Protokoll der Sitzung vom 31.03.2010

Ich muss mich immer wieder wundern, wie Herr Kerstan, wenn wir fordern, die Betriebsausgaben zu konsolidieren, auf einmal über Kindertagesstätten und Lehrerstellen redet.

(Jens Kerstan GAL: Ja, das sind Betriebs- ausgaben!)

Das sind alles Betriebsausgaben, aber wenn Sie, Herr Kerstan, bevor wir über Kitas und Schule gesprochen haben, die Betriebsausgaben in Ihrem Finanzplan, noch ohne Krise, um 250 Millionen Euro jedes Jahr ausweiten, 1 Milliarde Euro in vier Jahren, dann gibt es dafür historisch keinen Vergleich. Das ist auch nicht das, was Rot-Grün vor dieser Senatsmehrheit CDU gemacht hat. Politische Mehrheit hin oder her, mit dieser Ausgabe von Betriebskosten werden wir in der Zukunft nicht zurechtkommen.

Schwarz-Grün leistet sich etwas, was ohne Krise nicht geht und was in der Krise erst recht nicht geht. Sie haben mit keinem Wort begründet, Herr Kerstan, wie denn das konjunkturwirksam sein sollte, als die Krise da war. Darauf warten wir bis heute und insofern ist es geradezu albern, uns noch zu sagen, Sie machten etwas Neues, dass Sie die künftigen Generationen nicht belasten, indem Sie wenigstens die Zinsen aus dem Betriebshaushalt finanzieren. Da kann man nur noch den Kopf schütteln, die Zinsen sind zwangsläufig immer Bestandteil der Betriebsausgaben. Das ist unser Problem, wir sind bei 1 Milliarde Euro und Ende 2012 werden wir bei Ihrem Konzept bei 1,2 Milliarden Euro sein.

Wenn ich dann noch höre, dass das alles nichts mit den Kostensteigerungen der Elbphilharmonie zu tun habe, dann kann ich wirklich nur noch den Kopf schütteln. Wir haben Vorträge gehalten und versucht, Überzeugungsarbeit zu leisten, mit dem Thema anders umzugehen, und dann hört man sich vielleicht noch eine Belehrung über den Unterschied von Investitionen und Betriebskosten an. Vergessen Sie das, im Rahmen der Gesamtdeckung des Haushalts schlägt es durch, und zwar in den Zinszahlungen und auch in den gesamten Defizitbetrachtungen.

Wir brauchen deshalb beides. Wir brauchen Ihre Drucksache nicht mehr, die wir jede Sitzung im Haushaltsausschuss haben, in der Sie keine Finanzierungen für Kitas und Schule machen, sondern die Behörden finanzieren, und zwar in Bereichen, in denen die Öffentlichkeit noch gar nicht gemerkt hat, dass es da angeblich ein Defizit gibt. Sie bewilligen ohne Ende Stellen und dann ist es Ihnen ein bisschen peinlich, wenn wir sagen, dass das so in dieser Krise nicht mehr gehe. Und dann wird es dennoch beschlossen, weil wir bisher kei

nen Finanzsenator hatten, der da eingeschritten wäre.

Wir brauchen beides, wir werden nicht nur durch Einsparungen die Krise meistern können. Wir brauchen eine Konsolidierung der Ausgaben und wir brauchen die Einnahmen, die in Form der Vermögensteuer bei den Richtigen abgeholt werden müssen, nämlich bei denen, die etwas haben. Deswegen sage ich noch einmal, Herr Frigge, denken Sie über eine sinnvolle Initiative im Bundesrat zur Vermögensteuer nach.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Joachim Bi- schoff und Christiane Schneider, beide DIE LINKE)

Das Wort bekommt Herr Kerstan.

(Ingo Egloff SPD: Haben Sie überhaupt noch Redezeit?)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will nicht auf alle Argumente eingehen, Herr Tschentscher. Ich bin sehr dafür, im Parlament zu debattieren, aber zu manchen Ihrer Argumente fällt mir wirklich beim besten Willen nichts ein.

(Michael Neumann SPD: Ja, weil die so gut sind, so überzeugend!)

Zu sagen, dass wir den Sonderfonds Finanzvermögen gegründet hätten, weil wir der Meinung sind, dass schwarz-grüne Schulden besser seien als die alten, dazu braucht man nichts zu sagen, das muss man auch nicht ernst nehmen.

Aber noch einmal zu Ihrem Argument mit dieser angeblichen Wahlkampfkasse. Das haben wir schon mehrfach besprochen, aber da Sie immer wieder dieses Argument bringen, ohne unsere Erklärung zur Kenntnis zu nehmen, muss ich Sie damit quälen, es noch einmal zu sagen. Es ist richtig, dass wir in diesem Jahr mehr Kredite aufnehmen als Steuereinnahmen wegbrechen. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass wir angesichts wegbrechender Steuereinnahmen unsere Ausgaben nicht reduzieren, sondern in manchen Teilen sogar erhöhen, weil wir Investitionen, die in der Zukunft geplant waren, vorziehen und jetzt machen. Das ist der eine Grund und das wird dazu führen, dass wir in diesem Jahr mehr ausgeben als geplant, aber in den Jahren 2012 und 2013 dann halt weniger.

Der andere Grund ist schlicht und ergreifend, dass wir, wenn wir in diesem und im letzten Jahr die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts erklären, mehr Schulden aufnehmen dürfen, als wir Investitionen planen. Das wird aber dazu führen, weil wir nicht mehr Schulden machen als Steuereinnahmen wegbrechen, dass wir in den

Jahren 2012 und 2013 weniger Kredite aufnehmen als Schulden einbrechen. In der Summe ist es gleich und darum ist auch nichts übrig, um irgendetwas anderes zu finanzieren. Das ist eine relativ einfache Rechnung, die man auch verstehen kann, das hat etwas mit Haushaltstechnik zu tun.

Ich würde mich freuen, wenn ein haushaltspolitischer Sprecher auch einmal Haushaltstechnik zur Kenntnis nähme und solche Argumente zumindest versuchte zu widerlegen, anstatt immer wieder diesen alten Kaffee aufzutischen. Anscheinend ist Ihre einzige Perspektive gar nicht mehr die mittelfristige Finanzplanung, sondern nur dieses Jahr oder vielleicht gerade noch das nächste. Über vier Jahre geht die Rechnung auf, wir nehmen genauso viel auf, wie Steuereinnahmen wegbrechen, da gibt es keine schwarze Kasse. Ich bin ganz froh, dass das ein Problem weniger ist, um das sich dieser Finanzsenator kümmern muss. Er hat genügend andere am Hals und diese nicht selbst verschuldet. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen mehr vorliegen, kommen wir zur Abstimmung.

Wer möchte sich dem Antrag der SPD–Fraktion aus der Drucksache 19/5703 anschließen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit Mehrheit abgelehnt.

Im Übrigen stelle ich fest, dass die Bürgerschaft von den Drucksachen 19/5566 und 19/5575 Kenntnis genommen hat.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 28, Drucksache 19/5475, Senatsmitteilung: Bericht über den Sachstand zur Hafenquerspange und über einen Antrag auf Änderung der Linienbestimmung aus dem Jahr 2005 (Nordtrasse) nach Paragraf 16 Bundesfernstraßengesetz.

[Senatsmitteilung: Bericht über den Sachstand zur Hafenquerspange (HQS) und über einen Antrag auf Änderung der Linienbestimmung aus dem Jahr 2005 (Nordtrasse) nach § 16 Bundesfernstraßengesetz – Drs 19/5475 –]

Wird das Wort gewünscht? – Herr Hesse, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die heutige Bürgerschaftssitzung stand bisher unter der Überschrift: Was können, was wollen und was müssen wir uns noch leisten in der Zukunft? Mit der Senatsdrucksache, die wir heute zur Hafenquerspange vorliegen haben,

(Dr. Peter Tschentscher)

haben wir ein Projekt, das wir uns leisten können, das wir uns leisten müssen

(Christiane Schneider DIE LINKE: Das lei- sten wir uns!)

und das wir uns leisten wollen. Deswegen ist es auch gut, dass sie vorliegt.

(Beifall bei der CDU)

Im Übrigen habe ich in den letzten Monaten keinerlei Stimmen wahrgenommen, die gesagt hätten, die Hafenquerspange müsste aus finanziellen Erwägungen diskutiert werden, denn es ist offensichtlich, dass die Hafenquerspange einen wirtschaftlichen Nutzen und einen verkehrlichen Nutzen hat.

(Andy Grote SPD: Bezahlen tut sie der Bund!)

Der Kollege ruft es richtigerweise auch noch in den Raum, die Zahlung erfolgt größtenteils durch den Bund.

(Dirk Kienscherf SPD: Das ist ja Nebensa- che!)

Insofern sollten wir ein so wertvolles Projekt, wenn wir es realisieren können, schnellstmöglich umsetzen.

Wo ich den Kollegen Bischoff gerade sehe, ich habe eben bei Herrn Hackbusch sehr interessiert zugehört. Auch der hat etwas zur Infrastruktur im Hafen gesagt. Er hat nämlich gesagt, wir erkennen auch strukturelle Defizite im Hafen. Ich hoffe, dass er damit auch die Hafenquerspange meinte, weil wir dann heute an einem Punkt angekommen wären, bei dem man vielleicht einen großen überparteilichen Konsens im Parlament hätte und über ein Projekt sprechen könnte, das von allen im Parlament vertretenen Parteien auch getragen wird. Ich befürchte aber, Sie werden nachher etwas anderes sagen, Herr Bischoff.

Mit den Grünen haben wir die Hafenquerspange in den Koalitionsverhandlungen sehr intensiv diskutiert; auch das ist kein Geheimnis. Man hat sich dann im Koalitionsvertrag darauf verständigt zu sagen, es solle eine möglichst geringe finanzielle Belastung bei günstigem Finanzschlüssel Bund/Hamburg geben. Wir wollen mit einer neuen Planung für die Hafenquerspange eine verkehrliche Entlastung für Wilhelmsburg. Sie darf dem "Sprung über die Elbe" städtebaulich nicht entgegenstehen. Es soll auch keine aufgeständerte Lösung über den Spreehafen geben. Es soll keine weiteren Zeitverzögerungen geben und natürlich sollen auch die ökologischen Aspekte berücksichtigt werden.

Mittlerweile glaube ich beurteilen und feststellen zu können, dass die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, die dies gemeinsam mit der DEGES vorangebracht hat, nicht nur diese Punkte alle abgearbeitet, sondern es bisher auch geschafft hat,

liebe Frau Senatorin, in einem wunderbaren Dialog mit den Menschen vor Ort solche schwierigen Produkte wie eine Hafenquerspange und eine verkehrliche Planung zu diskutieren und dort auch für Unterstützung zu werben. Das ist nicht einfach, aber es verdient zumindest Applaus, weil man die Menschen vor Ort mitnehmen will bei solchen schwierigen Projekten und das finde ich auch richtig.

(Beifall bei der CDU – Andy Grote SPD: Abenteuerlich! Sie wissen genau, wie das gelaufen ist!)

Die Hafenquerspange wird mit dieser vom Senat heute vorgelegten Drucksache in den Bundesfernstraßenplan eingehen. Mit einem Bauanfang rechnen wir trotzdem nicht vor 2015. Nur, lieber Kollege Ohlsen, wenn man sich mit der Hafenwirtschaft unterhält, dann sagen die mittlerweile schon gar nicht mehr, wo die Hafenquerspange laufen soll, sondern die sagen, Hauptsache, ihr fangt endlich einmal an zu bauen, Hauptsache, es kommt endlich eine, denn das Herzstück unserer Stadt, der Hafen, braucht dieses Infrastrukturprojekt und damit ist dann auch heute ein guter erster Schritt gemacht.

Wir werden mit der Hafenquerspange zudem eine große verkehrliche Wirkung erzielen können, indem wir nämlich die A 252 gemeinsam mit der A 1 und der A 7 anbinden und damit auch ein großes verkehrliches Problem lösen, was wir im Süden der Stadt haben, nämlich eine Netzlücke schließen können. Wir werden mit der Verlagerung der Wilhelmsburger Reichsstraße, die in diesem Zusammenhang zu sehen ist, auch Wilhelmsburg attraktiver machen und den Menschen vor Ort Entlastung von städtischem Verkehr bringen. Wir werden die B 73 entlasten.

Dadurch, dass wir eine südliche Variante gefunden haben, werden sicherlich auch dort Verkehre auf die neue geplante Trasse der Hafenquerspange ausweichen. Wir werden Reduktionen der Lärmund Schadstoffemissionen in vielen Wohnquartieren haben, weil man natürlich durch so ein Angebot, das im Süden unserer Stadt entsteht, viele Verkehre bündelt, die sich bisher durch andere Straßen unserer Stadt geschlängelt haben. Über die gesamtwirtschaftlichen Kostenvorzüge durch Fahrzeiteinsparung, Benzin-, Transportkosten und Ähnliches brauche ich nichts zu sagen, das liegt alles auf der Hand.

Insofern – es ist auch schon ein bisschen spät – will ich Sie mit weiteren Argumenten für dieses hervorragende, wunderbare Projekt verschonen. Sicher werden die weiteren Redner noch auf den einen oder anderen Punkt eingehen. Ich freue mich – deswegen hat es die CDU-Fraktion heute auch angemeldet –, dass wir vorankommen und jetzt an einem Punkt angelangt sind, an dem an

scheinend einer Realisierung dieses für unsere Stadt so wichtigen Projekts

(Andy Grote SPD: Anscheinend!)

nichts mehr entgegensteht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort hat Herr Grote.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Kollege Hesse, die Hafenquerspange ist ein langwieriges, schwieriges Thema und bisher in Wahrheit natürlich keine Erfolgsgeschichte, für frühere Senate nicht, für diesen Senat allerdings auch nicht und ebenso wenig für die ganzen CDU-geführten Senate. Ich kann auch die Euphorie, die Sie versucht haben zu versprühen, nicht ganz nachvollziehen. Es ist sicherlich richtig, dass wir im Hamburger Süden leistungsfähige Verkehrsverbindungen brauchen für die Hafenwirtschaft. Genauso wichtig ist, dass wir einen sorgsamen Umgang mit den betroffenen Stadtteilen und den dort lebenden Menschen brauchen. Ich muss Ihnen allerdings sagen, dass, je länger und intensiver ich mich mit den Planungen beschäftigt habe, so wie sie aktuell verfolgt werden, wie sie in der Drucksache vorgelegt werden und wie sie auch die DEGES-Studie beschreibt, ich immer größere Zweifel habe, ob wir diese Ziele mit dieser Planung erreichen können.