Ties Rabe
Sitzungen
19/5
19/7
19/10
19/12
19/14
19/17
19/18
19/19
19/22
19/26
19/27
19/29
19/30
19/31
19/33
19/34
19/35
19/37
19/41
19/42
19/45
19/47
19/53
19/54
19/60
19/61
19/66
19/69
19/70
Letzte Beiträge
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Angemeldet ist das Thema Stadtteilschule, aber diskutiert wird hier zugleich über die Frage, ob die Empfehlung von Lehrerinnen und Lehrern nach der vierten Klasse für eine bestimmte Schulform richtig oder falsch ist. Ich finde beide Themen richtig, wichtig und spannend, aber den Zusammenhang, der von allen Seiten konstruiert wird, verstehe ich nicht.
Es wird so getan, als ob die Empfehlungen nach der vierten Klasse dazu führen würden, dass mehr Schüler, als es sonst der Fall wäre, sich am Gymnasium anmelden würden. Warum glaubt man, dass das so ist? Wenn wir uns die Zahlen anschauen, dann sehen wir, dass zurzeit 45 Prozent der Schülerinnen und Schüler eine Gymnasialempfehlung bekommen und 55 Prozent nicht. 90 Prozent der Eltern halten sich an diese Empfehlung und diejenigen, die sich über sie hinwegsetzen, lassen ihre Kinder eher das Gymnasium besuchen. Warum glaubt man, dass diese Eltern, gäbe es keine Empfehlung, ihre Kinder alle auf die Stadtteilschule schicken würden? Genauso gut könnte man annehmen, sie ließen ihre Kinder alle das Gymnasium besuchen. Ihre Prognose ist eigentlich nicht schlüssig. Man könnte im Gegenteil den Eindruck gewinnen, dass die Empfehlungen durchaus stabilisierend auf die Anmeldezahlen der Stadtteilschulen – früher der Gesamtschulen – wirken könnten. Das mag sein, wir wissen es nicht. Aber
zu glauben, man helfe der Stadtteilschule, wenn man die Empfehlungen abschafft, ist, gelinde gesagt, Tetje mit de Utsichten.
Ich empfehle, dass wir uns auf das eigentliche Thema konzentrieren, nämlich die Stadtteilschule. Die wird nach meiner Auffassung durch ganz andere Probleme belastet. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind darüber besorgt, denn die Stadtteilschule ist nach unserer Meinung das wichtigste Reformvorhaben der Schulpolitik. Sie kann endlich allen Kindern – begabten und engagierten, schwächeren, langsamen und schnellen – die Chance bringen, zu besseren Abschlüssen bis hin zum Abitur zu kommen. Das kann und muss eine hervorragende Schule werden, die die Probleme Hamburgs in den Griff bekommt.
Diese Stadtteilschule, die es schon seit einem halben Jahr gibt, ohne dass es einer richtig gemerkt hätte, könnte heute schon viel weiter und viel besser sein und müsste sich nicht um Anmeldungen sorgen oder Gegenstand solcher Debatten wie der heutigen sein, wenn es Schwarz-Grün gelungen wäre, die vergangenen dreieinhalb Jahre zu nutzen, um sie wirklich gut zu machen. Das haben Sie versäumt. Da helfen auch Ihre großartigen Reden nichts, Herr Freistedt. Es ist Ihr Verschulden, dass die Stadtteilschule heute kämpfen muss, und das ist nicht in Ordnung.
Es gibt eine ganze Reihe von Hausaufgaben, die die Behörde hätte erledigen müssen und es nicht getan hat. Erst nach dem Start der Stadtteilschule wurden Kommissionen eingesetzt, die Konzepte erarbeiten sollten, wie die Stadtteilschule aussehen soll. Nach dem Start; das muss man sich einmal vorstellen. Und gestern erst ist eine Senatsdrucksache verabschiedet worden, die ein zentrales Anliegen der Stadtteilschule, nämlich die Berufsorientierung, regelt. Die Stadtteilschule gibt es aber schon seit einem halben Jahr. Gestern war es im Senat, verwirklicht wird es vermutlich erst im nächsten Schuljahr. Das ist viel zu spät.
Die zentralen Fragen der Stadtteilschule sind leider weiterhin ungeklärt. Ich nenne einige wenige. In welchem Zustand sind Gebäude und Räume? Hat die Stadtteilschule die richtigen Lehrer? Gib es eine klare Perspektive für ein Abitur an dieser Schule? Gibt es moderne Unterrichtskonzepte und bessere Lehrpläne? Wie kann eigentlich das Wort "Stadtteil" bei Stadtteilschule mit Leben gefüllt werden? Wie integriert man Kinder mit Lernbehinderungen, die jetzt, dank unseres Schulgesetzes, auch an der Stadtteilschule beschult werden? Wie verbessert man die Elternarbeit? Und vor allem: Wie schafft man eine vernünftige Berufsorientierung und eine Perspektive für die Ganztagsschule?
Ich erzähle Ihnen nichts Neues. Wir wissen seit dreieinhalb Jahren, dass diese Fragen auf dem Tisch liegen. Seit dreieinhalb Jahren ist die Stadtteilschule beschlossene Sache. Es war dreieinhalb Jahre Zeit, etwas umzusetzen,
und dreieinhalb Jahre haben Sie das nicht getan. Hätten nicht engagierte Kollegien selbst Ideen entwickelt, wäre der Start völlig missglückt.
Wenn wir die Stadtteilschule erfolgreich auf den Weg bringen wollen, dann kann es so nicht weitergehen. Damit die Stadtteilschule ein Erfolgsmodell wird, ist etwas anderes nötig: eine neue Regierung und ein Bürgermeister Olaf Scholz. – Vielen Dank.
Ich habe schon in der Verhandlung damals nicht verstanden – was sich jetzt auch nicht aufklärt –, warum sich die Grünen einerseits und die CDU andererseits mit so großem Temperament über diese Frage beharken. Herr Gwosdz hat deutlich gemacht, dass die grüne Behörde einen Zettel entwickelt hat, auf dem die Lehrer lauter Fragen ankreuzen sollten, die indirekt Rückschluss darüber zulassen, welche Schullaufbahn für das Kind richtig ist. Aber die finale Frage, ob das Kind nun für diese oder jene Schullaufbahn infrage kommt, wollte man auf dem Zettel nicht sehen und in den Gesprächen wurde uns gesagt, die könne der Lehrer mündlich beantworten. Nun kommt die CDU und sagt, das müsse auf den Zettel, und macht da ein Feld zum Ankreuzen. Nun sagt die andere Seite wieder, das sei ein Skandal und alles ganz schlimm.
Aber gerne, Herr Gwosdz.
Natürlich gibt es diesen Unterschied und wir müssen auch genau das tun. Wir müssen die Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler sehr differenziert einschätzen und deswegen muss man sich den Bogen noch einmal anschauen. Das ist völlig richtig, da gebe ich Ihnen absolut recht. Aber ich habe dauernd mit Eltern zu tun, ich habe selbst drei Kinder und die wollen am Ende dann auch wissen, was das denn jetzt bedeutet. Was empfehlen Sie, lieber Lehrer? Das fragen die dauernd und diese Frage wird auch jeder Lehrer beantworten.
Ihre Lösung war, dass Sie das nicht auf dem Bogen sehen wollen; da sollen nur die ganzen Kompetenzen aufgeführt werden, seitenlang möglicherweise, was berechtigt ist. Aber Sie möchten die finale Frage bitte nur mündlich beantwortet haben und Sie mit einem Kreuz. Ich glaube, außerhalb dieses Parlaments sagen alle Eltern: Worüber reden die eigentlich? Ganz im Ernst, die Eltern wollen natürlich ein Stück weit Hinweise und Aufklärung. Ich selbst habe mir drei dieser Sitzungen angehört. Die SPD hat die ganze Zeit da gesessen und sich nur angehört, was die Grünen gesagt haben und was die anderen wiederum gesagt haben. Am Ende blieb übrig, dass es keine Empfehlung, sondern eine Einschätzung geben soll. Wenn Sie jetzt alle einmal nach nebenan gehen und auf einen Zettel schreiben, worin der Unterschied in der Definition besteht, dann können wir Wunder erwarten. Das ist eine Gespensterdiskussion. Entscheidend ist die Frage, wie man die Stadtteilschule so gestaltet, dass die Kinder gerne hingehen, dass die Eltern sie da gerne anmelden und dass sie darauf vertrauen, dass das eine tolle Schule wird. Das ist doch wichtig.
Damit das gelingt, hätte man schon viele gute Sachen machen können, beispielsweise über Ganztagesbetreuung und Berufsorientierung nachdenken; wir haben es alles gesagt. Herr Gwosdz, Sie sagen, das würden Sie jetzt tun, aber die Stadtteilschulen gibt es schon, sie sind schon alle gestar
tet. Nun sagen Sie, die würden erst hochwachsen, aber wenn die Schule attraktiv sein soll, dann hätte man diese Fragen schon lange beantworten müssen und dann hätten wir hier eine gute Schule, die sich keine Sorgen machen müsste. Da liegt in Wahrheit das Versäumnis und nicht in der Frage, ob es einen Kullerpunkt mehr oder weniger auf dem Schülerbogen gibt. Ich halte das, und da bin ich mir mit vielen Eltern einig, für eine zweitrangige Frage. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU hat das Thema angemeldet und will sich feiern lassen dafür, dass sie es in der Tat geschafft hat, ein mehr als zweijähriges Trauerspiel in Hamburg vorläufig zu beenden. 6000 Schülerinnen und Schüler aus Schleswig-Holstein besuchen Hamburgs Schulen. Sie kosten Geld und über dieses Geld wird seit zwei Jahren gestritten. Es ist tatsächlich gelungen und wir erkennen es auch an, dass jetzt Rechtssicherheit herrscht und dass Hamburg nicht mehr 8,5, sondern 12,4 Millionen Euro bekommt, also 4 Millionen Euro mehr in der Kasse hat. Beides ist in der Tat ein Vorteil, das wollen wir nicht kleinreden.
Ich möchte allerdings zwei Dinge anmerken, die in diesem Zusammenhang wichtig sind. Zunächst einmal wurde zwei Jahre lang auf äußerst ungeschickte Art und Weise versucht, diesen Konflikt beizulegen. Es begann damit, dass im Sommer 2009 das Gastschulabkommen von der Schulbehörde gekündigt wurde, weil man sagte, man könne hier auf dem Verhandlungsweg nicht weiterkommen. Diese Kündigung war in der Sache möglicherweise berechtigt, sie war allerdings taktisch gesehen verheerend und ein Eigentor, denn sie hatte zwei Folgen. Die erste Folge war, dass Schleswig-Holstein seinerseits gar nicht mehr an die Zahlungen gebunden war und Hamburg insofern die Schülerinnen und Schüler hier hatte, aber überhaupt kein Geld und keinen Anspruch mehr hatte, nicht einmal mehr auf das wenige Geld nach dem alten Vertrag.
Es bedeutete zweitens, dass Hamburg seinerseits genötigt wurde, diese Schülerinnen und Schüler mit einer Abschulung zu bedrohen. Das ist auch gemacht worden, indem die Schülerinnen und
Schüler angeschrieben wurden und ihnen gesagt wurde, sie müssten jetzt die Schule verlassen. Das wurde ziemlich hart weiter vorangetrieben mit den entsprechenden Zerwürfnissen an den Schulen. Insgesamt sind sogar 55 Schüler abgeschult worden und viele andere waren monatelang aufgeregt und in höchster Sorge, ob sie mitten im Schulbesuch einfach von der Schule verwiesen würden. Das ist, zumindest taktisch betrachtet, in keiner Weise eine Meisterleistung; die Kinder und die Eltern waren in höchster Sorge. Und Geld bekam man auf diese Art und Weise auch nicht, denn Schleswig-Holstein hat das getan, was man dann zu erwarten hatte. Man hat die Hamburger Regierung am steifen Arm verhungern lassen, denn schließlich war das Gastschulabkommen gekündigt. Das war insofern ein Trauerspiel, da es um die handwerkliche Kunst des Verhandelns ging.
Wenn wir uns jetzt das neue Abkommen anschauen, dann müssen wir sagen, dass hier erst einmal eine Lösung erzielt wurde. Aber sie wird sich als wenig tragfähig erweisen, denn sie hat den gleichen Webfehler wie die alte Lösung. Sie geht pauschal davon aus, dass eine bestimmte Schülermenge aus Schleswig-Holstein nach Hamburg kommt.
Viel klüger wäre es gewesen, den einzelnen Schülern – ich sage dies bildlich gesprochen – Geld in einem Rucksack mitzugeben. Dann, wenn die Schülerinnen und Schüler nach Hamburg kommen, wird das Geld, das der Wohnort in diesen Rucksack gelegt hat, am Schulort ausgezahlt.
Das ist gar kein irrsinniges Prinzip, sondern es funktioniert schon jetzt ganz prima innerhalb von Schleswig-Holstein. Wenn ein Schüler aus Reinbek in Wentorf zur Schule geht oder einer aus Großhansdorf in Ahrensburg, dann zahlen jeweils die Wohnortgemeinden das Geld an die entsprechenden Schulgemeinden. Dieses Prinzip würde krisensicher sein, weil es auch veränderte Schülerströme entsprechend steuern könnte. Jetzt werden wir allerdings befürchten müssen, dass über kurz oder lang die nächsten Regierungen wieder zusammensitzen, weil entweder mehr Schülerinnen und Schüler kommen, dann fehlt Hamburg wieder Geld, oder weil weniger Schüler kommen, dann beschwert sich Schleswig-Holstein darüber, dass man zu viel Geld zahlt. Insofern ist dies kein großer Wurf im Sinne einer Abkehr von dem bisher wirklich schwierigen Prinzip, der Webfehler ist der gleiche geblieben.
Und zum Schluss: Menschen kaufen in Hamburg und in Schleswig-Holstein ein, sie gehen ins Kino in beiden Bundesländern, sie gehen einfach über die Grenze und haben auf Dauer kein Verständnis
dafür, dass wir ausgerechnet bei der Schule von Gastschulabkommen und ähnlichen Dingen sprechen, als würden wir einen USA-Austausch der Schülerinnen und Schüler organisieren. Hier ist die Politik in der Bringschuld, den Föderalismus nicht so zu organisieren, dass er zu einer Qual für die Beteiligten wird. Dazu wäre es allerdings erforderlich gewesen, das Gastschulabkommen an einer Stelle wesentlich sorgfältiger und passgenauer zu machen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das finden wir natürlich interessant, dass die Grünen uns erklären, sie würden den Elternwillen vertreten. Wer hat denn eigentlich dafür gestimmt, die Elternentscheidung für die weiterführende Schule abzuschaffen? Wenn mein Erinnerungsvermögen mich nicht trügt, die GAL und ihre Schulsenatorin. Und wer hat uns ein Jahr lang erzählt, die ganze Stadt wolle die Primarschule? Wir haben Ihnen geglaubt, aber der Volksentscheid hat mich an dieser Stelle etwas klüger werden lassen in Bezug darauf, was Eltern wollen. Eltern wollen eine seriöse Planung. Das sollten Sie sich zu Herzen nehmen und uns nicht groß erzählen, was die Eltern sich möglicherweise zurzeit alles so wünschen. Diese Planung sind Sie schuldig geblieben.
Wir führen in der Schulpolitik die gleiche Diskussion wie in den letzten zwei Jahren. Sie präsentieren eine gute Idee, das will ich gar nicht in Abrede stellen, und wir fragen, wie das umgesetzt werden soll. Wo sind die Räume, wo ist das Personal, wo sind die Träger, wo sind die Konzepte und Pläne und was kostet das? Sie sagen, das koste gar nichts. 10 000 Kinder mehr zu betreuen kostet nichts? Da fragen wir uns natürlich schon, wie das funktionieren soll.
Ich habe den Eindruck, dass sich die Geschichte wiederholt. Eine gute Idee wird diskutiert, Fragen werden nicht beantwortet, der Startknopf wird gedrückt und dann bricht das Chaos aus. Lernen Sie aus Ihren Fehlern. Ihr Prinzip war bisher, erst zu starten und dann zu planen. Sie müssen das umdrehen, nämlich erst planen und dann starten.
2009 präsentierten Sie eine kühne Idee: 10 000 Hort- und Ganztagsschulplätze mehr für Hamburg. Wir finden das gut, das sagte ich bereits. Sie wollen, dass Schule und Hort zusammenarbeiten; auch das ist eine gute und mutige Idee.
Ich erkenne das ausdrücklich an, und zwar deshalb, weil das Nebeneinander von Lernen und Betreuung aufhören muss. Wir haben zwei gute Einrichtungen und es muss aufhören, dass diese sich ständig gegenseitig argwöhnisch belauern.
Insofern ist der Weg völlig richtig, die Idee ist vernünftig. Wenn sie gut gemacht wird, dann sind wir auch dabei. Aber genau da liegt das Problem, das haben wir uns eben schon von Frau Veit anhören können und von Herrn Yildiz ebenfalls. Diese Reform soll ohne Geld, ohne zusätzliche Räume oder Erzieher umgesetzt werden. 10 000 Kinder mehr und kein zusätzlicher Erzieher, kein zusätzlicher Cent? Kein Wunder, dass es schon 2009 dagegen einen Proteststurm gab. Da sind Sie plötzlich klug geworden und sagten, das haben wir verstanden. Wir machen die Wende und lassen erst einmal fünf Pilotschulen starten. Diese werden ein Jahr brau
chen, um richtig in Gang zu kommen, dann laufen sie ein Jahr lang und dann werten wir das ein Jahr lang aus. 2013 kann die Reform dann starten. Der Senat hat also aus seinen Fehlern gelernt, könnte man glauben. Natürlich nicht, denn ein Dreivierteljahr später machen Sie die Wende rückwärts. Nun heißt es, der Pilotversuch werde nicht ausgewertet. Sein Ende wird nicht einmal abgewartet und auch Ihre alten Pläne nicht geändert. In großer Hektik wird die verschobene Reform nun doch auf 2011 vorgezogen. Damit präsentieren Sie, nach nur einem Jahr, den dritten Zeitplan für diese wichtige Reform. Wem wollen Sie dieses Hin und Her eigentlich noch erklären?
Hamburg braucht eine Schulpolitik mit klaren Plänen, mit Verlässlichkeit und Stetigkeit.
Weil Sie es nun doch mit der Angst bekommen haben, haben Sie vor zwei Tagen eine Pressemitteilung herausgegeben, in der es heißt, starten dürfe nur der, der gewisse Voraussetzungen erfüllt. Sie haben eine ganze Reihe aufgeführt, so muss beispielsweise ein Träger vorhanden und das Mittagessen geregelt sein. Da sage ich nur: Das ist ja eine ganz tolle Politik, Sie sagen, die Schulen können starten, aber sie müssen das alles selber regeln. Es wäre Ihre Aufgabe, genau diese offenen Fragen zu beantworten, nicht die Aufgabe der Beteiligten.
Dieses Konzept kommt uns aber irgendwie bekannt vor. Ich will nur ganz kurz wenige Beispiele nennen.
Wir beschließen, dass Kinder mit Behinderungen die Regelschule besuchen dürfen; eine gute Idee. 2010 ist das gestartet und erst jetzt werden die Arbeitsgruppen eingerichtet. Und wann wird das Konzept erarbeitet? – 2011 wird es kommen.
Das nächste Beispiel, die Stadtteilschulen. 2010 ist sie schon eingerichtet. Man könnte glauben, da gäbe es Pläne, die werden aber jetzt erst erarbeitet. Jetzt sind die Arbeitsgruppen zusammengetreten und wann sollen ihre Ergebnisse umgesetzt werden? – 2011, ein Jahr nach dem Start.
Das nächste Beispiel. Das Sitzenbleiben wird abgeschafft; eine gute Idee. 2010 beginnt es. Wo sind die Pläne? – Ich habe da schon meinen Textbaustein parat.
2010 sind erst die Arbeitsgruppen eingerichtet worden. Und wann beginnt es, Herr Beuß? – Um 2011.
Das alles läuft nach demselben Muster ab. Es gibt eine gute Idee, der Startknopf wird schnell gedrückt und geplant wird hinterher. Damit muss endlich Schluss sein.
Ich komme zum Schluss.
Dadurch untergraben Sie Schritt für Schritt die Reformbereitschaft in dieser Stadt. Es wäre aber ein Trugschluss zu glauben, Reformen könnten nicht gelingen. Reformen sind gut, aber, das zeigt diese Debatte, mit dieser Regierung geht das nicht. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute setzen wir den Volksentscheid um. Trotz der zeitlichen Gerafftheit haben wir sorgfältig, pünktlich und einig gehandelt. Das ist ein gutes Signal für eine Schulpolitik im Konsens, und zwar nicht nur im Konsens des Parlaments – das hatten wir auch schon vorher –, sondern im Konsens mit vielen Bürgerinnen und Bürgern in der Stadt.
Zu meiner Überraschung habe ich in den letzten Tagen und Wochen trotzdem immer noch E-Mails bekommen, in denen gefragt wurde, warum wir den Volksentscheid so schnell umsetzen würden, ob das nicht noch Zeit hätte, denn vielleicht gäbe es noch eine Chance, und ob man nicht noch weiterkämpfen könne. Daran erkennt man, welche emotionalen Verwerfungen mit diesem Schulkampf einhergegangen sind. Die Antwort, die das Parlament gibt, sollte so nüchtern wie klar sein. Sie lautet: Wir hätten uns ein anderes Ergebnis des Volksentscheids gewünscht, aber es nützt nichts. Deshalb darf die Politik hier nicht herumeiern. Ein Volksentscheid ist keine Umfrage, sondern eine klare politische Entscheidung, die sogar in der Verfassung verankert ist. Wir vertreten zwar das Volk nach bestem Wissen und Gewissen, aber wir sind nicht das Volk. Wir sind dem Volk verpflichtet und deshalb achten wir die demokratischen Spielregeln. Es ist ein schönes Zeichen, dass wir das heute in großer Einigkeit und gemeinsam tun.
Meine Partei freut sich, wenn es gelingt, dass der Volksentscheid schon heute umgesetzt werden kann. Es war unsere Idee, das Ganze um 14 Tage vorzuziehen. Der Grund ist ein einfacher, er wurde schon angedeutet: Nur durch diese frühe Entscheidung verhindern wir weiteres Durcheinander an den Schulen, denn noch gilt das alte Schulgesetz. Mit ihm sind viele umstrittene und schwierige organisatorische Veränderungen verbunden, die jetzt hätten umgesetzt werden müssen; ich nenne als Beispiele die Fusion von 100 bislang selbstständigen Grundschulen oder Grundschulstandorten oder die Trennung sämtlicher Langformschulen. Dabei wäre klar gewesen, dass diese Veränderungen nach wenigen Wochen hätten zurückgenommen werden müssen. Die Folgen wären absehbar gewesen. Es hätte erheblichen Ärger bei der Elternschaft und in den Kollegien und viel sinnlose Doppelarbeit gegeben, wenn neue Strukturen erst
geschaffen und nach wenigen Monaten hätten zurückgefahren werden müssen. Möglicherweise wäre auch eine Reihe schwer zu reparierender Schäden an der Schulstruktur zurückgeblieben. Es ist noch nicht einmal zwei Wochen her, dass die Behörde in voller Fahrt auf dieses vermeidbare Szenario zusteuerte. Wir haben deshalb den Vorschlag gemacht, eine schnelle und pragmatische Lösung zu finden, und dieses Angebot wurde von allen Seiten dankbar und konstruktiv angenommen.
Wir alle sind sicher, dass wir mit unserer heutigen Entscheidung einen großen Schritt auf dem Weg zu einer Entspannung der Schulpolitik vorankommen. Wir brauchen diese Entspannung, und zwar nicht nur im Parlament, sondern vor allem an den Schulen und in der ganzen Stadt. Die Regelungen des neuen Schulgesetzes werden zu diesem Frieden beitragen. Selbstverständlich haben wir die klare Botschaft des Volksentscheids umgesetzt. Die Klassen 5 und 6 bleiben an den weiterführenden Schulen, das Gymnasium wird in seinem Bildungsauftrag nicht verändert und auch das Elternwahlrecht nach Klasse 4 bleibt bestehen. Das waren die drei wichtigen Punkte, die mit dem Volksentscheid verbunden waren.
Darüber hinaus haben wir Gespräche mit den Kammern und der Initiative "Wir wollen lernen!" geführt und uns bemüht, weitere Anregungen aufzunehmen. Von meinen Vorrednern sind die Formulierung der Beobachtungsstufe und des Bildungsauftrags und auch das Thema Langformschule genannt worden. Wir haben uns entschieden, die Langformschule alter Prägung wieder möglich zu machen. Weiterungen und neue Ideen werden in Zukunft ausführlich und sorgfältig diskutiert werden. Wir sind damit allen Gesprächspartnern in vielen Punkten sehr weit entgegengekommen. Darüber hinaus heilen wir Wunden, die wir mit dem alten Schulgesetz geschlagen haben. Schulfusionen gegen den Willen wird es nicht geben und Langformschulen in der bisherigen Form sind künftig wieder möglich. Anerkannte Reformschulen wie die Max-Brauer-Schule und die Gesamtschulen Winterhude, Alter Teichweg und Erich Kästner können ihre bisher erfolgreiche Arbeit ohne organisatorische Erschütterungen relativ nahtlos fortsetzen. Das sind wirklich gute Nachrichten für Schüler, Eltern und Lehrer und wir können uns gemeinsam über diese gute Lösung freuen.
Ich darf sagen, dass das angenehme Gespräche waren mit allen Beteiligten und man nach dem doch schwierigen Wahlkampf, wenn die Türen geschlossen waren, relativ konstruktiv an der Sache arbeiten konnte. Ganz herzlich bedanken möchte ich mich in diesem Zusammenhang insbesondere bei den Kollegen Michael Gwosdz von der GAL
und Dora Heyenn von der LINKEN. Sie haben die Verhandlungen nüchtern, unaufgeregt und mit großer Sachkenntnis vorangebracht und dabei, wie wir alle übrigens, immer wieder den Blick für die gesamte Breite der Wählerschaft geschärft. Dieses Lob, das will ich in aller Klarheit sagen, gebe ich an die CDU nicht weiter, so sehr ich die Verhandlungspartner auch persönlich schätze. Erinnern wir uns einmal daran, dass wir tagelang alle vier zusammengesessen und alle vier gemeinsam gesprochen haben. Gern wurde dabei der Rat der Oppositionsparteien gesucht. In mehreren Fällen hat die CDU den Rat von Frau Heyenn übrigens sogar im Gesetz verankert und man kann, so meine ich, nicht zwischen Frau Heyenn und der LINKEN unterscheiden, denn sie ist Fraktionschefin der LINKEN und damit sicherlich eine Repräsentantin der Partei.
Die CDU hat ausdrücklich eine gemeinsame Presseerklärung aller vier Fraktionen befürwortet, Herr Beuß, und es war die CDU, die durch eine Textänderung der Pressemitteilung eine Hilfestellung gegeben hat, damit es gelingen kann, dass auch DIE LINKE diese Presseerklärung mitträgt. Dann, kurz vor Abschluss der Gespräche, überraschte die CDU mit zwei Ideen und einer neuen Forderung für das Gesetz; Details will ich nicht erörtern. Diese scheinbare Wiederbelebung der CDU-Schulpolitik scheiterte schon nach 24 Stunden. Unsere Fraktion musste das alles in einer Volte nachvollziehen. Erst hieß es, es geht in die eine Richtung, dann ging es wieder in die andere. Nach dem Zusammenbruch dieses kurzen Aufbäumens der CDU-Schulpolitik kam die Retourkutsche. Wenn man schon inhaltlich nichts zu verändern hat, dann doch wenigstens im Antragskopf.
Man wollte plötzlich nicht mehr mit der LINKEN in der Kopfzeile stehen nach dem Motto: Wenn schon nichts im Antrag von der CDU steht, dann wenigstens oben drüber. Da störte es offensichtlich auch nicht, dass man eben noch friedlich und einträchtig zusammengesessen und Rat voneinander eingeholt hatte.
Liebe CDU, Herr Beuß, Ihre Schulpolitik bleibt, was sie war: nicht vorhanden.
Statt zu entscheiden, was im Antrag steht, entscheiden Sie nur noch, wer unterschreibt.
Fehlendes schulpolitisches Profil ersetzt man durch solche albernen Aktionen nicht.
Das Wort "schleimen" ist jetzt zum dritten Mal gefallen; vielleicht kann man einmal darüber nachdenken, ob sich das so gehört.
Abschließend noch eines: Mit dem Volksentscheid ist eine Grundsatzentscheidung über die Schulstruktur getroffen worden. Damit gewinnen wir alle auch Muße und Kraft für Reformen, die ebenfalls wichtig sind und die bisher vielleicht ein wenig im Schatten gestanden haben. Ich nenne drei Punkte.
Erstens: Der Unterricht und die innere Reform der Schulen können erheblich vorangebracht werden. Da ist eine Qualitätsoffensive dringend erforderlich und ich bin überzeugt, dass sie erfolgreich auf den Weg gebracht werden kann.
Zweitens: Insbesondere für die Kinder und Jugendlichen aus bildungsfernen Familien bleiben alle Probleme erhalten. Wir müssen hier gezielt eine ganze Reihe von Maßnahmen auf den Weg bringen; ich nenne nur den Ausbau der Ganztagsangebote, eine Verbesserung der frühkindlichen Bildungsangebote und der Integration von Förderschülern und vielfältige Fördermaßnahmen wie zum Beispiel die Sprachförderung.
Drittens: Eine Schulform bleibt, die längeres gemeinsames Lernen in verlängerter und guter Form ermöglicht, die Stadtteilschule. Sie ist die große Aufgabe, der wir uns jetzt widmen müssen. Wir müssen sorgfältig darüber nachdenken, wie dieses große Projekt zum Nutzen der Schülerinnen und Schüler in Hamburg gelingen kann. Das ist genug für zwei Legislaturperioden und es ist genug, um Hamburgs Schulen um Jahre nach vorn zu bringen. Also, worauf warten wir? Wir sind dazu bereit und auch dazu, im gemeinsamen Kopf mit allen Fraktionen vernünftig zusammenzuarbeiten. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Windschatten der großen Debatte über die Schulreform droht ein wichtiges Thema in Vergessenheit zu geraten: Wie geht es weiter mit den Schülerinnen und Schülern, die mehr Aufmerksamkeit und Förderung brauchen als andere, wie geht es weiter mit den Sonder- und Förderschulen?
Erste Vizepräsidentin Barbara Duden (unterbre- chend): Entschuldigung, Herr Rabe, ich würde gerne für mehr Ruhe im Haus sorgen, dann können Sie sich auch besser durchsetzen.
– Vielen Dank, Frau Präsidentin.
Durch die Unterzeichnung der UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen hat Deutschland sich verpflichtet, jedem behinderten Kind den Besuch einer allgemeinbildenden Schule zu ermöglichen. Die Wirklichkeit in Hamburg sah im letzten Schuljahr noch anders aus. Nur 1200 von 8400 Förderschülern besuchten im letzten Schuljahr ei
ne allgemeinbildende Schule. Das ist von sieben Förderschülern gerade einmal einer und das sind deutlich zu wenige.
Das neue Schulgesetz, das wir gemeinsam verabschiedet haben, ermöglicht es jedem Kind mit Förderbedarf, jetzt die erste und fünfte Klasse in einer allgemeinbildenden Schule zu besuchen. Wie richtig diese Entscheidung war, zeigen Zahlen, die der Senat auf eine Kleine Anfrage von mir hin offengelegt hat. Die Anmeldezahlen sind in den Klassen 1 und 5 um über 50 Prozent gestiegen. Es war gut, dass wir mit dem neuen Schulgesetz die jahrelange Blockade auf diesem Gebiet überwunden haben. Wir freuen uns darüber, dass Hamburg auf diesem Weg endlich die Integration mit Riesenschritten ausbaut.
Dieses Vertrauen darf die Politik allerdings nicht enttäuschen. Jetzt müssen auch entsprechende Taten folgen. Die Anhörung im Schulausschuss hat gezeigt, dass es noch größerer Schritte bedarf, denn bisher sind die Planungen auch in der Behörde eher mager. Anstatt ein tragfähiges Konzept vorzulegen, hat die Behörde zunächst einmal eine Reihe von Arbeitskreisen gegründet, die dieses Konzept entwickeln sollen. Die Defizite der jetzigen Übergangslösung wurden von den Experten im Schulausschuss sehr klar benannt.
Erstens: Es gibt zu wenig Förderstunden für die Förderschülerinnen und -schüler, die jetzt neu an die Schulen gekommen sind.
Zweitens: Diese Schüler werden von Lehrern unterrichtet, die von der Sonderschule leihweise an die Schulen geschickt werden. Das ist aus unserer Sicht auch für eine Behelfslösung eine unglückliche Konstruktion. Integration soll kein Fremdkörper, sondern muss ein Prinzip der Schule sein, das von der Schulleitung, vom Kollegium und von der Elternschaft gemeinsam getragen wird. Deswegen gehören die Sonderpädagogen an die jeweiligen allgemeinbildenden Schulen, und zwar nicht als Gast, sondern als ganz normaler Bestandteil.
Ich komme zum Schluss. Drei Wege zur Integration haben sich die letzten Regierungen bereits ausgedacht: Die Integrationsklassen, die integrativen Regelklassen und die Zusammenarbeit mit Förderzentren. Diese vorliegenden Wege, insbesondere die Integrationsklassen, kann man doch erst einmal beschreiten, wenn sie funktionieren und sie funktionieren gut. Wir haben gefordert, diese Wege zu gehen. Die Regierung hat sich anders entschieden und gesagt, dass sie einen neuen, vierten Weg erfinden wolle und weil wir diesen noch nicht fertig haben, gehen wir einen fünften Notweg, den ich eben geschildert habe.
Das ist ein Fehler und deswegen lehnen wir auch den Bericht des Schulausschusses ab. Es gibt funktionierende Wege, die man wenigstens als
Übergangslösung gehen kann. Dies wäre hilfreicher als das, was wir zurzeit haben. Legen Sie Konzepte für eine echte Integration und eine neue Förderkultur an den Schulen vor. Den Bericht des Schulausschusses und die damit verbundenen Entscheidungen halten wir nicht für zielführend. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Volksentscheid hatte ein klares Ergebnis, die Primarschule wurde abgelehnt. Wir bedauern, dass es nicht gelungen ist, die Menschen von den Vorteilen der gemeinsam getragenen Schulreform zu überzeugen. Aber es nützt nichts, das Ergebnis ist klar. Jetzt sagen wir, lieber Jens Kerstan, und das unterscheidet uns, wir achten die demokratischen Spielregeln. Jetzt darf die Politik nicht herumeiern, unsere klare und unmissverständliche Botschaft muss sein, diesen Volksentscheid zügig und ohne Wenn und Aber umzusetzen.
Ich kann nur davor warnen, diesen Volksentscheid beispielsweise wegen angeblich geringer Wahlbeteiligung und ähnlichen Dingen ständig in Zweifel zu ziehen. Ich persönlich finde übrigens, dass angesichts einer Einzelfrage in der Hamburger Politik eine 40-prozentige Beteiligung sehr hoch ist. Ich weiß nicht, welche anderen Bereiche die Menschen so aufgewühlt haben. Aber unabhängig davon ist die Wahlbeteiligung kein Grund, das Ergebnis anzuzweifeln.
Wer so anfängt, meine Damen und Herren, der müsste wegen niedriger Wahlbeteiligung die meisten Bürgermeister in Deutschland entlassen, das Europaparlament gleich mit auflösen und vielleicht noch den US-Präsidenten nach Hause schicken. Diese abenteuerliche Diskussion, Jens Kerstan, hilft niemandem. Sie erweckt einen falschen Eindruck und muss gestoppt werden. Der Volksentscheid gilt und wir werden ihn umsetzen.
Spannender für uns ist die Frage, wie diese Ablehnung eigentlich zu erklären ist. Immer wieder wird behauptet, dass die Bürger aus den besseren Stadtteilen ihre Privilegien verteidigen wollten, sie würden den Benachteiligten die Aufstiegschancen nicht gönnen. Wer sich die Ergebnisse ansieht, so
weit man sie analysieren kann, aber auch, wer im Wahlkampf viele Gespräche geführt hat, der muss sagen, dass es Menschen aus allen Gesellschaftsschichten, aus allen Stadtteilen und höchstwahrscheinlich aus allen politischen Lagern waren, die die Primarschule mehrheitlich abgelehnt haben. Das muss die Politik schon zur Kenntnis nehmen. Die Frage ist allerdings, warum sie so entschieden haben. Ich persönlich habe auf vielen Straßen und an allen vielen Infoständen landauf und landab eigentlich immer dieselbe Sorge gehört und die lautete: Es war die Sorge, dass sich die Politik mit dem Umkrempeln des gesamten Schulsystems schlicht übernimmt und dass dabei vermutlich zu viel schiefgeht. Es könnte zu viele Probleme geben, unübersichtliche Auswirkungen haben, Risiken und unklare Kosten. Das waren die Sorgen der meisten Menschen. Auf dieses Misstrauen muss Politik in Zukunft die richtigen Antworten geben. Die Antworten können nur sein: Wer zusammen mit den Menschen Schule verbessern will, der braucht künftig Konsens statt Krawall. Besser sind drei kleine Schritte als ein großer Spagat.
Eine klar kalkulierbare Reform ist auch besser als zehn mutige Visionen. Es tut mir leid, wenn ich das so sage, aber die Basis für erfolgreiche Schulpolitik, die die Menschen mitnehmen will, ist besser langsam, sicher und verlässlich als schnell, wackelig und riskant. Künftige Schulpolitik kann dann im Konsens funktionieren, wenn sie optimiert und sich das Revolutionäre ein Stück weit verkneift.
Wir Sozialdemokraten nehmen diesen Wunsch der Bürgerinnen und Bürger ernst. Deshalb haben wir im Rahmen des Schulfriedens konkrete, machbare Verbesserungen durchgesetzt, kleinere Klassen, Abschaffung des Büchergeldes, mehr Oberstufenangebote. Diese Verbesserungen waren machbar, sie klappen, sie nützen und alle finden sie gut. Und diese Verbesserungen werden bleiben, sie sind ein Erfolg der SPD und auf diesem Weg werden wir weitermachen und Hamburgs Schulen beharrlich verbessern.
Was passiert jetzt? Wir wollen bis zum Herbst den Volksentscheid umsetzen, deshalb unser Antrag. Wir sind auch zu einer fairen Zusammenarbeit bereit. Voraussetzung ist aber auch, dass die Behörde ihre Hausaufgaben erledigt, schnell mit uns den Dialog sucht und einen abgestimmten Gesetzentwurf vorlegt. Es ist aus unserer Sicht sehr ärgerlich, dass die Behörde und die Regierungsfraktionen viel zu lange brauchen, um sich auf die durch den Volksentscheid veränderte neue Lage einzustellen. Statt unmittelbar danach durch kluges und behutsames Vorgehen die Wogen nach dem Volksentscheid zu glätten, schafft die Behörde un
serer Auffassung nach mit widersprüchlichen Aussagen immer neuen öffentlichen Ärger.
Ich nenne zum Beispiel die neuen Starterschulen, die Trennung bewährter Langformschulen, die Fusion von intakten Grundschulen. Das alles hat doch ohne Primarschule eigentlich keinen Sinn und ist jetzt weitgehend überflüssig und unsinnig. Zudem ist die rechtliche Grundlage, dieses Überbleibsel der Primarschulreform, so wackelig, dass man besser die Finger davon lassen sollte. Doch stattdessen sorgt die Behörde weiterhin für Zorn, Verwirrung und Irritationen bei Lehrern und Eltern, weil sie sich bis heute an diese überholten Pläne klammert.
Voraussetzung für eine Zusammenarbeit ist daher auch, dass dieser Teil der bisherigen Pläne gar nicht erst in Kraft gesetzt wird. Wir hören im Schulausschuss zu unserer Überraschung, auch die Behörde gehe davon, dass dies alles keinen Bestand habe und zurückgedreht werde. Aber erst einmal müsse es in Kraft gesetzt werden, erst einmal müsse die Trennung von Langformschulen und die Fusion von Grundschulen beschlossen werden und dann könne man sich wieder auseinanderdividieren beziehungsweise das alles wieder rückgängig machen. Mit diesem Hin und Her muss Schluss sein. Wir brauchen eine seriöse, verlässliche Planung und dazu sind wir auch bereit.
Mit dem Volksentscheid ist eine Grundsatzentscheidung über die Schulstruktur in Hamburg für die nächsten Jahre getroffen worden. Nach der vierjährigen Grundschule führen zwei Wege zum Schulabschluss und zum Abitur, die Stadtteilschule und das Gymnasium. Der 40-jährige Dauerstreit ruht damit eine längere Zeit. Das können wir auch als Chance begreifen, denn ohne diese kräftezehrende Dauerdiskussion gewinnen wir gemeinsam vielleicht die Kraft, die Zeit und auch die finanziellen Mittel, um viele dringend notwendige und sinnvolle Reformen auf den Weg zu bringen. Die Schüler, Eltern und Lehrer werden es uns danken.
Ich will kurz drei Punkte ansprechen. Erstens: Es muss eine künftige, zentrale Aufgabe sein, den Unterricht zu verbessern, zu individualisieren und gleichzeitig den Erziehungsauftrag wahrzunehmen, das Sich-Kümmern von Schule um die Schülerinnen und Schüler zu verbessern.
Zweitens: Für Kinder und Jugendliche aus bildungsfernen Familien müssen die Bildungschancen verbessert werden und dazu brauchen wir besondere Förderangebote. Ich nenne Ganztagsschulen, bessere frühkindliche Bildung, eine bessere Integration von Förderschülern und vielfältige Maßnahmen wie zum Beispiel die Sprachförderung.
Drittens: Die Stadtteilschule ist jetzt die eigentliche große Baustelle. Sie muss zu einer hervorragen
den Schule entwickelt werden, die Schülerinnen und Schülern eine große neue Chance bietet.
Das alles ist genug für mindestens zwei Legislaturperioden und es ist genug, um Hamburgs Schulen um Jahre nach vorn zu bringen. Also worauf warten wir noch, wir sind dazu bereit.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sagte am Anfang, die Menschen erwarten von uns, Schule zu optimieren. Optimieren bedeutet nicht Stillstand, Optimieren bedeutet nicht, den Volksentscheid umzusetzen und den Rest so zu lassen, wie er ewig war, denn die Probleme im Schulsystem sind nach wie vor da. Wir müssen dringend die Chancengleichheit verbessern, wir müssen dafür sorgen, dass die vielen Kinder aus bildungsfernen Familien endlich in den Schulen so gefördert werden, dass aus ihnen tüchtige Lehrer, Ärzte, Krankenschwestern, Kaufleute und Bürgermeister werden. Hier nicht aufzugeben, sind wir den vielen Kindern, aber auch unserer Stadt schuldig. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen für diese Schulpolitik. Wir werden Schulreformen verlässlich und seriös planen. Wir werden die Schulen beharrlich optimieren, im Konsens kalkulierbar, aber ohne Stillstand. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Rechtzeitig vor dem Volksentscheid wird für alle klar, dass es das Parlament ernst meint mit den vereinbarten Schulverbesserungen. In den nächsten sechs Jahren werden jedes Jahr über 160 zusätzliche Lehrer eingestellt. 2016 wird Hamburg dann 970 Lehrerinnen und Lehrer mehr als heute haben und das ist auf jeden Fall richtig so.
Das ist auch deshalb richtig, weil CDU und FDP gern dabei vergessen, dass sie in den letzten Jahren Lehrerstellen abgebaut haben, und zwar nicht zu knapp. Hamburg hat heute noch immer weniger Lehrer, als der letzte SPD-Senat 2001 übergeben hat. Es heißt so schön: Nur Reiche können sich einen armen Staat leisten. Übertragen auf die Schulen sage ich: Nur Schüler aus bildungsengagierten Elternhäusern können sich schlechte Schulen leisten; sie lernen auch so genug. Wer zu Hause dagegen keine Unterstützung erhält, der braucht eine hervorragende Schule. Wer also mehr für Chancengleichheit und mehr für bessere Bildung tun will, der muss für kleinere Klassen, besseren Unterricht und besser qualifizierte Lehrer sorgen. Wir haben das im Schulgesetz durchgesetzt und darauf sind wir auch ein Stück weit stolz.
Qualifizierte Lehrer, ausreichend Räume, Qualitätstests für die Primarschule, das war alles versprochen, aber es stand nirgends. Die SPD hat durchgesetzt, dass diese Versprechen endlich verbindlich im Schulgesetz festgeschrieben sind. Kleinere Klassen sind heute der Hit bei jeder Diskussionsveranstaltung über die Schulreform. Ich will nur daran erinnern, dass es eigentlich anders geplant war und erst die SPD diese Verkleinerung durchgesetzt hat. Der Erfolg ist jetzt erkennbar. 2010 beginnen die ersten Klassen mit einer durchschnittlichen Größe von 20,7 Schülerinnen und Schülern pro Klasse, über ganz Hamburg gerechnet; das ist wirklich ein großer Erfolg. Außerdem wird das Elternwahlrecht beibehalten – was ursprünglich auch nicht geplant war –, Oberstufen für die Stadtteil
schulen wurden von der SPD durchgesetzt, natürlich ist auch Schluss mit der Belastung durch das Büchergeld und erwähnenswert ist obendrein die Zeitplanung mit Augenmaß. Die Primarschule kommt in zwei Stufen, je nach Entwicklung vor Ort. Die SPD hat dafür gesorgt, dass eine gut gemeinte Reform – das erkennen wir an – jetzt auch gut gemacht wird, und deshalb sind wir für die entsprechenden Änderungen.
Das alles kostet auch etwas und viele sagen jetzt, Hamburg habe das Geld nicht, was ja stimmt. Aber es ist trotzdem kein Argument, denn jedes Jahr verlassen dreieinhalbtausend Schülerinnen und Schüler als Schulverlierer Hamburgs Schulen. Wenn sie danach auch noch in der Arbeitswelt scheitern, dann kosten sie den Steuerzahler, den Staat im Laufe ihres Lebens sicherlich eine halbe bis 1 Million Euro. Wenn man das mit der Schulreform vergleicht und auf diese sogenannten Risikoschüler umrechnet, gibt die Schulreform für jeden dieser Schüler 21 000 Euro aus. Fazit ist: Gute Bildung kostet zwar Geld, aber schlechte Bildung kostet noch viel mehr Geld und auch deshalb haben wir die Reform entsprechend nachgebessert.
Mehr Lehrerstellen schaffen eine Voraussetzung für eine bessere Schule, aber dabei sollten wir nicht stehenbleiben.
Erstens: Wir brauchen Schulen, die Verantwortung für die Schülerinnen und Schüler übernehmen. Zu oft haben Schulen – gleich, welcher Schulform – in der Vergangenheit unbequeme Schüler abgeschult, umgeschult oder ohne Abschluss entlassen.
Zweitens: Wir müssen die Chance des gemeinsamen Lernens auch ergreifen und dafür brauchen wir drittens einen besseren Unterricht. Dass gemeinsames Lernen eine Chance bietet, ist in diesem Haus unumstritten. Ich sage dies noch einmal in Richtung all derer, die das bezweifeln. Es nützt ganz klar sowohl den benachteiligten als auch den besonders leistungsstarken Schülern. Es ist eine gute Sache, allen Schülern eine bessere Bildung zu verschaffen, aber wir brauchen dazu einen anderen Unterricht. An der Stelle will ich auch klar sagen, dass hier noch viel zu tun ist. Geld in das System zu geben ist der Anfang, aber man muss es dann auch sinnvoll einsetzen.
Wir haben uns gerade mit der Schulinspektion beschäftigt und sie zeigt deutlich, dass es Disziplinprobleme, langweiligen Unterricht, schlecht vorbereitete Lehrer und Unterforderung an zu vielen Schulen gibt. Das neue Schulgesetz verspricht Fortbildung und Teamarbeit der Lehrer. Das ist gut und steht immerhin schon auf dem Papier, doch
die Anhörungen im Schulausschuss zeigen auch, dass bisher herzlich wenig passiert. Wir haben zum Beispiel einen Schul-TÜV, aber weder eine TÜV-Plakette – um im Bild zu bleiben – noch eine Reparaturwerkstatt. Wenn eine Schule schlecht abschneidet, gibt es nicht einmal einen Maßstab, um das klar zu benennen, und erst recht keine entsprechenden Maßnahmen. Deshalb sagen wir, dass wir diese Reform jetzt auch weiterführen müssen. Wir brauchen endlich eine sich selbst tragende Qualitätsoffensive für eine bessere Schule, für einen besseren Unterricht.
Ich komme zum Schluss.
Wenn wir Millionen in die Hand nehmen, um die Schulen zu verbessern, dann sind wir es den Steuerzahlern und erst recht den Schülerinnen und Schülern schuldig, dafür zu sorgen, dass das Geld auch etwas nützt. Also lasst uns handeln, wir haben lange genug gewartet. – Vielen Dank.
Es geht um eine leistungsstärkere und eine gerechtere Schule für Hamburg und
wer wünscht sich die nicht. Sie ist dringend notwendig, Frau Goetsch hat das eben richtig deutlich gemacht, und ich ergänze noch einmal. Die PISA-E-Studie zeigt, dass ein Viertel unserer 15-jährigen Schülerinnen und Schüler so schlecht lesen, schreiben und rechnen können wie Kinder der vierten Klasse. Ein Jahr später werden sie die Schule verlassen – praktisch chancenlos. Ein Viertel eines Jahrgangs, das sind 3500 junge Menschen jedes Jahr.
Wir wissen aus allen Studien auch noch etwas. Sie versagen in der Schule schlicht deshalb, weil sie aus dem falschen Elternhaus kommen. Wenn man das entwickeln würde, was sie tatsächlich in ihrem Kopf haben, könnten sie auch genauso gut auf der Gewinnerseite stehen. Sie würden auf der Gewinnerseite stehen, würden sie als Eltern Pastoren oder Ärzte haben oder aus Sasel oder Volksdorf kommen, das sagen alle Statistiken. Diese Benachteiligung, die man den Lehrerinnen und Lehrern nicht ankreiden kann, die aber ein Problem unserer Gesellschaft insgesamt ist, auf das die Schule als System ebenso keine Antwort hat, ist ein Skandal, den wir dringend beenden müssen, und wir geben jedem die Hand, der sich ernsthaft dieser Aufgabe annimmt.
Es gibt viele Gründe, jetzt zu handeln. Ich nenne kurz die wichtigsten.
Erstens: Unsere Wirtschaft braucht alle Menschen, um Wirtschaftswachstum, Wohlstand und Fortschritt sicherzustellen. Unsere Wirtschaft braucht alle und das heißt, sie müssen auch alle Ingenieurin und Ingenieur, Wissenschaftlerin, Pastor, Bürgermeister, Rechtsanwalt und was noch alles werden können und nicht neue Arbeitslose.
Zweitens: Wir brauchen auch als Gesellschaft alle Menschen, Menschen, die sich engagieren und Verantwortung übernehmen, Menschen, die Familien gründen, Kinder erziehen, Menschen, die bereit sind, sich zu beteiligen. Wir brauchen sie alle und können uns keine 75 Prozent-Gesellschaft leisten.
Drittens: Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sagen, dass es noch einen weiteren Grund gibt, etwas dagegen zu tun. Es ist schlicht in höchstem Maße ungerecht, wenn Menschen aufgrund ihrer Herkunft benachteiligt werden. Diese Ungerechtigkeit wird auch die Werte und den Zusammenhalt unserer Gesellschaft zersetzen, wenn wir nichts tun und deshalb müssen wir jetzt beginnen.
Die Schulreformen führen nach vielen Nachbesserungen insgesamt in die richtige Richtung. Die Primarschule ist in dem riesigen Reformpaket sicher der umstrittenste Teil und deswegen will ich darauf noch einmal gesondert eingehen. Sie hat – das haben wir uns zwei Jahre lang immer wieder gesagt – Chancen und Risiken. Zu den Chancen: Zwei Jahre längeres gemeinsames Lernen ist zweifellos ein Vorteil. Wir wissen aus allen Studien, dass gemeinsames Lernen in Verbindung mit dem richtigen Unterricht sowohl den schwächeren als auch den stärkeren Schülern nützt. Und es ist schlicht eine Legende, wenn immer wieder behauptet wird, dass leistungsstärkere Schülerinnen und Schüler durch gemeinsames Lernen behindert würden, das Gegenteil ist wahr. Gemeinsames Lernen nützt den stärkeren und den schwächeren Schülern.
Wer aber redlich überzeugen will, muss auch sagen, dass es ein Risiko gibt. Das Risiko ist schlicht, dass wir die gesamte Schullandschaft umkrempeln und zwar in einem Ausmaß, das noch kein Bundesland jemals ausprobiert hat. Viele erfolgreiche und auch weniger erfolgreiche Schulen können so nicht weiterarbeiten. Viele Grundschulen werden fusioniert und machen mit zwei Standorten in Zukunft als eine Schule weiter. Fast alle Kollegien werden vermutlich die nächsten drei Jahre mühsam umgebaut. Das alles bringt sehr viele Reibungsverluste, Probleme und Nachteile.
Wenn es gut gemacht wird, überwiegen dabei die Chancen. Der erste Entwurf des Schulgesetzes hatte unserer Meinung nach mehr Risiken als Chancen. Er war deshalb nicht gut gemacht, weil die Ideen zwar gut waren, aber die Umsetzung, die Pläne, die Konzepte, die Taten, die Eckpunkte einfach aus unserer Sicht nicht tragfähig waren, um die guten Ideen auch umzusetzen. Deshalb haben wir gemeinsam mit der Regierung darüber gesprochen, wie das gelingen kann. Was wir in dem Zusammenhang nach dem Volksbegehren geändert haben, so dass eine neue Situation entstanden ist, war erstens, dass es kleinere Klassen gibt, sehr kleine Klassen, zweitens das Elternwahlrecht bleibt und drittens, dass schon im Schulgesetz steht, dass die Lehrer eine bestimmte Qualifikation haben müssen, die Räume ausreichen sollen und es Qualitätstests geben wird. Die Oberstufen der Stadtteilschulen sollen in Zukunft die Stadtteilschulen mit einer Perspektive versehen. Natürlich ist jetzt auch Schluss mit dem Büchergeld und das Tempo ist ein bisschen langsamer geworden, weil wir auch mit Augenmaß sehen müssen, was geht und was nicht. Wir werden diese Primarschule in zwei Stufen einführen. Wir haben als SPD gesagt, das sind Rahmenbedingungen, unter denen die Primarschule gut werden kann.
Liebe Frau Goetsch, es wird Ihre Aufgabe, die Risiken zu verringern und die Chancen auszubauen. Wir werden sorgfältig darauf achten, denn wir wollen gemeinsam mit Ihnen, dass diese Reformen dann auch gelingen. – Vielen Dank.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte zeigt eigentlich, wo das Problem der Schulpolitik liegt. Wir hören eine große Absicht und einen großen Gedanken, Beschleunigung und so weiter, aber die Antwort, die Frau Heyenn auf ihre einfache Nachfrage erhielt, wie das funktioniere, war beschämend. Da waren fast alle Darstellungen von Marino Freistedt zum Glück im Futur formuliert: wir werden, wir wollen, wir sollten und wir könnten. Aber was passiert wirklich?
Genau diese Verkürzung der Schulzeit an den Gymnasien ist ein Musterbeispiel für die Probleme der Schulpolitik und sie zeigt, warum Eltern misstrauisch werden, wenn sie nur das Wort Schulreform hören, und sie haben recht. Da beginnen wir eine Reform und arbeiten eigentlich nach dem Motto "learning by doing". Erst einmal fängt man an und dann wird während des Prozesses gemerkt, dass da etwas nicht funktioniere, man habe keine Kantinen, die müssten irgendwie gebaut werden. Das mit den Stundeplänen klappe nicht, da müsse etwas getan werden. Dann kommt 2007 ein Brief hinterher, man hätte jetzt – Klammer auf: nach fünf Jahren – festgestellt, dass es doch sehr anstrengend sei an den Schulen. Es wird empfohlen, die Pausen etwas zu verlängern. Dazu kam noch der Ratschlag, Doppelstunden einzuführen. Ein typisches Gebastel: Man beginnt mit großen Worten, dann klappt nichts, keiner kümmert sich darum und dann wird erst im Prozess nachgesteuert.
Eigentlich war schon 2002 klar: Irgendwann werden diese Kinder alle aus der Schule kommen. Wer hätte das gedacht? Vermutlich sind es 20 000 Schülerinnen und Schüler, die in diesem Sommer die Schule verlassen, davon vermutlich bis zu 13 000 Abiturienten. Glauben Sie nicht die Zahl, Frau Heyenn, von 12 100, die die Schulbehörde geschrieben hat. Drei weitere Kleine Anfragen haben die Zahl schon auf 13 000 hochgetrieben und wenn wir weitermachen, werden wir noch mehr fin
den, die Schulbehörde muss nur suchen. Das wissen diese 20 000 Schülerinnen und Schüler vermutlich schon seit acht Jahren und ihre 40 000 Eltern auch. Wer das nicht wusste, waren offensichtlich die Schulbehörde und die Schulsenatoren, denen fiel das nicht von selbst auf.
Im letzten Jahr begann eine Debatte, die auch die SPD mit angeschoben hat.
Wir hatten eine Kleine Anfrage gestellt und gefragt, was Sie denn eigentlich täten. Die Antwort auf die Kleine Anfrage war in der Tat verheerend. Frau Heyenn, Sie haben das schön dargestellt, es war tatsächlich bei den konkret benannten Maßnahmen erwähnt worden, dass es jetzt einen PowerPoint-Vortrag gäbe für die Schulen, in dem über die umfangreichen Berufsmöglichkeiten der Schüler informiert werden sollte. Das war die einzige richtig greifbare Maßnahme. Wir haben noch einmal nachgefragt, wie es eigentlich mit den Studienplätzen sei. 2004 gab es in Hamburg für Studienanfänger 10 928 Studienplätze. 2009, fünf Jahre später, 319 mehr, das sind 11 247 – alles Zahlen der Wissenschafts- und Schulbehörde.
Aber in diesen fünf Jahren, in denen 319 Studienplätze mehr geschaffen worden sind, stieg allein die Zahl der Hamburger Abiturienten um 1400, und zwar ohne G8 und doppeltem Abiturjahrgang, einfach deswegen, weil wir ständig mehr Abiturienten haben. Da soll mir keiner erzählen, dass da irgendetwas gewachsen sei, ganz im Gegenteil treffen die Abiturienten auf weniger Studienplätze als ihre Kolleginnen und Kollegen noch vor fünf Jahren.
Das alles muss man sich dabei einmal ansehen.
Was wird dann empfohlen? Es war darauf hingewiesen worden, Greifswald. Ich habe das Unvergnügen als Vater von drei Kindern, mein erstes Kind jetzt zu finanzieren, es studiert in Kiel, muss ja sein. Wenn man sich das ausrechnet, heißt das 20 000 Euro pro Nase, wenn jemand fünf Jahre studiert.
Ich vermisse ein wenig eine Broschüre aus der Schulbehörde, die den Eltern empfiehlt, wie sie diese 20 000 Euro erübrigen sollen, statt des Ratschlags, dass die Kinder doch in Greifswald, Bayern oder Thüringen studieren sollten. Ich glaube, das sind keine ernsthaften Auswege.
Die SPD hat deshalb im Juli letzten Jahres einen Antrag gestellt, es müsse mehr Studienplätze und mehr Ausbildungsplätze geben und man müsse
prüfen, ob die Abiturprüfungen nicht entzerrt werden könnten – also ein ganzes Bündel von Maßnahmen. Was haben der Senat und die Regierungsfraktionen gemacht? Sie haben den Antrag abgelehnt, das konnte man beinahe schon erwarten.
Wenn man wenigstens etwas getan hätte. Nach einer Weile traf man sich mit der Handelskammer und sagte, man wolle jetzt zusammen 1130 Ausbildungsplätze auf den Weg bringen. 5000 neue Abiturienten gegenüber 1130 Ausbildungsplätzen – man hat bei diesen Rechenkunststücken schon den Eindruck, dass auch einige Planer in der Schulbehörde zu kurz zur Schule gegangen sind.
Dass sich die Wirtschaft über ein Überangebot an Ausbildungssuchenden jetzt freut, ist kein Wunder. Aber besser wäre es gewesen, wenn die Abiturienten sich darauf gefreut hätten, dass sie jetzt die Schule verlassen und in Hamburg eine Perspektive finden. Noch besser wäre es, wenn nicht nur die Abiturienten sich freuen könnten, sondern wenn vor allem die anderen Schülerinnen und Schüler sich freuen würden, denn die wahren Leidtragenden des doppelten Abiturjahrgangs sind vermutlich die Haupt- und Realschüler in Hamburg. Sie werden nämlich jetzt – darauf hat Frau Heyenn richtig hingewiesen – auf die Konkurrenz bei der Ausbildungsplatzsuche treffen und das ist eine Konkurrenz, der sie kaum gewachsen sind. Sie sind diejenigen, die jetzt in den Warteschleifen oder in der Arbeitslosigkeit landen und um ihre Zukunft bangen müssen. Das weiß die Schulbehörde auch. Auf besagte Kleine Anfrage – übrigens nachzulesen in der Drucksache 19/3162 – und die Frage, was denn die Schulbehörde sonst noch für Maßnahmen auf den Weg gebracht habe, um diesem doppelten Abiturjahrgang gerecht zu werden, heißt es zu den Berufsschulen:
"Hierfür stehen im beruflichen Schulwesen Vollzeitbildungsgänge zur Erlangung von beruflichen Teilqualifizierungen […] zur Verfügung."
Im Schuljargon ist das vielleicht unverständlich, aber genau das ist eine der beruflichen Warteschleifen, die wir seit einem Jahr geißeln und immer sagen, das dürfe nicht sein, das solle abgeschafft werden.
Es ist besonders spannend, dass gerade diese empfohlene Maßnahme bei der Konsolidierungsberatung des Senats genannt wird als ein Bereich, der eingespart werden solle, und zwar nicht irgendwann in weiter Ferne, sondern genau jetzt, wo der doppelte Abiturjahrgang kommt, werden beispielsweise im Berufsvorbereitungsjahr 170 Plätze gestrichen. Da kommt der Abiturjahrgang, es setzt der Verdrängungsprozess ein und Sie streichen. Da muss man ehrlicherweise sagen, dass man diese Planung beim besten Willen nicht mehr Planung nennen kann, dazu ist sie zu chaotisch. Wer wis
sen will, warum Eltern und Schüler sich beim Wort Schulreform in Hamburg mittlerweile ängstlich abwenden, der muss sich diese Geschichte des doppelten Abiturjahrgangs ansehen.
DIE LINKE fordert nun, dass der Senat über seine Aktivitäten Rechenschaft ablegen soll. Das unterstützen wir selbstverständlich. Es kann nicht schaden, auch wenn eine ehrliche Antwort über diese Rechenschaften vermutlich auf eine halbe Seite passen würde. Sinnvoller wäre es aber gewesen, wenn der Senat wirklich etwas Konkretes unternommen hätte, um Hamburgs Schülerinnen und Schülern eine Zukunft zu geben. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Rund 8400 Hamburger Schülerinnen und Schüler haben sogenannten Förderbedarf. 80 Prozent von ihnen haben Probleme im Lernverhalten der sozialen, körperlichen oder sprachlichen Entwicklung. Ein wesentlich geringerer Teil hat Behinderungen beim Sehen und Hören oder ist mehrfach behindert.
Durch die Unterzeichnung der UN-Konvention hat Deutschland zugestimmt – ich zitiere die Übersetzung –:
"[…]dass Kinder mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom unentgeltlichen und obligatorischen Grundschulunterricht oder vom Besuch weiterführender Schulen ausgeschlossen werden[…]"
Die UN fordert deshalb ein inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen. Dahinter stehen zwei richtige Überzeugungen.
Erstens: Kinder lernen bei richtigem Unterricht zusammen besser als getrennt.
Zweitens: Die Gerechtigkeit und die Menschenwürde fordern, Menschen in die Gesellschaft einzubeziehen und nicht auszugrenzen.
Die Wirklichkeit in Hamburg sieht anders aus. Nur 1200 der 8400 Hamburger Förderkinder besuchen tatsächlich eine allgemeine Schule. 86 Prozent gehen stattdessen auf eine der 39 Sonder- oder Förderschulen. Das ist ein Verhältnis von 1:6 und zeigt, dass Integration wirklich anders aussehen muss.
In den Neunzigerjahren haben SPD-geführte Senate mit der Einführung von Integrationsklassen und integrativen Regelklassen bundesweit für Aufmerksamkeit gesorgt. Doch statt diesen Vorsprung auszubauen, wurden diese Modelle von 2001 bis 2008 mit immer neuen Einwänden und Änderungen infrage gestellt. Ich erinnere nur an die Notenzeugnis-Diskussion oder die vielfältigen Diskussionen über die Zukunft der I- und IR-Klassen. Und während immer mehr Bundesländer das Thema Integration und inklusives Schulsystem energisch voranbrachten, legte die CDU in Hamburg den Rückwärtsgang ein. Die letzte IR-Klasse wurde laut einer Kleinen Anfrage im Jahre 2002 in Hamburg geschaffen. Der Bildungsbericht der heutigen Schulsenatorin kommt zu dem Ergebnis – ich zitiere –:
"Auffällig ist, dass der Anteil der integrativ Geförderten seit 2003 kontinuierlich sinkt."
So hat Hamburg seinen Spitzenplatz verloren. Andere Bundesländer schaffen schon jetzt die bis zu dreifach höhere Integrationsrate von bis zu 45 Prozent.
Das alles zeigt, dass es dringend an der Zeit ist, dass Hamburg diese langjährige Blockade, die leider mit dem Namen der CDU verbunden ist, überwindet und die Inklusion im Schulsystem dringend voranbringt.
Ursprünglich war auch die GAL etwas zögerlich, was die Schritte in dieser Legislaturperiode anging.
Wir haben aber dank der Ratifizierung der UN-Konvention und auch aufgrund eines Antrags der SPD hier im Parlament Bewegung in diese Debatte gebracht. Wir haben als SPD-Fraktion im Mai eine Änderung des Schulgesetzes gefordert und wir haben mit diesem Antrag den größten Erfolg gehabt, den eine Opposition sich gönnen kann: Er wurde erstens nicht abgelehnt, zweitens an den Ausschuss überwiesen und drittens wurde tatsächlich das Schulgesetz genauso geändert, wie wir das vorgeschlagen hatten.
Aber ich will gar nicht gehässig sein, sondern sage, dass wir uns über diesen Erfolg freuen. Wir erkennen diesen sehr mutigen Schritt der Schulsenatorin an, das Schulgesetz so zu ändern. Das ist ein verheißungsvoller Auftakt, dem jetzt aber weitere Schritte folgen müssen. Bei diesen Schritten werden wir als Opposition gern die Hand dazu reichen.
Ich habe zur Vorbereitung auf diese Debatte extra noch drei Schulen besucht, zwei Förderschulen und eine Sonderschule. Der Besuch in der Sonderschule Tegelweg war sehr beeindruckend, das räume ich ein. Wer die hochtechnisierte Spezialausrüstung solcher Sonderschulen sieht, die sich mit schwerst- und mehrfachbehinderten Kindern beschäftigen, der weiß, dass es bis zur vollständigen Inklusion in unserem Schulsystem ein wirklich langer Weg ist.
Wer aber mit Verweis auf gerade solche schwierigen Fälle sagt, das ginge alles nicht, dem antworten wir: Lasst uns erst einmal damit anfangen, das Verhältnis von 1:6 energisch zu verbessern, und hier gibt es für zügige Schritte genug Spielraum.
Die Schulbehörde hat jetzt ein Eckpunktepapier entwickelt. Die wichtigsten Punkte in Kürze, sie werden sicherlich gleich von der Senatorin noch einmal erläutert.
Erstens: Förderkinder sollen sich an allen allgemeinen Schulen anmelden können und dort Förderunterricht bekommen. Dieser Förderunterricht soll vorher in Art und Umfang im Rahmen einer Diagnose festgelegt werden.
Zweitens: Dieser Förderunterricht soll von Sonderpädagogen sichergestellt werden, die von Förderzentren an diese allgemeinen Schulen entsandt werden.
Drittens: Eltern sollen zwischen dem Unterricht an der Förderschule und an der allgemeinen Schule wählen dürfen.
Viertens: Leider wird die Zahl der Integrationsklassen und integrativen Regelklassen vorerst nicht erhöht.
Zu diesen einzelnen Punkten nur so viel: Erster Punkt, die Diagnose. Kritiker sagen uns immer wieder, durch Diagnose werden Kinder stigmatisiert und ausgeschlossen. Wir erkennen zwar diesen Einwand an, sind aber in diesem Fall aufseiten der
Schulsenatorin, denn wir glauben, dass eine Diagnose sehr sinnvoll ist. So kann am besten gewährleistet werden, dass Förderressourcen wirklich passgenau beim Kind ankommen und nicht zufällig bei irgendeiner Schule im Vertretungsunterricht, im Sportunterricht oder sonst wo untergemengt werden. Dies halten wir deshalb für einen richtigen Ansatz.
Kritischer stehen wir der Idee gegenüber, Förderzentren zu beauftragen, den sonderschulischen Unterricht an den allgemeinen Schulen sicherzustellen. Diese Idee, die die CDU in der letzten Legislaturperiode bereits in zwei Projekten verwirklicht hat, hat erhebliche Nachteile.
Ich fasse es kurz zusammen: Wenn zwei getrennte Organisationen, die allgemeine Schule und das Förderzentrum, an einem Kind und in einer Schule herumdoktern, gibt es erhebliche Abstimmungsprobleme und Reibungsverluste – im günstigen Fall. Im ungünstigen Fall fühlt sich keiner, das kennen wir schon, zuständig und man arbeitet nebeneinander oder gegeneinander. Vor allem aber bleibt die Sonderpädagogik in der allgemeinen Schule in einem solchen Modell ein Fremdkörper. Diese Behelfskonstruktion, das gestehen wir zu, mag ein Schritt sein, um erst einmal einen Start zu schaffen, aber eine Zukunft hat sie unserer Ansicht nach nicht. Inklusion funktioniert nur dann, wenn die Sonderpädagogik fester Bestandteil in der allgemeinen Schule wird.
Nachdenklich, aber auch kritisch sehen wir die Sache mit der Elternwahl zwischen allgemeiner Schule und Förderschule. Wahl ist gut, aber haben die Eltern dann auch eine echte Wahl? Dies gilt es genauer zu analysieren. Wenn es so bleibt, dass die Förderschulen mit der ganzen technischen und sonstigen Ausstattung ein wesentlich besseres Angebot bilden als die allgemeinen Schulen, dann ist das keine echte Wahl. Deswegen muss man hier genau sehen, dass auch die entsprechenden allgemeinen Schulen in die Lage versetzt werden, Sonder- und Förderschüler angemessen zu fördern. Inklusion kann so auf den Weg gebracht werden, aber dazu müssen die passenden Ressourcen dementsprechend gesteuert werden.
Ob das Eckpunktepapier der Schulbehörde für den Anfang trägt, werden die Erörterungen im Schulausschuss zeigen. Dabei müssen wir uns allerdings auch um Kinder kümmern, die in dieser Diskussion schnell durch das Raster fallen, weil sie einerseits zwar an der allgemeinen Schule sind, andererseits jedoch nicht so richtig Sonder- oder Förderschüler im bisherigen Sinn darstellen.
Der Dekan der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät, Professor Dr. Schuck, hatte in mehreren Sitzungen deutlich gemacht, dass zwar 6 Prozent aller unserer Kinder offiziell Förderbedarf haben, aber in Wahrheit 25 Prozent der Kinder an unseren Schulen tatsächlich besondere Aufmerksamkeit brauchen. Es sind diejenigen, die in der PISA-E-Studie getestet wurden und von denen gesagt wurde, dass sie mit 15 Jahren so schlecht lesen, schreiben und rechnen wie ein Viertklässler. Für diese Kinder hatte die SPD in den Neunzigerjahren die integrativen Regelklassen auf den Weg gebracht. Dank der KESS-Studien wissen wir heute genauer als damals, welche Schulen diese Kinder besuchen. Und dank des Engagements vieler Schulen wurden in den letzten Jahren zahlreiche neue Wege ausprobiert, um diesen Schülern Chancen zu erschließen.
Wir sagen deshalb: Zum Thema Inklusion gehört auch, Maßnahmen zu bündeln und passgenau einzusetzen, um diesen Kindern eine Zukunft zu geben. Wir müssen das Konzept der integrativen Regelklassen zu einem zielgenauen Konzept für mehr Chancengleichheit im Bildungswesen ausbauen.
Ich fasse für die SPD deshalb zusammen: Der Senat hat mit der Änderung des Schulgesetzes eine grundlegende Wende in Richtung auf ein inklusives Schulsystem ermöglicht, das erkennen wir an. Wir sehen ein Eckpunktepapier, das möglicherweise einen ersten Schritt darstellen kann, das aber doch viele Probleme nicht löst, sondern verschiebt. Ob das Papier als erster Schritt taugt, hängt davon ab, ob der Senat die Kraft und den Mut findet, ein umfassendes und langfristig wirkendes Programm und Konzept zu entwickeln. Dieses Konzept muss aber auch vorgelegt werden. Es muss ein Aktionsprogramm sein, in dem für alle Schularten und Klassen erstens konkrete Schritte, zweitens konkrete Zielzahlen zur Integration und Inklusion und drittens auch ein konkreter zeitlicher Rahmen zur Umsetzung verbindlich festgesetzt werden.
In einem ersten Schritt sollten aus unserer Sicht nach wie vor die Integrationsklassen und integrativen Regelklassen in den nächsten zwei Jahren verdoppelt werden. Ein Antrag von uns liegt dazu vor und ist bereits an den Schulausschuss überwiesen worden.
Vorbild sind für uns in diesem Fall einmal mehr die skandinavischen Länder, bei denen zurzeit schon bis zu 90 Prozent aller Kinder mit Förderbedarf in die Regelschulen integriert sind und dort erfolgreich unterrichtet werden. Das wollen wir auch in Hamburg erreichen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat Herr Freistedt.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist zwar spät, aber wir stellen mit den kommenden Abstimmungen die Weichen für Ausgaben im Volumen von vermutlich bis zu 4 Milliarden Euro, eine gigantische Summe. Das ist mehr, als die HSH Nordbank, die Elbphilharmonie und die U4 in die HafenCity zusammen verschlingen. So viel soll die Sanierung der Hamburger Schulen kosten. Jahrelang haben Hamburgs Regierungen der CDU, aber – die Ehrlichkeit gebietet es, das zu sagen – auch der SPD angesichts leerer Kassen die Instandhaltung der Schulen schleifen lassen. Wir sagen mit Ihnen gemeinsam: Jetzt muss gehandelt werden und es muss notfalls auch mit Krediten finanziert werden, wenn es nicht anders geht. Aber gerade wegen dieser gewaltigen Kosten und der gewaltigen Risiken, die damit verbunden sind, brauchen wir jetzt eine klare, seriöse und genaue Planung.
Und was passiert: Sie legen eine komplizierte Drucksache vor und jagen sie im Schnelldurchgang durch das Parlament; zwei Ausschussberatungen sollen reichen. Planungen für die nächsten 30 Jahre soll das Parlament in acht Wochen abnicken. Fragen und überprüfen – lieber nicht. Beratungsfristen – wozu? Um die normalen, regulären Beratungsfristen im Parlament auszuhebeln, haben Sie zu Beginn der Sitzung sogar zum letzten Mittel gegriffen und die Tagesordnung entsprechend verbogen.
Diese Hektik allein ist schon verdächtig. So kann man nicht die Weichen stellen für 4 Milliarden Euro Ausgaben. Wer das tut, der handelt fahrlässig.
Was uns nachdenklich macht, ist, dass wir zum zweiten Mal eine Superlösung für den Schulbau verkündet bekommen. Schon 2007 war das der Fall. Damals erklärte uns die CDU-Regierung, das Problem Schulbau sei gelöst, die Schulen würden zunächst in einem ersten Schritt an die SAGA-Tochter GWG vergeben, das seien Immobilienprofis, die das gut machen könnten. Deswegen betreiben die seit 2007 im Modell Hamburg Süd die Sanierung und den Betrieb von 32 Schulen für 25 Jahre. Das Ganze sollte 12 Prozent billiger sein, als es die Behörde jemals selbst könnte. Heute fragen sich alle, warum das, wenn es damals so eine grandiose Idee war, jetzt eigentlich nicht aufgegriffen wird. Stattdessen wird plötzlich eine neue Idee präsentiert. Diese neue Heilsbotschaft heißt nicht mehr Hamburg Süd und GWG, sondern Sondervermögen. Hinter dem schönen Titel verbirgt sich in Wahrheit kein Vermögen, wie wir wissen, sondern ein gigantischer Schuldenberg, eine Art Staatsbetrieb mit Schattenhaushalt. War die
Idee Hamburg Süd doch nicht so großartig wie vermutet?
Aufschluss gibt die zweite Drucksache, die wir jetzt diskutieren. Dort ist nämlich von diesem Sondervermögen die Rede. Wenn man sich das genau ansieht, wie es einmal geplant war, dann wird man etwas nachdenklich. Der Landesrechnungshof hatte sich die ursprüngliche Drucksache zu Hamburg Süd, der ersten Lösung des Schulbaus in Hamburg, einmal genauer angesehen und sein Bericht war vernichtend. Ich will es Ihnen ersparen – auch der Länge und der Müdigkeit ist es geschuldet –, das jetzt alles einzeln zu zitieren, aber drei Botschaften sind in diesem Bericht so massiv vertreten, dass man sie hier kurz wiedergeben muss.
Erstens sagt der Bericht über Hamburg Süd, der Senat habe die rund 40 Millionen Euro zusätzliche Kosten dem Parlament nicht so richtig gesagt – so könnte man es vielleicht formulieren.
Zweitens sagt der Landesrechnungshof, die Berechnungen, die der Senat vorgelegt habe und die beweisen sollten, dass Hamburg Süd 12 Prozent billiger gewesen wäre, seien schlichtweg geschönt, künstlich geschönt zugunsten von Hamburg Süd. Statt 12 Prozent sei der Kostenvorteil nur 5 Prozent gewesen. Mindestens 10 Prozent seien aber nach Auffassung aller Beteiligten eigentlich nötig, um überhaupt so eine wahnsinnige Aktion wie das Ausgliedern von Schulen in andere Rechtsverhältnisse zu rechtfertigen.
Am besten aber ist der dritte Kritikpunkt, den wir Abgeordnete uns alle gut ansehen sollten. Der Landesrechnungshof sagt zu Hamburg Süd, der Senat habe seine Drucksache so abgefasst, dass kein Parlamentarier, selbst der Gewiefteste mit seinem Arbeitsstab und 25 Taschenrechnern nicht, in der Lage sein konnte, diese Zusatzkosten, die dort heimlich herumwaberten, zu erkennen. Und nebenbei hat der Landesrechnungshof noch gesagt, dass man damit als Senat gleichzeitig gegen Parlaments- und Haushaltsrecht verstoßen habe.
Man fragt sich nach der Lektüre dieses Rechnungshofsberichts, ob es eigentlich noch schlimmer geht. Nur das Wort Taschenspielertrick fehlte noch. Man muss ehrlich sagen: So geht es wirklich nicht mit den Drucksachen.
Jetzt musste der Senat eine neue Berechnung für Hamburg Süd vorlegen, aber plötzlich werden dort ganz andere Eckdaten angesetzt. Ein Vergleich zu der ursprünglichen Berechnung des Landesrechnungshofs und der ursprünglichen Berechnung des Senats über diesen zweiten Bericht ist kaum noch möglich. Und wundersamerweise findet der Senat plötzlich Zusatzkosten in dem Alternativmodell, sodass er automatisch wieder den günstigen Vorsprung von Hamburg Süd errechnet; nicht mehr ganz so hoch, es sind nur noch 11 Prozent, also
gerade 1 Prozent über dieser Marge von 10 Prozent. Wenn man sich das ansieht, wartet man als Parlamentarier wieder auf den nächsten Rechnungshofbericht. Wie soll das eigentlich weitergehen? Hier muss man sich wirklich fragen, wem man glauben soll.
Wir müssen als Parlamentarier die Verantwortung ernst nehmen, denn hier geht es schließlich um Milliardensummen. Aber dann kommt wieder eine neue Drucksache, anschließend ist sie falsch, dann wird sie korrigiert, und es kommt wieder eine neue. Für eine Weichenstellung über solche Riesenbeträge sind die vorgelegten Zahlen, ob Hamburg Süd oder auch das Modell Sondervermögen, schlicht nicht belastbar. Hier erwarten wir eine seriöse Überprüfung, bevor überhaupt zugestimmt werden kann. Lesen Sie es durch, ständig steht da so etwas wie Grobschätzung, Prognose und so weiter. Das ist keine Planung, auf deren Grundlage man die Weichen stellen kann für Milliardenausgaben.
Zum Sondervermögen: Wir erkennen an, dass Sie mit dem Sondervermögen immerhin die Schulen nicht privatisieren, zumindest noch nicht, aber wir verstehen nicht, warum Sie das Ganze nicht behördenintern besser organisieren. Im Gegenteil, Sie haben durch permanenten Personalabbau die Behörde selbst nicht mehr in die Lage versetzt, den Schulbau vernünftig zu organisieren. Nun haben Sie es heruntergewirtschaftet und sagen, das sei der Beweis dafür, dass es nur noch auf einem anderen Weg gehen würde. Gleichzeitig blockieren Sie alle Versuche des Personalrats und der Mitarbeiter, behördenintern eine bessere Alternative in Gang zu bringen. Dabei haben genau das alle Parteien, auch die CDU, auch die Grünen und die SPD schon in der letzten Legislaturperiode dem Senat mit auf den Weg gegeben. Bevor Sie weitere Auslagerungsexperimente machen, sollten Sie das tun, was sowieso eigentlich Ihre Aufgabe wäre, nämlich mit Ihren Behörden ordentlich umgehen, und ein Modell vorschlagen, wie es innerhalb der bestehenden Strukturen funktionieren könnte. Da erwarten wir von Ihnen erst einmal echte Anstrengungen, bevor uns wieder ein neues Heilsversprechen untergejubelt wird mit fragwürdigen Zahlen.
Klar ist aber, dass man alle angeblichen Vorteile dieses Sondervermögens aus meiner Sicht genauso gut in der Behörde verwirklichen kann. Wenn da steht, man könne Dienststellen zusammenführen, dann machen Sie es doch einfach. Wenn da steht, die Organisation müsse geändert werden – wozu haben wir denn eine Senatsspitze und eine Behördenleitung? Wenn da steht, man solle die Kommunikation erhöhen, das Tempo erhöhen – wozu sind denn Amtsleiter da, wozu sind Vorschläge der Mit
arbeiter da? Das geht doch auch innerhalb einer Behörde. Die Expertenanhörung hat das bewiesen. Dort wird deutlich, dass man in Hannover und anderen Städten diesen Weg beschritten hat und es hat funktioniert.
Warum geht das eigentlich nicht in Hamburg? Ich glaube sogar, dass die Behörde das intern besser regeln könnte, denn durch diese Auslagerung entstehen zahlreiche neue Leitungs- und Kommunikationsprobleme. Wer sich diese Drucksache durchliest, der muss sich einmal vorstellen, wie es am Ende realisiert werden soll. Die Finanzbehörde ist aufsichtführende Behörde und Eigentümerin, aber keine wirtschaftliche Eigentümerin, deshalb braucht sie erst einmal eine Steuerungsgruppe. Das Sondervermögen ist Vermieter, aber kein Eigentümer im Hinblick auf die Flächen. Die Schulbehörde ist Mieterin, hat aber auch zusätzliche Kompetenzen und braucht deshalb eine Mieterzentrale. Auch die Berufsschulen, die sowieso schon ausgegliedert sind, brauchen eine Mieterzentrale und zudem braucht die Schulbehörde obendrauf noch ein neues Referat für Schulentwicklungs- und Standortplanung.
Das Ergebnis ist: Sie müssen die Zahl der Häuptlinge dramatisch erhöhen. 31 Stellen ab A13 aufwärts kommen obendrauf, denn jeder dieser vielen Läden braucht einen Chef, da sie alle miteinander reden müssen. Aber beim arbeitenden Fußvolk, da, wo die Sanierung eigentlich umgesetzt werden soll, übernehmen Sie die eingeschrumpfte Resttruppe aus der Behörde. Ich sage Ihnen ganz ehrlich, dass Sie mit dieser Struktur nur neue Probleme schaffen werden, aber nicht die bestehenden lösen.
Da fragt man sich schon, warum das eigentlich gemacht wird. Die Antwort steht in der Drucksache auf Seite 7, links oben, ganz klein. Da heißt es, eigentlich könne man das ganz anders organisieren, aber – und dann kommt ein schöner Satz – nur das Sondervermögen mit Kreditermächtigung ließe eine Lösung des Finanzbedarfs zu. Hier wird klar, dass Sie dieses Modell wollen, weil Sie nur so weitgehend unentdeckt neue Schulden machen können, Schulden, die im direkten Hamburger Haushalt zukünftig nämlich nicht auftauchen. Das ist offensichtlich der einzige Grund.
Hier wird in großer Hektik, ohne seriöse Prüfung, ein fragwürdiges Zahlenwerk durch das Parlament gejagt. Sie erfinden eine Nebenbehörde und brauchen eine komplizierte Struktur mit 31 neuen Häuptlingen. Sie verhindern systematisch eine innere Reform der Behörde an dieser Stelle. Sie brauchen das Ganze eigentlich nur für den Zweck, dass wir in Zukunft die Schulden nicht sehen. Wir
sagen dazu ganz klar: Neue Schulden gehören auf den Tisch und nicht in die Geheimschublade. Diese Planung, die Sie jetzt vorlegen, ist nach den bisherigen Erfahrungen mit den verschiedenen Heilsbotschaften im Schulbau nach unserer Auffassung absolut unseriös. Wer verantwortlich mit 4 bis 5 Milliarden Euro Steuergeldern umgehen will, der kann diese Vorlage nur ablehnen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Unter dem Titel "Aufstieg durch Bildung" beschlossen Bund und Länder 2008, Bildung solle in Deutschland höchste Priori
tät haben, jedes Kind solle bestmögliche Startbedingungen erhalten und einen Schul- oder Berufsabschluss schaffen. Jetzt ist die Frage, wie weit wir damit gekommen sind. Die Grünen haben in einer Großen Anfrage gefragt, was die Senatorin denn in einem Jahr geschafft habe. Auf 40 Seiten wird nun aufgelistet, was in Hamburg alles passiert. Wir lesen staunend von MINT-Schulen, von der WISY-Weiterbildungsdatenbank, von SINUS-Transfer und dem Programm PriMA, von Kontexteffizienzsteigerung und so weiter. Ich erspare Ihnen weitere wunderbare Wortschöpfungen.
Aber haben wir wirklich genug getan? Ich will auf vier Punkte eingehen, bei denen aus meiner Sicht dringend etwas geschehen müsste und wir bisher sehr wenig gemacht haben.
Erstens: Die schöne Formulierung "Bildung soll Priorität haben" heißt nichts anderes, als dass hier möglichst viel Geld hineingesteckt werden soll. Tun wir das eigentlich in Hamburg? Es ist richtig, dass wir neue Maßnahmen beschlossen haben und das dazu geführt hat, dass wir 100 Lehrerinnen und Lehrer mehr eingestellt haben. Das erkennen wir eindeutig an. Aber in Wahrheit haben Sie mit dieser Maßnahme noch nicht einmal die Personalkürzungen der CDU wettgemacht, die in den letzten Jahren im Bereich der Lehrer durchgeführt wurden. Insofern ist Ihre angebliche Priorität in Wahrheit eher eine Schadensbegrenzung.
Bei der Frage, wie es denn nun mit den Finanzen weitergehen soll, hat die GAL ihre Große Anfrage vorher wohl nicht richtig kommuniziert. Da muss die Schulbehörde nämlich immer sagen, dass sie das zurzeit noch nicht wisse. Dauernd taucht die schöne Formulierung auf, dass man die Haushaltsberatungen abwarten müsse, auf gut Deutsch: Wir wissen gar nicht, ob und wie viel Geld denn mehr in die Bildung hineingesteckt werden soll. Allerdings fragt man sich schon, wie es in Hamburg überhaupt mit der Priorität Bildung beim Geldausgeben steht. Die Schulsenatorin hat im Sommer einen ersten Bildungsbericht vorgelegt, den Bildungsbericht für 2009. Er sieht Zahlen vor und belegt, dass Hamburg keineswegs besonders viel Geld für seine Schulen ausgibt. Ganz im Gegenteil zeigt sich, dass zwölf von 16 Bundesländern einen höheren Anteil des Haushalts für ihre Schulen ausgeben, als Hamburg es tut. Wir liegen als Viertletzter auf Platz 13 und jetzt diskutieren Sie noch hinter verschlossenen Türen, mit dem doppelten Abiturjahrgang 340 Lehrer wegzusparen. Wir sagen, Finger weg von solchen Einsparungsideen. Höchste Priorität für Bildung in Hamburg sieht anders aus.
Zweitens: Es heißt, jedes Kind soll die besten Startbedingungen haben. Herr Gwosdz, Sie haben zu Recht auf die Sprachförderung verwiesen. Hier muss man zugestehen, dass wir sie haben. Aber die Frage ist wohl erlaubt, ob sie auch funktioniert. Wir müssen immerhin sehen, dass 30 Prozent der Schüler eines Jahrgangs nicht ordentlich sprechen können. 3500 Schüler sprechen so schlecht, dass man sie vor der Einschulung besonders fördern muss. Dafür sind 400 Lehrerinnen und Lehrer tätig, das ist gut. Aber im Bildungsbericht steht auch, dass das allenfalls dazu führt, dass diese Schüler gegenüber früher einen leichten Vorteil haben. Sie haben nach wie vor bis zu eineinhalb Jahre Rückstand in der sprachlichen Entwicklung und damit können sie in der weiteren Schullaufbahn nicht bestehen. Der Bildungsbericht zeigt auch ganz erschreckend, dass Kinder, die nur einmal kurz gefördert worden sind, die deutsche Sprache sofort wieder verlernen, sobald die Förderung eingestellt wird. Dieser sogenannte Drehtüreffekt zeigt noch einmal die Brisanz dieses Themas. Die Sprachförderung erkennen wir an, aber wir müssen eindeutig feststellen, dass sie noch nicht richtig funktioniert und sicherlich mit Wucht ausgebaut werden müsste. An der Stelle, Herr Gwosdz, steht in den Antworten der Senatorin auf die Große Anfrage verdammt wenig drin. Da die Sprachförderung in Wahrheit noch nicht gut funktioniert, muss sie energisch ausgebaut werden. Das wäre wirklich ein entscheidender Beitrag zur Chancengleichheit.
Dann heißt es, jeder soll einen Schul- und Berufsabschluss schaffen. Wir wissen alle, dass das nicht funktioniert. 10 Prozent – jetzt sind es gerade 8 Prozent, vorher waren es 11 Prozent – schaffen nicht einmal den Schulabschluss und ich darf auch auf die PISA-Studie hinweisen, die besagt, dass ein Viertel der Hamburger Schüler im Alter von 15 Jahren so schlecht liest, schreibt und rechnet wie ein Viertklässler. Auch diese Schüler werden ein Jahr später aus der Schule entlassen. Vielleicht schaffen sie noch den Hauptschulabschluss, aber was für einer ist das dann?
Ob Ihre Strukturmaßnahmen langfristig Linderung schaffen, bleibt abzuwarten, aber alle wissen und auch Sie selbst sagen, dass es ohne besseren Unterricht nichts wird. Auch da ist der Bildungsbericht eine spannende Lektüre.
Es gibt eine Hamburger Schulinspektion, die prüft, wie gut der Unterricht funktioniert, und im Bildungsbericht stellt sie fest, dass drei von vier Hamburger Unterrichtsstunden nicht gut sind. Wenn man sich das berühmte Kriterium des individualisierten Lernens ganz genau ansieht und sich fragt, wann es in der Schule tatsächlich praktiziert wird, dann ist die Antwort, dass nur in jeder 25. Unterrichtstunde auf einem wünschenswerten Niveau unterrichtet wird. Genau dort, wo es gilt, den größten Schatz
zu heben, nämlich im Unterrichtsbereich, geht am meisten daneben.
Was tun Sie? Sie haben in der Tat 1 Million Euro für Fortbildungsmaßnahmen bewilligt. Nun waren wir gerade in der Universität und mussten staunend hören, dass über 1 Million Euro bei der Lehrerausbildung gestrichen werden sollen und auch die Zahl der Fortbildungsstunden für Lehrer keineswegs erhöht wird. Unterm Strich bleibt alles beim Alten und finanziell sogar ein leichtes Minus. So kann man wirklich keinen Unterricht verbessern. Es ist eben nicht nur wichtig, über Strukturen und Gebäude zu streiten, sondern man muss sich vor allem damit auseinandersetzen, was in diesen Gebäuden passiert. Besserer Unterricht darf nicht länger Stiefkind der Reform sein, sondern gehört in den Mittelpunkt aller Reformanstrengungen.
Will man gegen Schulabbrecher etwas tun, so muss man sich um eine Schulform kümmern, die uns besondere Sorgen bereitet, nämlich die Förderschulen. Dort schaffen 80 Prozent der Kinder gar keinen Schulabschluss, weshalb ganz Deutschland über neue Konzepte für die Förderschulen diskutiert. In jedem Bundesland gibt es neue Initiativen, nur in Hamburg nicht. Hamburg war einmal Spitzenreiter, als es darum ging, Förderschüler in die Allgemeinbildenden Schulen zu integrieren, doch jetzt lesen wir im Bildungsbericht der Schulsenatorin auf Seite 153:
"Auffällig ist, dass der Anteil der integrativ Geförderten seit 2003 kontinuierlich sinkt."
Das heißt, genau das, was uns früher stark gemacht hat, geht jetzt ständig zurück und Hamburg hat seine Vorreiterposition verloren und ist auf die Abstiegsplätze gerutscht. Was tut die BSB für die Kinder an den Förderschulen? Seit anderthalb Jahren werden wir von den Sonderschullehrern bestürmt, die uns fragen, was die Behörde in dieser Hinsicht mache – mit Herrn Gwosdz und Herrn Freistedt war ich vor Kurzem in einer Diskussion zu diesem Thema –, und wahrheitsgemäß antworten wir ihnen, dass zurzeit gar nichts geschehe. Man kann lange darüber diskutieren, woran das liegt, ob möglicherweise daran, dass man seine ganze Energie in andere Projekte steckt, aber Schule findet im Hier und Jetzt statt. Jedes Jahr entlassen wir 3 500 Schüler, die praktisch ohne gute Schulbildung ihren Weg gehen müssen. Deshalb erwarten wir von Ihnen als vierten entscheidenden Punkt für bessere Schulabschlüsse Maßnahmen, die den Förderschülern helfen und ihnen eine neue Perspektive aufzeigen.