Die HSH Nordbank ist aufgrund der Geschäftspolitik der letzten Jahre ein schwerer Sanierungsfall. Es geht darum, die Bank vor einer akuten Schließung zu bewahren. Das darf man vor der Öffentlichkeit und den Mitarbeitern der Bank nicht verschweigen. Die Gefahren und Risiken in der Zukunft sind deutlich größer, als es die Drucksache des Senats darstellt. Dennoch waren alle Gutachter in der Expertenanhörung einig: Eine Schließung der Bank ist keine Option. Hamburg würde bei dem unmittelbar eintretenden Wertverlust mit bis zu 22 Milliarden Euro in Haftung genommen, das ist mehr als das Zweifache eines gesamten Jahreshaushalts dieser Stadt.
Und jetzt komme ich zu einer der wichtigsten Fragen in unserem Zusatzantrag überhaupt. Wie sieht es aus mit dem Anteil der Länder, mit anderen Worten, wo bleiben die Milliarden, die jetzt in die Bank eingezahlt werden? Wer hat den Gewinn, wenn sich die Geschäftstätigkeit und damit der Wert der Bank erholen, wie wir es eigentlich nur hoffen können und wie es dem Fortführungsmodell entspricht? Die einzige Möglichkeit, diese Milliarden im Haushalt Hamburgs jemals wiederzusehen, besteht darin, dass man sich jetzt nicht von einem privaten Investor über den Tisch ziehen lässt.
Herr Neumann hat das hier vorgerechnet. Die Einzahlung von 3 Milliarden Euro muss zu einem Anteil der Länder von mindestens 85 bis 90 Prozent führen. Jeder Prozentpunkt darunter ist ein Geschenk an J. C. Flowers und seine Trusts.
Wenn wir das zuließen, Herr Kerstan – und hier ziehe ich durchaus noch einmal den Vergleich mit Herrn Steinbrück –, dann würde der SPD-Finanzminister in Berlin bei der Hypo Real Estate Herrn Flowers enteignen und Hamburg würde bei der HSH Nordbank die Steuerzahler enteignen. Das dürfen wir nicht zulassen.
Nun, Herr Kerstan, haben Sie uns heute zum wiederholten Male vorgerechnet, dass alles viel besser wäre, wenn der Bund hier eingestiegen wäre. Die Bedingungen einer Beteiligung des Bundes waren seit Herbst letzten Jahres eindeutig definiert: Erstens war der schwarz-grüne Senat daran beteiligt und hat den Bedingungen zugestimmt. Zweitens hat der Finanzsenator zu diesem Zeitpunkt den Vereinbarungen nicht nur zugestimmt, sondern er hat sie im Bundesrat am 17. Oktober 2008 auch noch über den grünen Klee gelobt – ich zitiere wörtlich –:
"Die Beratungen der Finanzministerkonferenz und Ministerpräsidentenkonferenz in dieser Woche haben für die Länder Früchte getragen:"
"Die Mitwirkung der Länder bei der Ausgestaltung des Finanzmarktstabilisierungsfonds ist jetzt sichergestellt. Und: die Mithaftung der Länder ist jetzt fair und transparent geregelt."
Das sind die Originalworte aus dem Bundesrat. Herr Kerstan, man hätte sich zu diesem Zeitpunkt ein bisschen Widerspruch gegenüber Ihrem eigenen Finanzsenator gewünscht, wenn das alles so schlecht wäre, wie Sie es heute darstellen. Es ist die einzig plausible Regelung, dass diejenigen Länder für ihre Altrisiken aufkommen, die sie verursacht haben. Sonst müssten nämlich die Hamburger Steuerzahler auch noch zusätzlich aufkommen für die Schulden und Verluste der Landesbanken in Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen und Nordrhein-Westfalen.
Drittens haben wir in der letzten Sitzung des Haushaltsausschusses gelernt, dass alle staatlichen Maßnahmen der Genehmigung der EU unterliegen. Die Finanzbehörde hat uns einige Sitzungen vorher erläutert, dass genau die Regelung, Herr Kerstan, die Sie hier kritisieren, gemäß EU-Recht gar nicht anders machbar wäre und dass Ihre Variante, die Sie heute wieder vorgeschlagen haben, vor der EU-Kommission so enden würde wie die absurde Idee, trotz Milliardenverlusten noch über 200 Millionen Euro an stille Einleger auszuschütten.
So ist die Lage und deshalb stellen Sie es bitte nicht so dar, Herr Kerstan, als sei am Ende wieder die SPD schuld, wenn Schwarz-Grün ein Problem hat.
Ich will die gemeinsame Beschlussfassung heute gar nicht weiter stören. Ich will auch nicht alle Zitate der letzten Wochen und Monate wiedergeben. Wir haben gelernt: Der Finanzsenator ist ein Freund der großen Worte und der kleinen Aktionen. Herr Bischoff, wir geben Ihnen in diesem Punkt Recht. Es gab Weggabelungen und es gab schwere Versäumnisse im Vorstand, im Aufsichtsrat und im Senat. Darüber reden wir heute nicht, weil die Hütte lichterloh brennt. Die Bankenaufsicht sitzt uns im Genick, jeder Tag zählt. Und wenn noch irgendetwas schief läuft, dann droht uns eine Haftung von bis zu 22 Milliarden Euro. Deshalb reden wir heute über einen Ausweg, der eigentlich nur ein Notausgang ist, und wir reden heute nicht über die Vergangenheit und über die Frage der Verantwortung. Darüber werden wir ab morgen reden, und zwar in einem Untersuchungsausschuss.
Zur Beschlussfassung kann ich heute sagen, wir haben gestern Abend die Reaktion von CDU und GAL auf unseren Zusatzantrag erhalten. Wir ha
ben das über Nacht bearbeitet, haben uns heute Morgen getroffen und über die Dinge im Einzelnen gesprochen.
Das war das erste vernünftige Gespräch zwischen Regierung und Opposition in dieser Sache. Herr Schira, Herr Kerstan, dafür bedanken wir uns noch einmal. Ich hätte mir aber ein bisschen weniger Zeitdruck gewünscht. Und ich sage offen: Wenn wir heute den Drucksachen zustimmen, dann stimmen wir zu mit der Faust in der Tasche. Aber wir stimmen zu, weil wir nur mit klaren Vereinbarungen erreichen können, dass die Stadt ihre Milliarden jemals wiedersieht, weil wir eine Neuausrichtung der Bank, eine klare Trennung von Abbau- und Kernbank im Interesse der Stadt und der Beschäftigten nur durch klare Vorgaben absichern können. Wir stimmen zu, weil wir heute endlich eine Begrenzung der Managergehälter festschreiben, einen Verzicht auf Bonuszahlungen und einen Verzicht auf Millionenkredite an Aufsichtsräte, weil wir weitere Kapitalzuschüsse der Länder nur dadurch verhindern, dass wir Bank und Senat verpflichten, einen Einstieg des Rettungsfonds des Bundes vorzubereiten. Deshalb stimmen wir heute zu und über den Rest reden wir ab morgen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Dramatik in dieser Debatte ist kaum noch zu überbieten. Bertold Brecht dreht sich im Grabe um, der liebe Gott ist schon angerufen worden und wenn ich mir noch einmal vergegenwärtige, Herr Kerstan, was Sie in Ihrer ersten Rede gesagt haben, dieses Gruselszenario, das auf uns zukommt, das war wirklich angsteinflößend. Das Problem ist nur, dass Ihre Annahmen nur auf von Ihnen nicht belegbaren Ideen beruhen. Man kann sie genauso gut widerlegen. Es gibt eine ganze Menge Leute, Herr Bischoff hat darauf hingewiesen, die durchaus anderer Auffassung sind. Nur gibt es die Tendenz, und die konnte man heute auch hier im Hohen Hause beobachten, den anderen lieber nicht zuzuhören. Einer davon, dem Sie nicht zuhören möchten, ist Werner Marnette. Der ehemalige Leiter der Norddeutschen Affinerie und zurückgetretene Wirtschaftsminister von Schleswig-Holstein hat das Krisenmanagement der Landesregierung in Schleswig-Holstein und auch das in Hamburg kritisiert.
Wir kritisieren außerdem das Zeitmanagement. Es ist darauf hingewiesen worden, dass bis gestern spät abends, und zwar nur gestern, vier Parlamentarier dieses Hauses sich den Wirtschaftsprüfungsbericht der HSH Nordbank ansehen konnten, und
dabei handelte es sich um mehr als 2000 Seiten. Und heute soll das Parlament eine Entscheidung treffen. Das nennt der Finanzminister, ich habe es mir aufgeschrieben, eine Transparenz, wie sie transparenter nicht sein kann. Wir nennen das schlicht ein Unding.
Wochenlang wurde über ein Rettungskonzept für diese Landesbank diskutiert. Geld, sehr viel Geld will man in das Institut schießen, 13 Milliarden Euro, und ich kann mir sehr gut vorstellen, wie Herrn Marnette zumute gewesen sein muss. Er als Vertreter der Wirtschaft weiß nämlich sehr gut, wie normalerweise Verhandlungen mit Banken ablaufen, wenn man Kredite haben will. Stellen Sie sich vor, ein Unternehmer geht zur Bank und fragt um ein paar Millionen Euro nach. Da muss er eine Menge Daten vorlegen und das Wichtigste sind zeitnahe Geschäftsberichte. Wenn dieser Unternehmer jetzt antworten würde, die habe er leider noch nicht, der Geschäftsbericht sei noch nicht fertig, aber alles werde gut, dann würde dem Unternehmer nicht einmal ein Stuhl angeboten werden, geschweige denn eine Tasse Kaffee. Das Thema wäre durch und es würde kein Cent fließen.
Aber mit der HSH Nordbank ist es ganz anders abgelaufen. Der Jahresabschluss lag noch nicht vor, aber trotzdem wurde nach der 2-Milliarden-EuroKapitalspritze im Sommer jetzt noch einmal ein Paket mit 3 Milliarden Euro und zusätzlichen Bürgschaften in Höhe von 10 Milliarden Euro geschnürt. Und wenn ich die Diskussion heute aufmerksam verfolgt habe, gehen inzwischen alle Beteiligten davon aus, dass die Bürgschaft von 10 Milliarden Euro wahrscheinlich fließen wird. Ich wiederhole mich: Auch das finden wir ein Unding.
Der Abgeordnete der LINKEN, Joachim Bischoff, hat schon vor Monaten darauf hingewiesen, dass die Kreditversorgung der regionalen Wirtschaft zum Beispiel von den Sparkassen übernommen werden könnte. Und er hat darauf hingewiesen, dass das Modell von Kern- und Abbaubank, so wie es vorgestellt wurde, nicht funktionieren wird. Nun haben viele von Ihnen auf die Experten hingewiesen. Ich möchte Sie doch ein bisschen daran erinnern, dass wir alle keine zwanzig mehr sind, vielleicht mit Ausnahme von Frau Heitmann.
Auf jeden Fall wird es nicht das erste Mal gewesen sein, das Experten sich geirrt haben. Ich möchte nur einmal daran erinnern, wie viele Experten der Schachtanlage Asse testiert haben, dass es völlig problemlos sei, dort Atommüll zu stapeln. Was ist dabei passiert? Wir sind sehr, sehr skeptisch, weil Experten auch systemimmanent diskutieren.
die Kreditversorgung der mittelständischen Wirtschaft als gering einstufte und damit indirekt gegen die Rettung plädierte. Das ist genau die gleiche Argumentation wie die unseres finanzpolitischen Sprechers. Dass Sie die Argumente der LINKEN nicht ernst nehmen, das haben wir schon das eine oder andere Mal gespürt. Herrn Marnette haben Sie aber bisher immer sehr ernst genommen, aber statt mit diesen bedenkenswerten Argumenten setzt man sich jetzt in äußerst zweifelhafter Weise mit der Person auseinander. Das, meine Damen und Herren von der CDU, ist nicht die feine hanseatische Art. Marnette hat das Vertrauen in die Verantwortlichen in der Politik verloren und seine Kritik richtet sich auch ausdrücklich gegen Finanzsenator Freytag. Und die LINKE fordert seit Wochen und heute wieder seinen Rücktritt.
Die LINKE tritt für eine Abwicklung der HSH Nordbank ein, weil wir nicht erkennen können, dass das Konzept greift. Für die Steuerzahler wird es ein Fass ohne Boden, noch eines in Hamburg, wir haben schon eine Menge davon und täglich werden es mehr. Gänzlich unprofessionell ist es, dass das Prinzip Hoffnung das einzige Prinzip ist, das bei diesem Rettungskonzept oder Sanierungskonzept, wie Sie richtigerweise gesagt haben, Herr Tschentscher, greifen soll. Was ist denn, wenn sich nach einiger Zeit, ich sage mal, zwölf Monate und ein Tag, herausstellt, dass die Bank nicht wieder auf die Füße kommt und noch einmal frisches Geld braucht und natürlich dann gleich in Milliardenhöhe, was denn sonst. Für den Fall ist kein Szenario vorgesehen.
Ich möchte an mein Beispiel von vorhin erinnern. Kein Banker würde einem Unternehmer Kredite geben, ohne Perspektivabwägung und ohne Prognosen, von Sicherheiten will ich lieber erst gar nicht reden. Von der HSH Nordbank gibt es nur Säcke voll toxischer Papiere.
Ich habe in meinem Leben gelernt: Der Aussage, es gibt keine Alternative, muss man gründlich misstrauen. Das tue ich auch in diesem Fall. 3 Milliarden Euro, wahrscheinlich 13 Milliarden Euro sollen jetzt in die Bank gepumpt werden, trotzdem werden über 1000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer den Arbeitsplatz verlieren. Das steht nach unserem Dafürhalten in keinem Verhältnis.
Und wer glaubt, die übrigen Jobs in der Bank seien dann sicher, der hat sich getäuscht. Herr Kerstan, Sie stellen es immer so dar: Wenn die HSH Nordbank am Leben bleibt, gerettet oder saniert wird, dann ist das der Hebel gegen alle Unbill der Finanz- und Wirtschaftskrise. Genau das bestreitet Herr Bischoff und genau das bestreiten wir; das ist nicht die Garantie, dass es nicht noch schlimmer kommt.
Die SPD kann sich eine kontrollierte Abwicklung nicht vorstellen, sie sieht darin eine zu große Belastung. Wir von der LINKEN glauben, mit dem Beschluss des vorliegenden Rettungspakets sind wir auf dem besten Weg in eine unkontrollierte Abwicklung der Landesbank Hamburg-Schleswig-Holstein. Und das wird teurer, als wenn jetzt ein Schlussstrich gezogen würde. Die Nachforderung weiterer Milliarden wird kommen, sie wird kommen wie das Amen in der Kirche. Einige nennen das netterweise "Nachjustieren".
Eines möchte ich für meine Fraktion noch ganz deutlich sagen: Wenn wir gegen dieses Rettungskonzept sind, dann weisen wir weit von uns, dass wir keine politische Verantwortung übernehmen. Nein zu sagen, kann auch die Wahrnehmung politischer Verantwortung bedeuten. Herr Freytag hat uns gerade eben alle aufgefordert, dass wir gegen den Strom schwimmen sollen. Wir von der LINKEN möchten, was dieses Thema betrifft, deutlich machen, dass wir kein Vertrauen haben, dass das klappt. Deswegen sagen wir Nein und schwimmen hier ganz bewusst gegen den Strom.
Uns erscheinen die Risiken für Ihren Weg ungleich höher, die Belastungen für die Steuerzahler unkalkulierbar und viele Bankangestellte werden unnötigerweise in die Arbeitslosigkeit entlassen. Wir sehen das nicht als einen parteipolitischen Profilierungsversuch, das ist für uns eine sachliche Entscheidung gewesen. Herr Bischoff hat darauf hingewiesen, auch uns ist die Entscheidung, mit Nein zu stimmen, nicht leicht gefallen, aber für uns gilt auch: Es gibt immer eine Alternative und dafür stehen wir.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Heyenn, Sie sind ja nicht Mitglied des Haushaltsausschusses. Manchmal scheint es mir, als ob Sie reden wie der Blinde von der Farbe.
Als die SPD auf der gemeinsamen Sitzung mit dem Finanzausschuss in Schleswig-Holstein eine Expertenanhörung vorgeschlagen hat, habe ich ganz spontan gesagt: Lasst uns das einmal machen, vielleicht ist es gar nicht so schlecht, wenn wir die Informationen, die wir bisher von der HSH Nordbank bekommen haben und vom Senator, einmal widerspiegeln und infrage stellen lassen von Experten, die benannt werden. Und ich war sehr neugierig, was die Experten dort bringen würden. Insbesondere war ich sehr neugierig auf den
Experten, der von der Linkspartei benannt wird. Frau Heyenn sagte gerade eben, die Ausführungen meines Kollegen Kerstan seien ein Katastrophenszenario, das auf Annahmen basiere, die man genauso gut widerlegen könne. Leider Gottes konnte der von Ihnen benannte Experte diese Annahmen nicht widerlegen. Sie hatten Herrn Roach von der Gewerkschaft ver.di eingeladen und er hat sogar das, was er zu sagen hatte, schriftlich dargelegt. Vielleicht hatte er Angst, dass wir das sonst nicht hinreichend wahrnehmen würden.