Verwendung der Mittel aus der Tronc-Abgabe des Jahres 2008, Haushaltsplan 2009, Titel 8000.971.03 – Drs 19/3393 (Neufassung) – 2075,
Ich rufe daher, wie zwischen den Fraktionen vereinbart, das zweite und das dritte Thema gemeinsam auf, die in der gestrigen Sitzung wegen Zeitablaufs nicht mehr behandelt werden konnten.
Eskalationskonzept der Polizei gegen friedliches Schanzenfest – Gewalt löst keine gesellschaftlichen Probleme
Meine Damen und Herren, Herr Präsident! Gewalt löst die Probleme dieser Stadt nicht. Bedürfte es dafür eines Beweises, so hat ihn der letzte Samstag erbracht. 72 verletzte Polizeibeamte und eine unbekannt hohe Anzahl weiterer Verletzter sind eine bittere Bilanz. Die gewaltsamen Auseinandersetzungen des Samstagabends drängen die sozialen Interessenkonflikte im Schanzenviertel in der öffentlichen Wahrnehmung in den Hintergrund. Doch die Umstrukturierung des Schanzenviertels und anderer innenstadtnaher Viertel brennt auf den Nägeln. Die Umwandlung von preisgünstigen Mietwohnungen in Luxusmiet- oder Eigentumswohnungen führt zur Verdrängung ärmerer Bevölkerungsgruppen zugunsten gut betuchter und zur Verdrängung angestammter kleiner Geschäfte durch Schickimickiläden. Das muss das Thema der öffentlichen Meinungsbildung sein. Wollen wir eine solidarische Stadt, eine Stadt für alle? Ja, wir wollen das.
Das Problem, dass in dieser Metropole nicht alle Bewohnerinnen und Bewohner ihren Platz haben, und zwar in zunehmendem Maße nicht, muss gelöst werden. Zur Thematisierung dieses Problems hat das Schanzenfest einen Beitrag geleistet. Es war ein friedliches und politisches Fest, eine bemerkenswerte Äußerung von Bewohnerinnen des Viertels, von Initiativen und einzelnen Personen,
die Zerstörung ihrer Lebenswelt nicht hinzunehmen. Gewalt und ihre Eskalation schaden diesem Engagement.
Die Gefahr, dass Gewaltbereitschaft und zerstörerische Gewaltausübung auf der einen Seite und Repression und Polizeigewalt auf der anderen Seite zunehmen und sich hochschaukeln, ist groß. Unser Anliegen ist es, die Gewaltspirale zu beenden. Weil wir unsere Aufgabe der Kontrolle der Exekutive ernst nehmen und die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger unser Maßstab sind, richten wir unseren Fokus auf den Beitrag der politisch Verantwortlichen und der Polizeiführung zur Eskalation der Gewalt. Der Innensenator rühmt sich, dass die Polizei eine neue Strategie verfolgt habe und diese erfolgreich gewesen sei. Das Ergebnis lässt sich in Zahlen messen. 2007 wurden 8 Polizeibeamte verletzt oder als verletzt gemeldet, 2008 waren es 12, 2009 72. Von Erfolg zu sprechen, ist menschenverachtend.
Die neue Strategie lautete früh eingreifen in großer Stärke. Schon weit im Vorfeld hat die Innenbehörde mit der Androhung, das Fest zu verbieten, und durch die bekannt gewordene Videoüberwachung des Schanzenviertels den Konflikt gesucht. Am Samstag marschierten dann nach 18 Uhr von allen Seiten geschlossene Polizeieinheiten auf und begnügten sich nicht damit, sich am Rande des Festes aufzustellen. Vielmehr schickte die Einsatzleitung Trupps hochgerüsteter Beamter immer wieder mitten durchs friedliche Fest. Die Polizei ist durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf Deeskalation und Kooperation festgelegt. Die massive und provokative Demonstration polizeilicher Stärke – 1800 Polizeibeamte, fünf Wasserwerfer – ist kein Konzept der Deeskalation, sondern der Eskalation. Die Polizeiführung verfolgte ein Eskalationskonzept, das ist unser erster Vorwurf.
Wir fordern zur Aufklärung der Tatsachen, dass der Innensenator auf der Sondersitzung des Innenausschusses die Einsatzlinie, die die Philosophie des Einsatzes festlegt, im Wortlaut vorlegt.
Der zweite Vorwurf lautet, dass die Polizeistrategie unkontrollierbare Situationen in Kauf genommen hat.
Zum Zeitpunkt des Polizeieinsatzes hielten sich Hunderte Menschen auf dem Platz vor der Roten Flora auf, die Bühne war nicht abgebaut und Fluchtwege waren teilweise versperrt. Es waren schlimme Szenen zu beobachten und wir alle können froh sein, dass nicht noch mehr und nicht noch
Schlimmeres passiert ist. Unverantwortlich war auch, dass die Wasserwerfer ohne polizeiliche Seitenbegleitung rangierten
Drittens missachtete die Polizeiführung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Was auch immer genau den Einsatz auslöste, der Schlagstockeinsatz behelmter Polizisten gegen eine große Menschenmenge war unverhältnismäßig. Immer wieder kam es während der ganzen Auseinandersetzung zu unverhältnismäßigen Einsätzen, so auch, als die Wasserwerfer in Restaurants hineinhielten, oder bei der Säuberung der Susannenstraße von Restaurantbesuchern. Ich habe eben noch in einem Video gesehen, wie der Strahl des Wasserwerfers eine ältere, offensichtlich geistig verwirrte Frau voll traf und verletzte.
Dann werde ich zum letzten Satz kommen, den man immer noch hat. Wir fordern die rückhaltlose Aufklärung, wir fordern eine Deeskalationsstrategie