Protokoll der Sitzung vom 10.06.2009

(Thies Goldberg CDU: Ja, Sie hoffen das!)

Herr Goldberg, das ist die praktische Antwort auf die Herausforderungen der Finanzpolitik in Hamburg, zu denen ich von Ihnen kein Wort gehört habe. Erklären Sie uns doch, wie Sie Ihre 12 Milliarden Euro Defizit, die Sie in zehn Jahren Regierung von Herrn von Beust angehäuft haben, wieder til

gen wollen. Wir haben keinen Vorschlag dazu gehört. Ich glaube nicht, dass Sie dies ohne eine Sicherung der Einnahmen werden herbeiführen können. Deshalb sollten CDU und GAL nicht weiter die Augen vor der finanzpolitischen Realität verschließen und heute, das können wir tun in Hamburg, unserem Antrag zustimmen, damit sich der Senat in einer konstruktiven Art und Weise an der auch verfassungsrechtlichen Diskussion beteiligen kann.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Waldowsky.

Herr Präsident, liebe Kollegen! Die Kollegen von der LINKEN sollten einmal zur Schuldnerberatung.

(Beifall bei der CDU)

Sie sollten sich einmal an einem Praxistag bei der Schuldnerberatung anschauen, was es bedeutet, wenn einem finanziell das Wasser bis zum Hals steht, egal, wie und warum man zu den Schulden gekommen ist, wenn man sich nicht mehr bewegen kann, wenn man verzweifelt ist. Sie können aber auch in unsere nahe gelegenen Nachbarländer Bremen oder Schleswig-Holstein fahren und dort erleben, was es bedeutet, wenn ein Landeshaushalt dermaßen verschuldet ist, dass man politisch überhaupt nichts mehr gestalten kann und dass jede neue Regierung, die antritt, nicht ein noch aus weiß und über viele Jahre keinen verfassungsgemäßen Haushalt auflegen kann. Sie können dort erfahren, was es bedeutet, wenn man bei der Bundesregierung als armer Bettler dasteht und nicht mehr ernst genommen wird, weil man auf die Brosamen angewiesen ist, die aus dem Länderfinanzausgleich (-haushalt??) oder aus anderen Sonderfonds für solche Länder zur Verfügung gestellt werden.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Mein Gott, das tut weh!)

Kurzum, wir Grünen sind für die Schuldenbremse, übrigens wie auch die SPD, die beim Bund zugestimmt hat. Die Kritik, die wir auf Bundesebene angebracht haben, bezog sich auf einige Details, auf die ich noch einmal kurz eingehen werde. Wir haben gesagt, dass die Schuldenbremse, die der Bund verabschiedet hat, nicht realitätstauglich ist. Im nächsten Jahrzehnt wird es wahrscheinlich ein großes Gerangel geben zwischen den finanzstarken Ländern, die in den Finanzausgleich einzahlen, auf der einen Seite und den schwachen Ländern auf der anderen Seite, die auf die Konsolidierungshilfen angewiesen sind.

(Wolfgang Rose SPD: Das haben wir so nicht verstanden!)

Damit wird man wahrscheinlich einen großen Streit auslösen und nicht zu einer Einigung kommen. Wir werden es im nächsten Jahrzehnt erleben.

Ein zweiter Kritikpunkt war, dass die großen Flächenländer ihre Schuldenprobleme an die Gemeinden runterreichen werden. Sie werden ihre Landeshaushalte sanieren und Pflichten an die Gemeinden weiterreichen. Das betrifft uns in Hamburg nicht und wir sind hier durchaus einer Meinung mit den LINKEN, dass auch die Länder für Zukunftsinvestitionen eine gewisse Möglichkeit der Nettoneuverschuldung erhalten sollen. Wir hatten angeregt, dass 0,15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts durchaus möglich sein sollten.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Vielleicht müssen Sie ja auch zur Schuldnerberatung!)

Das würde für Hamburg immerhin 133 Millionen Euro bedeuten. Insbesondere haben wir auch gesagt, dass es sich bei Investitionen in Schule und Bildung um Zukunftsinvestitionen handelt und die Länder dort handlungsfähig bleiben müssen.

(Dr. Monika Schaal SPD: Im Bundestag ha- ben Sie sich aber anders verhalten!)

Wir haben, wie wir alle wissen, uns damit im Bund nicht durchsetzen können; der Vorschlag der Großen Koalition ist abgestimmt worden. Wir Grünen wollen aber die Schuldenbremse. Da wir unsere Ideen jedoch nicht durchsetzen können, unterstützen wir jetzt die Pläne der Großen Koalition im Bundesrat. Frau Schneider, da sehe ich auch keine großen Verrenkungen oder Probleme, weil wir da insgesamt d'accord sind.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Sie sind aber schon kräftig dabei, sich zu verrenken!)

Die Grünen haben immer für eine verantwortungsvolle Haushaltspolitik gestanden. Ich erinnere auch an die Rolle, die die jetzige Umwelt- und Bausenatorin als finanzpolitische Sprecherin im Bundestag für die Grünen gespielt hat.

Der Kollege Goldberg hat schon darauf hingewiesen, dass die Stadt Hamburg mehr als 1 Milliarde Euro nur für den Schuldendienst ausgibt. Das tut einem in der Seele weh und wenn es nach der Links-Partei ginge und wir keine Schuldenbremse hätten, würde der Betrag Jahr für Jahr weiter wachsen.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Sie sind in der Regierung, nicht wir!)

Das ist doch keine zukunftsorientierte Politik.

(Wolfgang Rose SPD: Platter geht's nicht!)

Die Grünen können die Behauptung der Links-Partei in ihrer Vorlage nicht nachvollziehen, dass in Zukunft das Sozialstaatsprinzip gegen die Schuldenbremse ausgespielt werde. Erstens gibt es viele demokratische Prinzipien, die sich im Grundge

(Dr. Peter Tschentscher)

setz unter Umständen widersprechen und bei denen man abwägen muss. Es ist nicht gesagt, dass das Sozialstaatsprinzip automatisch hinter der Schuldenbremse zurückstehen muss. Zweitens sind diese Schulden auch unsozial, denn wo geht die 1 Milliarde Euro, die wir in Hamburg jedes Jahr ausgeben, denn hin? Sie geht an die Banken und an die Vermögenden, die sich die Schuldverschreibungen gekauft haben. Es ist eine riesige Umverteilung. Wo kommt die 1 Milliarde Euro her? Aus den Steuern, die auch die kleinen Lohnempfänger bezahlen müssen. Da muss die kleine Kassiererin bei Aldi von ihren Lohnsteuern die Schuldverschreibungen finanzieren, die die Vermögenden in ihren Portfolios haben. Insofern hat es eine soziale Komponente, wenn man zumindest die Staatsverschuldung nicht weiter ansteigen lässt.

Sozialpolitik ist auch ohne Verschuldung möglich. Hier vorzugaukeln, eine sozial gerechte Politik sei nur auf Kosten weiterer Verschuldungen insbesondere der kommenden Generationen möglich, ist einfach falsch.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Wie denn sonst?)

Ich würde gerne noch auf den Zusatzantrag der SPD eingehen. Mit einer Vermögenssteuer und einer Börsenumsatzsteuer sollen die Einnahmen der Freien und Hansestadt Hamburg erhöht werden. Da würden wir Grünen gerne zustimmen. Das Problem, und das wissen Sie ganz genau, Herr Tschentscher, liegt in Berlin. Sie haben keine Mehrheit im Bund. Nun wird hier figeliensch versucht, über Bande zu spielen. Die CDU und die Grünen sollen die Arbeit erledigen, die Sie selbst im Bund nicht gewuppt bekommen. Lassen Sie doch einen Ihrer vielen Landesfinanzminister, das sind ja immerhin fünf an der Zahl, einen vernünftigen Vorschlag ausarbeiten,

(Dora Heyenn DIE LINKE: Sie sind echt demagogisch!)

anstatt hier lediglich ein paar Eckpunkte vorzulegen und zu erwarten, dass die Hamburger Finanzbehörde auf dieser Grundlage einen Gesetzentwurf ausarbeitet und im Bundesrat einbringt. Machen Sie das doch selbst, lassen Sie Ihre kompetenten Minister in Potsdam, Schwerin, Mainz, Magdeburg oder auch Berlin das ausarbeiten und einbringen.

(Uwe Grund SPD: Aber wir sind hier in Ham- burg!)

Sie regieren im Land Berlin zusammen mit der Links-Partei, aber Sie wissen, dass Sie nicht einmal die Mehrheit in diesen Ländern haben, um einen solchen Gesetzentwurf auszuarbeiten, geschweige denn im Bundesrat und Bundestag. Das sind doch alles Scheingefechte, die hier gekämpft werden.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Die Erhöhung der Einnahmen durch mehr Betriebsprüfungen – das ist nun auch ein alter Hut, darüber diskutieren wir seit einem Jahr. Es gab dazu ein Papier des Senats, der durchaus eingeräumt hat, dass an diesem Sachverhalt gearbeitet werden muss. Wir bemühen uns auf Senatsebene um einen Effizienzgewinn bei den Betriebsprüfungen, und der Senat hat auch darauf hingewiesen, dass die Ausbildung neuer Betriebsprüfer fünf bis sechs Jahre dauert. Für 2009/2010 werden wir also keine Einnahmengewinne durch mehr Betriebsprüfungen erzielen.

Dann fordern Sie mehr Controlling. Da rennen Sie offene Türen ein. Das neue Haushaltswesen sieht genau solche Controllingmöglichkeiten verstärkt vor. Wir werden sehr viel mehr Kennzahlen erhalten, die die Effizienz der Verwaltung nachweisen, und das nicht nur intern in Bezug auf die Vorgaben, die die Verwaltung sich gibt, sondern auch, das wird sicherlich sehr interessant werden, im Vergleich zu anderen Großstädten. Wir werden also genau sehen können, wie effizient bestimmtes Verwaltungshandeln im Vergleich zu Köln, München oder Stuttgart ist. Das wird es geben und wir beginnen mit dem neuen Haushaltswesen in zwei Behörden schon ab dem nächsten Jahr. Das sollte im Prinzip also kein Problem sein.

Sie fordern Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit. Darüber habe mich dann doch etwas aufgeregt. Landeshaushaltsordnung, Paragraf 7, schreibt genau das vor und wir können davon ausgehen, dass die Hamburgische Verwaltung und der Hamburgische Senat gemäß diesem Recht arbeiten und dass die Landeshaushaltsordnung respektiert wird.

(Ties Rabe SPD: Das wurde doch vorhin be- stritten! – Weitere Zurufe von der SPD)

Bitte machen Sie konkrete Angaben, wenn es um Verstöße geht. Wir haben, dazu werde ich mich gleich noch äußern, über die HCU gesprochen, aber das war das Einzige. Der Pauschalvorwurf, dass dieser Senat und diese Verwaltung permanent und systematisch gegen die Landeshaushaltsordnung verstoßen, ist total ungerechtfertigt, um es vorsichtig zu formulieren.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Ich möchte daran erinnern, dass wir bereits an der Einnahmenseite gearbeitet haben. Wir haben im letzten Jahr die Grunderwerbssteuer erhöht. Das ist klein, aber fein, immerhin haben wir dadurch 70 Millionen Euro Mehreinnahmen erzielt. Was hat die SPD gemacht, als wir angekündigt haben, dass wir, um weitere Schulden zu vermeiden, zur Gegenfinanzierung schwarz-grüner Projekte die Landessteuern erhöhen? Die SPD hat eine Expertenanhörung beschlossen. Sie hat sich als ihren gewählten Experten einen Vertreter des Bundes der Steuerzahler geholt, der vorrangig kritisiert hat, dass durch diese Erhöhung die gewerbliche Immo

bilienwirtschaft geschädigt werde. Dieser Meinung hat sich die SPD wohl angeschlossen, sie hat sehr bedauert, dass bei der Anhörung nicht auch Vertreter der Grundeigentümer und der Handelskammer dabei waren. Man hat sich doch gefragt, warum die gute alte SPD sich so viele Sorgen um die Grundeigentümer und um die Immobilienwirtschaft macht. Sie hat den Antrag auf Erhöhung der Grunderwerbssteuer dann auch abgelehnt. Dabei hätten Sie hier einmal einen Beitrag leisten können, dass sich die Einnahmesituation verbessert.

Wenn es um die Ausgabensituation geht, würde ich auch gerne einmal konkrete Vorschläge von der SPD hören. Ich würde es gerne hören, dass die SPD nach vorne tritt und sagt: "Nein, das lehnen wir ab, das ist zu viel Geld!"

(Christiane Schneider DIE LINKE: Das ha- ben wir doch heute Morgen!)

Nein, das machen Sie nicht. Nehmen wir die letzte Haushaltsausschusssitzung zum Thema Produktionsschulen. Der Senat legt ein Papier vor, das im Doppelhaushalt 2009/2010 noch etwa 3 Millionen Euro zusätzlich für Produktionsschulen vorsieht.

(Zurufe von der LINKEN)

Wie verhält sich die SPD? Gar nicht. Sie enthält sich der Stimme, ohne uns zu erklären, warum. Als alter Lehrer fasse mir an den Kopf und frage mich, wie kann die SPD Produktionsschulen nicht gut finden?

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das ist alles dis- kutiert worden, Sie waren nicht dabei!)

Sie traut sich nicht, mit Nein zu stimmen, weil sie dann nicht mehr zur GEW hingehen könnte. Aber warum stehen Sie nicht einfach auf und sagen, dass Sie den Vorschlag ablehnen, weil Sie ihn aus finanziellen Gründen für unverantwortlich halten? Beim Thema HafenCity Universität schlafen Sie still und friedlich im Haushaltsausschuss vor sich hin,

(Dr. Monika Schaal SPD: Jetzt reicht's aber!)

da werden mal ein paar Fragen zur Fotovoltaik gestellt, die für die HafenCity Universität angeblich nicht vorgesehen sei, obwohl das schwarz auf weiß in den Unterlagen steht. Da muss erst der Landesrechnungshof eine Philippika halten, damit die Opposition endlich wach wird und begreift, worum es in der Diskussion denn eigentlich gehen könnte. Das war wirklich eine relativ peinliche Vorstellung.