Im IAB-Kurzbericht 2008 heißt es, dass es Ziel der Ein-Euro-Jobs sei, die Beschäftigungsfähigkeit zu erhöhen. Tatsächlich lasse sich dieser Effekt nur in Ausnahmefällen überhaupt nachweisen. 20 Monate nach der Maßnahme verzeichnen ostdeutsche Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen einprozentigen und westdeutsche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen dreiprozentigen Anstieg der Wahrscheinlichkeit, regulär beschäftig zu werden – und das bei dem massiven Einsatz von Geldern.
Ein anderes Ziel der Ein-Euro-Jobs, so heißt es, sei die Überprüfung der Arbeitsbereitschaft. Anscheinend wird dieser sozial-disziplinatorische Ansatz besonders gerne an der Gruppe der unter 25-Jährigen erprobt. Obgleich sie einen Erwerbslosenstand im SGB II von lediglich 10,8 Prozent aufweisen, werden sie mit einem Anteil von 24,6 Prozent überproportional häufig dienstverpflichtet. Gerade bei dieser Altersgruppe haben die Maßnahmen ausgewiesenermaßen überhaupt keinen oder gar einen negativen Eingliederungseffekt. Für Teilnehmer, deren letzte reguläre Beschäftigung nicht lange zurückliegt, ist der Eingliederungseffekt ebenfalls eindeutig negativ.
Der Bundesrechnungshof kritisiert in seinem Bericht an den Haushaltsausschuss und an den Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages von 2006 folgendes: Es treten
Zu lange Wartezeiten auf ein erstes, qualifiziertes Gespräch zur Erörterung des Integrationskonzepts.
75 Prozent der so genannten Ein-Euro-Jobs werden irregulär durchgeführt. Das heißt, sie entsprechen nicht den Gegebenheiten der Zusätzlichkeit et cetera. Die Träger der Grundsicherung schieben Teile ihrer Kernaufgaben an die Beschäftigungsträger ab. Das kann man in Hamburg auch sehr gut beobachten.
Ferner wird die nicht hinreichende Kontrolle der Mittelverwendung bei den Beschäftigungsträgern kritisiert, das hatte ich schon erwähnt, und ein unzureichender Gebrauch von Eingliederungsvereinbarungen, um zu sanktionieren. Auch das kann ich aus eigener Erfahrung und Begleitung bestätigen. Die Rolle der Bundesagentur für Arbeit als einerseits Gewährungsverantwortliche, die andererseits mit wenigen Weisungsaufgaben ausgestattet ist, wird als suboptimal – das ist auch ein hübsches Wort – kritisiert. Es wird das Auseinanderfallen von Finanz- und Fachaufsicht des Bundes beanstandet.
"Die Qualität der Vermittlungstätigkeit und des Fallmanagements der Grundsicherungsstellen überzeugte auch im dritten Jahr nach in Inkrafttreten des SGB II nicht."
Es wird ja immer so behauptet, das funktioniere eigentlich ganz gut, es gäbe Einzelfälle, da sei es nicht ganz so toll, aber grundsätzlich funktioniere das alles bestens. Unsere Erfahrungen sind gegenteilig.
"in welcher Organisationsform, (Arbeitsge- meinschaften, zugelassenen kommunale Träger oder Agenturen für Arbeit und Kom- munen in getrennter Trägerschaft) die Leistungen vor Ort erbracht wurden."
Erneut ist die Liste der vom Bundesrechnungshof kritisierten Punkte lang. Die Eingliederungsvereinbarungen sind zu wenig individuell gestaltet und bieten dem Leistungsberechtigten nur unzureichende Unterstützung.
Da muss ich als alter erfahrener, ehemaliger Langzeiterwerbsloser schon lachen, von wegen individuell gestaltet. Da kommen Sie hin, da werden Sie bestellt zu einem Gespräch, von dem Sie gar nicht wissen, worum es geht, da können Sie sich gar nicht darauf vorbereiten auf das so genannte Fördern und Fordern. Und dann kommt aus dem Drucker eine Eingliederungsvereinbarung heraus, die Sie möglichst gleich, möglichst noch ohne zu lesen, unterschreiben sollen.
"Bei zwei Drittel der geprüften Arbeitsgelegenheiten war mindestens eine Förderungsvoraussetzung nicht erfüllt. Meist handelte es sich bei den geförderten Tätigkeiten um reguläre Aufgaben eines öffentlichen Trägers. Es sollten Arbeitskräfte eingespart oder ein haushaltsbedingter Personalmangel ausgeglichen werden."
"In sechs von zehn Fällen zahlten die Grundsicherungsstellen neben der Mehraufwandsentschädigung eine monatliche Maßnahmepauschale von mindestens 200 Euro."
"Es handelte sich dabei überwiegend um eine Mitnahme von Fördermitteln, weil keine Aufwendung des Trägers in dieser Höhe erkennbar war."
Zitatende. Dies ist die Bestätigung dessen, was ich zu Beginn meiner Rede darstellte. Es geht um die Mitnahme von Fördermitteln. Die Erwerbslosen sind die Spielsteine in diesem Spiel, die Plastikchips im Casino der Beschäftigungsträger und damit muss es ein Ende haben.
Dazu noch ein Beispiel für Querfinanzierung. Im Bereich der Jugendhilfe und Jugendbetreuung stehen keine ausreichenden Mittel zur Verfügung. Einer der großen Beschäftigungsträger, der mit Ein-Euro-Jobbern über 3000 Mittagessen pro Tag für Ganztagsschulen produziert, betreibt auch eine Jugend-Erwachsenen-Begegnungsstätte mit Betreuung in einem so genannten Brennpunktstadtteil.
Die Gelder für die notwendigen anderthalb Sozialpädagogen werden dadurch sichergestellt, dass dort ein so genanntes gemeinnütziges Restaurant mit Bar betrieben wird, das im Drei-Schicht-Modus arbeitet. Insgesamt zirka ein Dutzend Ein-Euro-Jobber finden dort Beschäftigung, auch wenn der Andrang auf die Gastronomie dies keineswegs rechtfertigt und oft Langeweile eintritt. Dafür sind aber die Sozialpädagogen finanziert. Unsere Stadt sollte es sich wert sein, derart notwendige Arbeit geradlinig zu finanzieren, anstatt derartige Taschenspielertricks zuzulassen.
Auf die Mischverwaltung der ARGEn, die vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig angemahnt wurden, geht der Bundesrechnungshof ebenfalls ein und sagt, Zitat:
"Die jetzigen Schnittstellen zwischen verschiedenen Trägern im Verwaltungsvollzug und bei der Aufsicht erfordern komplizierte, fehleranfällige Abstimmungsprozesse und schaffen Einfallstore für unwirtschaftliches, rechtswidriges und bundesweit uneinheitliches Verwaltungshandeln."
Zitatende. Dem habe ich wenig hinzufügen, nur vielleicht so viel: Wer meint, er müsse die Verfassung ändern und nicht das verfassungswidrige Handeln, der hat sich soweit von Rechtsstaat und Realität entfernt,
dass ihn wohl nichts mehr schmerzt. Rechthaberei hat nichts mit Recht haben zu tun und das gebetsmühlenartige Gerede, seit der Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe sei alles besser, zeugt nicht von Überzeugung, sondern von Starrsinn.
Zurück zu den Ein-Euro-Jobs, zurück zu dem Begriff Zwangsarbeit, der einige im Plenum durchaus etwas in Unruhe bringt.
Dabei gibt es – hören Sie gut zu – das IAO-Übereinkommen, das Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation der UN, Nummer 29 über Zwangs- und Pflichtarbeit, das auch für den Mitgliedsstaat Bundesrepublik Deutschland rechtsverbindlich gilt. Und eine bemerkenswerte Studie der Hans-Böckler-Stiftung von Max Kern aus dem Mai 2008, die sich unter anderem auf die Anfrage meiner Fraktion, Gut qualifizierte "Ein-Euro-Jobber" an Hamburgs Schulen, Drucksache 19/119, bezieht. Kurzes Zitat aus der Studie:
"Die Antworten des Senats […] stellen die zur Rede gebrachten Fälle in die Kategorie der zahlreichen Ein-Euro-Jobs, deren rein deklamatorisch, durch die (nicht einmal durchgängige) Anfügung von austauschbaren Begriffen wie 'Hilfs-, Assistenz-' usw. postulierte Unterscheidung von Regelarbeit nicht den Anforderungen des SGB an 'Zusätzlichkeit' genügt."
Schwer verständlich, nicht wahr. Sicher, ganz so einfach wie auch die Antwort des Senats in dieser Großen Anfrage, auch wenn da Hilfshausmeister,
Noch einfacher ist die Zusammenfassung des Abschlussberichts von Herrn Kern, dem Autor der Studie der Hans-Böckler-Stiftung, der feststellt:
"Die Heranziehung zu Arbeitsgelegenheiten in der Mehraufwandsvariante (1-Euro-Jobs) führt häufig zu einem Verstoss gegen das Übereinkommen."
Als Mimimallösung sollte die Anwendung der Sanktion in § 31 SGB II auf die Verweigerung von Arbeit in der Mehraufwandsvariante ausgeschlossen werden."
"Es sollten alle Massnahmen ergriffen werden, um die Verstrickung des Staates in die Ausnutzung der Hilfsbedürftigen zu beenden. Dazu gehören: schon nach geltendem Recht die effektive Beachtung bzw. Durchsetzung der Nachrangigkeit der 1-Euro-Jobs."
Vielleicht darf ich einmal erinnern, was Nachrangigkeit bedeutet. Als die Ein-Euro-Jobs eingeführt wurden, als Hartz IV am 1. Januar 2005 in Kraft gesetzt wurde, war Hamburg einer der Vorreiter, Ein-Euro-Jobs sofort anzubieten, ohne jede Eingliederungsvereinbarung, ohne alles. Eben nicht als ultima ratio, als letzte Möglichkeit, sondern als erste Möglichkeit. Da war Hamburg federführend.