Protokoll der Sitzung vom 20.01.2010

[Unterrichtung durch den Präsidenten der Bürgerschaft: Wahl von Mitgliedern des Richterwahlausschusses und ihren Vertreterinnen und Vertretern – Drs 19/4133 –]

[Unterrichtung durch den Präsidenten der Bürgerschaft: Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Schule und Berufsbildung – Drs 19/4676 –]

Meine Damen und Herren! Würden Sie mir bitte zuhören. Es wäre schön, wenn wir das zunächst einmal abwickeln könnten. Sie haben dabei einiges zu bedenken.

Die Fraktionen haben vereinbart, dass beide Wahlen in einem Wahlgang durchgeführt werden sollen.

Bevor wir zu den Wahlen kommen, ist mir mitgeteilt worden, dass zur Wahl des Richterwahlausschusses aus den Reihen der SPD-Fraktion gemäß Paragraf 26 Absatz 6 der Geschäftsordnung das Wort gewünscht wird. – Frau Ernst, Sie haben das Wort für maximal fünf Minuten.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Diese Wahl für den Richterwahlausschuss hat uns wieder einmal gezeigt, dass die Gleichstellung von Frauen nicht vorankommt, wenn wir uns selber nicht aktiv daran beteiligen. Wir haben in Hamburg die Situation, dass die Verfassung auch ausdrücklich die Bürgerschaft auffordert, hier aktiv zu werden, wenn es darum geht, öffentliche Gremien zu besetzen. Wir haben

das auch getan und die Wahl zum Richterwahlausschuss sogar vertagt, weil wir die in dieses Gremium Entsendende aufgefordert haben, doch noch einmal darüber nachzudenken, ob der Frauenanteil nicht erhöht werden kann. Wir sind sehr froh, dass es dem DGB gelungen ist, uns innerhalb von 24 Stunden im letzten Jahr einen weiblichen Vorschlag zu machen.

(Beifall bei der SPD, der GAL, der LINKEN und vereinzelt bei der CDU)

Wir sind aber sehr enttäuscht darüber, dass es der Rechtsanwaltskammer und den Vereinigungen der Unternehmensverbände leider nicht gelungen ist, hier nachzubessern. Wir sollten uns für die Zukunft vornehmen, unser Anliegen von vornherein etwas energischer vorzutragen und vielleicht auch einmal über eine höhere Verbindlichkeit dieser Regelung nachzudenken. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und der GAL)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann kommen wir zu den Wahlvorgängen.

Die beiden Stimmzettel liegen Ihnen vor. Sie enthalten bei jedem Namen ein Feld für Zustimmung, Ablehnung und Enthaltung. Auf dem Stimmzettel für den Richterwahlausschuss dürfen Sie bei jedem der 20 Namen ein Kreuz machen, aber bitte nur eines. Mehrere Kreuze beziehungsweise kein Kreuz bei einem der Namen machen die Wahl dieses Kandidaten ungültig. Auch weitere Eintragungen oder Bemerkungen würden zur Ungültigkeit des gesamten Stimmzettels führen. Den Stimmzettel für die Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Schule und Berufsbildung versehen Sie bitte mit einem Kreuz. Auch hier gilt, dass Stimmzettel, die den Willen des Mitglieds nicht zweifelsfrei erkennen lassen oder Zusätze enthalten, ebenso ungültig sind wie unausgefüllte Stimmzettel.

Nehmen Sie jetzt bitte Ihre Wahlentscheidungen vor. Mit dem Einsammeln der Stimmzettel werden wir noch ein wenig warten.

(Die Wahlhandlungen werden vorgenom- men.)

Darf ich nunmehr Frau Thomas und Herrn Hakverdi bitten, mit dem Einsammeln der Stimmzettel zu beginnen.

Meine Damen und Herren! Sind alle Stimmzettel eingesammelt? – Das ist der Fall. Dann schließe ich die Wahlhandlung.

Die Wahlergebnisse werden jetzt ermittelt und nachher vereinbarungsgemäß zu Protokoll nachgereicht.

(Olaf Ohlsen)

Siehe Anlage 1, Seite 2809 - 2811

Meine Damen und Herren! Ich wäre Ihnen zu großem Dank verpflichtet, wenn Sie Ihre Nebengespräche draußen abwickeln könnten, damit wir in der Tagesordnung fortfahren können. Ist das so verstanden, auch bei der CDU-Fraktion, oder gibt es noch Erklärungsbedarf?

Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 53 auf, Drucksache 19/4988, Antrag der CDU- und der GAL-Fraktion: Städtepartnerschaft mit Shanghai und politischer Dialog mit der Volksrepublik China.

[Antrag der Fraktionen der CDU und GAL: Städtepartnerschaft mit Shanghai und politischer Dialog mit der Volksrepublik China – Drs 19/4988 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 19/5115 ein Antrag der SPD-Fraktion vor.

[Antrag der Fraktion der SPD: Hamburg – China: Menschenrechtsdialog stärken – Drs 19/5115 –]

Die Drucksache 19/4988 möchte die SPD-Fraktion an den Europaausschuss überweisen.

Wer wünscht das Wort? – Frau Machaczek, bitte.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben diesen Antrag gestellt, da uns beides, nämlich die Menschenrechte und China, insbesondere Shanghai, am Herzen liegen. Der Anlass zu unserem Antrag ist: Kurz vor Weihnachten wurde der Menschenrechtskämpfer Liu Xiaobo im Schnellprozess zu elf Jahren Haft verurteilt. Er soll vor einem Jahr als einer von 300 Mitverfassern der Charta 08 zum Umsturz der Staatsgewalt in China angestachelt haben. Dieser Vorwurf ist nicht nachvollziehbar. Den Verfassern geht es um politische Freiheit, nicht um Umsturz. Inzwischen haben sich immerhin 10 000 Intellektuelle in China dieser Charta angeschlossen.

Vielen Anwälten, die sich in gesellschaftskritischen Bereichen engagieren, wurde im Laufe des Jahres 2009 die Lizenz entzogen. Am Tag davor haben die chinesischen Behörden einen Briten mit der Giftspritze hingerichtet, weil er Heroin geschmuggelt haben soll. Etliche Gnadengesuche der britischen Regierung mit Verweis auf die psychische Erkrankung des Familienvaters hatten dessen Leben nicht retten können. Beide Strafen gelten als Höchstmaß. Kein Regimekritiker ist in letzter Zeit zu einer so langen Haftstrafe verurteilt worden wie

Professor Liu, und erstmals seit 58 Jahren wagte China, einen Europäer zu töten.

Beides können wir nicht akzeptieren und verurteilen es ausdrücklich.

(Beifall bei der CDU, der GAL und der SPD)

Die drakonische Strafe für den Bürgerrechtler ist eine Warnung an alle Kritiker des kommunistischen Systems. Das Huhn töten, um den Affen zu erschrecken, heißt diese Methode zur Abschreckung in China. Die Botschaft ist unmissverständlich: Niemand darf an der Macht der Kommunistischen Partei rütteln. Das harsche Urteil von elf Jahren Gefängnis ist gleichzeitig eine trotzige und brüske Zurückweisung der Bitten Deutschlands, der EU und auch der USA, Professor Liu freizulassen. Was ist los in China, in einem Land, das mit jedem Tag stärker auf die internationale Bühne drängt, das von Asien bis Afrika, vom Klimaschutz bis zu Rohstoffen seine eigenen Regeln der Globalisierung setzt. Auch unsere Delegation, die uns in Shanghai und auch Qingdao besuchte, konnte dieses eindrucksvoll erkennen.

Was können, was sollen wir tun, die Beziehungen abbrechen? Zumindest maßgebliche Sozialdemokraten wie die Exkanzler Schröder und Helmut Schmidt zeigten sich immer besonders freundlich gegenüber China und Ex-Außenminister Steinmeier kritisierte die Bundeskanzlerin Merkel, weil sie den Dalai Lama empfing. Also lassen Sie uns die Sache noch einmal in Ruhe betrachten.

Seit über 20 Jahren pflegt Hamburg eine lebendige Partnerschaft zu China und besonders zu Shanghai. Schon am Anfang war klar, dass wir durch Handel, Begegnung und Dialog selten eine leichte, aber eine in die Zukunft gerichtete Partnerschaft haben. Unser Ziel war immer Annäherung und Wandel. Heute verabredet Shanghai mit Hamburg – und umgekehrt – alle zwei Jahre ein Memorandum mit beeindruckenden Aktivitäten. Die Themen umfassen fast alle politischen Bereiche. Wir beziehen Partner aus verschiedenen Gruppen Shanghais mit ein, Künstler, Wissenschaftler, Jugendliche und Rechtsanwälte. Die meisten Teilnehmer repräsentieren die Gesellschaft, nicht die Politik. Der Senat hat mit CHINA TIME eine zweijährige, sehr pluralistische Veranstaltungsreihe ins Leben gerufen, die auch kritische Themen behandelt wie zum Beispiel Tibet, die Lage der christlichen Kirchen oder die Missachtung des geistigen Eigentums. CHINA TIME ist auch für weitere kritische Veranstaltungen offen.

Auch dadurch ist übrigens Hamburgs Chinakompetenz inzwischen in Deutschland und China aner

(Vizepräsident Wolfhard Ploog)

kannt. Es ist genau diese Kompetenz und Kontinuität, die uns auch erlaubt, wichtige Fragen offen zu stellen.

Von Beginn der Partnerschaft an, die lange vor unserer Regierungszeit geschlossen wurde, war China kein freiheitliches und demokratisches Land, dennoch hat China seitdem enorme Schritte der Entwicklung gemacht. Sehr vielen Menschen geht es inzwischen wirtschaftlich und sozial viel besser als früher, trotz aller Probleme. Die chinesische Führung setzt ihre schrittweise wirtschaftliche und politische Reform-Öffnungspolitik fort. Privat – allerdings nur privat – kann man fast alles äußern. Aber wir wissen, die Kommunistische Partei will sich das Heft des Handelns nicht aus der Hand nehmen lassen und vermutlich sprechen Kommunisten viele Themen intern auch offen an. Öffentlich kann diese Partei aber ebenso wenig Kritik ertragen wie den Zusammenschluss von gesellschaftlichen Kräften. Bürgerliche Freiheit hält die Regierung für eine Gefährdung der Stabilität. Hierauf reagiert sie mit Repression, willkürlichen Verhaftungen und Misshandlungen. Dieses bleibt leider tägliche Praxis. Und mit der Problematik der Laogai-Lager, daran möchte ich erinnern, hat sich die Bürgerschaft in der letzten Legislaturperiode auch sehr gründlich befasst.

Besorgniserregend ist auch die Lage der Menschen in China, die einer Religion anhängen. Christen werden diskriminiert und verfolgt, ebenso Muslime, nicht nur Uiguren. Man fragt sich, warum die chinesische Politik so ängstlich ist, wenn Menschen gewisse Wertgrundlagen für ihr Leben entwickeln.

China hat die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen unterzeichnet. Unser Antrag betont also zu Recht, dass die Menschenrechte universell sind und deswegen gilt für Menschenrechte nicht der Grundsatz der Nicht-Einmischung in innere Angelegenheiten. Im Übrigen ist die chinesische Seite auch frei, mit uns, in Deutschland und Hamburg, über solche Themen zu sprechen. Es ist nicht nur gegen China gerichtete Kritik, wenn wir nach unserem Kompass die Todesstrafe als völlig inakzeptabel ablehnen. Wir halten diese in den USA und in anderen Ländern für genauso schrecklich.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU und der GAL und bei Christiane Schneider DIE LIN- KE)

Da können Sie gerne klatschen.

Natürlich ist es auch gut, wenn in China heutzutage zwei Drittel weniger Todesurteile vollstreckt werden als noch vor zehn Jahren. Aber über 5000 Hinrichtungen pro Jahr sind vollkommen unfassbar und auch nicht tolerierbar.

(Beifall bei der CDU und der GAL und bei Dr. Joachim Bischoff DIE LINKE)

Angesichts dieser Lage sprechen die Bundesregierung, der Senat und Abgeordnete bei ihren Besuchen in Shanghai und in Peking regelmäßig mit Bürgerrechtlern, kirchlichen Gruppen und unabhängigen Persönlichkeiten, wie wir es übrigens auf unserer Reise der Bürgerschaft auch getan haben. Der Bürgermeister traf früher die Führung der evangelischen Kirche Chinas und kritische Künstler; stille Diplomatie bleibt wichtig.

Meine Damen und Herren! Die Zeit ist inzwischen reif dafür, neue Möglichkeiten zu schaffen, um über Rechtsstaat, Freiheit, Demokratie und Menschenrechte in einem anderen Rahmen zu sprechen. Denkbar ist ein Seminar im Rahmen des Menschenrechtsdialogs der Bundesregierung mit China. Der Senat, unsere Universität, die Bucerius Law School und das Max-Planck-Institut sowie auch die Rechtsanwaltskammer in Hamburg haben für die Europäische Union die China-EU School of Law konzipiert. Dort werden über 1000 chinesische Juristen jedes Jahr ausgebildet. Ich glaube, auf diese Kontakte können wir bauen und werden wir aufbauen im Sinne unseres Antrags.

Für die Koalitionsfraktionen gehören Dialog, Handel und Begegnung zusammen. Eine Städtepartnerschaft hält offene Worte aus, wenn es gegenseitiges Vertrauen gibt. Ein Dialog, der etwas erreichen will, verlangt hohe Verantwortung. Oberlehrerhaftes Auftreten und markige Presseerklärungen knallen Türen zu, die man eigentlich braucht, um Zugänge zu haben und in den Dialog zu treten. Wer also konkret etwas für die Menschen erreichen will, darf diese Türen nicht zuschlagen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

In Zeiten des Kalten Krieges unterhielten wir politische und wirtschaftliche Beziehungen zur Sowjetunion. Wir hatten die Hoffnung und Überzeugung, dass Handel und Dialog zu Wandel und Veränderung führten. Was damals eine Hoffnung war, hat die geschichtliche Entwicklung beeindruckend bestätigt. Was damals richtig war, ist heute nicht falsch. In diesem Geiste werbe ich für das Anliegen unseres Antrags.

Sehr geehrte Damen und Herren der SPD, ganz kurz zu Ihrem Antrag. Weitestgehend haben Sie die Ideen und Gedanken, die ich jetzt vorgetragen habe und die in unserem Antrag zu finden sind, aufgenommen. Vieles, nicht alles, haben Sie übernommen. Lassen Sie uns jetzt nicht über Formulierungen streiten, wir wollen heute entscheiden und wir werden auch nur unseren Antrag zur Abstimmung stellen und Ihren ablehnen. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der GAL)