Protokoll der Sitzung vom 21.01.2010

(Dr. Joachim Bischoff DIE LINKE: Oh, oh!)

Aber diese wirtschaftlichen Zusammenhänge interessieren Sie offensichtlich nicht besonders. Was Sie als Finanzanlagen besteuern wollen, ist zufälli

gerweise die Haftungsbasis der Unternehmen, um Kredite zu bekommen, und gleichzeitig auch die private Altersvorsorge; das übersehen Sie dabei.

(Unmutsäußerungen bei der SPD)

Wenn Sie die private Altersvorsorge besteuern wollen, dann müssen Sie den Barwert von Rentenund Pensionsansprüchen genauso besteuern. Ich glaube nicht, dass Sie das wollen. Es wäre nicht vernünftig. Ebenso sagen Sie, privates Wohneigentum solle nicht besteuert werden. Es soll also derjenige, der ein Zinshaus besitzt und in einer Mietwohnung wohnt, für diesen Vermögenswert besteuert werden, und der, der das gleiche Vermögen hat, aber selber darauf sitzt, soll nicht besteuert werden? Sie schaffen alleine auf diese Art und Weise mit Ihren Vorstellungen, die Sie da entwickelt haben, schon wieder eine Verfassungswidrigkeit.

(Michael Neumann SPD: Wie viele Eigen- tumswohnungen im Wert von 1 Million Euro gibt es in Hamburg?)

Wie viele Eigentumswohnungen im Wert von 1 Million Euro es in Hamburg gibt? Eine ganze Menge, Herr Neumann. Seien Sie froh, dass die Leute, die das Geld haben zu investieren, das in Hamburg tun und nicht irgendwo anders, wo es Ihnen doch so schön um diese Stadt geht. Seien Sie froh, dass die Leute das tun.

(Beifall bei der CDU – Michael Neumann SPD: Sie machen lieber Schulden!)

Sie haben sich darüber beklagt, dass die Vermögen so ungleich verteilt seien. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung – von der wir wissen, dass sie Ihnen, lieber Herr Rose, nicht allzu fern steht – einmal das Vermögen der Deutschen unter Berücksichtigung der Rentenansprüche berechnet und festgestellt, dass es eben nicht so ist, dass Arbeitslose im Vergleich zu Angestellten nur ein Drittel des vergleichbaren Vermögens besitzen, sondern zwei Drittel. Das Gleiche gilt im Bereich der Selbstständigen. Da ist es nicht ein Zehntel, sondern ein Viertel. Das ist natürlich ein Unterschied, da gebe ich Ihnen recht. Aber so dramatisch, wie es im Moment dargestellt wird, nämlich ohne Berücksichtigung der Altersversorgungsansprüche, die die Menschen haben, sind diese Unterschiede nicht. Sie wollen die Leute, die keine gesetzlichen Altersversorgungsansprüche haben, sondern ihre Altersversorgung aus selbst erarbeitetem Vermögen bestreiten, zusätzlich besteuern, die anderen aber nicht; da schaffen Sie neue Ungerechtigkeiten.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU – Dirk Kienscherf SPD: Ach, nun hören Sie doch einmal auf!)

Wenn Sie sich darüber beklagen, dass es so viele steuerliche Ausnahmen gäbe, die dazu führen würden, dass die Einkommensteuer an vielen Stellen zu niedrig sei, dann sind wir sofort bereit, mit Ihnen darüber zu reden. In der Tat sind wir auch für eine große Reform insbesondere der Einkommensteuer, die Subventions- und Ausnahmetatbestände abschafft und das Steuersystem insgesamt vereinfacht. Das hat aber nichts mit der Vermögensteuer zu tun. Wenn Sie da mitmachen würden, wäre das eine tolle Idee. Dann wären wir sofort bei Ihnen.

(Michael Neumann SPD: Wer hat denn schon Rentenansprüche von 1 Million Euro?)

Wie wollen Sie im Übrigen verfahren, wenn Sie Immobilienvermögen und dergleichen mit einberechnen wollen? Wollen Sie aufgrund der starken Wertschwankungen, denen Immobilien und auch Unternehmensbeteiligungen unterliegen, jedes Jahr neu bewerten? Wir hatten vorher schon ungefähr ein Drittel Erhebungskosten bei der Vermögensteuer im Vergleich zur Umsatzsteuer, bei der das nur 4 Prozent sind. Wollen Sie wieder so einen großen administrativen Apparat schaffen, damit es noch mehr öffentliche Bedienstete gibt, ohne dass wir ernsthaft Nettoertrag haben?

Schauen Sie sich auch einmal die Einkommensentwicklungen an. Bei den Erwerbseinkommen im Jahr 2009 haben wir im Zuge der Wirtschaftskrise Einbußen von 0,4 Prozent gehabt. Bei den Gewinn- und Dividendeneinkünften war es ein Minus von 13 Prozent. Woran liegt das? Die Unternehmen müssen gerade in schwierigen Zeiten ihr Eigenkapital aufbrauchen, wenn sie keine Gewinne machen. Das wollen Sie aber besteuern.

Wir würden ihnen sofort zustimmen, ökonomische Leistungsfähigkeit zu besteuern, und zwar die Leistungsfähigkeit, die aus Einkommen entsteht, sowohl aus Erwerbseinkommen als auch aus Kapitaleinkommen. Aber Substanz zu besteuern und damit die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu schwächen, ist nicht unsere Zielsetzung, das werden wir nicht mitmachen.

Letztendlich, lieber Herr Rose, erinnern Sie mich ein bisschen an Klaus Störtebeker, nicht nur wegen Ihres verwegenen Äußeren, sondern weil Sie sich immer noch für das Geld und die Edelsteine anderer Leute interessieren und am Ende etwas kopflos an Ihren Kollegen vorbeilaufen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Horst Becker GAL)

Das Wort bekommt Herr Kerstan.

(Michael Neumann SPD: Noch so ein Neoli- beraler!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Tat ist in Zeiten knapper Kassen der öffentlichen Hand eine Debatte darüber sinnvoll, woran das eigentlich liegt. Mit Sicherheit gilt es, den Vorwurf zurückzuweisen, der immer erhoben wird, es läge daran, dass dieser Staat viel zu viel Geld ausgebe, und man müsse jetzt einmal anfangen, Leistungen zu kürzen, weil wir hier Hängematten oder Ähnliches aufbauen würden. Das behaupten im Ernst eigentlich nur die wirklich Radikalen im deutschen Parteiensystem, nämlich die FDP. Leider Gottes muss man in der jetzigen Situation feststellen, dass diese Partei mit ihrer Wirtschaftsideologie im Moment dabei ist, die Not der öffentlichen Kassen noch weiter zu verschärfen, indem sie von dem falschen Rezept immer höhere Dosen verabreichen will, wie wir es gerade auf Bundesebene beim Steuersenkungspaket für die Hotellerie erleben.

Ich bin ganz froh, dass dieser Senat diesem Irrsinn nicht zugestimmt hat und auch der Bürgermeister ganz offen erklärt hat, dass jetzt nicht die Zeit für Steuersenkungen sei. Natürlich ist es so, dass wir in diesem Land und in diesem Staat kein Ausgabenproblem haben. Wir geben nicht zuviel aus, sondern wir haben zu geringe Einnahmen und da kann man, so wie Herr Rose richtig zitiert hat, Herrn Peiner nur zustimmen, dass eine Steuerquote von etwa 20 Prozent mit Sicherheit zu wenig ist und deshalb der Weg nicht in die Richtung gehen kann, Steuern zu senken, sondern im Gegenteil darüber nachzudenken, wie man die Einnahmesituation des Staates verbessern kann.

(Beifall bei der GAL, der SPD und der LIN- KEN)

Es ist auch kein Geheimnis, dass dies mit Sicherheit ein Punkt ist, der in der schwarz-grünen Koalition strittig ist, weil die Grünen in Hamburg das vertreten, was die Grünen auf Bundesebene auch immer schon vertreten haben, dass eine Vermögensteuer in diesem Zusammenhang eine sinnvolle Maßnahme wäre, gerade auch vor dem Hintergrund, unser Steuersystem so zu gestalten, dass man stärkere Schultern stärker belastet als schwache.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD und der LINKEN)

Es ist allerdings so, dass wir als kleine Partei die Erfahrung nicht zum ersten Mal machen, dass wir mit dem großen Partner in dieser Frage uneins sind. In den Jahren 1998 bis 2005, als wir auf Bundesebene eine rot-grüne Regierung hatten, waren wir mit diesen dargestellten Vorstellungen, bei denen die SPD eben so schön klatschte, nicht erfolgreich, weil das mit Bundeskanzler Schröder nicht machbar war. Natürlich haben wir in Hamburg das gleiche Problem wie die SPD die letzten Jahre in der Großen Koalition, nämlich, dass die Koalitionspartner uneins sind und man deshalb eine solche

(Thies Goldberg)

Initiative nicht starten kann, auch wenn einer der Partner das für sinnvoll hält.

Als Grüner habe ich eigentlich nichts gegen Recycling,

(Heiterkeit bei Dr. Eva Gümbel GAL)

aber ich habe einmal gezählt, der wievielte Antrag auf Wiedereinführung der Vermögensteuer von der Opposition in diesem Hause gestellt wurde, seitdem wir regieren, also seit Mai 2008. Sie werden staunen, es ist der achte Antrag.

(Michael Neumann SPD: Und es werden noch mehr!)

Schauen Sie sich Ihre Haushaltsanträge einmal an, Herr Tschentscher.

Das ist jetzt der fünfte Antrag der SPD und der dritte der LINKEN, wobei man ehrlicherweise sagen muss, dass DIE LINKE zwei davon zurückgezogen hat. Wenn man sich das einmal statistisch ansieht, dann kommt alle zweieinhalb Monate ein Antrag von der Opposition,

(Michael Neumann SPD: Ab jetzt jeden Mo- nat, es ist dringender denn je!)

in dem die Wiedereinführung der Vermögensteuer gefordert wird. Um wieder einmal das Kreativ-Thema aufzugreifen, aber hier erinnere ich mich wirklich an den Film "Und täglich grüßt das Murmeltier".

(Beifall bei der GAL und der CDU – Michael Neumann SPD: Ah, der Film war gut!)

Ein toller Film.

Seit wir dieses Thema zum letzten Mal debattiert hatten, hat sich die Sachlage nicht mehr geändert, außer dass die SPD jetzt auf Bundesebene nicht mehr in der Regierung ist und eigentlich erklären müsste, warum sie in Hamburg einen Antrag stellt, den ihre eigene Bundesregierung nicht bereit war durchzuführen. Insofern können Sie heute wesentlich unbefangener darüber reden und darum hat Herr Rose heute auch wesentlich länger begründet, warum die Vermögensteuer notwendig ist, als das bei den vorherigen Debatten der Fall war.

Ich glaube, wir können noch sehr häufig diese Argumente austauschen, bei denen ich in großen Teilen Herrn Rose zustimmen würde. Wir haben es schon oft gemacht, aber die Situation hat sich einfach nicht geändert. Hier gibt es eine Unstimmigkeit auf der Regierungsseite. Und entweder, wie das in der Koalition mit Ihnen von 1998 bis 2005 war, enthält man sich oder startet so eine Initiative nicht. Das war bei den acht anderen Anträgen vorher auch der Fall, so ist es auch jetzt. Deshalb erspare ich es Ihnen, diese Debatte noch einmal zu führen, und ich würde mich freuen, wenn Sie vielleicht vier Monate warten würden, bevor Sie den nächsten Antrag stellen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort bekommt Frau Heyenn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kerstan, ich fände es auch schön, wenn wir das Murmeltier nicht mehr bräuchten. Aufgrund der vorliegenden Fakten, die auch Herr Rose noch einmal aufgeführt hat, der Steuerquote und der ungleichen Verteilung von Vermögen in unserer Gesellschaft, ist es ein Trauerspiel, dass wir überhaupt darüber streiten, dass die Vermögensteuer wieder eingeführt werden muss. Eigentlich müsste es eine Selbstverständlichkeit sein.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Wolfgang Rose hat gesagt, es gäbe für ihn drei Gründe, warum die Vermögensteuer wieder eingeführt werden muss. Für mich gibt es vier zwingende Gründe, dass sie so schnell wie möglich wieder eingeführt wird.

Seit der Abschaffung am 1. Januar 1997 sind die finanziellen Spielräume der öffentlichen Hand dramatisch zurückgegangen. Die Auswirkungen sehen wir heute und darüber diskutieren wir in diesem Haus immer wieder. Wir beklagen die maroden Bauten in den Hochschulen, den Schulen und den öffentlich geförderten Wohnungsbauten. Regelmäßig wird immer der Partei, die vor zehn Jahren an der Regierung war, vorgeworfen, dass sie Versäumnisse wegen nicht getätigter Investitionen gemacht habe. In diesem Haus hören wir stets von der CDU, dass die SPD an allem schuld sei. Ursache ist, dass das Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 22. Juni 1995 nicht umgesetzt wurde, sondern durch Nichtstun die Erhebung der Vermögensteuer schlicht ausgesetzt worden ist. Kohl hat alles ausgesessen, das wissen wir. Ich muss natürlich kritisch das hinzufügen, was Herr Kerstan angeführt hat: Man muss sich natürlich fragen, warum Rot-Grün die Vermögensteuer denn nicht eingeführt hat. Die Kritik müssen Sie sich schon gefallenlassen, Herr Neumann. Immer haben die anderen die Schuld, das kennen wir.

Welche Löcher in die öffentlichen Kassen gerissen wurden, bezifferte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, DWI. Und es hat für das Jahr 2002 vorgerechnet, dass durch die nicht erhobene Vermögensteuer jährlich 15,9 Milliarden Euro in den öffentlichen Haushalten fehlen. Das muss man sich vor Augen führen vor dem Hintergrund, dass der Staat zur Wahrnehmung seiner Aufgaben jeden Cent braucht. In der Situation verzichten wir auf 15,9 Milliarden Euro jährlich; inzwischen wird es viel mehr sein.

Der zweite Grund, warum ich meine, dass eine Vermögensteuer so schnell wie möglich eingeführt

(Jens Kerstan)

werden muss, ist die Rekordhöhe der inzwischen erreichten Staatsverschuldung. Die Uhr vom Bund der Steuerzahler ist schon lange heißgelaufen und allein die Zinszahlungen, die für die hohe Neuverschuldung geleistet werden müssen, engen den finanziellen Spielraum derart ein, dass nicht einmal mehr 10 Prozent des gesamten Haushaltes für die politische Gestaltung zur Verfügung stehen; das ist auch in Hamburg so.

Spar- und Kürzungsmaßnahmen haben schon lange ihre Grenzen erreicht und auch der sogenannte Sparvorschlag vom Senat ist in weiten Teilen getragen vom Prinzip Hoffnung. Da ist die Rede von Gebührenerhöhungen, von Parkgebührenerhöhungen, von Abschleppgebühren und Ähnlichem. Ob das tatsächlich eintrifft, weiß man nicht. Die Grenzen, noch kürzen zu können, sind lange überschritten und damit kommt man auch überhaupt nicht weiter. Die Einnahmeseite muss in den Blick genommen werden, Herr Kerstan. Sie haben das gesagt und wir von der LINKEN sagen es, seitdem wir hier in der Bürgerschaft sind. Die Wiedererhebung der Vermögensteuer wäre ein sehr wirksamer Weg.

Der dritte Grund, warum man die Vermögensteuer wieder einführen sollte: In der jetzigen wirtschaftlichen Situation auf die Idee zu kommen, Steuern zu senken, ist für mich politisches Harakiri. Die neue Bundesregierung sieht dies ganz anders, jeder Grundschüler und jede Grundschülerin würde aber sagen, die können nicht rechnen.