Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Bischoff, Sie haben vorhin ganz gut angefangen, als Sie gesagt haben, wenn man etwas investiert, dann muss man doch erst einmal die Wirtschaftlichkeit nachweisen, denn nur wenn man die Wirtschaftlichkeit einer Investition nachgewiesen hat, dann weiß man auch, dass man den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ertrag darauf bekommt, den man braucht, um die Investition zu rechtfertigen. Das ist ein guter Weg. Sie haben sich natürlich mit der HCU leider das falsche Thema ausgesucht, aber vom Prinzip her ist das ein guter Weg.
Leider kommen Sie mit diesem Antrag wieder zurück in den Club der Umverteilungsphantasten, die ja nicht nur von vermeintlich Reichen zu vermeintlich Armen verteilen wollen, sondern Sie verteilen jetzt auch noch fleißig weiter, was wir natürlich schon exzessiv getan haben, aber jetzt Gott sei Dank beenden wollen. Sie wollen auch noch umverteilen von den Generationen unserer Kinder und Kindeskinder auf die heutige. Genau das tun Sie nämlich, wenn Sie weiter Schuldenaufbau betreiben. Die Schuldenbremse sagt ganz klar, wir wollen die Nettoneuverschuldung reduzieren, das ist die klare Zielsetzung.
Es ist interessant, dass Sie das nicht für richtig halten. Nehmen wir einmal Ihren Antrag, den Sie begründen, fangen wir hinten an: Sie sind der Meinung, die Schuldenbremse schränke die Flexibilität ein. Ein großer Irrtum ist das. Wenn Sie sich ansehen, dass der Hamburger Haushalt zu über 10 Prozent aus reinem Kapitaldienst besteht, dann können Sie schon sehen, dass wir bei der Verschuldung, die wir heute haben, zusammen mit den sonstigen Pflichtverbindlichkeiten, die wir aus
Personal und so weiter haben, ohnehin schon einen relativ geringen Bereich des Haushalts haben, der überhaupt noch politischer Entscheidungsfindung zugänglich ist. Das finde ich ganz spannend, dass Sie nicht daran interessiert sind, dass man das reduziert. Stellen Sie sich einmal vor, wir müssten nicht 1,1 Milliarden Euro jedes Jahr für Zinsen aufwenden. Was wir damit alles Schönes machen könnten, das wäre doch interessant. Wollen Sie noch mehr für Zinsen ausgeben, damit wir noch weniger Flexibilität haben?
Also Ihr Flexibilitätsargument ist leider, leider falsch, denn als leidenschaftlicher Geldausgeber, der Sie ja ganz offensichtlich sind,
(Dora Heyenn DIE LINKE: Wie kommen Sie denn darauf? – Dr. Joachim Bischoff DIE LINKE: Das sagen Sie heute!)
sonst bräuchten Sie ja nicht zusätzliche Schulden, müssen gerade Sie eingeschränkt werden. Die passionierten Geldausgeber müssen eingeschränkt werden.
Sie beklagen die Beeinträchtigung der Budgethoheit der Länder. Auch das ist aus meiner Sicht falsch, denn die Budgethoheit der Länder wird in keiner Weise eingeschränkt. Sie dürfen nach wie vor ausgeben, was sie einnehmen, und zwar so, wie sie das wollen. Das Einzige, was sie nicht mehr machen sollen: Sie sollen nicht mehr das Geld ausgeben, das unsere Kinder erst verdienen müssen. Das sollen sie nicht mehr tun.
Dann begründen Sie das natürlich damit, auch der Investitionsbedarf sei ohne Aufnahme zusätzlichen Fremdkapitals gar nicht zu decken. Aber wenn Sie keine Kapitaldienstfähigkeit haben, dann laufen Ihnen irgendwann die Kreditgeber weg. Und wenn Sie die Ertragskraft aus Ihren Investitionen nicht haben, mit denen man dann Kapitaldienst nachlegen kann, dann ist auch die Investition nicht zu rechtfertigen. Das heißt, die einzige Möglichkeit, Investitionsfähigkeit herzustellen, besteht darin, strukturelle Entlastungen herbeizuführen. Das wäre mein Ansatz, aber nicht, zusätzliche Schulden zu machen.
Das albernste Argument, das Sie anführen, ist: In der Privatwirtschaft werden ja schließlich auch Kredite aufgenommen. Wenn Sie in der Privatwirtschaft oder auch als Privatmensch einen Kredit aufnehmen wollen, dann müssen Sie erst einmal den Nachweis der Wirtschaftlichkeit Ihrer Investition erbringen, Sie müssen den Nachweis erbringen, dass Sie kapitaldienstfähig sind, und Sie müssen Kreditsicherheiten bringen. Diesen Nachweis wollen Sie führen, indem Sie einen Haushalt weiter
so entwickeln, dass Sie sich selber durch Fremdkapitalbelastung so blockieren, dass er handlungsunfähig wird? Das ist ja eine gute Idee.
Jetzt gibt es ja noch einen Zusatzantrag von der SPD, den finde ich auch ganz nett. Da soll eine Einkommenssicherungsklausel für die öffentliche Hand eingebaut werden, das ist ganz besonders spannend. Das heißt, es soll im Grunde genommen die Steuerrechtssicherheit für den wirtschaftlich Tätigen so beseitigt werden, dass der Staat auf jeden Fall immer genug hat. Was beim Steuerbürger und bei den Unternehmen hängen bleibt, das wird von der SPD eigentlich als zweitklassig betrachtet: Nein, wir wollen, dass der Staat möglichst handlungsfähig bleibt. Aber was Sie nicht begreifen, ist, dass nur der handlungsfähige Bürger, der Geld verdient, den Staat handlungsfähig macht.
(Beifall bei Lydia Fischer und bei Aygül Öz- kan, beide CDU – Dr. Monika Schaal SPD: Machen Sie mal!)
Dann wollen Sie mit der Vermögenssteuer noch eine Substanzbesteuerung herbeiführen, sprich: Sie wollen auch noch die Beseitigung der Investitionsmotivation herbeiführen. Dann wollen Sie Börsenumsatzsteuer einführen. Sie wissen doch, wie international heute die Finanzmärkte sind, das heißt, Sie wollen den Finanzstandort Deutschland beseitigen, denn überall dort, wo Sie für Wirtschafttreibende die Kosten erhöhen, suchen die sich einen anderen Markt. Das finde ich ganz spannend. Das Einzige, was Sie damit machen, ist: Sie schwächen den Wirtschaftsstandort.
Was wir brauchen, ist nicht ein Ausstieg aus dem Ausstieg aus der Verschuldung, sondern ein Paradigmenwechsel, nämlich das Wegdefinieren von öffentlichen Aufgaben, Beschränkung auf das Notwendige und nicht das Wünschenswerte. Wir müssen die Wirtschaftskraft stärken, damit der Staat sichere Einnahmen bekommt. Es ist kein Weg, weitere Hypotheken auf künftige Generationen aufzunehmen und heute schon die Wirtschaftsleistung zukünftiger Generationen zu verbraten.
Dass die Gebietskörperschaften eine freiwillige Haushaltsvernunft entwickeln, das konnten wir eigentlich in fast allen Ländern sehen, auch beim Bund. Da meine ich übrigens keine Partei, sondern da sitzen wir oder unsere Vorgängerregierungen alle wunderbar in einem Boot. Das Einzige, was an dieser Schuldenbremse falsch ist, und das ist wirklich falsch: Sie kommt 30 Jahre zu spät. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Goldberg, das, was Sie jetzt gerade darlegen, ist sowohl auf der Ausgaben- wie auf der Einnahmenseite völlig neben der Spur.
Und es passt auch überhaupt nicht zu dem, was wir von diesem Senat in den letzten sechs oder sieben Jahren erlebt haben. Es gibt durchaus gute Gründe, Methoden zur Schuldenbegrenzung zu vereinbaren und sie vielleicht auch im Grundgesetz zu verankern. Es gibt aber auch, und das will ich klar und deutlich dazu sagen, schwere Bedenken, dieses zu tun, weil es den Handlungsspielraum in einer Krise, wie wir sie jetzt erleben, einschränkt und weil es auch verfassungsrechtliche Bedenken gibt, ob der Bund so etwas als verbindliche Vorgabe für die Länder vornehmen kann. Das ist der Kern der Diskussion derzeit und da gehen Ihre Einlassungen hier völlig an der Spur vorbei.
Tatsache ist im Übrigen, dass auf Bundesebene die Entscheidungen gefallen sind und dass es hier eine verfassungsrechtliche Prüfung geben wird. Tatsache ist aber auch, und da gebe ich Herrn Goldberg ein Stück weit Recht, die öffentliche Handlungsfähigkeit ist bisher nicht durch Verfassungsregelungen eingeschränkt worden, sondern eben durch Schulden und durch Zinsen, die wir dafür zu zahlen haben. Es kann aber kein Verfassungsparagraph auf dieser Welt einen verschuldeten Haushalt sanieren. Das muss die Finanzpolitik schon selber machen.
Wir haben uns aber als SPD-Fraktion entschieden, jetzt keine theoretischen Diskussionen zu führen, sondern zu fragen: Wie sieht die Lage praktisch in Hamburg eigentlich aus? Die Antwort lautet: Wir kommen mit und ohne Schuldenbremse in ein Riesendilemma. Wir haben nämlich, seit Herr von Beust das Bürgermeisteramt übernommen hat, 6 Milliarden Euro Defizit angehäuft. Sie haben es angehäuft in Hamburg. In den letzten zwei Jahren hat der Senat gerade keine antizyklische Wirtschafts- und Finanzpolitik gemacht, er hat nämlich auf massiv steigende Einnahmen mit massiv steigenden Ausgaben reagiert, genau das Gegenteil von dem, was Sie uns auf bundespolitischer Ebene predigen und was Herr Goldberg uns hier gerade vorgetragen hat. Er hat es zwar für falsche Dinge ausgegeben, aber er hat das in massivem Umfang ausgegeben, was es in den guten Zeiten an Einnahmesteigerungen gegeben hat. Damit regiert sich gut in Wahlkampfzeiten, aber man steht vor dem Abgrund, wenn die Konjunktur eintrübt. Und
dass wir jetzt ohne Reserven vor dem Abgrund stehen, ist keine Reklame für die Finanzpolitik von Herrn Senator Freytag, der uns zwei Jahre lang ein Märchen erzählt hat von keinen neuen Schulden, während er die Verschuldung in öffentlichen Unternehmen und in Sondervermögen der Stadt betrieben hat wie ein Weltmeister. Wir zahlen jetzt alle die Rechnung für diese Finanzpolitik und wenn wir nur wenige Jahre vorausblicken, Wachsen mit Weitsicht heißt ja Ihr Slogan, dann kommt bis 2012 in den nächsten vier Jahren ein weiteres Defizit von 6 Milliarden Euro obendrauf, und das unter der günstigen Annahme, dass die Konjunktur schon bald wieder anspringt und dass es nicht, wie ich befürchte, zu einer Steigerung der Sozialausgaben kommen wird.
Dennoch werden wir selbst bei diesen günstigen Annahmen 2012 vier bis fünf Milliarden Euro neue Schulden haben, die der Senat, wie er verspricht, bald wieder tilgen will. Er verrät uns aber nicht, wovon. Sicher nicht von den 400 Millionen Euro Zinsen, die wir im dann kommenden Doppelhaushalt aus dem Betriebshaushalt zusätzlich finanzieren werden müssen. Vermutlich auch nicht aus dem Sondervermögen der HSH Nordbank oder aus dem dann immer noch bestehenden jährlichen Milliardendefizit für die Jahre 2013/2014. Sie können die Zahlen alle in unserem Antrag, den wir vorgelegt haben, nachlesen und mit dem Haushaltsplan des Senats, mit seiner Finanzplanung und auch mit der aktuellen Steuerschätzung vergleichen. Deshalb kommen wir zu dem Ergebnis, dass der Senat uns in die schwerste Wirtschaftskrise führt, ohne jede finanzpolitische Perspektive, wie die soziale Leistungs- und Handlungsfähigkeit der Stadt erhalten bleiben soll.
Davor bewahrt uns kein Jurist dieser Welt. Wir selbst müssen das Defizit in den Griff bekommen und eine Schuldenspirale vermeiden, bei der wir nicht einmal mehr die Zinsen aus dem Betriebshaushalt finanzieren können. Das geht nur, indem man auf Wirtschaftlichkeit achtet und die Einnahmen sichert. Herr Goldberg, da widerspreche ich Ihnen eindeutig. Wenn man eine Schuldenbegrenzung in der Verfassung verankert, dann müssen wir im Hamburger Interesse auch eine Einnahmesicherung in verfassungsrechtlicher Augenhöhe verankern. Das fordern und beantragen wir heute.
Herr Goldberg, nur so können wir auf mittlere Sicht massive Einschnitte in wesentlichen Aufgabenbereichen der Bildungs-, Sozial- und Jugendpolitik vermeiden.
Haushalt von Herrn Senator Freytag immer weiter auseinandergeht. Wir müssen jetzt damit beginnen und in unserem Antrag stehen auch Vorschläge, wie das gehen kann, ohne die kleinen und mittleren Einkommen weiter in ihrer Kaufkraft zu beschneiden. Denn es wäre, Herr Goldberg, erstens ungerecht und zweitens auch wirtschaftlich unvernünftig, diese Kaufkraft weiter zu beschneiden.
Deshalb fordern wir, jetzt endlich die Vermögenssteuer einzuführen. Wir ersuchen den Senat, dafür zu sorgen, dass die Finanzbranche einen Beitrag zur Finanzierung der öffentlichen Haushalte leistet, und zwar in Form einer Börsenumsatzsteuer, die man sogar – da gebe ich Ihnen nicht recht, Herr Goldberg, das würgt überhaupt nichts ab – in eine Transaktionssteuer weiterentwickelt, damit die Finanzbranche etwas dazu beiträgt, dass wir die Finanzmarktkrise und die öffentlichen Haushalte wieder in ein Lot bekommen, das wir für die Zukunft dringend benötigen.
Ist Ihnen bekannt, dass die Börsenumsatzsteuer damals abgeschafft worden ist, weil man festgestellt hat, dass sie einen Standortnachteil für die Finanzbranche bedeutet?
Herr Goldberg, ich sage nicht, dass die Börsenumsatzsteuer ein einfaches Instrument ist. Es kommt darauf an, die regulierenden Wirkungen gegen Finanzmarktspekulationen so abzuwägen, dass wir eine vernünftige Umsetzung der Börsenumsatzsteuer hinbekommen, die es durchaus gibt, zum Beispiel in Großbritannien. Wir glauben, dass man sie in der Tat nutzen muss und zu einer Transaktionssteuer ausbauen muss, die dann zu einem erheblichen Aufkommen führen wird, an dem die Länder hoffentlich beteiligt werden.