Protokoll der Sitzung vom 22.04.2010

Das Wort hat Herr Quast.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach der Fensterrede von Herrn Wersich kommen wir nun zu einigen inhaltlichen Punkten.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU: Oh, oh!)

Herr Kollege Wersich, meine Kritik an der Hamburgischen Bauordnung im Dezember 2005 hinsichtlich der Lebensqualität und der Wohnqualität in Hamburg bezog sich insbesondere darauf, dass Sie die Abstandsflächen deutlich reduziert haben, die zwischen den Gebäuden eingehalten werden müssen, und dass auch die Geschosshöhen in Wohngebäuden und Aufenthaltsräumen auf 2,30

Meter abgesenkt werden können. Das heute schon zu beurteilen, ist allerdings wirklich zu früh, da haben Sie vollkommen recht, denn in den letzten Jahren haben Sie in Hamburg kaum noch Wohnungen gebaut. Da müssen wir noch warten, um das beurteilen zu können.

(Beifall bei der SPD)

Gleichwohl haben die Hamburger ihr Urteil über die Lebensqualität unter einem CDU-Senat gerade gesprochen, wenn ich sehe, dass nur noch 20 Prozent Sie überhaupt wählen würden. Also ein erstes Ergebnis liegt durchaus vor zu diesem Thema.

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Können wir zur Seriosität zurückkehren?)

Meine Damen und Herren! Wir wollen Sie natürlich an dem messen, was Sie damals veranlasst hat, diese Hamburgische Bauordnung zu ändern. Der damalige Bausenator Freytag, der durchaus für seine pathetischen Reden bekannt ist – das ist der Mann mit "Ein guter Tag für Hamburg" –, hat damals ausgeführt, dass die neue Hamburgische Bauordnung ein Eckpfeiler für Hamburg als wachsende Metropole sei. Besonders stellte er die Reduzierung des Regelungsumfangs und die veränderten Verfahren heraus. Herr Wersich hat sie alle aufgezählt, ich will es nicht wiederholen.

Damals war die CDU-Fraktion skeptisch, ob das alles eintreffen könnte und hat dankenswerterweise die Initiative ergriffen. Allerdings war auch nur ihr allein es möglich, das ins Gesetz zu schreiben, dass wir eine Evaluierung zum 31. Dezember 2008 erhalten sollten. Das hat zeitlich fast geklappt zum Ende 2008, aber gleichwohl haben wir jetzt eine Grundlage, um zu messen, was aus den vollmundigen Ankündigungen des damaligen Finanzsenators geworden ist.

Nehmen wir einmal das Stichwort von dem Eckpfeiler für Hamburg als wachsende Metropole. Während noch mit dem Wohnungsbauerleichterungsgesetz der 1990er Jahre über 80 000 Wohnungen in Hamburg geschaffen werden konnten, liegt seit der Hamburgischen Bauordnung von 2006 der Wohnungsbau danieder.

(Hans-Detlef Roock CDU: Da vermischen Sie doch Äpfel mit Birnen!)

Jedes Jahr erreichen wir neue Negativrekorde, bestimmt aber haben wir keine Impulse für mehr Wohnungsbau in Hamburg erhalten; Herr Roock, die Zahlen sprechen für sich.

(Beifall bei der SPD)

Auch wenn Herr Becker gestern schon einen ersten Lichtstreif am Horizont erkannte, weil zum Glück die Baugenehmigungen etwas anziehen – worüber wir uns auch sehr freuen –, fürchte ich, dass es auch nicht mehr ist, denn wir bleiben leider immer noch deutlich um 50 Prozent bei den Bau

(Ekkehart Wersich)

genehmigungen hinter dem zurück, was wir tatsächlich an Fertigstellungszahlen benötigten. Insofern hoffen wir, dass es aufwärts geht, aber wirklich sicher sind wir uns leider noch nicht.

Was bewirkte nun die von Herrn Freytag hoch gelobte Reduzierung des Regelungsumfangs um ein Drittel? Ich zitiere aus der Evaluierungsdrucksache:

"Schwierigkeiten bereiten die neuen, teilweise stark gekürzten Formulierungen. Unklare Rechtsbegriffe, zahlreiche Querverweise wie auch die Streichung hilfreicher Mindestmaße führen […] zu einem Verlust an Verständlichkeit und Eindeutigkeit."

Dies, meine Damen und Herren, macht deutlich, dass die Reduzierung von Regelungen an sich noch keine Verbesserung ist, sondern in diesem Fall einen Verlust an Klarheit bedeutet hat, der möglicherweise nicht folgenlos geblieben ist, auch für die Akzeptanz der Verfahren, die neu eingeführt wurden, denn auch diese Verfahren sind nicht kritikfrei. Die verfahrensfreien Vorhaben wie für Carports und Garagen haben nach Ansicht eines jeden zweiten Bauprüfers zu einer Zunahme rechtswidrig errichteter Vorhaben geführt und das bei unserem Rechtsordnungs-CDU-Senat – rechtsfreie Räume in Carports und Garagen.

(Beifall bei der SPD – Hans-Detlef Roock CDU: Das war ein Witz, es darf gelacht wer- den!)

Freu dich doch mal.

Das vereinfachte Genehmigungsverfahren stoße bei den Bauprüfern an die Grenzen des Verwaltungshandelns, heißt es in der Drucksache, insbesondere die verkürzte Genehmigungsfrist von einem Monat. Die CDU führte im Ausschuss sogar an, dass ihr Erkenntnisse vorlägen, dass die Bauprüfer "in Notwehr" – das ist jetzt von mir – Unterlagen nur deswegen nachfordern, um den Fristlauf zu verlängern. Ich glaube, auch das ist nicht im Sinne dessen, der diese Regelung geschaffen hat.

Kritisiert wird auch der reduzierte Prüfumfang, bauordnungsrechtliche Anforderungen. Zum Beispiel werden die Rettungswege nicht mehr ausreichend geprüft.

Das sogenannte Genehmigungsverfahren mit Konzentrationswirkung, bei dem die Bauprüfer zum Verfahrensmanager werden, wird zwar in der Grundidee von den Bauherren, Architekten und Bauprüfern akzeptiert. Gleichwohl – und auch das finden Sie in der Drucksache, die wir offenbar mit verschiedenen Augen gelesen haben, Herr Kollege Wersich – wird das Verfahren, wie es in Hamburg praktiziert wird, von nicht einmal jedem siebten Bauprüfer und von weniger als der Hälfte der Bauherren und Entwurfsverfasser als gelungen bewertet. Vor allem die Unsicherheiten hinsichtlich der

Nachforderungen von Unterlagen und der Verfahrensdauer werden heftig kritisiert.

Mit der vorliegenden Drucksache werden Fehlentwicklungen korrigiert und einige Unklarheiten beseitigt. Es zeigt sich, dass manchmal mehr Regelungen Sinn machen, wenn man in Hamburg vernünftig bauen will. Wir unterstützen dies und werden deswegen der Vorlage heute zustimmen.

(Hans-Detlef Roock CDU: Geht doch! – Vi- viane Spethmann CDU: Dann hätten Sie sich Ihren Antrag ja auch sparen können!)

Zu unserem Antrag: Schon 2005 hatten wir kritisiert, dass die Regelung zur Errichtung von Kinderspielplätzen nicht ausreichte. Das haben die Bauprüfer nun auch Ihnen ins Stammbuch geschrieben, weswegen der Senat zu einer Korrektur bereit ist. Uns reicht es aber nicht aus. Wir glauben, dass wir uns nicht allein darauf verlassen können – das belegen viele Untersuchungen, die wir regelmäßig zu lesen bekommen –, dass die Spielplätze hergerichtet werden, sondern wir müssen uns darauf verlassen können – das können letztendlich nur die verantwortlichen Stellen sicherstellen –, dass die Spielplätze auch qualitativ hochwertig errichtet werden und dass sie vor allen Dingen dauerhaft erhalten werden. In diese Richtung geht unsere Initiative für die Kinderspielplätze.

Meine Damen und Herren! Der Kollege hat es bereits gesagt, die Evaluierung der Bauordnung wird bis 2011 fortgesetzt, vor allem hinsichtlich des vereinfachten Verfahrens, weil dort noch viele Informationen fehlen und es deswegen heute wirklich nicht als gelungen bewertet werden kann. Wir erwarten aber auch, Frau Senatorin, dass die anderen kritischen Punkte, von denen ich einige genannt habe, ebenfalls weiter beobachtet werden und wir würden uns freuen, wenn wir tatsächlich noch in dieser Legislaturperiode den nächsten Bericht diskutieren könnten und ihn nicht auf die nächste verschieben müssen.

Es gibt also noch viel zu tun bei der Bauordnung, es gibt noch viel zu prüfen, packen Sie es an.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Becker.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! 2002 hat der Bund eine neue Musterbauordnung herausgegeben und danach hat man sich dazu in Hamburg 2005 entschlossen. Das Ziel war Entbürokratisierung und die Vereinfachung und Verkürzung von Verfahren. Im April 2006 ist die Hamburgische Bauordnung in Kraft getreten. Mit der Evaluation haben wir uns letztes Jahr beschäftigt. Sie hat ergeben, dass sich viele Befürchtungen, die auch meine Fraktion hatte, zumindest bis jetzt nicht erfüllt haben.

(Jan Quast)

Zumindest war es so, dass die Verringerung der Abstandsfläche, die deutlich um das Zweieinhalbfache verringert worden ist, zu vielen Schwierigkeiten mit der Dichte einer Bebauung in der Stadt führen kann. Es ist aber so, dass es bis auf Einzelfälle nicht wirklich auffällig wurde und deswegen wird es jetzt erst einmal weitergeführt. Von der Verringerung der Höhe von Aufenthaltsräumen in Gebäuden ist in nur weniger als 20 Prozent der Fälle Gebrauch gemacht worden. Ich denke, in diesem Fall werden wir uns das sicherlich noch einmal anschauen müssen.

Die eingeführten Verfahren, also vereinfachtes Verfahren und konzentriertes Verfahren, sind genügend beschrieben worden, ich will sie nicht noch einmal im Detail erläutern. Die Rückfragen und der Rücklauf sowohl von den Bauherren als auch von den Planerstellern und der Verwaltung deuten darauf hin, dass sie zwar nicht bejubelt werden, aber sie werden teilweise positiv kritisiert, teilweise auch negativ, man kann wohl damit arbeiten.

Man kann auch mit der 3-Monats-Fiktion arbeiten. Eingetreten ist sie nur, wie wir gehört haben, in 2 Prozent der Fälle. Einmal ist sie sogar bei einem Bürgerbegehren eingetreten, wie wir alle sicherlich wissen. Das ist aber ein Fall, über den man gesondert reden muss, ob und wie gegebenenfalls mit einer Änderung der Bauordnung darauf reagiert werden kann.

Auch die von uns befürchtete Verschandelung des Stadtbildes durch die ganzen genehmigungsfreigestellten Vorhaben wie Carports, Garagen und so weiter sind nicht in dem Maße eingetreten wie befürchtet. Es ist aber auch nachgesteuert worden, um das Bild der Vorgärten in der Stadt zu schützen. Da wurde jetzt eine Textzeile eingebaut, die ein Überhandnehmen von Carports ausschließen dürfte.

Wenn man den Genehmigungsumfang reduziert, birgt das natürlich immer die Gefahr, dass Qualität verlorengeht. Ob zum Beispiel durch Verzicht auf Bauabnahmen wirklich gravierende Probleme entstehen, können wir noch nicht beurteilen. Vielleicht wird man das 2011 auch noch nicht beurteilen können. Aber an der Bauordnung muss man immer dranbleiben, man muss sie ständig evaluieren. 2011 werden wir wieder im Gespräch darüber sein und dann muss man auch über dieses Thema reden.

Ein weiteres Thema, bei dem sich der letzte Entwurf nicht bewährt hat, ist die technische Bauprüfung. Man hat diese Instanz privatisiert, aber festgestellt, dass die privaten Sachverständigen eher Probleme verschärfen als sie zu lösen. Deswegen sehen wir es auch als sinnvoll an, dass hier nachgesteuert und das zurückgenommen wurde. Das waren die wesentlichen Veränderungen und Erkenntnisse, auf die ich eingehen wollte.

Zum Antrag der SPD-Fraktion: Sie möchten gern regeln und überwachen auf privaten Flächen, wenn Kinderspielplätze gebaut werden. Wir werden diesen Antrag heute ablehnen, weil Kinderspielgeräte keine Bauwerke sind. Das heißt, Sie können das nicht über das Bauordnungsrecht regeln, das lässt sich systematisch von der Regelung nicht erfassen, deswegen passt es nicht hierher.

(Andy Grote SPD: Dann können Sie die gleich weglassen!)

Herr Grote, es wird sicherlich auch einmal Baumhäuser geben oder Häuser, die fundamentiert sind, die man im rechtlichen Sinne als Bauwerke bezeichnen kann. Kinderspielgeräte sind keine Bauwerke. Deswegen können Sie sie auch nicht baurechtlich regeln; so einfach ist das.

In der BSU habe ich erfahren, dass man darüber nachdenkt, ob man eine Richtlinie darüber herausgeben kann, was eine geeignete Ausstattung ist. Die geeignete Ausstattung ist ein Teilaspekt, der sehr offen formuliert ist in der Bauordnung: Kinderspielplätze auf privaten Grundstücken sollten geeignet ausgestattet sein. Hier ist ein gewisser Regelungsbedarf und wir werden dazu etwas von der BSU hören.

Zu der von Ihnen gewünschten Änderung zu Paragraf 73, was den Vorbescheid betrifft, stimmen wir dem nicht zu, weil wir den Vorbescheid als Instanz nicht schwächen wollen. Das wäre die Folge eines solchen Beschlusses, den es übrigens nirgendwo im gesamten Bundesgebiet so gibt, wie Sie ihn gern hätten. Wenn wir das machen würden, könnten Probleme bei der Finanzierung von Vorhaben entstehen, weil auch Banken dann einen Vorbescheid nicht mehr so gravierend ernst nehmen wie bisher. Dem werden wir uns nicht anschließen, deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Herr Dr. Bischoff, bitte.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Wersich, Sie haben zu Recht gesagt, dass es eigentlich ein Beratungsthema für den Ausschuss sei. Auch die Details, die Sie jetzt noch einmal ausgebreitet haben, gehören in den Ausschuss. Ich kritisiere das jetzt nicht offensiv, aber da Sie es selbst angesprochen haben, frage ich Sie, aus welchen Gründen Sie dann so ein Thema noch einmal für die Plenardebatte anmelden.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Ich sage dies besonders deshalb, weil wir Öffentlichkeit haben und heute am Girls'Day besonders viel, die ich ausdrücklich begrüße.