möglicherweise muss auch in noch ganz anderen Gesetzen deutlicher als bisher Nachhaltigkeit und Gemeinwohl verankert werden. Trotzdem bleibt die Basis die soziale Marktwirtschaft. Wenn wir eine Krise dieses Ausmaßes in Zukunft verhindern wollen – der Bürgermeister hat es angesprochen –, dann müssen wir diese Krise international bekämpfen, denn national kann man solche Krisen nicht verhindern.
Zu Hamburg: Welche Ausgangslage hatten wir zu Beginn dieser Krise? Die Hamburger Wirtschaft ist breit aufgestellt, denn sie besteht aus einem gesunden Mix von Industrie, Handel und Hafen, Handwerk und Dienstleistung und vor allen Dingen einem starken Mittelstand. Der Bürgermeister hat es ebenfalls angesprochen, wir haben Gott sei Dank keine Monokulturen wie in anderen Bundesländern, Städten und Regionen, denken Sie zum Beispiel an die Autoindustrie oder an die Chemieindustrie. Und Hamburg ist eins der finanzstärksten Bundesländer in Deutschland.
Was tun wir in Hamburg? Was versuchen wir in Hamburg zu tun gegen diese Krise? Der Senat und die Koalitionsfraktionen haben gemeinsam klare Kriterien entwickelt, nach denen wir handeln wollen. Nachdem die Bundesregierung mit den Rettungsschirmen für die Banken das Funktionieren der Geldversorgung der Wirtschaft sichergestellt hat, wollen wir die Konjunktur stützen, indem wir erstens Maßnahmen ergreifen, die möglichst viele Arbeitsplätze sichern oder schaffen, zweitens besonders betroffenen Branchen beistehen, soweit dies möglich ist, drittens möglichst zusätzlich private Ausgaben im Zusammenhang mit unseren Maßnahmen anregen und viertens dabei trotzdem versuchen, mit aller Ernsthaftigkeit die Ausgaben der Stadt im Griff zu behalten. Lassen Sie mich dabei eines feststellen. Die Konjunkturprogramme des Bundes und Hamburgs sind kein Geldsegen, der jetzt gleichermaßen verteilt wird, sondern sie dienen alleine den genannten Zielen der Stützung der Konjunktur. Wir wollen kein Strohfeuer wie Konsumgutscheine. Solche Ideen helfen nicht, sie verbrennen nur Geld, das ohnehin knapp ist. Deshalb werden wir mit unserem Hamburger Programm auch nur bereits geplante Investitionen vorziehen.
Unser Maßnahmenbündel – der Bürgermeister hat es beschrieben – kann sich sehen lassen: 75 Millionen Euro als Kofinanzierung zu den 230 Millionen Euro, die Hamburg aus dem 50 Milliarden-Programm des Bundes erhält; 250 Millionen Euro stellen wir zusätzlich für vorgezogene Investitionen bereit. Zusammen sind dies über 550 Millionen Euro für unsere Stadt. Dies ist ein großes und deutliches Signal an die Menschen, an die Wirtschaft und an die gesamte Region.
Erstens: Hilfe für die direkt betroffenen Unternehmen und ihre Beschäftigten mit Bürgschaften, einem Hilfsfonds zur kurzfristigen finanziellen Unterstützung und einem Innovationsfonds.
Zweitens: Hilfen für die betroffenen Arbeitnehmer über Qualifizierung und Ausbildungsmaßnahmen auch in schon sehr frühen Stadien.
Drittens: Freihändige Vergabe oder beschränkte Ausschreibung in kleinen Losen, insbesondere für unser Handwerk und unseren Mittelstand.
Das Bundesprogramm erfordert, wie der Bürgermeister es ausführte, neue Maßnahmen zu zwei Dritteln im Bildungsbereich und zu einem Drittel im Infrastrukturbereich, viele Einzelmaßnahmen wurden schon genannt. Wir werden dieses Programm nutzen, um einerseits den Betroffenen in der Krise zu helfen und um zu versuchen, die Krise abzumildern. Aber wir nutzen sie auch, um uns für die Zeit nach der Krise gerade mit den Investitionen in Bildung, Wissenschaft und Forschung gut aufzustellen. Wir handeln und wir sind zuversichtlich, Hamburg durch diese schwierigen Zeiten zu führen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir befinden uns in einer der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrisen nicht nur in unserem Lande, sondern auch der ganzen Welt seit vielen Jahrzehnten. Viele Gewissheiten der Vergangenheit, die Menschen auch Orientierung gegeben haben, gelten auf einmal nicht mehr. In vergangenen Krisen hatte man es häufig, dass die Bürgerinnen und Bürger betroffen waren und Angst vor der Zukunft hatten. Dann kamen die Experten und sagten, dass das schon alles werden würde, das würde alles nicht so schlimm, man fände schon einen Weg heraus. In dieser Krise ist es zurzeit gerade anders herum. Im Lande – der Bürgermeister erwähnte es – herrscht noch ungläubiges Staunen, was passiert und es ist noch nicht so klar, wie sehr das eigene Leben betroffen ist. Aber die Experten sind es, die auf einmal sagen, es werde alles ganz schlimm werden. Prognosen übertreffen sich an Horrorszenarien und auf einmal werden Patentrezepte, die in den letzten Jahrzehnten praktisch unumstößlich waren, ersatzlos im Papierkorb entsorgt und die Rolle des Staats rückt auf einmal wieder in den Mittelpunkt des Interesses.
Jetzt muss ich als Vertreter einer Partei, die immer dafür geworben hat, dass der Staat eine wichtige Rolle nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in der Wirtschaft spielt, sagen, dass es auch in einer Globalisierung Regeln geben muss und soziale und ökologische Leitplanken eine Debatte sind, die wir sehr begrüßen. Es ist schon viel gewonnen und es ist eine Chance in der Krise, wenn verfehlte Rezepte, die in den letzten Jahrzehnten zunehmend an Dominanz gewonnen haben, wo immer nur gesagt wurde, wir brauchen mehr Markt, der Staat muss sich mehr zurückziehen, Hauptsache, den Privaten geht es gut, solange der Kuchen für die Reichen immer größer wird, sind die Krümel für die Armen auch größer und das wird sich alles von selber regeln, jetzt nicht nur kritisch hinterfragt werden, sondern praktisch ihre Falschheit bewiesen haben. Das ist eine gute Botschaft und bietet auch eine Chance in der Krise.
Wenn es in der Vergangenheit immer nur darum ging zu sagen, wir brauchen eigentlich immer weniger Staat, dann kann man jetzt als Politiker praktisch auch schon ein wenig erschrecken, weil wir im Grunde genommen von einem Extrem fast ins andere Extrem zu rutschen drohen. Jetzt wird nach dem Staat gerufen. Der Staat scheint auf einmal alles regeln zu müssen, sollen und können. Die Frage ist: Kann Politik das eigentlich leisten? Insofern wäre es heute angesichts der Regierungserklärung des Bürgermeisters eine Sternstunde der Politik, über das Verhältnis zu reden zwischen Markt und Staat, die Verantwortung von Politik, was Politik leisten kann, was sie leisten soll und welche Rolle die Bürger spielen sollen. All das sind Fragen, die die Bürgerinnen und Bürger heutzutage natürlich interessieren.
Herr Neumann, als ich Ihre Rede gehört hatte, konnte man fast den Eindruck gewinnen, dass das einzige Problem, das Hamburg zurzeit hat, dieser Senat ist und dass, wenn jemand anderes Präsident dieses Senats wäre oder ein anderer Finanzsenator wäre mitten in der größten Wirtschaftskrise, die nicht nur Hamburg, sondern die ganze Welt erlebt, Hamburg keine Probleme hätte.
Da haben Sie sich die Antwort auf diese Fragen, die ich eben angesprochen habe, doch entschieden zu leicht gemacht.
Ich finde das umso erstaunlicher, da Sie doch Vertreter einer stolzen Programmpartei sind, die zum Beispiel die Frage,
die ich eben angesprochen habe, welches die Rolle des Staats ist, immer gestellt hat. Sie haben in der heutigen Debatte, in der es um milliardenschwere und millionenschwere Ausgaben des Staats geht, im Grunde genommen inhaltlich überhaupt keine Stellungnahme abgegeben. Sie haben nicht gesagt, wo Sie die Rolle des Staats sehen, sondern letztendlich haben Sie …
Sie haben sich dort, wo Sie inhaltlich geredet haben, im Wesentlichen auf die Schwächen eines Konjunkturpakets bezogen. Das finde ich alleine deshalb schon schwierig, weil eines doch klar ist: Wir leben im Moment in einer Zeit, in der eine große Vertrauenskrise herrscht, nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch in der Wirtschaft. Und all die Millionen und Milliarden Euro, die die Politik jetzt ausgibt, werden vergebens sein, wenn Vertrauen nicht wieder hergestellt wird. Wenn Sie in einer solchen Situation – ich habe es so wahrgenommen – 80 Prozent Ihrer Rede nur darauf verwenden zu sagen, warum dieser Senat der falsche Senat ist und abgelöst gehört, dann gefährden Sie die gemeinsamen Aufgaben, die im Moment im Land und im Bund von allen Parteien einvernehmlich angepackt werden. Das ist wirklich ein Trauerspiel.
Sie sprachen von der fehlenden Weitsicht, dem angeblichen Mikrokosmos dieses Senats. Wenn Sie innerhalb dieser Krise den einzigen Auftrag, den Sie hier zu erfüllen haben, darin sehen, ob Ihnen das eine Möglichkeit verschafft, Vorteile parteipolitischer Art zu erlangen, dann haben Sie dem schlechten Image der Politik, das wir ohne Zweifel alle haben, einen weiteren Baustein hinzugefügt und das ist ein bisschen wenig.
(Beifall bei der GAL und der CDU – Michael Neumann SPD: Haben wir jetzt immer diese Soße in der Politik?)
Ich möchte zum Thema dieses Tages kommen, ob es reicht, was dieser Senat oder auch die Bundesregierung tut, um die Wirtschaftskrise abzumildern und welche Auswirkungen die Maßnahmen haben werden, die wir ergreifen. Letztendlich haben wir die Situation, dass Hamburg Begleitschutz leisten kann und muss, aber die wesentlichen Entscheidungen auf Bundesebene getroffen werden, denn
Nur in einer konzentrierten Aktion, zu der auch Hamburg seinen Teil beiträgt, kann es gelingen, diesen Fall abzumildern.
Man kann darüber streiten, ob die eine oder andere Maßnahme richtig oder falsch ist, ob sie reicht oder nicht reicht, aber eines ist wichtig und muss auch einmal festgehalten werden. Was vor Jahren als undenkbar galt, dass so etwas in einer gemeinsamen Aktion in Berlin – Große Koalition mit Oppositionsfraktionen – oder auch in diesem Hause gestemmt würde, ist schon mal ein gutes Zeichen dafür, dass die Politik angesichts dieser Herausforderungen gewillt und auch in der Lage ist, energisch und schnell Maßnahmen zu ergreifen und dabei auch ideologischen Ballast abzuwerfen, der teilweise in der Vergangenheit dazu geführt hat, dass solche energischen Maßnahmen nicht erfolgt sind.
Das ist ein Zeichen der Hoffnung und zeigt auch, dass Politik in diesem Lande in der Lage ist, auf schwierige Situationen angemessen zu reagieren und das sollte man an dieser Stelle auch einmal festhalten, unabhängig vom Streit der Parteien.
Ohne Zweifel ist es ein positives Signal, dass nach Jahrzehnten, in denen die öffentlichen Investitionen immer weiter heruntergefahren wurden, unabhängig davon, welche Partei in Hamburg oder auch im Bund regiert hat, in dieser Krise ein Großteil dieser Millionen- und Milliardenbeträge in öffentliche Infrastruktur fließen sollen, die das Leben der Menschen in dieser Stadt verbessert, die Zukunftschancen eröffnet und letztendlich dazu führen kann, dass Hamburg und die Bürgerinnen und Bürger nach dieser Krise in vielen Bereichen besser aufgestellt sind, als sie es vorher waren. Das ist ein wichtiger Punkt, den man betonen muss bei allem Streit im Detail, der vielleicht notwendig ist, um ein besseres Programm zu erreichen.
Wo sind neben der konjunkturellen Wirkung – Herr Schira hat eben schon sehr viel über die Programme gesagt, die die Wirtschaftsleistung ankurbeln sollen – die inhaltlichen Defizite, wenn man Hunderte von Millionen Euro in die Hand nimmt, um die Zukunftschancen dieser Stadt zu verbessern? In welchen Bereichen muss man investieren? Wir haben in Hamburg eine gute oder breit gefächerte Wirtschaft, die aber durch die Bank konjunkturanfällig ist. Wir haben einen Schwerpunkt auf Hafen und auf Logistik; das sind Bereiche, die als erste von einer Konjunkturkrise betroffen sind. Aber auch der Flugzeugbau wird in der Krise stärker getroffen als andere Branchen.
Der Bereich Medien, wo Hamburg Stärken hat, spürt auch in der Krise als erstes die Schwächen, denn ein Großteil der Medien beschäftigt sich damit, Werbung bereitzustellen oder Produkte anzubieten, die über Werbung finanziert werden. Insofern zeigt sich in dieser Krise sehr deutlich, dass Hamburg mit seiner bisherigen Wirtschaftsstruktur anfällig ist, und zwar anfälliger als andere Bundesländer. Wenn die Weltkonjunktur gut läuft, geht es Hamburg immer wesentlich besser, wenn es der Weltkonjunktur schlecht geht, geht es Hamburg schlechter. Die Frage ist, ob wir die Kraft und den Mut haben, in dieser Situation zu versuchen, dieses Defizit auszugleichen.
Wenn Sie sich die beiden Konjunkturprogramme angucken, um die es hier geht, die dieser Senat auch zu verantworten hat, einmal das Hamburger Konjunkturprogramm, wo Investitionen vorgezogen werden, aber auch die zusätzlichen Mittel des Bundes, dann werden Sie feststellen, dass dieser Senat nicht nur einen Schwerpunkt auf Bildung und Wissenschaft legt, sondern insbesondere auch den Mut findet, weitere Branchen aufzubauen, die in Zukunft dafür sorgen sollen, dass Hamburg nicht mehr so stark schwankt, wenn die Wirtschaft mal hoch und runter geht, was ohne Zweifel weitergehen wird.
Trotz der Wirtschaftskrise und Hunderter von Millionen Euro, die wir für die Stabilisierung der Konjunktur ausgeben, werden wir zum Beispiel eine Wissenschaftsstiftung gründen mit 375 Millionen Euro, um in diesem Bereich Hamburg nach vorne zu bringen.