Protokoll der Sitzung vom 10.06.2009

Denn jeder, der sich jetzt verschulden möchte und gegen die Schuldenbremse ist, betreibt eine unsoziale Politik auf dem Rücken kommender Generationen – da machen wir nicht mit.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Dass die SPD sich da nicht so richtig festlegen möchte, hat Herr Tschentscher mit ein paar Blendgranaten, drei Steuererhöhungen und einem Aufruf zur Haushaltsdisziplin schon sehr deutlich gemacht. Sein Finanzminister zumindest sagt, jeder, der Hand an die Schuldenbremse legt, mache einen Riesenfehler. Das SPD-Parteipräsidium meint, bisher sahen wir das eigentlich auch so, aber der Wahlkampf kommt und irgendwie müssen

(Norbert Hackbusch)

wir den Linken hinterher, sonst verlieren wir Stimmen. Das hat mit Verlässlichkeit sicher nichts zu tun und ich kann nur hoffen, dass wir nach der Wahl im September eine andere Koalition für die Finanzpolitik in diesem Staat haben.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Deswegen ist das Nein zu beiden Anträgen für die Hamburger CDU ganz klar. Wir wollen keine weitere Neuverschuldung, wir wollen eine verantwortungsbewusste und soziale Politik für die kommenden Generationen, und ich glaube, bei der Schuldenbremse ist auf Bundesebene ein guter Kompromiss gefunden worden, den wir im Bundesrat durchziehen sollten und dazu wird es auch kommen und ich bitte Sie, alle Anträge abzulehnen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort hat Herr Tschentscher.

(Ralf Niedmers CDU: … noch zweistellig!)

Das hilft uns jetzt sehr viel weiter, Herr Niedmers. Für einen ehemaligen Haushaltsausschussvorsitzenden sind das wirklich sehr sachbezogene Bemerkungen.

Herr Heintze, ich gebe Ihnen recht, die Schuldenbremse ist nicht die Ursache allen Übels, aber sie ist eben auch nicht die Lösung aller finanzpolitischen Probleme. Darauf sollte man schon hinweisen, wenn man über die konkrete Hamburger Situation nachdenken will. Was mich ein bisschen quält, weil ich es nicht verstehe, ist, dass Sie uns hier mehrfach zitieren, dass wir keine Schulden zu Lasten der kommenden Generation machen dürfen. Es ist erst ein paar Tage her, dass Ihr Senat, Herr Freytag, uns erklärt hat, er würde massive Schulden machen, und zwar vier bis fünf Milliarden Euro in den nächsten vier Jahren. Ich werfe Ihnen das gar nicht vor, weil wir alle gemeinsam gesagt haben, dass jetzt nicht die Zeit ist, um die Konjunktur durch einen rigiden Sparhaushalt abzuwürgen. Aber Sie verhalten sich widersprüchlich, wenn Sie genau das tun, was Herr Hackbusch und andere sagen, nämlich von der Freiheit Gebrauch machen, in schwierigen wirtschaftlichen Situationen antizyklisch zu arbeiten. Sie kommen nicht umhin, eine Antwort darauf zu geben, wie Sie das Problem mit der Schuldenbremse lösen wollen. Darum geht es und es nützt nichts, davon abzulenken, dass wir hier die Schuldenpolemik der letzten vier Jahre wiederholen. Obwohl immer gesagt wird, es würden keine Schulden gemacht, hatten wir ein Defizit in Milliardenhöhe, ich wiederhole es noch einmal, sechs Milliarden in der Regierungszeit des Herrn von Beust, und weitere sechs Milliarden werden in den nächsten vier Jahren hinzukommen. Mit diesem Problem müssen wir umgehen, da hilft der

Beitrag der GAL-Fraktion, Herr Waldowsky, nicht weiter. Wie Herr Bischoff richtig bemerkte, hat Bürgermeister Runde im Bundestag gegen die Schuldenbremse gestimmt.

(Wolfgang Rose SPD: Hackbusch heißt er!)

Herr Hackbusch, Entschuldigung. Und Herr Runde nimmt eine sehr differenzierte Position zur Schuldenbremse ein. Im Gegensatz zu Herrn Waldowsky und, wie ich befürchte, auch zu einigen Mitgliedern der CDU-Fraktion, hat er ein ganz klares Verständnis dafür, in welcher Situation sich unter diesen Bedingungen die Länderhaushalte, und insbesondere der Haushalt Hamburgs, befinden.

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Daran hat er wirklich hart gearbeitet!)

Er hat eine ganz tiefe Kenntnis von der Systematik, wie Länderhaushalte arbeiten können und müssen. Es hilft uns nicht weiter, wenn wir erklären, die Landeshaushaltsordnung würde doch sowieso eingehalten. Das wird sie nicht, wie wir heute auch am Beispiel HafenCity Universität gehört haben. Jeder Jahresbericht des Rechnungshofes belegt Punkt für Punkt, wo die Landeshaushaltsordnung von diesem Senat gebrochen wird. Fangen wir doch einmal an, wirtschaftlich zu arbeiten.

Weiter geht es, Herr Waldowsky, mit der Anhörung zur Grunderwerbssteuer. Erinnere ich es richtig, so haben Sie überhaupt keinen Experten genannt. Wir hätten gerne gehört, was diejenigen, die es beurteilen können, von Ihren Argumenten halten, ob sie Ihre Maßnahmen in dieser konjunkturellen Situation wirklich für hilfreich halten. Zweitens hätten wir gerne auch vom Grundeigentümerverband, am liebsten auch noch von den Mietervereinen, erfahren, wie diese Steuer eigentlich auf die Mieten weitergegeben wird. Dieser Punkt liegt uns in der Tat am Herzen, Herr Waldowsky, denn in dieser Stadt leben Menschen, die ihr Leben lang hier gewohnt und gearbeitet haben und in Rente gehen und sich die Miete für ihre Wohnung nicht mehr leisten können. Ihr Koalitionspartner im Senat hat in den letzten Jahren eine Menge dazu beigetragen, dass der soziale Wohnungsbau auf den Hund gekommen ist, und das bereitet uns auch in der Haushaltspolitik Hamburgs Sorgen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der LINKEN)

Zur Frage, wie wir zu den Produktionsschulen stehen, hatte ich gerade aus einem ganz anderen Anlass mit Ihrem Fraktionskollegen Herrn Gwosdz einen klaren, nüchternen Austausch. Ihre Darstellung, Herr Waldowsky, ist völlig daneben, Sie instrumentalisieren ein Thema und behaupten Dinge über die Einschätzung der SPD-Fraktion, die überhaupt nicht stimmen.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Ihre Schulleute kann man ja nicht ernst nehmen!)

(Roland Heintze)

Ja, aber beim Thema Produktionsschule bezieht unsere Schulausschussfraktion eine sehr differenzierte Position, die nicht so absurd ist, wie Herr Waldowsky sie gerade dargestellt hat. Aber dazu kommen wir sicher noch bei der Debatte zur entsprechenden Drucksache.

Zum Punkt Einnahmensicherung sagt Herr Waldowsky, wir sollten in Brandenburg anklopfen und um Unterstützung bitten. Das klingt ungefähr so, als könnten wir das HSH Nordbank-Problem durch ein Telefonat mit Herrn Steinbrück klären, wie es Herr Kerstan vorgeschlagen hat. Was soll denn dieser Quatsch? Wir sind im Hamburger Landesparlament und sollten entscheiden, was für Hamburg richtig ist. Die Forderung der Einnahmensicherungsklausel ist von uns auf Bundesebene diskutiert worden, und soweit ich weiß, hat Ihr famoser schwarz-grüner Koalitionspartner, Herr Waldowsky, verhindert, dass diese Diskussion zu einem erfolgreichen Ergebnis geführt hat. Von Hamburgs Interesse aus gedacht ist das falsch.

(Beifall bei der SPD)

Herr Waldowsky, schön, wenn Sie das alles richtig finden, was in unseren Anträgen steht. Einen Punkt, Controlling der Behörden, muss ich noch nachtragen. Herr Waldowsky hat behauptet, das würde ja sowieso gemacht, und wollte wissen, was wir denn damit meinten. Ich nenne Ihnen einmal ein Beispiel: zwischen 2004 und 2008 haben die Landesbehörden ihre Netto-Büroflächen um insgesamt mehr als 100 000 Quadratmeter ausgeweitet. Ich habe bei der Finanzbehörde gefragt, was das kostet, und habe gerade die Antwort bekommen; die Zahlen werden demnächst in der Parlamentsdatenbank stehen. An dieser Stelle möchte ich die Finanzbehörde übrigens einmal loben. Sie hat sehr präzise und gut auf diese Frage geantwortet. In den vier Jahren von 2005 bis 2009 hat die Stadt Hamburg jährlich 15 Millionen Euro mehr für Mieten und Pachten ausgegeben, und das, nachdem die öffentlichen Immobilien verkauft worden waren und das mangelhafte Controlling der Landesbehörden zu einer Ausweitung von über 100 000 Quadratmetern netto mehr Bürofläche geführt hatte. Das Geld landet sicher in den Kassen der Immobilienhaie, das hat nichts mit Konjunkturförderung und sozial gerechter Politik in Hamburg zu tun.

(Beifall bei der SPD und bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Wir können einiges auf Bundesebene erreichen, wenn wir die richtigen Forderungen stellen, und wir können auch in Hamburg Richtiges erreichen, um die Schuldenfalle zu vermeiden. Anstatt über Schulden zu polemisieren, sollten wir uns endlich einmal differenziert überlegen, wie wir mit vier bis fünf Milliarden neuen Schulden umgehen, die Herr Freytag in den nächsten vier Jahren machen wird.

(Beifall bei der SPD und Dora Heyenn DIE LINKE)

Das Wort bekommt Frau Möller.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Tschentscher, der letzte Satz Ihrer Rede war gut. Wir müssen klären, was wir mit den in Hamburg anfallenden Schulden machen. Wozu aber soll diese Debatte gut sein, die die Kollegen von der LINKEN und unterstützend Sie von der SPD initiiert haben? Was wollen wir mit dieser überaus differenzierten, teilweise sehr polemischen und dann wieder super kleinteiligen Debatte, die überhaupt nicht dazu führt, dass wir für Hamburg an irgendeinem Punkt einen Schritt weiterkommmen? Wir müssen bundesweit eine Menge Entscheidungen treffen zum Thema Zustimmung zur Schuldenbremse, Ablehnung der Schuldenbremse, große Distanz zur Schuldenbremse, oder starke Kritik an der Schuldenbremse. Es gibt Bundesländer, die sich bei diesem Thema der Stimme enthalten haben, wie zum Beispiel die allseits bekannte politische Konstellation von Schleswig-Holstein, oder Berlin, das andere politische Modell. Wir haben bereits mehrfach gehört, dass CDU und SPD auf Bundesebene genau diese Entscheidung getroffen haben, während von Seiten der GRÜNEN auf Bundesebene, aber auch von Leuten aus der Wirtschaftswissenschaft, der Wirtschaft oder von den Universitäten heftige Kritik daran geübt wurde. Wir diskutieren über Maßnahmen, die Hamburg voranbringen sollen, und ich behaupte, dass wir mit diesen beiden Anträgen keinen Schritt weiterkommen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Wir brauchen den Finanzsenator in einer anders geführten Debatte mit klaren Ansagen, was auf uns zukommt, welche Ideen es gibt, die Schulden wieder loszuwerden, oder von welchen Projekten wir uns verabschieden müssen, sei es von Projekten, die wir innerhalb der Koalition verabredet haben, oder von Projekten, die Sie alle unterstützen wollen. Können wir über den sozialen Wohnungsbau reden, können wir über Konjunkturprogramme reden? Die Debatten laufen immer aneinander vorbei, obwohl Sie beide versucht haben, sie heute mit Ihren Anträgen zusammenzubringen. Ich wiederhole noch einmal, dass es so nicht geht und wir uns die Zeit nehmen müssen, über die finanzielle Situation und Zukunft in Hamburg zu reden.

(Ingo Egloff SPD: Und über die Einnahme- politik!)

Wir brauchen Konjunkturprogramme und müssen eine Lösung für das Schuldenthema finden. Lassen Sie mich einen Aspekt der Kritik der GRÜNEN aufgreifen, der neben vielen anderen Aspekten in dieser breit angelegten Debatte zum Tragen

(Dr. Peter Tschentscher)

kommt. Die lange Spanne bis zum Jahr 2020, in dem die Schuldenbremse erst wegfällt, könnte fatalerweise dazu führen, dass sich einzelne Bundesländer – ich hoffe, das werden nicht wir sein – ganz massiv in eine weitere Verschuldung hineinbewegen, was völlig kontraproduktiv wäre. Dieses Thema können wir nicht einfach auf die Schnelle im Plenum ausdiskutieren. Ich hoffe, dass im Wirtschaftsausschuss dafür Zeit ist, vielleicht auch an anderer Stelle, aber Ihre beiden Anträge helfen uns in Hamburg nicht weiter. Diese Debatte bringt uns vielleicht ein bisschen weiter, aber lassen Sie uns nicht immer nur im Wahlkampf enden, sondern in der gemeinsamen Verständigung darüber, dass wir an das Thema ranmüssen, allerdings mit dem Blick auf Hamburg …

(Ingo Egloff SPD: Überweisung in den Aus- schuss wäre okay!)

… und nicht in Form einer Auseinandersetzung darüber, wer in welchem Bundesland oder auf Bundesebene wieder einmal alles falsch gemacht hat. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Herr Dr. Bischoff.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Möller, ich möchte noch einmal erklären, warum wir diesen Antrag und den Antrag über die Konsolidierung des Haushalts der Freien und Hansestadt Hamburg, den wir morgen behandeln werden, gestellt haben. Wir haben diesen Antrag heute gestellt, wie Frau Schneider bereits gesagt hat, weil in der Bundesrepublik eine Verfassungsänderung vorgenommen und damit auch in die Rechte des Hamburger Parlaments eingegriffen wird und wir es ohne uns Illusionen zu machen, wie ich ausdrücklich betonen möchte, trotzdem für wichtig hielten, in diesem Parlament unsere Auffassungen vor der Abstimmung auszutauschen. Das ist der Sinn des Antrags und ich akzeptiere nicht, dass man das als Unfug bezeichnet.

(Antje Möller GAL: Dass das Unfug ist, habe ich nicht gesagt!)

Im Wesentlichen möchte ich nur auf ein Argument von Herrn Goldberg eingehen, aber lassen Sie mich zuvor noch auf drei andere Punkte zu sprechen kommen. Erstens wurde in allen Beiträgen die verfassungsrechtliche Einschränkung der Neuverschuldung auf Bundesebene angesprochen. Wie Norbert Hackbusch ausgeführt hat, haben wir leider eine große Kunstfertigkeit darin entwickelt, wie diese Vorschrift einer auf die Höhe des Investitionsvolumens beschränkten Neuverschuldung umgangen werden kann. So wie die verfassungs

rechtliche Regelung aussieht, prognostiziere ich Ihnen eindeutig, dass sie die Neuverschuldung keineswegs blockiert, sondern dass nur die politischen Kunstfertigkeiten geändert werden.

Zweitens müssen wir uns nunmehr in puncto Neuverschuldung generell auf die Landesebene festlegen und ich gehe jede Wette ein, dass wir darüber noch einen Verfassungsstreit bekommen werden. Die Kompetenzen der Länder dermaßen zu beschneiden ist ein sehr kontroverser Akt und wenn ich mich nicht irre, wird dieses Thema letztlich doch beim Bundesverfassungsgericht landen.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Genau!)

Drittens, und damit greife ich nur eines Ihrer Argumente auf, Herr Goldberg, ist es richtig, dass wir eine Neuverschuldung, genauer gesagt einen Schuldenberg in unverantwortlicher Höhe haben, und Sie wiesen zu Recht darauf hin, dass diesem Schuldenberg der öffentlichen Hand ein entsprechender Vermögensberg gegenübersteht. Da in jeder Generation ein Zusammenhang zwischen den öffentlichen Schulden und den Vermögen existiert, verstehe ich nicht, warum Sie bei der Lösung des Verteilungsproblems nicht auf die Vermögenserträge zugreifen.

(Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Goldberg?

– Ja, gerne, nachdem ich meinen Gedanken zu Ende geführt habe.