Protokoll der Sitzung vom 09.07.2009

(Das Rednermikrofon wird abgeschaltet. – Beifall bei der CDU – Unruhe im Hause – Glocke)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Voet van Vormizeele.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mit etwas beginnen, das eben in dem Wortbeitrag nicht nur gar nicht vorgekommen ist, sondern vielleicht auch wirklich hätte vorkommen sollen. Ich möchte mich bei denen bedanken, die es am letzten Wochenende mit ihrem ganz persönlichen und auch körperlichen Einsatz möglich ge

macht haben, dass in der Schanze der Rechtsstaat nicht vollkommen untergegangen ist.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte mich ausdrücklich bei den Polizeibeamten und Polizeibeamtinnen für ihren Einsatz bedanken. Ich finde, sie haben verdient, dass dieses Parlament deutlich macht, dass es hinter der Hamburger Polizei steht.

(Beifall bei der CDU)

Wir müssen einfach einmal einige Dinge – hoffentlich gemeinschaftlich – in einigen Bereichen feststellen. Die eine Feststellung will ich ganz eindeutig treffen: Wir haben am letzten Wochenende ein friedliches Schanzenfest erlebt. Wir haben erlebt, dass viele Menschen, einige sagen, fast 10 000 Menschen, dort friedlich miteinander gefeiert haben. Frau Schneider, ich bin mir nicht sicher, ob dieses friedliche Feiern immer Ausdruck einer politischen Demonstration gewesen ist. Nicht jedes Straßenfest muss immer gleich einen politischen Hintergrund haben. Aber ich will ausdrücklich sagen, dass dieses Fest ein friedliches Fest war. Dieses Lob geht auch an all diejenigen, die dort friedlich gefeiert haben.

Aber man muss auch deutlich feststellen, dass dort tausend gewaltbereite Krawallmacher gewesen sind und allein mindestens 60 Prozent dieser Menschen gar nicht aus Hamburg gekommen sind. Dadurch wird auch das, was Frau Schneider vorgetragen hat, das Aufbegehren sozialer Probleme in der Schanze, ein bisschen anders beleuchtet. Das waren keine Menschen, die dort demonstrieren wollten, das waren keine Menschen, die irgendein politisches Ansinnen gehabt haben, sondern das waren Menschen, die dort hingekommen sind, weil sie Krawall machen und Gewalt ausüben wollten.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb kann es auf diese Art von Gewalttourismus, den wir teilweise erlebt haben, auch nur eines geben, nämlich eine konsequente Antwort der Polizei. Und die hat es mit einem vernünftigen Einsatzkonzept gegeben.

(Olaf Ohlsen CDU: Richtig!)

Ich will etwas deutlich machen, was in den letzten Tagen immer wieder formuliert wurde. Auch Frau Schneider hat es noch einmal formuliert. Die Polizei war nicht in der Schanze, um dort zu provozieren, die Polizei war dort, um den Rechtsstaat und die Schwachen zu schützen. Das ist keine Provokation.

(Beifall bei der CDU)

Frau Schneider, Sie haben bei all den Aufzählungen von Vorwürfen angeblicher Eskalation an die Hamburger Polizei leider vergessen, nur ein einziges Wort darüber zu verlieren, welches enorme Aufrüsten es bei denjenigen gegeben hat, die dort

(Christiane Schneider)

hingekommen sind, um Krawall zu machen. Dass wir auf der Schanze Depots gefunden haben, wo Molotowcocktails angehäuft worden sind, vorher Stolperdrähte verlegt worden sind und wirklich systematisch Gewalt vorbereitet worden ist, ist eine neue Qualität und diese dürfen und können wir nicht akzeptieren.

(Beifall bei der CDU)

Ich will aber eines auch ganz deutlich sagen, das habe ich eben schon mit dem Lob für den friedlichen Teil des Schanzenfestes getan: Der Weg, den der Bezirk Altona beschritten hat, einen Dialog zu beginnen und anzubieten, war der richtige Weg. Dieser Weg des Dialogs um das friedliche Schanzenfest muss fortgeführt werden. Aber ich sage auch ganz deutlich: Es kann und darf nicht dabei bleiben, dass wir so etwas wie eine qualifizierte Duldung haben und das war es dann. Wir haben einen ersten Schritt aufeinander zu getan. Dieser Dialog muss weitergehen und er muss gemeinsam geführt werden, damit wir in überschaubaren Zeiträumen wieder so weit sind, ein Schanzenfest zu haben, das genehmigt ist wie jedes andere Hamburger Straßenfest auch.

(Beifall bei der CDU)

Wer meint, dass Genehmigungen und gar Auflagen des Bezirksamts so etwas wie ein Ausdruck von spießbürgerlicher Gesellschaft sind, dem will ich ganz deutlich sagen: Das Freihalten von Rettungswegen gerade für Kinderwagen und Behinderte, das Wegräumen von Müll und Ähnliches sind für mich keine spießbürgerliche Genehmigungspraxis. Das ist das, was wir notwendigerweise für ganz Hamburg tun, um Menschen zu schützen. Da kann es keinen anderen Weg geben.

Ich erwarte, dass dieser Weg weiter beschritten wird, und ich erwarte auch, dass die friedlichen Schanzenbewohner diesen Weg mit vorantreiben. Dieses Dialogangebot unterbreiten wir.

(Glocke)

Vielen Dank, Herr Präsident. Ich komme zum Ende.

Wir werden auch dafür Sorge tragen,

(Dr. Mathias Petersen SPD und Dr. Martin Schäfer SPD: Abschalten!)

dass diejenigen, die nicht friedlich sind, genauso konsequent ihre Reaktion erfahren werden.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Dr. Dressel.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass es am letzten Wochenende über Stunden, man muss fast

sagen, bürgerkriegsähnliche Zustände in einem Hamburger Stadtviertel gab und sich die Krawalle nach dem Schanzenfest zu einem alljährlichen Gewaltritual entwickelt haben, zwingt uns, nicht einfach zur Tagesordnung überzugehen. Deshalb ist es heute ein notwendiger erster Schritt, die Aufarbeitung und Diskussion darüber zu leisten.

Es gibt keine einfachen Lösungen und Lehren, die daraus gezogen werden können, und es ist deshalb auch nicht richtig, wenn die zuständigen Stellen, das konnte man in den letzten Tagen durchaus feststellen, die Verantwortung untereinander hin und her schieben. Das ist das Gegenteil dessen, was die Menschen an dieser Stelle zur Aufarbeitung erwarten. Sie erwarten eine ehrliche Analyse dessen, was passiert ist.

(Beifall bei der SPD)

Herr Ahlhaus, wenn Sie angesichts von mehr als 70 verletzten Polizisten, denen wir von hier aus im Namen des ganzen Hauses unsere besten Genesungswünsche aussprechen, noch von einem erfolgreichen Einsatz sprechen, bei dem Sie – Zitat –

"… rechtsfreie Räume …"

verhindert hätten, dann fragt man sich, ob Sie nicht völlig den Bezug zur Realität verloren haben.

(Beifall bei der SPD und bei Kersten Artus DIE LINKE)

Wir sind jetzt in der Pflicht, die parlamentarische Aufarbeitung zu leisten. Auf unseren Antrag hin wird sich der Innenausschuss am kommenden Dienstag damit befassen, wie die Gewalt so eskalieren konnte. Insbesondere einzelne Fragen, zum Beispiel, wie sich der Sachverhalt mit der St. PauliFankneipe darstellt, werden wir zu erörtern haben, aber natürlich auch die Frage: Werden und wurden die wirklichen Gewalttäter konsequent zur Rechenschaft gezogen und waren Politik und Behörden angesichts der Erfahrung aus den Vorjahren auch richtig aufgestellt? Das wollen wir auf Basis der Fakten klären. Es müssen die richtigen Lehren gezogen werden. Das muss über alle Unterschiede, die aus Ihren beiden Redebeiträgen deutlich geworden sind, unser gemeinsamer Ansatz sein. Es muss uns gelingen, die Spirale der Gewalt zu durchbrechen.

(Beifall bei der SPD)

Die Frage ist nur, wie es mit den Gemeinsamkeiten, insbesondere bei Schwarz-Grün, aussieht. Die Gemeinsamkeiten muss man bei dem Punkt leider mit der Lupe suchen. Es sind schon die zweiten Schanzenkrawalle, die wir während Ihrer Koalition feststellen. Sie haben es bisher noch nicht geschafft, sich untereinander – auch unter Einbeziehung Ihrer Bezirkskollegen – auf einen wirklich gemeinsamen strategischen Ansatz zu verständigen und diesen vor allem durchzusetzen.

(Kai Voet van Vormizeele)

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Wo waren Sie denn die ganze Zeit?)

Das geht weniger an Ihre Adresse, Herr Voet van Vormizeele, ich fand Ihren Redebeitrag durchaus sehr ausgeglichen. Das geht an die Adresse dieses Herrn, der dort für die Behörde für Inneres auf der Senatsbank sitzt.

(Zurufe von der CDU)

Der hat die ganze Zeit die Vorbereitung, die friedliche Dialogbereitschaft und den friedlichen Dialog torpediert, der für diese Frage notwendig ist. Und das ist an der Stelle sein Teil der Verantwortung.

(Beifall bei der SPD)

Für uns Sozialdemokraten möchte ich festhalten: Ein vollständiges Verbot des friedlichen Festes hätte vermutlich im Ergebnis nicht weniger Gewalt bedeutet. Die Gewalt wäre vielleicht sogar früher eskaliert, sie hätte sich verlagert, manche Chaoten wären trotzdem gekommen und hätten insofern versucht, ihre Gewalt auszuleben. Also ist es die Frage, da sind wir vielleicht gar nicht so weit auseinander, ob ein Verbot wirklich die Lösung gewesen wäre. Gleichwohl: Recht und Gesetz gelten auch im Schanzenviertel und deshalb muss das Ziel eines nicht nur friedlichen, sondern gesetzeskonformen Schanzenfestes auch politisch weiter verfolgt werden. Da geht es darum, darin sind wir miteinander konform, dass der Runde Tisch seine Arbeit weiterführen muss. Das ist das richtige Forum, dieses Ziel zu erreichen. Deshalb unsere Aufforderung: Der Dialog am Runden Tisch muss wieder aufgenommen werden.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir an langfristiger Konfliktlösung interessiert sind, und das ist unser Verständnis von nachhaltiger Innenpolitik, dann muss es gelingen, mit den Vernünftigen und Gutwilligen die Rahmenbedingungen für ein friedliches Fest abzustecken. Die Krawallmacher, die Chaoten und die Gewalttäter müssen isoliert werden, deren Gewaltexzesse sind durch nichts zu entschuldigen. Sie müssen konsequent verfolgt und bestraft werden.

(Beifall bei der SPD)

Diese Differenzierung, die Sie auch gemacht haben – da sind wir nicht irgendwie voneinander weg –,