Protokoll der Sitzung vom 31.03.2010

(Stephan Müller)

Vor diesem Hintergrund ist der Handlungsspielraum sehr eng. Es geht gar nicht mehr um die Frage, ob Ausgaben begrenzt und ob gespart werden soll, sondern es geht um die Frage, wie Ausgaben begrenzt werden können und wie gespart werden kann. Dazu gibt es in der Kindertagesbetreuung eigentlich nur drei Stellschrauben, die ich hier noch einmal anführen will: Erstens Qualität verringern – größere Gruppen, weniger Personal,

(Mehmet Yildiz DIE LINKE: Das ist schon der Fall!)

zweitens Rechtsansprüche verändern und drittens Elternbeiträge erhöhen.

Einschnitte in der Betreuungsqualität kommen weder für uns Grüne noch für die Koalition in Frage. Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass das wirklich eine Stellschraube wäre, die nicht gewollt ist.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Unangetastet bleibt, mit Ausnahme der Hortbetreuung, auch der allgemeine Rechtsanspruch auf eine fünfstündige Betreuung ab dem dritten Lebensjahr, unabhängig von der Lebenslage der Eltern, und der Rechtsanspruch auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Mit diesen Rechtsansprüchen hat Hamburg übrigens immer noch eine Vorreiterrolle unter den westdeutschen Bundesländern.

Die Reduzierung des Rechtsanspruchs auf Betreuung – statt bislang bis zum 14. Lebensjahr nun bis zum Ende der sechsten Klasse, das ist nicht an das 12. Lebensjahr gekoppelt – halten wir für vertretbar. Es ist schon jetzt zu beobachten, dass 14jährige selten im Hort sind und dass am Ende der Primarschulzeit in dieser Hinsicht ein Schnitt stattfinden wird.

Die logische Folge aus dem Gesagten: Um Einschnitte in der Qualität der Kinderbetreuung zu verhindern, um vor allen Dingen den Platzausbau zu sichern und auch die Rechtsansprüche im Kern halten zu können, bleibt nur die politische Entscheidung über eine Gebührenerhöhung. Vor diesem Hintergrund, auch wenn es unpopulär ist, war es uns wichtig, nicht pauschal alle Elternbeiträge zu erhöhen, sondern die finanziellen Möglichkeiten der Familien zu berücksichtigen, und deswegen, Herr Böwer, die soziale Staffelung, die bereits im November beschlossen wurde. Diese wird dazu führen, dass die Beiträge für das Mittagessen einkommensabhängig moderat steigen werden und gutverdienende Eltern sich in der Tat stärker an der Kita-Finanzierung beteiligen müssen als zuvor. Für drei Viertel aller Familien wird sich der Betrag für die Betreuung aber nach den aktuellen Planungen, wie wir Sie zurzeit haben, gar nicht verändern.

(Thomas Böwer SPD: Zurzeit!)

Bei den Höchstzahlern, und jetzt möchte ich noch einmal eine Zahl nennen, sehen die aktuellen Plä

ne eine durchschnittliche Erhöhung von 36 Euro vor. Das sind etwas andere Zahlen als die, die zeitweilig in Einzelfällen durch die Presse geistern.

(Thomas Böwer SPD: Ja, ja, die böse Pres- se!)

Die gesamten Mehreinnahmen – da sollten Sie, meine Damen und Herren von der Opposition und auch Herr Scheuerl in hoffentlich ganz weiter Ferne einmal genau hinhören – fließen in den Ausbau des Betreuungssystems und in die Sicherung des Systems, in die Sicherung der Qualität.

(Thomas Böwer SPD: Das ist doch nicht wahr!)

Herr Böwer, beweisen Sie doch erst einmal das Gegenteil. Lesen Sie die Drucksache, dann werden Sie das sehen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Die Behauptungen, Herr Böwer, mit dem Geld würde die Schulreform oder gar die Elbphilharmonie bezahlt,

(Michael Neumann SPD: Da haben Sie Geld für!)

wie Frau Veit es leider auch noch einmal wiederholt hat, sind einfach nur plump und unseriös.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Michael Neumann SPD: Für die Elbphilharmonie ist immer Geld da!)

Genau durch diese Falschinformation, Herr Neumann, die Sie hier wieder liefern, tragen Sie zur Verunsicherung von Familien in unserer Stadt bei und das ist sehr bedauerlich.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Michael Neumann SPD: Eigentor!)

Lassen Sie mich abschließend noch einmal betonen, das ist mir wichtig: Wir reden im Moment über Vorschläge der Sozialbehörde.

(Lachen und Zuruf von Thomas Böwer SPD)

Da können Sie lachen, Sie kennen das Verfahren der externen Abstimmung. Herr Böwer, Sie sind so lange in diesem Parlament, Sie sollten das Verfahren kennen.

Im November sind Maßnahmen beschlossen worden und jetzt hat die Sozialbehörde ihre Arbeit getan und Vorschläge gemacht. Diese Vorschläge befinden sich in einer Abstimmung. Ich kann Ihnen versichern, dass auch wir als GAL-Fraktion …

(Michael Neumann SPD: Und die Fraktionen waren nicht beteiligt?)

Herr Neumann, ich trete gern mit Ihnen in einen Dialog, aber dann bekommen die anderen nichts mit.

Wir als GAL-Fraktion haben auch noch Änderungsbedarf an dieser Drucksache.

(Carola Veit SPD: Welchen denn? – Michael Neumann SPD: Das ist die gute Nachricht!)

Sie können über Ihre Bezirke gern Einfluss nehmen. Was mir fehlt und was dringend geboten ist, ist eine Versachlichung dieser Diskussion. Falschmeldungen wie die, dass die Geschwisterermäßigung gestrichen wird, tragen nicht dazu bei, sondern schaukeln die Emotionen hoch.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort bekommt Herr Yildiz.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sie reden von einer Begrenzung des Ausgabenanstiegs, aber in Wirklichkeit handelt es sich nicht um eine Begrenzung, sondern um eine massive Kürzung. Halten wir fest: Wir stecken in einer tiefen Wirtschaftskrise, die einige wenige verursacht haben, und die Reaktion des Senats ist Umverteilung. Sie holen sich das Geld von unseren Kindern und treiben im gleichen Atemzug die Kürzungen im Sozialbereich weiter voran. Wenn das Ihre Auffassung von Politik ist, dann sehe ich schwarz.

Ihre Pläne sehen unter anderem vor, die Kita-Gebühren massiv zu erhöhen, und das, obwohl Sie genau wissen, dass die meisten Familien ohnehin von der Wirtschaftskrise und der zunehmenden Arbeitslosigkeit gebeutelt sind. Ihnen ist auch bewusst, dass gerade Geringverdienende und Familien ohne Erwerbseinkommen bereits jetzt kaum in der Lage sind, die Kita-Gebühren zu zahlen, weil die Hartz-IV-Regelsätze dies schwerlich ermöglichen.

(Viviane Spethmann CDU: Da erhöhen wir ja auch nicht, wir erhöhen doch bei den ande- ren!)

Schon die derzeitige Regelung, dass eine Familie ohne Erwerbseinkommen von den 210 Euro, die sie für ein Kind bekommt, auch noch Kita-Gebühren zahlen muss, ist unzumutbar. Sie wissen, dass das Bundesverfassungsgericht diese Kinderregelsätze beanstandet hat. Ihre Pläne werden dazu führen, dass gerade die Kinder aus sozial benachteiligten Familien nicht mehr von frühkindlicher Bildung profitieren können.

Kommen wir zur Essensgeldpauschale. Wir lehnen diese Pauschale grundsätzlich ab, weil sie Ungleiches gleich behandelt. Für Familien mit geringerem Einkommen stellen solche Pauschalen, die Sie nun auch noch weiter erhöhen wollen, eine große Belastung dar. In Hamburg kommen seit Jahren immer mehr Kinder hungrig in die Kita oder zur Schule. Statt etwas dagegen zu unternehmen,

wollen Sie die Preise erhöhen. Das wird nur zur Folge haben, dass Kinder aus Familien mit geringem oder gar keinem Erwerbseinkommen sich das Kita-Essen nicht mehr leisten können und ganz darauf verzichten müssen. Das ist ein völlig falscher Ansatz.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch die Erhöhung der Elternbeiträge für behinderte Kinder stellt eine besondere Belastung für die 1800 betroffenen Familien dar. Menschen mit Behinderungen werden ohnehin in hohem Maße ungleich behandelt. Statt diese Familien weiter zu entlasten, erschweren Sie ihnen im Gegenteil noch den Zugang zu Arbeit und gesellschaftlicher Teilhabe.

Meine Damen und Herren! Ebenso wie die Erhöhung der Gebühren und Essensbeiträge wird auch die Verschiebung des Rechtsanspruchs auf Betreuung ab dem zweiten Lebensjahr dazu führen, dass gerade die Kinder weiter ausgeschlossen werden, die der frühkindliche Bildung am dringendsten bedürfen. Untersuchungen wie PISA und IGLU haben gezeigt, dass in Deutschland insbesondere die mangelnde Frühförderung später zu sozialer Ausgrenzung führt. Der Senat fördert mit seiner Familien- und Sozialpolitik die weitere Spaltung der Gesellschaft.

Wir fordern den Senat auf, auf die Kürzungen zu verzichten, denn sie treffen die Schwächsten der Gesellschaft. Fangen Sie endlich an, das Geld von denen zu holen, die diese Krise verursacht haben, und hören Sie damit auf, Gelder für Prestigeobjekte in den Sand zu setzen, statt in die Menschen dieser Stadt zu investieren.

Herr Müller, ich möchte noch einmal auf Sie zurückkommen. Sie sagten, durch die Wirtschaftskrise seien die Einnahmen zurückgegangen. Da gebe ich Ihnen vollkommen recht. Auf die Ausgaben des Senats für die Elbphilharmonie, die U4 oder ähnliche Projekte gehen Sie allerdings nicht ein. Sie sollten berücksichtigen, dass von der Kindertagesbetreuung Tausende von Kindern betroffen sind, es sich bei der Elbphilharmonie aber nur um ein Prestigeobjekt handelt.

(Viviane Spethmann CDU: Da dürfen die Kinder ja auch hin!)

Sie betonen immer, dass Hamburg unter den westdeutschen Bundesländern mit am besten dastehe im Hinblick auf die Investitionen in die Kinderbetreuung. Das ist ja nicht falsch, nur steht Hamburg damit lediglich im Vergleich mit all den schlechten Beispielen gut da.

(Beifall bei der LINKEN und bei Arno Mün- ster SPD)

Das Wort bekommt Senatorin Gundelach.

(Christiane Blömeke)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wenn einige meiner Vorredner es anders dargestellt haben: Die Kindertagesbetreuung in Hamburg war noch nie so gut wie heute und sie wird es auch in Zukunft bleiben.