Da wird man als Schulpolitiker irgendwann nachdenklich und fragt sich, warum die das so machen. Dann merkt man, das hat einen Grund: unsere Art, Schulpolitik zu machen. Politik braucht Herz und Verstand.
In der Schulpolitik überwiegt mit großem Abstand das Herz. Genau das ist das Problem. Wir machen grandiose Reformen, die haben wir oben großartig bewegt, die finden wir auch alle klasse. Dann bekommen die Schulen einen Brief, in dem steht, macht das einmal. Dann kommt die Gegenwelle und plötzlich merken wir, G 8, Schulzeitverkürzung. Was ist da los? Profil-Oberstufe, was wird da noch kommen? Genau das ist das Problem unserer ganzen Schulpolitik. Im Herzen sind wir alle richtig gepolt,
da wissen wir alles ganz genau. Aber wenn es um die Fakten geht, dann sagen wir, das werde sich schon irgendwie finden, das müssen die Schulen machen und so weiter, Hauptsache, die Richtung stimmt. Hauptsache, das Bekenntnis und die Fahne.
Ich sage Ihnen ehrlich, wir brauchen Fahne, Richtung und Bekenntnis. Aber bei aller Liebe, wir müssen dringend auch in die Phase eintreten, wo wir mit dem Verstand die Fakten kontrollieren, denn sonst haben wir weiterhin die alte Schulpolitik, die lautet: Hauptsache, die Richtung stimmt, und an den Schulen herrscht das Chaos. Und genau deswegen, weil wir immer so denken, ist die Schulpolitik so schlecht und das muss sich ändern.
Frau Heyenn, Sie fragen, wen wir auf unserer Seite haben. Ich glaube, vor allem die Eltern und Kinder, die dann genau diese Reform abbekommen, wünschen sich sehr wohl, dass wir vorher einmal genau fragen, wie das eigentlich gehen kann. Insofern haben wir Verbündete.
Ich darf ganz kurz etwas zu diesem Thema, das wir angemeldet haben, sagen. Marino Freistedt, das fand ich besonders lustig. Du selbst hast dieses Papier unterschrieben, das am Wochenende der CDU-Landesfachausschuss zum Thema Hort und Schule produziert hat. Ich zitiere einfach einmal:
"Nach übereinstimmender Meinung, im Konsens auch von der Hamburger EnqueteKommission […]in den Empfehlungen zu Teilthema 1 'PISA-Risikogruppe senken' niedergelegt, ist die frühkindliche Förderung von herausragender Bedeutung für die schulische Entwicklung […]."
Dieses gewichtige Ziel, man höre und staune, werde bisher nicht in dem zu erwartenden Maße verfolgt, schreibt die CDU. Das hören wir mit Interesse, wo doch alles so prima stimmt.
Und zwar aus folgendem Grund; es wird die CDU-Bürgerschaftsfraktion, die hier zu meiner Rechten sitzt, um Folgendes gebeten. BSG und BSB endlich aufzufordern, die von der CDU bereits
geforderte Konzeption für Bildungshäuser – also die enge Verflechtung von Kitas und Schule und so weiter – endlich intensiver voranzubringen. Letzte Woche von euch beschlossen. Ich bin gar nicht allein, ihr müsst einfach nur einmal euer Gehirn einschalten und nicht nur immer mit dem Herz denken. – Vielen Dank.
Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 19/2411, federführend an den Familien-, Kinderund Jugendausschuss und mitberatend an den Schulausschuss, zu? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Das ist mehrheitlich abgelehnt.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 42 auf, Drucksache 19/2763, gemeinsamer Antrag der CDUund GAL-Fraktion: Familienhebammen-Abrechnung der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung auch für angestellte Hebammen ermöglichen.
[Antrag der Fraktionen der CDU und GAL: Familienhebammen-Abrechnung der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung auch für angestellte Hebammen ermöglichen – Drs 19/2763 –]
Diese Drucksache möchte die Fraktion DIE LINKE an den Ausschuss für Gesundheit und Verbraucherschutz überweisen. Das Wort hierzu wird nicht gewünscht. Dann kommen wir somit zur Abstimmung.
Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache an den Ausschuss für Gesundheit und Verbraucherschutz zu? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Das ist mehrheitlich abgelehnt.
Ich lasse in der Sache abstimmen. – Wer möchte den gemeinsamen Antrag der CDU und der GAL-Fraktion annehmen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Das ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 37 auf, die Drucksache 19/2730, Antrag der SPD-Fraktion: Nutzung des zentralen Schülerregisters korrigieren –Schulzugang für alle Kinder sicherstellen.
[Antrag der Fraktion der SPD: Nutzung des zentralen Schülerregisters korrigieren –Schulzugang für alle Kinder sicherstellen – Drs 19/2730 –]
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir alle erinnern uns an den tragischen Tod von Jessica in Jenfeld. Wir alle erinnern uns an die lebhafte Diskussion auch hier im Parlament, aber auch in der Stadt. Wir alle wissen, dass man die Frage, ob man ihr hätte helfen können, ohne diese Geschichte hier wieder konkret thematisieren zu wollen, gar nicht stellen konnte, denn viele Menschen auch in ihrem näheren Umfeld wussten gar nicht, dass es Jessica gibt.
Im Rahmen der Aufarbeitung dieses tragischen Falles wurde im Juni 2006 im Rahmen einer Rechtsverordnung das zentrale Schülerregister eingeführt. Damit wurde sichergestellt, dass es einen Datenabgleich gibt zwischen allen Behörden hier in Hamburg und dem dann eingeführten zentralen Schülerregister, um sicherzustellen, dass alle Kinder ab vier Jahren erfasst werden, dass alle schulpflichtigen Kinder von den Schulen erfasst werden können, um, das ist das wesentliche Ziel gewesen, die Sicherung des Kindeswohls über den Weg der Schulpflicht sicherzustellen. Nun gehört dazu auch – das müssen wir ehrlich sagen –, dass wir damit das Ziel verfolgen, einerseits alle Kinder zu erfassen; aber auf der anderen Seite können wir die Augen nicht davor verschließen, dass es jede Menge Eltern gibt in dieser Stadt, die ihre Kinder aus Angst, dass diese Daten auch an die Innenbehörde geliefert werden, nicht zur Schule schicken, weil sie keinen legalen Aufenthaltsstatus haben.
Das war nicht Ziel dieser Einführung, der Einführung des zentralen Schülerregisters, das wollten wir damit nicht erreichen. Ich hoffe, dass Konsens in diesem Haus darüber herrscht, dass das Recht auf Bildung ein Menschenrecht ist, ein universelles Recht und sich nicht davon ableiten lässt, ob man einen Aufenthaltsstatus hat oder nicht.
Die Realität sieht aber anders aus. Ich will auch dadurch meiner Verwunderung Ausdruck verleihen, indem ich jetzt kurz einmal aus dem Koalitionsvertrag der CDU und GAL vorlese. Dort steht:
"Durch den seit 2007 durchgeführten Datenabgleich des Zentralen Schülerregisters mit dem Melderegister sind bisher keine Fälle illegalen Aufenthalts bekannt geworden."
Wer die Gespräche in der Stadt führt, weiß, dass das so bestimmt nicht ist. Wer die Gespräche auch mit den Schulen führt, weiß, dass das so nicht ist. Aber ich will eines nicht von der Hand weisen. Es
kann sehr wohl sein, dass die Fälle sich nicht unbedingt häufen und dass sie sich nicht an der Oberfläche der öffentlichen Wahrnehmung abspielen, weil eben viele Eltern – geschätzt werden Zahlen zwischen 80 und 120 – ihre Kinder gar nicht erst zur Schule schicken.
Das kann nicht Sinn der Sache sein. Viele Kinder sind dem Sozialisierungsprozess in dieser Stadt und dem Bildungsprozess entzogen und an dieser Stelle ist es unerheblich, die Schuldfrage zu klären, ob die Eltern sich um einen Aufenthaltsstatus hätten bemühen müssen oder nicht und welche Fehler die Eltern gemacht haben. Fest steht doch eines, dass die Leidtragenden nicht die Kinder sein dürfen.
Es sind nicht nur die Kinder, die in Mitleidenschaft gezogen werden, hauptsächlich sind sie es, oder die Eltern, sondern wir müssen uns auch einmal Gedanken darüber machen, was eigentlich mit dem Schulpersonal passiert. Nehmen wir einmal an, es gibt tatsächlich Kinder, die keinen legalen Aufenthaltsstatus an hamburgischen Schulen haben; ich will an ein Beispiel erinnern. Die Frau des damaligen bayerischen Innenministers Günther Beckstein hat selbst zugegeben, dass es sogar in Bayern, also auch in München, Kinder gibt, die keinen legalen Aufenthaltsstatus haben. So etwas gibt es eben auch in Hamburg. Da muss man sich die Frage stellen, was eigentlich passiert, wenn denen etwas im Schwimmbad oder auf dem Schulgelände passiert. Wie sollen sich dort Lehrer, wie soll sich das Schulpersonal verhalten?
Ich finde es an dieser Stelle unzureichend, insgeheim darauf zu hoffen, dass sich das Problem schon irgendwie lösen werde, in Hamburg darauf zu hoffen, dass die das in Berlin auf Bundesebene einheitlich gesetzlich regeln. Das ist auch Teil unseres Antrags. Wir fordern den Senat auf, eine Bundesratsinitiative auf den Weg zu bringen und keine Insellösung herbeizuführen, sondern in ganz Deutschland Rechtssicherheit zu schaffen und das Aufenthaltsgesetz dahingehend zu ändern, dass alle Schüler das Recht haben, egal, ob sie derzeit einen legalen Aufenthaltsstatus haben oder nicht, die Schule zu besuchen.
Ich nehme wahr, dass wir an dieser Stelle gar nicht so unterschiedlicher Auffassung sind. Ich hoffe, dass wir, wenn die Diskussion fortgesetzt wird an dieser Stelle oder im entsprechenden Ausschuss, daraus auch die Konsequenzen ziehen.
Ich will nur daran erinnern, dass die Beschlusslage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion genau die ist, die ich beschrieben habe, dass der Schulbesuch, das Recht auf Bildung nicht davon abhängig sein dürfen, ob man einen legalen Aufenthaltsstatus hat oder nicht.
Die Bundesintegrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, äußert sich genauso. Schon in der Süssmuth-Kommission wurde genau das festgehalten. Ich bitte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses sehr ernste Thema von der Tagesordnung nicht verschwinden zu lassen nach dem Motto: Wir schauen einmal und bisher gab es nicht ganz so viel Ärger. Ich glaube, für die zweitgrößte Stadt Deutschlands kann es nicht angehen, dass wir dieses Problem versuchen auszusitzen und hoffen, dass es nicht größer wird. Ich glaube, dass dieses Problem sehr wohl größer werden kann. Wir müssen unserem eigenen Anspruch Rechnung tragen, dass wir nicht nur gute und bessere Schulen haben wollen, sondern wir müssen dafür sorgen, dass alle Kinder in den Genuss kommen, am Bildungs- und damit auch am Sozialisierungsprozess teilnehmen zu können, wir wollen das ganz gezielt.