Protokoll der Sitzung vom 19.11.2009

Der Rechnungshof mahnt nicht nur zur Sparsamkeit, er rügt auch falsche Sparsamkeit. So sind zum Beispiel an der Universität Schäden von 375 Millionen Euro entstanden, weil Jahr für Jahr

(Barbara Ahrons)

2,7 Millionen Euro für die notwendige Bauunterhaltung eingespart wurden. Die Phantasien der Wissenschaftssenatorin von einer Verlagerung der Universität werden diesen Instandhaltungsstau noch vergrößern und die Sanierungskosten weiter anwachsen lassen – ein Grund mehr, diesen unsinnigen Plan aufzugeben.

Ein weiterer gravierender bilanzwirksamer Wertverlust droht beim Stadtgrün. Der Rechnungshof kritisiert, dass die Unterhaltung von Grünflächen und Spielplätzen unterfinanziert sei. Die bewilligten Mittel decken nur noch 45 Prozent der notwendigen Unterhaltungen und 27 Prozent der Grundinstandsetzungen. Herr Senator Freytag, das ist die Folge der Umweltpolitik, für die Sie verantwortlich waren. Wenn Sie jetzt versprechen, nicht sparen zu wollen, wo es um die Lebensqualität der Stadt geht, dann finde ich das reichlich pharisäerhaft.

(Beifall bei der SPD)

Der Rechnungshof kritisiert immer auch die mangelhafte Wirkung der eingesetzten Mittel. Wenn die Polizei mehr als 640 Stellen bewilligt, die Schutzleute aber nicht vor Ort in den Polizeikommissariaten und auf der Straße ankommen, sondern in den Schreibstuben der oberen Etagen hocken, geht das zu Lasten der Sicherheit. Das Gleiche gilt auch umgekehrt, wenn Stellen nur bei den Indianern, nicht aber bei den Häuptlingen eingespart werden. Unerfreulicherweise geht dieser Prozess aktuell mit der Einsparung von Schutzleuten bei der Zusammenlegung von Polizeikommissariaten weiter. Dazu kommt, dass in die aufgegebenen Standorte – zum Beispiel bei uns in Niendorf, Frau Ahrons – zuvor mit Renovierungen und Aufhübschungen kräftig investiert wurde. Ressourceneffizienz sieht anders aus, meine Damen und Herren.

Das Thema Steuerungsmöglichkeit der Politik beschäftigt uns schon wegen der Einführung des neuen Haushaltswesens im Rechnungsprüfungsausschuss. Wir haben uns übrigens auch mit dem Konzernabschluss beschäftigt und den Senat gebeten, uns die Bilanzierungsregelung zur Verfügung zu stellen, damit wir künftig dieses schwierige und für uns neue Thema auf Augenhöhe diskutieren können.

Leistungen der öffentlichen Verwaltung dürfen sich nicht nach Wohnorten unterscheiden. Es darf auch nicht dazu kommen, dass Vorgaben des Senats zur Steuerung ins Leere laufen, weil sie nicht umgesetzt werden. Das ist zum Beispiel beim bezirklichen Ordnungsdienst geschehen. In keinem Bezirk sind die Wege-, Straßen-, Baum- und Wasserwarte weisungsgemäß mit dem bezirklichen Ordnungsdienst zusammengefasst worden. Mit dieser Maßname sollte die uniformierte Präsenz vor Ort gestärkt werden, um dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung nachzukommen. Wenn es Gründe gibt, eine Vorgabe nicht umzusetzen, dann muss dies politisch erörtert und gegebenenfalls verän

dert werden, aber man kann sie nicht einfach ignorieren.

Unser Fazit: Bereits in seinem Jahresbericht 2008 hat der Rechnungshof mehr Ausgabendisziplin angemahnt, doch an der Konsolidierung mangelt es noch immer. Auch in diesem Jahr fordert der Rechnungshof dazu auf, das Ausgabenniveau zu senken. Die Senatspolitik krankt dessen ungeachtet aber weiterhin am Gegenteil. Zur Besserung verordnet der Rechnungshof, Investitionen wirtschaftlicher zu planen und umzusetzen, Werte durch Investitionen zu erhalten, Aufgaben zielgerichtet zu erledigen und Verwaltung besser zu steuern und zu kontrollieren – das ist auch an unsere Adresse gerichtet. Darüber hinaus müssen beispielsweise in der Arbeitsmarktpolitik vorrangig externe Finanzmittel genutzt werden, wenn ein Anspruch auf sie besteht. In den ausgegliederten Bereichen müssen wirtschaftliche Risiken reduziert werden, ein Thema, das uns zurzeit auch in der aktuellen Diskussion um die Ausgliederung des Schulbaus beschäftigt. Es gibt viel zu tun, packen wir es an. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Waldowsky.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich doppelt Dank sagen. Erst einmal Dank an den Rechnungshof und an seine Mitarbeiter. Wieder einmal haben Sie mit Leidenschaft und mit großer Kompetenz gearbeitet und einen Rechnungshofsbericht vorgelegt, der von uns im Ausschuss voll und ganz bestätigt wurde. Die von Ihnen vorgebrachte Kritik hatte Hand und Fuß und wir haben uns dem immer anschließen müssen.

Der zweite Dank ist der Dank, den ich an die Kollegen im Rechnungsprüfungsausschuss richten möchte. Wir haben dort sehr engagiert und vor allen Dingen sachlich gearbeitet. Es gab keine kleinliche Parteipolitik, sondern es ging um die Sache, nämlich um die Probleme, die wir ansprechen mussten.

Womit haben wir uns beschäftigt? Wir mussten uns wieder mit einer ganzen Breite der Politik beschäftigen – das macht die Arbeit in diesem Ausschuss interessant –, die praktisch alle Behörden betroffen hat. Wir haben uns mit viel Ärgerlichem beschäftigt, aber zum Teil auch mit Kuriosem.

Ärgerlich waren, wie in den Jahren zuvor auch, die vielen Verstöße gegen das Budgetrecht der Bürgerschaft, also gegen unser Budgetrecht, und die vielen Verstöße gegen die Wirtschaftlichkeit. Das sind die ärgerlichen Sachen, gegen die wir – das haben auch meine beiden Vorrednerinnen gesagt – immer wieder alle gemeinsam ankämpfen

(Dr. Monika Schaal)

müssen. Wir müssen Verwaltungen und Behörden immer wieder dazu auffordern, unsere Rechte einzuhalten.

Es gab auch Kurioses; ich möchte zwei Beispiele nennen. So durften wir uns mit der Jugendmusikschule beschäftigen, die zeitweise nicht in der Lage war, Mahngebühren und Säumniszuschläge einzutreiben, weil sie keine Software dazu hatte. Da wundert man sich schon. Ein anderes Kuriosum, das vielleicht etwas ernsthafter ist: Jeden Tag, an dem die Sonne aufgeht, zahlen wir 4600 Euro für ein Landespolizeiorchester. Das dient nicht gerade der Sicherheit und dennoch haben uns die Vertreter der Innenbehörde engagiert dargelegt, warum wir aus ihrer Sicht das Landespolizeiorchester auf alle Fälle auch in Zukunft brauchen werden. Auch mit solchen Fällen haben wir uns beschäftigt.

Was habe ich gelernt, was habe ich mitgenommen und meinen Kollegen in der GAL-Fraktion mitgeteilt aus der Arbeit dieser drei Abende? Das sind drei Dinge.

Der Landesrechnungshof hat sich mit dem Konzernabschluss beschäftigt und dazu ein Sondergutachten vorgelegt, aus dem wir entnehmen konnten, dass er für mehr Transparenz über die tatsächliche wirtschaftliche Lage sorgt. Vom Rechnungshof wurde zu Recht gelobt, dass es keine Schattenhaushalte mehr gibt, sondern einen Überblick über das gesamte Vermögen. Dennoch gibt es noch Mängel hinsichtlich der Transparenz. Der jährliche Konzernabschluss muss noch transparenter werden. Wir haben – auch darauf haben meine Vorrednerinnen schon hingewiesen – über Bewertungsfragen gestritten und den Senat aufgefordert, uns da noch größere Klarheit zu verschaffen. Ich habe drei Punkte, und zwar unterstützt vom Rechnungshof, aus diesen Sitzungen mitgenommen.

Erstens ist das neue Steuerungswesen, die Doppik, gut und richtig. Wir sollten an diesem neuen Rechnungswesen festhalten, auch wenn in der einen oder anderen Fraktion Politiker im Rahmen der aktuellen Sparmaßnahmen darüber nachdenken, ob man die Umstellung auf das neue Haushaltswesen nicht ganz aufgeben sollte.

(Beifall bei Barbara Ahrons CDU)

Das darf nicht sein, das haben die Diskussionen im Rechnungsprüfungsausschuss gezeigt. Es wurde aber deutlich, dass wir sehr viel mehr kompetente Begleitung brauchen. Wir haben alle einen Fortbildungsbedarf und müssen sehr ernsthaft die Einrichtung eines Budgetbüros diskutieren, damit wir alle als Abgeordnete besser mit diesem neuen Instrument der Haushaltsrechnungslegung umgehen können.

Als zweiten Punkt habe ich das Problem der Wirtschaftlichkeitsprüfung mitgenommen. Wir Politiker müssen diese Wirtschaftlichkeitsprüfungen immer

wieder in unseren Ausschüssen anfordern. In den Diskussionen um die HafenCity Universität haben wir ein langes Hin und Her gehabt, bis uns endlich eine Wirtschaftlichkeitsprüfung vorgelegt wurde. Diese ist allerdings weitgehend formal geblieben. Das muss in der Sache substantiell besser werden. Wir haben auch andere Beispiele, wo eine solche Prüfung unterblieben ist oder nicht hinreichend war. Deshalb die Aufforderung an alle Kollegen, in ihren Ausschüssen immer wieder auch Wirtschaftlichkeitsprüfungen einzufordern.

Der dritte problematische Bereich, den ich mitgenommen habe, ist die Auslagerung von öffentlichen Aufgaben in Landesbetriebe, Anstalten öffentlichen Rechts oder GmbHs, AGs und so weiter. Das Beispiel Planetarium hat gezeigt, wie schwer es teilweise möglich ist, dort politische Wirtschaftlichkeitsvorgaben durchzusetzen. Die Kulturbehörde hat dort einen mühseligen Kampf führen müssen. Wir müssen unseren Blick schärfen und sehen, dass wir auch in ausgelagerten Betrieben das Sagen haben. Auch da muss die Politik durchgreifen können, das ist immer noch ein großes Problem.

Nach der von uns geleisteten Arbeit möchte ich abschließend sagen: Es hat sich wieder gezeigt, dass wir gerade in der Haushaltslage, in der wir jetzt sind, kritische Haushälter in allen Fraktionen brauchen. Diese kritischen Haushälter bedürfen einer engagierten und kritischen Begleitung durch den Rechnungshof. Dafür möchte ich diesem noch einmal danken. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort bekommt Dr. Bischoff.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich kann mich dem Urteil meiner Vorredner anschließen: Der Rechnungshof macht eindeutig eine gute Arbeit und auch unsere Arbeit im Ausschuss gehört mit dazu.

Frau Schaal hat darauf hingewiesen, dass es um viel Geld geht. Das mag in diesem Hause kein großes Interesse erwecken, aber es geht um viel Geld bei diesen Projekten, die Mehrkosten verursachen. Eigentlich müsste man wünschen, der Rechnungshof könne seine Kräfte noch vervielfältigen, denn bei weiteren Prüfungen – das ist meine feste Überzeugung – wäre sicherlich an vielen Punkten noch eine ganze Menge Geld zugunsten der öffentlichen Hand einzusparen und das könnte dann für andere Zwecke verwendet werden. Soweit reichen die Gemeinsamkeiten mit meinen Vorrednern.

Ich habe jetzt drei Punkte, Herr Waldodwsky, aber ich möchte das nicht als kleinkariert verstanden wissen. Frau Dr. Schaal hat uns einen recht optimi

(Andreas Waldowsky)

stischen Ausblick gegeben. In der Vergangenheit gab es 12 Beanstandungen in Sachen Wirtschaftlichkeit, jetzt sind es nur noch sieben, daraus könnte man schließen, dass wir vielleicht irgendwann einmal die Null erreichen werden. Ich bin mir da nicht so sicher – auch, nachdem ich Ihr Plädoyer gehört habe, Herr Waldowsky –, ob das so geht und ob Ihr Appell an die Ausschüsse die richtige Stelle ist.

Ich möchte, wie meine drei Vorredner, noch einmal auf die HafenCity Universität zu sprechen kommen. Herr Waldowsky, wir haben wohl eine unterschiedliche Sichtweise auf dieses Projekt. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, sagen Sie, es sei letztendlich eine Wirtschaftlichkeitsrechnung vorgelegt worden, die aber formal geblieben sei. Ich habe mir angesehen, wie der Senat auf die Vorhaltungen reagiert hat. Das war skandalös, was Frau Gundelach gemacht hat, auch dem Parlament gegenüber.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Ich möchte das nur als Problemstellung verstanden wissen, wie nämlich der Senat auf Vorhaltungen des Rechnungshofs reagiert. Ich zitiere:

"Die Feststellungen des Rechnungshofs, dass mit der Standortwahl HafenCity Mehrkosten gegenüber anderen Standorten entstehen und eine Wirtschaftlichkeitsberechnung nicht vorliegt, treffen im Grundsatz zu."

Es ist klar, dass nun das berühmte "Aber" kommen muss:

"Bezüglich der […] Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der Standortauswahl geht die BWF inzwischen davon aus, dass eine vergleichende Betrachtung der positiven und negativen Effekte zweier Standorte mit quantitativen Methoden in diesem Fall nicht zu belastbaren Aussagen führt."

Man hätte also mit Annahmen arbeiten müssen und vor diesem Hintergrund hat das BWF auf einen Wirtschaftlichkeitsvergleich verzichtet. Der Senat sagt hier zu einem Großkonflikt in der Stadt abschließend, er habe keinen Wirtschaftlichkeitsvergleich vorgelegt. Er ist sogar noch stolz darauf und schiebt eine Begründung dafür nach, die in dem ganzen Verfahren angegriffen worden ist.

Aus meiner Sicht geht es darum, wie wir so etwas vermeiden oder damit umgehen können. Ich habe immer betont, dass ich es akzeptieren kann, wenn die Behörde und der Senat hinterher sagen, dass Sie sich zugunsten des Projektes entscheiden und von der Wirtschaftlichkeitsrechnung distanzieren wollen. Aber zuvor muss diese Wirtschaftlichkeitsrechnung vorgelegt werden, sonst geht das nicht. Es kann nicht darum gehen, Wirtschaftlichkeitsrechnungen als Instrument zur Legitimierung irgendwelcher Projekte heranzuziehen. Solange wir

es nicht schaffen, diese Haltung zu brechen und solange das dem Senat nicht beigebracht wird, werden wir, fürchte ich, immer wieder Verstöße gegen die Wirtschaftlichkeit zur Kenntnis nehmen müssen.

Frau Ahrons, Sie haben mein zweites Beispiel, die Schule Chemnitzstraße, schon angesprochen. Hier sind die Kosten von 4,8 Millionen Euro auf fast 15 Millionen Euro angestiegen. Das ist wirklich ein Skandal. Rückblickend sagt der Senat:

"Die Feststellung des Rechnungshofs, dass eine vollständige Wirtschaftlichkeitsuntersuchung nicht vorliegt, trifft zwar zu, die Notwendigkeit des Neubaus konnte aber nicht ausschließlich aus Sicht der zuständigen Behörde begründet werden."

Solange gesagt wird, dass der Rechnungshof und auch die "deppigen" Wirtschaftsprüfer recht haben, wir aber hinterher feststellen müssen, dass das nichts ändert und Senat und Behörden unbeeindruckt bei ihrer Auffassung bleiben, ist das in meinen Augen eine Missachtung des Parlaments. Das ist in diesen beiden Verfahren sichtbar geworden und das muss geändert werden. Wenn wir diese Haltung nicht aufbrechen, dann ist zu befürchten, dass irgendwann unsere ganze Arbeit ins Leere läuft.

Ich will noch zwei Punkte ansprechen. Der Rechnungshof schreibt – der Senat hat es sich auch zu Eigen gemacht –:

"Öffentlich Private Partnerschaften […] könnten aus sich heraus nicht die Lösung finanzieller Probleme darstellen …"

Das ist ganz wichtig, weil wir, Stichwort intelligente Privatisierung, eine ganze Reihe solcher Projekte vor uns haben. Wenn das funktionieren soll, dann wäre jetzt der Appell an Ihre eigene Fraktion hilfreich, Herr Waldowsky. Es muss dem Rechnungshof dann auch gefolgt werden; die ÖPP-Projekte müssen im Einzelnen und differenziert betrachtet werden und es muss für jedes dieser Projekte ein Nachweis der Wirtschaftlichkeit erfolgen.

Der letzte Punkt. Das war eben eine Hommage an das neue Rechnungswesen von Ihnen. Nach meinem Eindruck sind wir noch eine Ecke davon entfernt, denn zu der Konzernbilanz stellt der Rechnungshof fest: