Protokoll der Sitzung vom 21.01.2010

wieder stärker berücksichtigen. Dafür haben ihm Mitglieder aller Fraktionen applaudiert, auch ich.

Schöne Reden sind das eine, viel wichtiger und spannender ist, was dann aus ihnen folgt. Schließlich ist der Bürgermeister kein Feuilletonredakteur, sondern politisch Verantwortlicher. In einer Kleinen Anfrage bot ich ihm damals eine Reihe naheliegender praktischer Konsequenzen an, unter anderem den bundesweiten Einsatz für eine Vermögensteuer.

(Jörg Hamann CDU: Generöses Angebot!)

Doch diese Chance hat er damals nicht wahrgenommen und darauf verzichtet, Glaubwürdigkeit durch Handeln unter Beweis zu stellen. Auf die Taten, die den schönen Worten folgen sollten, warten wir noch heute.

Nun gibt es diese Chance für den Bürgermeister, den Senat und die Regierungsfraktionen erneut. Greifen Sie unseren Antrag auf, stimmen Sie ihm zu, setzen Sie sich bei Frau Merkel und bei Ihren Parteien auf Bundesebene für die Wiedereinführung der Vermögensteuer ein. Zeigen Sie uns und den Hamburgern damit, dass Sie es mit dem Umdenken, der Warnung vor dem marktradikalen Irrweg und dem Kampf für Anstand und Moral tatsächlich ernst meinten.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Offenbar geht einiges in der CDU, wenn man denn nur will. Immerhin spricht sich auch die Kanzlerin jetzt für eine Finanztransaktionssteuer aus, eine Forderung, die Ihnen noch vor wenigen Monaten als sozialistisches Teufelszeug galt. Vielleicht fällt Ihnen auch noch auf den letzten Drücker etwas Kritisches zu der speziellen Form von Steuergerechtigkeit ein, mit der die Berliner Koalition im Auftrag der FDP als Adressatin von Großspenden einer Hotelkette jetzt die Mehrwertsteuer für eben dieses Hotelgewerbe gesenkt hat.

(Jörg Hamann CDU: Aber Schröder war doch auch gegen die Vermögensteuer!)

Auch das hat ganz viel mit Moral und Anstand zu tun und es stände dem Bürgermeister gut zu Gesicht, wenn er diese Art offenkundiger regierungsamtlicher Auftragsarbeit von Hamburg aus öffentlich geißeln würde.

(Beifall bei der SPD und bei Kersten Artus DIE LINKE – Glocke)

Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hamann?

Nein, das möchte ich nicht.

Die Vermögensteuer ist nicht nur und nicht in erster Linie eine Frage der Moral. Sie ist auch und viel mehr eine Frage der ökonomischen Vernunft. Sie ist gerade in ökonomischer Hinsicht eine wich

(Norbert Hackbusch)

tige Konsequenz aus der Wirtschafts- und Finanzkrise. Dafür sprechen drei Gründe, zu denen ich etwas sagen möchte.

Erstens: Hohe Geldvermögen von Unternehmen und Privatleuten sind das Spielgeld in der Finanzkrise und in den Finanzcasinos gewesen. Die fatale Zockerei konnte nur deshalb solche verheerenden Ausmaße annehmen, weil die Zocker so viel Geld zum Zocken zur Verfügung hatten. Die virtuellen Spekulationsblasen haben stets eine reale Basis, nämlich Geldvermögen, das möglichst rasch und steil vermehrt werden soll. Die Vermögensteuer würde dafür sorgen, dass zumindest ein kleiner Teil dieser riesigen Geldvermögen nicht mehr als Treibstoff für den nächsten Spekulationscrash genutzt werden kann, sondern dem Gemeinwohl zur Verfügung stehen würde. Unsere Stadt braucht kein Gerede über Gemeinwohl, sondern in diesem Zusammenhang endlich konkrete Taten.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der LINKEN)

Zweitens: Die Krise ist in Deutschland nicht nur eine Finanz-, sondern auch eine Wirtschaftskrise, und zwar aus hausgemachten Gründen. Die Einkommen und Vermögen sind immer ungleicher verteilt und das hat bekanntermaßen dazu geführt, dass die Binnennachfrage in Deutschland seit vielen Jahren immer weiter geschwächt wurde. Das ist auch kein Wunder, wenn die Einkommen der breiten Arbeitnehmerschichten seit Jahren stagnieren oder zurückgehen und gleichzeitig die Steuerlast immer stärker auf gerade diese Einkommen verlagert wird, vor allem durch die Progression und die höhere Mehrwertsteuer. Deshalb hat die OECD Deutschland jüngst empfohlen, die Verteilung seiner Steuerlast umzustrukturieren, und zwar ausdrücklich durch die Erhöhung vermögensbezogener Steuern, die in Deutschland im internationalen Vergleich extrem niedrig sind. Sie betragen nur 0,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Im Durchschnitt der EU und der OECD betragen sie 2 Prozent. Vermögensbezogene Steuern sind – das bestätigt die OECD ausdrücklich – die konjunkturund wachstumspolitisch sinnvollsten Steuern, da sie die private Kauf- und die Investitionskraft am wenigsten belasten. Wenn die Vermögenden und ihre Lobbyisten in Wirtschaft und Politik permanent vorbeten, die Vermögensteuer sei leistungs- und wachstumsfeindlich und würde die Reichen aus dem Land treiben, dann ist das offenkundiger interessegeleiteter Unsinn. Das Gegenteil ist richtig. Überall anderswo müssten Sie mehr Steuern für vermögensbezogene Anteile bezahlen als in Deutschland.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Ingo Egloff SPD: Außer in Liechtenstein!)

Drittens: Der Staat braucht höhere Einnahmen, gerade auch, um die höheren Ausgaben zur Krisenbewältigung zu refinanzieren – zum Beispiel die Fi

nanzierung der Zinsen für die Rettungsschirme – und um seine öffentlichen Aufgaben weiter ausfüllen zu können. Die prekäre finanzielle Situation Hamburgs ist uns allen zur Genüge bekannt. Doch in dieser Lage nach altem Muster eine krasse Rotstiftpolitik zu betreiben und dabei in gesetzliche Leistungsansprüche einzugreifen, die öffentlichen Dienstleistungen, die Daseinsvorsorge und die Infrastruktur weiter zu beschneiden oder gar zu privatisieren, ist die falsche Alternative, und zwar nicht nur, weil diese Rotstiftpolitik die sozialen Ungerechtigkeiten verschärfen würde, sondern auch, weil dadurch neue Arbeitslosigkeit und neue Armut die Kaufkraft weiter schwächen und so die Wirtschaft abwürgen würden. Hamburg braucht eben auch den Beitrag der breiten Schultern, wenn es weniger soziale Spaltung und mehr Solidarität in der Stadt geben soll.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Ein beliebter, aber in ökonomischer Hinsicht nicht tragfähiger Einwand wird aus der konservativen und liberalen Ecke immer gern gegen die angeblich allgemein zu hohe Steuerbelastung und Steuerquote vorgetragen. Diese Mär hat allerdings mit der Wirklichkeit immer weniger zu tun. Die Steuerbelastung, und zwar sowohl die nominelle als auch die tatsächliche, ist in Deutschland so niedrig wie in kaum einem anderen Industrieland. Die Steuerquote liegt aktuell bei 21 Prozent und würde auch in den nächsten Jahren so niedrig bleiben, wenn nicht gegengesteuert wird. Auch wenn man die Sozialabgaben mit einbezieht, liegt Deutschland bei gerade einmal 36 Prozent und damit im OECD-Durchschnitt und unter dem Durchschnitt der EU 15.

Dabei sagt die Höhe der Abgabenquote in Wirklichkeit noch gar nichts aus über die ökonomische Leistungsfähigkeit eines Landes. Einige der Länder, die in den letzten Jahren ökonomisch besonders erfolgreich waren, haben weitaus höhere Abgabenquoten als Deutschland und dennoch oder vielleicht gerade deshalb eine dynamischere Wirtschaft. Diese Position wird übrigens auch von dem Spiritus Rector des Bürgermeisters, dem früheren Finanzsenator Peiner, geteilt. Ich zitiere aus seiner Pressemitteilung anlässlich der Steuerschätzung im Mai 2004:

"Die Steuerquote verharrt auf einem historisch niedrigen Niveau von 20,3 Prozent, das für eine angemessene Finanzierung der öffentlichen Aufgaben ohne Belastungen der zukünftigen Generationen nicht ausreicht."

Ende Zitat Peiner.

Und er hatte recht. Aber den Vorschlag der Wiedereinführung der Vermögensteuer hat er wider besseres Wissen ebenso abgelehnt wie die Erhöhung der Zahl der Steuerprüfer.

(Wolfgang Beuß CDU: Gott sei Dank!)

Die niedrigen Einnahmen zu beklagen, aber jeden Vorschlag für zusätzliche Einnahmen abzulehnen, ist unglaubwürdig und steigert die Politikverdrossenheit.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Vor wenigen Tagen hat der Bürgermeister vor dem CDU-Wirtschaftsrat über die Partikularinteressen in unserer Stadt gewettert. Die Privilegierten dürften es nicht zu weit treiben mit der Verfolgung ihrer Partikularinteressen und es sei eine Aufgabe politischer Führung, das Gemeinwohl im Zweifel auch gegen die Partikularinteressen durchzusetzen. Dem kann ich nur zustimmen, aber Privilegien haben nicht nur Villenbesitzer an der Elbchaussee, sondern Privilegien haben auch Einkommens- und Vermögensmillionäre in unserer Stadt, und zwar Steuerprivilegien. Dass diese Feststellung nichts mit einer Neiddebatte zu tun hat, sondern mit dem Verlangen nach mehr Gerechtigkeit bei der Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums, haben sogar Vermögende selbst erkannt. Bereits 2002 schrieben 16 deutsche Millionäre, die sich für die Vermögensteuer einsetzten – Zitat –:

"Es beschämt uns, wenn der Eindruck entsteht, wir Vermögenden sähen uns wegen unseres Reichtums von der Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung ausgenommen. Das Gegenteil ist der Fall: Für uns gilt, wer mehr hat, kann und sollte auch mehr geben."

Millionäre sind es auch, die die Initiative "Appell für eine Vermögensabgabe" gebildet haben. Hören Sie einmal, welche Forderung die sich ausgedacht haben: Zwei Jahre lang soll eine Vermögensabgabe von 5 Prozent erhoben werden und danach soll dann eine 1-prozentige Vermögensteuer gelten. Mit dieser 10-prozentigen Sonderabgabe, so ihr Argument, werde der Schaden wieder gutgemacht, der durch den Wegfall der 1-prozentigen Vermögensteuer seit 1997 entstanden sei. Das ist eine Idee von Millionären. Das müsste doch auch der CDU und der GAL einen Beifall wert sein. Warum laden Sie diese verantwortungsbewussten Leute nicht einmal zum Wirtschaftsrat ein, damit die Symbolreden des Bürgermeisters vom Kopf auf die Füße gestellt werden und auch die letzten ehrbaren Kaufleute merken, dass Nehmen ohne gerechtes Geben auf Dauer nicht gut gehen kann.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Ich komme zurück auf die Bedeutung der Vermögensteuer.

(Glocke)

Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hamann?

Nein, im Moment nicht.

Ich komme zurück auf die Bedeutung der Vermögensteuer für Hamburg und fordere den Bürgermeister, den Senat und die Regierungsfraktionen auf: Brechen Sie endlich das Reichtumstabu in unserer Stadt. Ich halte es für eine Schicksalsfrage für Hamburg und auch anderswo, die Reichtumsschere zu stoppen, die vorhandenen Steuern bei den Reichen auch tatsächlich einzuziehen und ein Vermögen oberhalb von einer Million mit mindestens 1 Prozent Vermögensteuer zu besteuern, so wie wir es in unserem Antrag vorgesehen haben. Das würde über eine Milliarde Euro Mehreinnahmen für den Hamburger Haushalt bringen, denn bereits die 20 reichsten Hamburger mit ihren 40 Milliarden Euro Vermögen würden mit 400 Millionen Euro Vermögensteuer zu Buche schlagen. Ich will jetzt einmal auf die Aufzählung der Namen verzichten; die haben Sie schon im Schauspielhaus hören können. Reichtum ist aus unserer Sicht keine Schande, vor allem, wenn er selbst erarbeitet ist. Aber zu loben und zu preisen ist der Reichtum erst dann, wenn er im Sinne des Gemeinnützigkeitsgebots unseres Grundgesetzes auch allen zugutekommt.

(Wolfgang Beuß CDU: Sind wir hier auf ei- nem DGB-Kongress?)

Denn in unserer Verfassung steht ein Satz, der an Klarheit nicht zu überbieten ist: Eigentum verpflichtet. Dieser Satz gilt erst recht in Notlagen und Krisenjahren. Hamburg ist reich, sehr reich und zugleich geht die Schere zwischen dem privaten Reichtum und der öffentlichen Armut immer weiter auseinander. Wer die Armut ernsthaft bekämpfen will, muss den Reichtum begrenzen und umverteilen. Die soziale Spaltung darf nicht weiter vertieft werden. Es ist genug für alle da. Springen Sie über Ihren Schatten, stimmen Sie zu und setzen Sie sich auf Bundesebene für die Vermögensteuer ein. Das ist gerecht, ökonomisch vernünftig und im Interesse Hamburgs. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Goldberg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Besteuert werden soll Leistungsfähigkeit, und zwar insbesondere die Leistungsfähigkeit des Ertrages und nicht die Substanz. Wir besteuern die Leistungsfähigkeit. Wir haben eine Steuerprogression, einen Solidaritätszuschlag und eine Sondersteuer auf besonders hohe Einkommen. Bereits jetzt wird über die Hälfte der Einkommensteuer von den oberen 10 Prozent der Einkommensteuerzahler getragen. Es ist nicht so, dass die Bezieher hoher Einkommen nicht einen überproportionalen Beitrag zur Finanzierung des

(Wolfgang Rose)

Gemeinwohls leisten würden, das stimmt nicht. Deshalb ist nicht jeder, der gegen eine Vermögensteuer ist, gleich unmoralisch in dem, was er denkt und tut.

(Beifall bei der CDU)

Gleichzeitig ist es so, dass es sich bei dem Vermögen der Menschen, und zwar insbesondere derjenigen, die Sie gerade in Hamburg zitieren – die 20 reichsten Hamburger –, um Eigenkapital handelt, das in den Unternehmen steckt und das notwendig ist, um Arbeitsplätze zu schaffen, Unternehmen zu finanzieren und Ertragspotenziale zu haben, die dazu führen, dass diese 20 reichsten Hamburger auch die 20 größten Einkommensteuerzahler in der Stadt sind. Es ist eine gute Nachricht, dass es diese Unternehmer in Hamburg gibt und dass sie hier ihre Einkommensteuer zahlen. Wenn Sie die Vermögensteuer einführen wollen, dann besteuern Sie die Substanz der Unternehmen. Sie verteuern damit Eigenkapital, das in Deutschland in den Unternehmen sowieso zu wenig vorhanden ist. Wir haben bereits heute eine der niedrigsten Eigenkapitalquoten überhaupt im OECD-Vergleich, den Sie gerade angestellt haben.

Apropos OECD, Sie haben vorhin nicht richtig gelesen, was da steht. Sie wissen vielleicht, dass das Bundesverfassungsgericht uns einmal gesagt hat, unsere Erbschafts- und Schenkungssteuer sei verfassungswidrig und wenn wir sie nicht rechtzeitig heilen würden, dann würde sie komplett entfallen. Genau dazu hat die OECD gesagt, es wäre gut, wenn wir dafür sorgen würden, dass diese vermögensbezogenen Steuern – genau das sind die Schenkungs- und Erbschaftssteuer – nicht entfallen. Mit Hilfe der SPD wurde das am Ende der letzten Legislaturperiode im Bund noch getan. Mit Ihren Kollegen von der SPD wurden Erbschafts- und Schenkungssteuer reformiert. Da hatten wir zwischen CDU und SPD, zumindest auf Bundesebene, Einvernehmen und genau diese vermögensbezogene Steuer, um die es der OECD ging, ist erhalten worden.

Wenn Sie sich darüber beklagen, dass der Anteil der Erbschafts- und Schenkungssteuer am Bruttoinlandsprodukt so niedrig sei, dann müssten Sie vielleicht einmal die Pro-Kopf-Einkommen in den Ländern und die Produktivitätsunterschiede betrachten. Daran könnten Sie nämlich erkennen, woran es liegt, dass der Übergang von Vermögenswerten auf andere im Vergleich zu den Erwerbseinkommen verhältnismäßig unbedeutend ist. Das ist der große Unterschied zwischen dem vergleichsweise gut verdienenden Deutschland und vielen anderen OECD-Staaten.

(Dr. Joachim Bischoff DIE LINKE: Oh, oh!)