
Das muss ich auch einfach so sagen bei aller Wertschätzung. Das Problem ist: Wenn das Ihr wirklicher Ernst wäre, dann dürfte man – ich mag
mich auch irren – wirklich heftige Fehlentwicklungen weder hier noch im Ausschuss zum Thema machen. Das kann es nicht sein.
Wenn ich der Meinung bin, dass die Sache in der HSH Nordbank und nicht nur dort völlig schief läuft, dann muss ich das hier sagen können und Sie müssten schauen, was ich an Argumenten habe. Danach können Sie immer noch sagen, der verschafft damit der Bankenkonkurrenz Nachteile. Dann wäre ich der Erste, der das in der Kritik einräumen würde.
Insofern sage ich jetzt im Hinblick auf das, was Herr Freytag sagt: Er konnte es gar nicht erkennen. Wenn ein Finanzsenator sich heute – das war nicht Anfang 2008 – in Hamburg hinstellt und in einer Zeitung erklärt, es waren Fehler, die man nicht erkennen konnte, dann gestatten Sie mir, wenn ich sage: So jemanden dürften Sie nicht mit dieser politischen Verantwortung ausstatten.
Drittens: Was ist zu tun? Gestern, auch wenn Sie es nicht so wahrgenommen haben, wollte ich genau in dieselbe Richtung. Alles, was wir jetzt machen an Strukturprogrammen, dient dazu, die Abwärtsbewegung in den Griff zu bekommen. Das ist meine Auffassung und die der Fraktion und meiner Partei, die Sie nicht mögen, das ist okay. Aber das ist unsere feste Auffassung. Ich will jetzt nur, damit Sie an der Stelle verstehen, noch einmal sagen: Herr Bernanke, der Chef der US-Notenbank, hat vor ungefähr zehn Tagen einen Vortrag in London bei der dortigen Notenbank gehalten und hat auf Folgendes verwiesen – und das ist aus meiner Sicht ganz wichtig und auch eine kritische Anmerkung zu der Position von Helmut Schmidt: Wer davon ausgeht, das wäre einfach nur ein Problem immobilienbesicherter Wertpapiere und deren Verbriefung, internationalem Handel und Schattenbankensystem, was Herr Böwer entlarvt hat, zugleich gekoppelt mit ein bisschen Steuerhinterziehung und dergleichen, der unterschätzt das Problem.
Das, um was es bei diesem Abheben des Finanzsektors, des Finanzüberbaus, geht, ist eben auch ein Problem eines gigantischen Kreditbooms. Man hat also versucht, mit Krediten die rücklaufende Kaufkraft von lohnabhängigen und anderen ausgegrenzten Massen zu kompensieren. Deswegen hängt beides miteinander zusammen. Wenn wir das machen wollen, Herr Kerstan, wenn wir einen Rückbau machen wollen, dann lade ich Sie ein, mit uns über die Besserausstattung von lohnabhängigen Hartz-IV-Empfängern und anderen nachzudenken.
Sonst bekommen Sie das Ding nicht weg bei allen Einführungen von Finanz-TÜV und Eigenkapitalquoten et cetera. Das ist also ein ziemlich komplizierter Vorgang. Hamburg steht vor einer ziemlich komplizierten Herausforderung. Das räume ich ohne Weiteres ein. Wenn wir das lösen wollen, wird das Hamburg viel Geld kosten. Alles andere als ein Rückbau auf eine Regionalbank wird nicht gehen. Ob wir neben der Haspa, da haben Sie mich gestern schon getroffen, wirklich eine zweite Regionalbank brauchen, das müssen wir uns gründlich überlegen. Und wie wir diesen ganzen Rückbauprozess sozial verträglich machen, ist auch keine leichte Sache. Deswegen sage ich abschließend bei dem was Sie aufgeworfen haben: Herr Freytag ist nicht schuld an der internationalen Finanzkrise, aber Herr Freytag ist schuld an einer miserablen Politik in Hamburg.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir stehen in der größten Weltwirtschaftskrise seit den Zwanzigerjahren des vorigen Jahrhunderts. Wir haben massive Auswirkungen – und werden sie noch haben – auf alle Wirtschafts- und Lebensbereiche auch in Deutschland. Finanzmärkte, Industrie, Handel, Import/Export, Arbeitsplätze sowie Wirtschafts- und Steuerkraft auch der Hansestadt Hamburg sind in Mitleidenschaft gezogen. Wir haben deutliche Einbrüche weltweit beim Wirtschaftswachstum, aktuell in Deutschland haben wir die höchste Minuswachstumsrate in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Das bis vor Kurzem Unvorstellbare ist eingetreten.
Staaten sind faktisch Konkurs gegangen, Großindustrien liegen am Boden, die US-Automobilindustrie und weitere Industrien auch in Europa und in Deutschland sind in Gefahr. Bislang renommierte Spitzenbanken stehen weltweit am Abgrund. Mit Lehman Brothers ist eine der größten internationalen Banken pleite gegangen und hat einen Erdrutsch ausgelöst. Es ist der Staat, der die letzte Instanz des Vertrauens ist – gerade in der Wirtschaftskrise – und deshalb als Einziger in der Lage ist, Schutzschirme aufzuspannen, und das nicht nur bei uns, sondern weltweit. Nicht, weil er Spaß daran hat, etwas für private Banken oder private Automobilkonzerne zu tun, sondern weil er uns alle vor dem totalen Zusammenbruch retten will. Das ist das Ziel der Schutzschirme und es ist bitter nötig, auch bei uns.
Es sind einige Summen genannt worden. In den Vereinigten Staaten sind es mindestens 850 Milliarden US-Dollar, die bereitgestellt werden. In Großbritannien sind es 300 Milliarden Pfund, in Frankreich 360 Milliarden Euro und in Deutschland 480 Milliarden Euro. Hinzu kommen neue Rettungspakete, die diskutiert werden – international wie auch in Deutschland.
Von den Schutzschirmen profitieren nicht nur Banken mit staatlicher Mehrheit wie die HSH Nordbank, sondern ganz überwiegend werden private Geschäftsbanken gerettet. Wenn Sie sich international das unvorstellbare Ausmaß anschauen, das die Pleite von Lehman Brothers ausgelöst hat, kann ich nur sagen: Es ist gut, dass die amerikanische Regierung diesen schweren Fehler nicht wiederholt hat und die Citigroup, die am Rande des Abgrunds stand, gerettet hat mit immerhin einem Engagement von über 350 Milliarden US-Dollar. Die Bank of America wird mit 138 Milliarden USDollar gestützt. In Großbritannien muss jetzt die Royal Bank of Scotland, die auch in Deutschland engagiert ist, zu 70 Prozent ins Staatseigentum übernommen werden.