Protokoll der Sitzung vom 10.12.2009

sich um Einschätzungen oder Bewertungen herumdrückt und Daten nur dann preisgibt, wenn es sich gar nicht verhindern lässt. Man mag zu der Auffassung gelangen, hier walte politisches Kalkül.

Wer sich indes die Mühe macht, die Senatsantwort zu unserer Großen Anfrage zu dem Bachelor- und Mastersystem in Hamburg durchzusehen, den beschleicht ein weiterer, ebenso besorgniserregender Eindruck: Dieser Senat weiß wenig und es lassen sich an kaum einer Antwort Konzepte, Leitlinien oder eigene Ideen erkennen. Es gibt keine Antworten zu den Zielvorstellungen hinsichtlich der Übergangsquoten von Bachelor- zu Masterstudiengängen. Der Senat kennt offensichtlich die Kritik der Fachschaften, des Lehrkörpers und der ASten nicht. Er sieht keinen sachlichen Zusammenhang zwischen der materiellen Situation der Studierenden und der Studierbarkeit der neuen Studiengänge und kommt lediglich zu dem Ergebnis – ich zitiere –:

"Nicht zufrieden stellen die Daten, die hinsichtlich der Mobilität von Bachelorstudierenden vorliegen. Insgesamt ist zu konstatieren, dass die Einführung des Bachelor-/Mastersystems erfolgreich war, in einigen Bereichen jedoch Nachsteuerungsbedarfe bestehen."

Unser Fazit fällt anders aus.

Erstens: Die kategorische Vorgabe der Wissenschaftsbehörde, Bachelorstudiengänge auf maximal sechs und Masterstudiengänge auf maximal vier Semester anzulegen, ist gescheitert. Senator Dräger hatte nicht nur Unrecht, er hat Unheil gebracht für die Hochschulen, die sich ihm in dieser Frage widerstandslos beugten.

(Beifall bei der SPD – Wolfgang Beuß CDU: Nun übertreiben Sie mal nicht, Frau Stapel- feldt!)

Einige haben es ja auch nicht getan, Herr Kollege.

Zweitens: Es gibt keine hinreichende Datenbasis für die Ermittlung etwaiger Verbesserungen, weder bei der Studiendauer, noch bei der Studienerfolgsoder Abbrecherquote.

Drittens: Die Mobilität ist nach Einführung des neuen Studiensystems gesunken.

Viertens: Die Studierbarkeit hat sich verschlechtert.

Fünftens: Die Masterquoten sind völlig unzureichend.

Insgesamt ist das überhaupt nicht gut für die Hamburger Hochschulen.

(Beifall bei der SPD)

Der Senat verkündete, die Einführung des neuen Systems sei erfolgreich und das wenige Wochen, bevor die Studentenproteste sich in den letzten Wochen ausgeweitet haben, die Aktionswochen begannen und letztlich alle Wissenschaftsminister den Reformbedarf für richtig erklärten. Die Kultusministerkonferenz – das wird Frau Senatorin möglicherweise in der Debatte erwähnen – wird ihn heute auch beschließen.

Die entscheidende Frage ist nun, in welche Richtung der Senat aktiv werden wird. Wenn die zuständige Senatorin sich die Mühe machen würde, sich darüber zu informieren, was wirklich an den Hochschulen vorgeht, würde sie erfahren, dass an vielen Stellen in den Fachbereichen sachkundige und detaillierte Vorstellungen über notwendige Änderungen entwickelt worden sind. Wenn das Studiensystem erfolgreich verändert werden soll, dann brauchen wir diesen Sachverstand aus den Hochschulen. Die für die Lehre zuständige Arbeitsgruppe, die mit den Vizepräsidenten eingerichtet worden ist, kann nur ein erster Schritt sein. Wirklich

durchgreifend kann das System nur mit dem Sachverstand der Betroffenen an den Hochschulen verändert werden. Darauf müssen wir hinwirken.

Wir haben drei zentrale Forderungen. Erstens müssen wir weg von dem Dogma des dreijährigen Bachelorstudiums. Bundespräsident Köhler hat zu Recht festgestellt, dass Studierende Zeit und Freiheit brauchen. Wenn die uns vorgelegte Beschlussvorlage von der Kultusministerkonferenz heute tatsächlich umgesetzt wird, dann können Bachelorstudiengänge künftig auf sechs, sieben oder acht Semester angelegt sein und Masterstudiengänge auf vier, drei oder zwei. Das ist schon einmal ein Schritt in die richtige Richtung, reicht alleine aber nicht aus. Mit einer schlichten Verlängerung der Regelstudienzeit ist es nicht getan. Wir brauchen mehr Freiraum für profunde Grundkenntnisse und interdisziplinäres Denken. Außerdem – und das ist noch wichtiger – müssen sich Länge und Ausgestaltung des Studiums an den inhaltlichen Anforderungen des Studienfachs bemessen, die sich aus den Anforderungen des entsprechenden Kernbereichs entwickeln. Es geht dabei nicht um frühere Curricula, die jetzt einfach in weniger Semester zusammengestaucht werden. Es kann auch nicht um weiteres Spezialistentum gehen. Ich habe gelesen, dass es inzwischen 12 000 akkreditierte Studiengänge in Deutschland gibt. Wir brauchen etwas ganz anderes.

Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung zum Thema Studierbarkeit. Wir finden in der Beschlussvorlage für die heutige Kultusministerkonferenz den Punkt 10 zur Studierbarkeit. Demnach ist eine bestimmte Summe von Semesterwochenstunden vorgesehen. Ich will diese 32 bis 39 Stunden in 46 Wochen in einem Jahr gar nicht im Einzelnen erklären. Wenn sich das aber durchsetzen sollte, dann heißt das ganz klar, dass Studierende, die ihr Studium selbst finanzieren müssen – und das sind nicht wenige –, auch in den kommenden Jahren nur ein Teilzeitstudium machen können und das halte ich nicht für richtig.

(Beifall bei der SPD)

Die zweite unserer Kernforderungen ist daher, eines der zentralen Versprechen, die mit dieser Reform verbunden waren, endlich einzulösen. Wir brauchen mehr und nicht weniger Mobilität und auch internationale Mobilität. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist Zeit.

Unsere dritte Forderung: Jedem Bachelor-Absolventen muss der Weg zu einem Masterstudiengang offenstehen. Das ist allein deshalb wichtig, weil wir bei ehrlicher Betrachtung der Studiengänge zu dem Ergebnis kommen, dass nicht jeder Bachelor-Abschluss hinreichend zu einer Berufsbefähigung qualifiziert. Diese Forderung wird mit der heute in der Kultusministerkonferenz vorgelegten Beschlussvorlage nicht umgesetzt werden können, weil es nach ihr Aufgabe der Länder ist, den Zu

gang zu den Masterstudiengängen zu regeln, und sie es ihnen ermöglicht, den Zugang durch Eingangsprüfungen oder andere Voraussetzungen zu beschränken. Das wiederum kann nur bedeuten, dass es zu einer mit heute vergleichbaren Situation kommt. Anzahl und Quoten für Masterstudiengänge werden eher von den Finanzen der jeweiligen Länder und den Haushaltsmitteln der Wissenschaftsbehörden abhängig gemacht als von dem, was inhaltlich wünschenswert ist. Meiner Ansicht nach ist das nicht richtig, ganz im Gegenteil. Noch einmal: Jedem Bachelor-Absolventen muss der Weg zu einem Masterstudiengang offenstehen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Die Annahme, in den Hochschulen könne man mit gleichen Mitteln in weniger Semestern mehr Studenten zu einem Hochschulabschluss bringen, war – eigentlich auch vorhersehbar – falsch. Damit war bereits ein Keim des Scheiterns im Bologna-Prozess angelegt.

In der nächsten Woche wird es im Rahmen der Jahreskonferenz der Regierungschefs von Bund und Ländern auch um Bildung und Hochschulausgaben gehen. Frau Schavan zögert und zaudert und deshalb sind die Länder in der Pflicht, selber darauf hinzuwirken, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung ihnen bei der Finanzierung der Hochschulen nicht das Licht ausdreht. Ich sehe hier die zurzeit dringendste Aufgabe, nicht nur für Sie, Frau Gundelach, als zuständige Senatorin, sondern auch für den Ersten Bürgermeister. Er wird nächste Woche zu der Konferenz fahren und muss dieses Thema für die Wissenschaftsmetropole Hamburg zur Chefsache machen, das ist wichtig.

Die abschließende und für die Hamburger Hochschulen entscheidende Frage lautet: Wird es eine Initiative dieses Senats geben, die chronische Unterfinanzierung im Hochschulbereich zu beheben? Weniger Steuereinnahmen, wie von Schwarz-Gelb geplant, und mehr Geld für die Bildung werden nicht gleichzeitig funktionieren. Da müssen Sie sich als Senat entscheiden, in welche Richtung Sie gehen wollen. Wir werden den Senat an den Ergebnissen messen und ich bin sicher, die Studierenden an den Hochschulen werden das auch tun. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält der Abgeordnete Dr. Langhein.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Stapelfeldt, Sie haben gesagt, es müsse gehandelt werden. Es ist gehandelt worden. Es ist eine Arbeitsgruppe eingerichtet worden, die sich mit genau den Themen befasst, die Sie angesprochen haben.

(Dr. Dorothee Stapelfeldt)

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Diese Arbeitsgruppe Bachelor/Master wird ihr Arbeitsergebnis in den nächsten Tagen vorlegen, das dann zunächst den Landes-ASten zur weiteren Beratung und anschließend den Hochschulleitungen zur Umsetzung zugesandt wird.

Vielleicht kann ich daraus schon einiges vorwegnehmen.

(Wilfried Buss SPD: Was wissen Sie denn davon?)

Die Hauptkritikpunkte, die im Sommer an den einzelnen Modulen geäußert wurden, werden in Angriff genommen werden. So wird die Anzahl der schriftlichen Prüfungen auf eine Klausur je Modul herabgesetzt werden. Das wird auch eine bessere Studierbarkeit zur Folge haben.

Nun ist es eine schwierige Angelegenheit, einen solch anspruchsvollen Prozess wie die Umwandlung des Studiensystems auf Bachelor und Master umzusetzen.

Ich möchte hier ein Zitat anführen:

"Der Mensch denkt, fühlt und lebt allein in der Sprache und muss erst durch sie gebildet werden."

Das ist ein Humboldt-Zitat.

(Beifall bei Wolfgang Beuß CDU und Arno Münster SPD)

Daran haben auch wir uns auszurichten. Mit dem Bologna-Prozess und der Einführung des gestuften Studiensystems hat ein tiefgreifender Wandel in der Hochschulausbildung stattgefunden. Es handelt sich hierbei nicht allein um die Namensänderungen der akademischen Grade, sondern um einen Systemwandel, an dessen Ende der Master mit einem Diplom vergleichbar ist. Ich stimme den vom Deutschen Hochschulverband immer wieder geforderten Anforderungen und seinem Ziel voll und ganz zu. Die traditionellen deutschen Studienabschlüsse haben sich national und international Renommee erworben

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das Diplom, ja, das Diplom!)

und es gilt, diese Qualität zu halten, ohne dass damit der Bachelor als vollwertiger Studienabschluss abgewertet wird.

(Beifall bei der CDU)

Das gestufte Studiensystem muss weiterentwickelt werden, damit es in der Sprache und auch inhaltlich so ausgebaut wird, dass eine breite Akzeptanz entstehen kann. Das betrifft vor allem die Studieninhalte und die darauf aufbauenden angemessenen Prüfungen und deren Anerkennung durch andere Hochschulen. Die Vergleichbarkeit war immer

ein Ziel des Bologna-Prozesses; wir wollen dieses Ziel jetzt auch herbeiführen.

Jetzt werde ich mich mit Ihrer Großen Anfrage auseinandersetzen, zu der Sie hier relativ wenig vorgetragen haben.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Da sind ja auch keine Antworten drin!)

Ich kann hier nur auf ein paar Punkte eingehen. Richtig ist, dass ein gestuftes Studiensystem so ausgestaltet sein muss, dass eine Vergleichbarkeit mit anderen Hochschulen besteht, damit die Studierenden auch an anderen Hochschulen in Deutschland und Europa ihren Studiengang fortsetzen und abschließen können. Das ist ganz klar und so hat es der Senat auch gesagt.

Richtig ist außerdem, dass die Studieninhalte ohne Abstriche an die angestrebten Qualifikationsziele so vermittelt werden sollten, dass den Studierenden selbstständiges Denken und Handeln ermöglicht wird. Ziel muss es sein, den Studierenden die Fähigkeit zu vermitteln, eigenständig zu forschen und die Wissenschaft zu fördern. Das muss durch den Masterstudiengang gewährleistet sein.