Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Kollege Hesse, die Hafenquerspange ist ein langwieriges, schwieriges Thema und bisher in Wahrheit natürlich keine Erfolgsgeschichte, für frühere Senate nicht, für diesen Senat allerdings auch nicht und ebenso wenig für die ganzen CDU-geführten Senate. Ich kann auch die Euphorie, die Sie versucht haben zu versprühen, nicht ganz nachvollziehen. Es ist sicherlich richtig, dass wir im Hamburger Süden leistungsfähige Verkehrsverbindungen brauchen für die Hafenwirtschaft. Genauso wichtig ist, dass wir einen sorgsamen Umgang mit den betroffenen Stadtteilen und den dort lebenden Menschen brauchen. Ich muss Ihnen allerdings sagen, dass, je länger und intensiver ich mich mit den Planungen beschäftigt habe, so wie sie aktuell verfolgt werden, wie sie in der Drucksache vorgelegt werden und wie sie auch die DEGES-Studie beschreibt, ich immer größere Zweifel habe, ob wir diese Ziele mit dieser Planung erreichen können.
Ich will Ihnen sagen, welche Zweifel das sind und worauf sie sich gründen. Zum einen ist es die DEGES-Studie selbst, die an vielen Stellen nicht überzeugend ist, das haben wir auch in der Ausschussberatung bemerkt. Die Trassenbewertung zugunsten der von vornherein präferierten Variante Süd 1 ist, um es freundlich auszudrücken, nicht vollständig transparent. Die Validität der zugrunde liegenden Zahlen, die Verkehrsaufkommensprognosen, muss man bezweifeln, Stichworte: Erwartungen an den zukünftigen Hafenumschlag, die neuen ÖPNV-Verbindungen beim Pkw-Verkehr, die S-Bahn Stade und so weiter.
Dann gibt es einen Widerspruch, der in der Studie aufgetaucht und deutlich geworden ist. Es gibt östlich der Überquerung der Wilhelmsburger Reichsstraße beziehungsweise beim Anschluss an die A 253 eine sehr massive Betroffenheit der Wohnbevölkerung. Gleichzeitig hat man da das geringste Verkehrsaufkommen von geschätzten 29 000 Fahrzeugen pro Tag. Das entspricht ungefähr dem, was wir auf der Kieler Straße nördlich der Anschlussstelle Stellingen haben; hier wird es auf eineinhalb Spuren abgewickelt. Auf anderen Stadtstraßen innerhalb Hamburgs gibt es dagegen bis zu 80 000 Fahrzeuge am Tag. Das ist nicht besonders plausibel, denn bei diesen Stadtstraßen ist
noch niemand auf die Idee gekommen, sie durch die betroffenen Stadtteile hindurch zu einer Autobahn weiterzuentwickeln. Dies ist eine absurde Vorstellung, aber was Wilhelmsburg betrifft, wird genau so argumentiert und das ist nicht besonders plausibel, nämlich den massivsten Eingriff dort zu machen, wo die Autobahn am wenigsten erforderlich ist.
Wir haben außerdem ein Problem, was den ganzen Begründungszusammenhang betrifft. Die Studie hat auch festgestellt, dass ein Argument, das über lange Jahre gebracht wurde, nämlich dass wir eine verkehrsmäßige Entlastung auch innerstädtischer Gebiete in Hamburg bekommen, gerade nicht zu erwarten ist. Das ist auch eine Schwierigkeit im Zusammenhang mit der Studie.
Es gibt einen weiteren Mangel, nämlich dass es keine Einbindung in ein Gesamtverkehrskonzept für den Süderelberaum gibt. Es wurde angekündigt, dass es jetzt, wo die Trassenführung feststeht, eine nachträgliche Einbettung in ein Gesamtmobilitätskonzept gibt. Das halten wir für keine logische Herangehensweise.
Besonders absurd ist natürlich der sogenannte Beteiligungsprozess gewesen; da finde ich Ihren Beitrag auch etwas schwer nachvollziehbar. Ihr Verständnis von Beteiligung ist offenbar, dass man den Menschen vor Ort noch einmal intensiv Gelegenheit gibt, sich von der Richtigkeit der schon feststehenden Planungen überzeugen zu lassen. Das ist nicht unsere Vorstellung von Beteiligung an dieser Stelle. Insofern war auch nicht verwunderlich, dass praktisch keinerlei Veränderungen aus dem Beteiligungsprozess herausgekommen sind und diejenigen, die aus der Bevölkerung und den Initiativen vor Ort daran teilgenommen haben, das als Farce empfunden haben.
In der Drucksache findet sich der schöne Satz, man habe einen Konsens darüber erreicht, dass Dissens bestehe. Das habe ich noch in keiner Drucksache gelesen und das spricht Bände über das Erfolgsverständnis und das Ziel, mit dem man an diesen Beteiligungsprozess herangegangen ist, wenn man hinterher sagt, man habe immerhin Konsens darüber, dass man Dissens habe.
Ein weiteres Kunststück der Beteiligung war die Beteiligung des Bezirks. Nachdem man zwei Jahre geplant hat, hat der Bezirk eine Stellungnahmefrist von 24 Stunden bekommen. Damit war klar, dass alle politischen Gremien ausgebootet waren. Auch das ist natürlich ein Vorgang, der mit echter Beteiligung nichts zu tun hat.
Nun mag das alles trotzdem richtig gewesen sein, weil wir die Hafenquerspange in dieser Form für die Hafenwirtschaft genauso brauchen. Hier muss
man schauen, was die Hafenwirtschaft braucht. Der westliche Teil des Hafens ist überwiegend vernünftig an die A 7 angeschlossen. Für den nördlichen Teil bringt die Hafenquerspange in der jetzigen Südtrasse kaum eine Verbesserung, relevant ist es für den südöstlichen Teil. Da stellt sich allerdings die Frage, die auch in der Studie nicht ausreichend belegt ist, ob nicht über mehrere Stadtstraßen eine Ertüchtigung bestehender Straßenverbindungen geleistet werden kann. Insofern ist das alles nicht so offenkundig, wie von Ihnen unterstellt.
Aber selbst einmal angenommen, die Hafenwirtschaft würde deutlich profitieren von der Südtrasse, dann natürlich nur, wenn die auch kommt, und sie kommt nur, wenn der Bund sie finanziert. Und wie realistisch ist das?
Sie wissen, dass wir im Bundesverkehrswegeplan, um nur in den weiteren Bedarf hineinzukommen, einen Kosten-Nutzen-Wert von oberhalb eins brauchen. Das haben wir bei der Nordtrasse in einer Kostenhöhe von 475 Millionen Euro gerade so geschafft, auch mit ein bisschen Hilfe, denn wie Sie wissen, hatte Hamburg damals im Bundesverkehrsministerium noch gewisse Einflussmöglichkeiten, die wir heute nicht mehr haben. Die Südtrasse kostet jetzt 715 000 Millionen Euro nach aktueller Schätzung. Wir können uns alle überlegen, wie sich diese Kostenschätzungen möglicherweise weiterentwickeln. Die Südtrasse ist damit auf jeden Fall schon deutlich teurer gegenüber der damaligen Schätzung der Kosten für die Nordtrasse. Das heißt, wir brauchen einen deutlich gestiegenen Nutzwert. Der besteht jedenfalls für die Hafenwirtschaft durch die Südtrasse nicht und es gibt auch keine Angaben oder weitere Erkenntnisse aus der Studie, die auf einen gestiegenen Nutzwert hindeuten. Insofern muss man das als zweifelhaft bezeichnen.
Selbst wenn wir in den weiteren Bedarf hineinkommen, brauchen wir eine Hochstufung in den vordringlichen Bedarf, damit das auch langfristig realistisch wird. Wenn Sie wissen, wie der neue Bundesverkehrswegeplan, der jetzt in Arbeit ist, finanziert ist, nämlich chronisch unterfinanziert, dann ist es in Wahrheit außerordentlich zweifelhaft, dass wir die Hafenquerspange in dieser Konzeption in den Bundesverkehrswegeplan hineinbekommen. Es ist nicht unrealistisch, aber extrem zweifelhaft.
Wir haben nun einmal folgendes Problem: Wenn wir diese Querspange, in welcher Trasse auch immer, durch besiedeltes Gebiet führen, dann sind wir zu technischen Maßnahmen gezwungen, die die Straße so teuer machen, dass sie unter den üblichen Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten im Bundesverkehrswegeplan nicht so hoch positioniert werden kann, dass die Umsetzung realistisch ist.
Für diese Fata Morgana wird ein hoher Preis bezahlt, das wissen Sie auch. Natürlich ist die Planung eine erhebliche Belastung für den gesamten Entwicklungsprozess im Süderelberaum. Natürlich empfinden die Menschen das nicht als Verbesserung, sondern im Gegenteil. Es gibt einen heftigen und auch aus örtlicher Sicht völlig plausiblen Widerstand. Die Planung überschattet, gemeinsam mit anderen Verkehrsplanungen, massiv den gesamten Prozess "Sprung über die Elbe", igs und IBA und wirft Glaubwürdigkeitsfragen auf und man fragt sich, wie ernst es Politik meint.
Wie ernst meint man es damit, Wilhelmsburg zu einem attraktiven, wichtigen, zentralen Hamburger Stadtteil, zu einem vollwertigen Stück Hamburg weiterzuentwickeln, wenn man gleichzeitig diese Autobahnplanung durch einen Stadtteil weiterführt. Müsste es nicht so sein, dass Autobahnnetze und Lückenschlüsse um Metropolen und unbesiedelte Stadtteile herumgeführt werden anstatt sie zu durchschneiden? Müsste es nicht so sein, dass wir für einen vollwertigen Stadtteil dann eben Stadtstraßen planen müssen, wie wir das an anderen Stellen in Hamburg auch machen? Die sind auch ohne Autobahnen leistungsfähig.
Das sind Fragen, auf die es im Moment keine zufriedenstellende Antwort gibt. Deswegen befinden wir uns in einer sehr schwierigen Situation.
Fazit: Die jetzt vorgelegte Planung überzeugt uns nicht. Wir haben erhebliche Zweifel daran, dass das die beste Lösung ist für die Anforderungen, die es dort gibt. Für die Menschen ist sie es nicht und der Hafenwirtschaft hilft es jedenfalls nicht, wenn wir von einer Legislaturperiode zur anderen Luftschlösser versprechen, denen wir in Wahrheit in den ganzen letzten Jahren keinen Schritt näher gekommen sind.
Ich sage nicht, dass wir uns von der Hafenquerspange zum jetzigen Zeitpunkt verabschieden könnten, weil wir noch keine bessere Alternative haben, aber die Planungsverantwortung – in Ihren Reihen, Herr Kerstan, gibt es welche, die das schon tun und das wissen Sie auch – liegt beim Senat. Es ist Ihre Aufgabe, eine überzeugende Lösung vorzuschlagen und Sie können nicht erwarten, dass wir Ihnen ein Freifahrtticket ausstellen und bedingungslos folgen, egal, was hier an Planungen vorgelegt wird. Bevor Sie uns vorwerfen, wir würden alte Positionen räumen und uns nicht ausreichend loyal gegenüber den Senatsplanungen verhalten, sollten Sie einen Blick in die eige
nen Reihen werfen. Ihr Koalitionspartner hat schon längst begonnen, sich von dem Projekt abzusetzen. Das konnte man in der Ausschusssitzung merken an den Wortbeiträgen und der örtliche Bundestagsabgeordnete Sarrazin macht es ganz offiziell, dass er sich von der Hafenquerspange verabschiedet. Insofern ist das eine echte Aufgabe für Sie, dort Geschlossenheit herzustellen.
Was mich auch außerordentlich skeptisch macht: Ich habe das Problem, dass ich diesem Senat die Planung von Projekten dieser Größenordnung schlicht nicht mehr zutraue.
Ich habe aus den gemachten Erfahrungen nicht die Einschätzung gewonnen, dass dies kompetent gesteuert und kontrolliert wird und deswegen muss ich sagen, dass Sie es im Ergebnis bisher lediglich geschafft haben, eine ganze Region in Süderelbe gegen sich aufzubringen und für die Hafenwirtschaft trotzdem keine verlässliche Perspektive geschaffen haben, sondern eher Verunsicherung. Insofern ist der Planungsprozess in einer ausgesprochen schwierigen Phase, um nicht zu sagen, in einer Sackgasse. Es ist Ihre Verantwortung, da wieder herauszukommen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Den Eiertanz zum Schluss habe ich wirklich nicht verstanden. Man fragt sich, ob die SPD die Hafenquerspange will oder nicht.
Sie sagen, wir würden die Hafenwirtschaft belasten, Sie trauten uns das gar nicht zu und wir bekämen das nicht hin. Die SPD stand immer für die Nordvariante einer Hafenquerspange. Die SPD hat schon in den Koalitionsverhandlungen 1997 mit den Grünen darauf hingewirkt, dass die Hafenquerspange mit in das Verhandlungsergebnis kommt, und jetzt eiern Sie herum, dass wir es nicht schaffen würden. Sprechen Sie einmal klar aus, was Sie eigentlich möchten und was nicht.
Aber vielleicht ist es einfacher, nur zu meckern und vor Ort Ängste zu schüren. Das ist vielleicht für die Opposition dann auch die tragende Rolle.
Die GAL-Fraktion setzt sich für eine menschenund umweltverträgliche Verkehrs- und Stadtentwicklungspolitik ein und die BSU setzt dieses kon
Im Wahlprogramm der GAL haben wir im Jahr 2008 die Hafenquerspange als Nordvariante, als aufgeständerte Trasse, abgelehnt, weil wir der Meinung waren, dass sie die Menschen in Wilhelmsburg und Veddel massiv belästigen würde
und den "Sprung über die Elbe" massiv verhindern würde. Auch wir hatten uns überlegt, wie wir zum Beispiel das Problem in der Hafenwirtschaft verbessern könnten.
Wir wollten die Zollabfertigung verändern, wir wollten den Freihafen drastisch verkleinern – es wird gemacht –, wir wollten automatischere Verkehre und, wie Sie auch, einfache Baumaßnahmen. Vielleicht wollten wir aber auch noch mehr Verkehre auf Wasserwegen fördern und dann schauen, ob wir wirklich einen Neubau brauchen oder nicht; Sie haben nur immer gefordert.
Nun konnten wir uns bei den Koalitionsverhandlungen mit der CDU nicht so durchsetzen und die Nordtrasse ablehnen. Aber wir haben uns darauf geeinigt,
die Trassen noch einmal zu überprüfen, und das ist nun geschehen. Durch den Neubau dieser Hafenquerspangenvariante, die durch den Senat vorgestellt wurde, werden die Verkehrsbelastungen in den Stadtteilen Wilhelmsburg und Harburg sowie in den Wohngebieten am Spreehafen deutlich abnehmen. Damit einher geht die Reduzierung der Lärm- und Schadstoffbelastungen sowie der trennenden Wirkung von hoch belasteten Straßen.
Die festgelegte Linienbestimmung ist nach intensiver Begutachtung und Planung zustande gekommen und stellt einen Kompromiss vieler Faktoren dar: die Folgen für die Menschen, die Folgen für die Umwelt – das fällt uns wahrscheinlich am schwersten – und der sorgsame Umgang mit dem Geld. Dass nicht alle Aspekte bei dieser Variante optimal vertreten sein können, liegt in der Natur eines Kompromisses, Herr Kollege. Trotzdem stellt diese Variante die anwohnerfreundlichste und die am wenigsten mit Lärm belastende Alternative dar.