Das heißt also – und insofern gebe ich dem Antrag der SPD Recht – , dass ich im Prinzip die Einnahmenseite der öffentlichen Hand nach oben fahren und stabilisieren möchte, weil ich davon überzeugt bin, dass die Schuldenbremse nur einen ideologisch harten Kern hat, nämlich dass sie zur Durchsetzung weiterer Ausgabensenkungen genutzt werden wird. Das ist die harte Wahrheit, Herr Goldberg, die auch Sie zur Kenntnis nehmen sollten, und um so populistischer und unerträglicher ist es, Herr Heintze, dass Sie in der großen Wirtschaftsund Finanzkrise einerseits die Schuldenbremse einführen und andererseits gleichzeitig mit dem Thema Steuersenkung in den Wahlkampf ziehen wollen.
Diesen Widerspruch können Sie nur auflösen, indem Sie die öffentlichen Ausgaben weiter herunterfahren. Ob Sie allerdings mit dieser Konzeption die Krise bewältigen, möchte ich bezweifeln. Aber bitte, Herr Goldberg.
Herr Dr. Bischoff, reden Sie mit Ihrem sehr wertvollen Hinweis auf das mittlerweile relativ schmale Nettovermögen der Stadt dem Schuldenabbau durch Vermögensveräußerung das Wort, oder soll das vorhandene Vermögen mit dem Kapitaldienst belastet werden und beispielsweise SAGA/GWG durch Mieterhöhungen auch noch in weiteren Kapitaldienst miteinbezogen werden? Oder wie stellen Sie sich vor, sollte man das Vermögen der Stadt in Bezug auf die Verschuldung nutzen, wenn Sie schon darauf hinweisen?
– Nein, ich habe Ihr Argument aufgegriffen, dass in jeder Generation den Schulden ein entsprechender Vermögenszuwachs gegenübersteht.
Wir haben heute eine Verschuldung von rund 65 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und alle internationalen Institutionen gehen davon aus, dass die Verschuldung bis zum Jahr 2014 bei 90 bis 100 Prozent liegen wird. In der Bundesrepublik sind wir mit der aktuellen Verschuldung eher noch an der unteren Grenze, selbst die USA und Japan liegen weit vor uns. Da dieser Verschuldung ein entsprechender Vermögenszuwachs gegenübersteht, kann man nicht einfach nur die öffentlichen Ausgaben immer mehr herunterfahren und die Vermögen und Erträge weiterhin freistellen, wie es augenblicklich der Fall ist. Die Politik, die Sie betreiben und die in der Steuersenkung gipfelt, hat den sehr harten populistischen Kern, dass sich nur reiche Leute einen armen Staat leisten können – wir hatten heute schon den Fall mit der Derby-Bahn –, und das wollen Sie durchsetzen.
Gibt es weitere Wortmeldungen, meine Damen und Herren? Das sehe ich nicht, dann kommen wir zur Abstimmung.
Wer stimmt einer Überweisung der Drucksachen 19/3180 und 19/3257 an den Haushaltsausschuss zu? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? Die Überweisung ist mehrheitlich abgelehnt.
Zunächst zum Antrag der SPD-Fraktion aus der Drucksache 19/3257. Wer möchte diesen annehmen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? Der Antrag ist bei wenigen Enthaltungen abgelehnt.
Wer möchte dem Antrag der Fraktion DIE LINKE aus der Drucksache 19/3180 zustimmen? Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? Der Antrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.
Meine Damen und Herren, ich rufe den Punkt 49 der Tagesordnung auf, die Drucksache 19/3087, Antrag der SPD-Fraktion: Kettenduldungen vermeiden – Bleiberechtsregelung verlängern.
[Antrag der Fraktion der SPD: Kettenduldungen vermeiden – Bleiberechtsregelung verlängern – Drs 19/3087 –]
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit dem Ihnen vorliegenden Antrag fordern wir den Senat auf, sich im Bundesrat für eine Verlängerung des Bleiberechts für geduldete Ausländer einzusetzen. Die Regelung brauche ich Ihnen nicht noch einmal im Detail vorzustellen, weil wir sie bereits hinreichend diskutiert haben. Bis zum Jahresende 2009 müssen viele von der Regelung Betroffene den Nachweis erbringen, dass sie ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können, und Ende Dezember 2009 läuft diese Regelung aus. Wie sämtliche Diskussionen auf Bundes- und Landesebene zeigen, droht hier ein integrationspolitisches Desaster, das wir als SPDFraktion unbedingt vermeiden wollen.
Zigtausende Flüchtlinge werden bundesweit in den alten, wirklich unerträglichen Kettenduldungsstatus zurückfallen, ohne Arbeit und ohne Perspektive. Das kann niemand wollen und das sollte dieses Haus auch deutlich machen. Ich möchte Ihnen ganz konkret Zahlen nennen, die uns seit einigen Tagen auch aufgrund einer Anfrage im Bundestag zur Situation in Hamburg vorliegen. Wir haben bundesweit etwa 30 000 Aufenthaltserlaubnisse auf Probe, die unter diese Regelung fallen, davon entfallen ungefähr 1 000 Aufenthaltserlaubnisse auf Hamburg, womit wir eine relevante Größenordnung haben, um die wir uns kümmern müssen. Für viele von dieser Regelung Betroffene wird es gerade auch wegen der Krise in diesem Jahr sehr schwierig sein, einen Erwerbsstatus zu bekommen, der diesen Regelungen entspricht. Als die Regelung gemacht wurde, ahnte noch keiner etwas von der Wirtschafts- und Finanzkrise, die es den betroffenen Ausländern in diesem Jahr sehr erschwert, diese Gesetzesanforderungen zu erfüllen, und davor dürfen wir weder auf Bundesebene noch in Hamburg die Augen verschließen.
Anders als in der Debatte zuvor signalisieren fast alle Parteien ganz deutlich, dass etwas geschehen muss. Es gibt einen Antrag der Bundestagsfraktion der GRÜNEN, einen Antrag der Linksfraktion im Bundestag, einen Antrag der FDP-Fraktion und es gibt Bemühungen unserer SPD-Bundespolitiker im Bereich der Innen- und Immigrationspolitik, bei die
sem Thema zu einer Verständigung zu kommen. Die Einzigen, die sich diesem Anliegen immer noch verschließen, sind die Christdemokraten, auch wenn es ihnen nichts nützen wird, wenn sie glauben, die Flüchtlinge könnten alle qua altem Rechtsstatus abgeschoben werden. Nein, so ist es nicht, es kann nicht zu Abschiebungen kommen, auch wenn die Flüchtlinge in den alten Rechtsstatus zurückfallen, bleiben die Abschiebehindernisse bestehen und wenn irgendeiner der CDU-Hardliner glaubt, man könne sich auf diesem Wege Abschiebequoten besorgen, so ist das alles Kokolores. Das wird nicht funktionieren und die Kollegen im Bund und in Hamburg müssen sich bewegen, es muss hier eine Lösung geben.
Die Antwort der Bundesregierung auf unsere Anfrage, die Sie in der Parlamentsdatenbank des Bundestags nachlesen können, verdeutlicht vermutlich den kleinsten gemeinsamen Nenner, der bei der Bundesregierung erzielbar war:
"Die Bundesregierung wird zu gegebener Zeit unter Einbeziehung aller relevanten Gesichtspunkte entscheiden, ob sie im Hinblick auf die gesetzliche Stichtagsregelung […] dem Parlament einen Regelungsvorschlag unterbreitet."
Bis wann will man denn warten? Der 31.12. kommt schneller, als man denkt. Wenn es darum geht, einen Vorstoß in Richtung Berlin zu machen, müssen wir in Hamburg uns ernsthaft fragen, ob es richtig ist, sich erst nach der Bundestagswahl in welcher Koalition auch immer Gedanken zu dieser Regelung zu machen und im Dezember die Leute ausländerrechtlich entweder quasi vor die Tür zu setzen oder ihre Aufenthaltsgenehmigung zu verlängern. Das kann doch nicht sein, es muss vor der Bundestagswahl eine Regelung geben, die der Humanität und der Vernunft Rechnung trägt. Die Altfallregelung muss verlängert werden und deshalb fordere ich Sie auf, unserem Antrag hier zuzustimmen – immerhin wollen Sie im Innenausschuss darüber reden. Geben Sie sich einen Ruck und lassen Sie das nicht als Posten stehen, über den man erst nach der Bundestagswahl spricht. Diese Menschen und die Integrationspolitik in unserem Land verdienen, dass es eine Regelung vor der Bundestagswahl gibt. – Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, Herr Präsident! Herr Dressel, Sie haben gehört, dass wir diesen Antrag tatsächlich in den Innenausschuss überweisen werden, falls die GAL
dem zustimmt, aber sie hat es ja auch beantragt. Insofern brauchen Sie sich nicht so darüber aufzuregen, dass wir wieder einmal die Inhumanen und Bösen sind. Es gibt diese Bleiberechtsregelung und wir möchten uns erst einmal ein Bild davon machen, welches Problem in Hamburg besteht und was wir tun können, um es in den Griff zu bekommen. Wir wissen auch, dass die Innenbehörde selbst den Betroffenen gesagt hat, dass es durchaus Möglichkeiten gibt, das Verfahren bis Anfang 2010 hinzuziehen, und insofern möchte ich mich hier kurz fassen. Wir werden der Überweisung zustimmen, wir wissen, dass Menschen, die hier arbeiten und Geld verdienen wollen, gute, auf sich selbst vertrauende und bessere Bürger sind als diejenigen, die in Kettenduldungen auf unsere Zuschüsse angewiesen sind. Wir reden hier oft darüber, dass wir Fachkräfte brauchen und die Potenziale von Zugewanderten nutzen müssen. Diejenigen, die es können und wollen, sollen ihre Chance bekommen. Herr Dressel, selbst wenn wir dem Antrag zustimmen wollten, würden wir nicht kurz vor der Wahl noch irgendwelche Bundesratsinitiativen entscheiden können, sondern die Innenministerkonferenz abwarten, bei der man zügig zu einer Regelung kommen kann, sobald wir dies hier besprochen und auch die anderen Innenminister überzeugt haben. Insofern plädieren wir für Überweisung. – Danke schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dressel, dieses Antrags hätte es nicht bedurft. Sie können sich vielleicht vorstellen, dass die Koalition dem Innensenator schon mit auf den Weg in Richtung Innenministerkonferenz gegeben hat, dass er sich gegen ein Auslaufen der Bleiberechtsregelung zum Jahresende einsetzen möchte. Nun stehen wir aber wieder einmal vor einem Problem, nämlich 16 Bundesländer, viele verschiedene interessante politische Konstellationen und die Unfähigkeit, sich schlicht und ergreifend an einem Abend oder auf einer dreitägigen Sitzung auf etwas zu einigen. Aus diesem Grunde müssen sich, wie Sie angesprochen haben, tatsächlich alle politischen Parteien weiterbewegen, und ich bin davon überzeugt, dass sie das auch tun. Ich glaube, dass es nicht nur bei den hamburgischen Christdemokraten, sondern inzwischen bundesweit die Überzeugung gibt, dass die Bleiberechtsregelung, die vor rund zwei Jahren nach mühsamen Verhandlungen gefunden wurde, ein riesiger Schritt war von dem bis dato nur repressiven Ausländerrecht hin zur Anerkennung der Tatsache, dass wir damals in Hamburg ungefähr 180 000 Menschen in einem langjährig geduldeten Aufenthaltszustand hatten und Abhilfe dringend
nötig war. Wir werden uns also darüber unterhalten müssen, ob Punkt eins Ihres Petitums überhaupt noch notwendig ist, ob das der richtige Weg ist, oder ob wir nicht noch eine ganz klare Regelung von der Bundesregierung bekommen werden.
Punkt zwei Ihres Petitums finde ich interessant, in dem Sie fordern, dass der Bürgerschaft bis zum 10. Juli über das Ergebnis der Bemühungen Bericht zu erstatten ist. Dies wird sich erledigen, denn wenn wir schnell genug sind, haben wir am 10. Juli den Bericht aus der Innenausschusssitzung. An diesem Thema sind alle dran, aber Sie haben den Antrag formuliert, wir haben auf etwas leiserem Wege die Initiative über den Innensenator weitergegeben und über die Details wird er uns dann hoffentlich in der Innenausschusssitzung berichten können. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte Sie nicht so lange langweilen, aber ich freue mich, dass dieser Antrag an den Innenausschuss überwiesen wird. Nach unserer Großen Anfrage, nach der der Innensenator und der Ausschussvorsitzende uns zugesagt hatten, dass wir darüber einmal diskutieren, freue ich mich, aber ich möchte dennoch einige Themen ansprechen.
Die Innenministerkonferenz hat letztendlich eingesehen, dass es bei Menschen, die schon seit Jahren nur mit einer Duldung in diesem Land leben, große Probleme gibt und dass hier eine Lösung erfolgen muss. Daraufhin hat man beschlossen, dass man diesen Menschen die Möglichkeit gibt, einen Rechtsstatus zu erhalten mit bestimmten Bedingungen, die damals eingeführt worden sind. Wir haben begrüßt, dass zumindest so eine Regelung stattgefunden hat, aber letztendlich haben wir gesehen, dass viele Menschen diese Bedingungen nicht erfüllen können.
Sie können es nicht nur in Zeiten der Wirtschaftskrise nicht erfüllen und konnten es davor auch nicht, weil von 8500 Menschen mit Duldung, die jetzt in Hamburg leben, 1050 eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen haben und von diesen 1050 wiederum arbeiten einige Hundert Menschen unter prekären Arbeitsbedingungen, im Niedriglohnsektor. Diese Bleiberechtsregelung hat es mit sich gebracht, dass Menschen solche Arbeit annehmen müssen.
Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Vor etwa drei Monaten erzählte mir ein Mitbürger aus Afghanistan, dass ein Verwandter von acht Uhr morgens bis 18 Uhr arbeite, aber nur 600 Euro bekäme. Ich war schockiert und habe gefragt, weshalb, daraufhin
sagte er zu mir, er habe durch die Bleiberechtsregelung profitiert und er müsse zusehen, wie er seinen Lebensunterhalt verdiene. Seine Frau arbeitet auch, sie muss dazuverdienen; er hatte keine Arbeit gefunden und dann diese Arbeit angenommen. Als ich ihm angeboten habe, dass man das thematisieren könnte, sagte er, er sei froh, jetzt eine Aufenthaltsgenehmigung zu haben, er wolle das nicht thematisieren, weil man ihm sonst die Aufenthaltsgenehmigung entziehen könnte.
Man muss sich in Zeiten der Wirtschaftskrise überlegen, ob man diesen Menschen überhaupt Bedingungen stellt. Erstens: Sie durften jahrelang nicht arbeiten, ihre Qualifikationen wurden nicht anerkannt, sie haben keine Berufserfahrung. Zweitens: Bevor man von Menschen etwas fordert, müsste man sie erst fördern – mit beruflicher Qualifizierung, Fortbildungen, mit Sprachförderung und so weiter. Man hat dies nicht getan, sondern gleich gesagt, ihr müsst erst einmal Arbeit haben, den Lebensunterhalt finanzieren, die Sprache erlernen, danach geben wir euch die Möglichkeit.
Die Flüchtlinge aus dem Irak sind eines der besten Beispiele. Wenn der politische Willen vorhanden ist, ist alles möglich. Man hat 2500 Flüchtlinge aus dem Irak aufgenommen; ich habe das begrüßt und hoffe, dass sich dieser Senat und auch die kommende Bundesregierung ausführlich dazu äußern und auch Gesetzesentwürfe machen, dass man ohne Bedingungen, weder sprachlicher Art noch einkommensabhängig, diesen Menschen erst einmal die Möglichkeit gibt, weil sie schon ein Teil dieses Landes sind. Man sollte ihnen die Möglichkeit geben, sich hier weiterzubilden und auch im Arbeitsleben ein Teil des Landes werden zu können.
Deshalb begrüße ich es, dass dieser Antrag an den Innenausschuss überwiesen wird, und freue mich, dass wir mit dem Senator, der CDU und den Grünen darüber diskutieren können. – Vielen Dank.