Zweitens ist gestern ein formaler Fehler geschehen, das ist sicherlich richtig. Wir konnten der Geschäftsordnung der Bürgerschaft keine Lösung des Problems entnehmen; auch der Ausschussvorsitzende hatte kein Wissen darüber, ebenso wenig wie die Bürgerschaftskanzlei. Darum ist gestern in der Tat ein derartiger Fehler geschehen. Wir haben das heute Morgen über die Bürgerschaftskanzlei aufklären können und ich denke, wir haben jetzt ein Verfahren gefunden, im Sinne der Geschäftsordnung korrekt vorgehen zu können.
Des Weiteren haben wir gestern im Ausschuss, und das ist der übliche parlamentarische Weg, ein Petitum angekündigt – Herr von Frankenberg hat das gerade deutlich gemacht –, das eine Besitzstandswahrung für die Menschen in den Pflegeheimen vorsieht, die jetzt keine Hilfe zur Pflege beziehen, aber eine Hilfe zu den Investitionskosten. All die Menschen, die jetzt in den Heimen sind, werden diesen Zuschuss lebenslang weiter erhalten. Das ist eine Bestandswahrung, die wir gestern als Initiative angekündigt haben. Dies ist ein üblicher Weg und ich habe gestern auch nicht verstanden, warum sich die SPD darüber aufgeregt hat. Wir werden zu diesem Gesetz in der Bürgerschaft eine Vorlage machen und dazu möglicherweise noch einmal diskutieren.
Generell fand ich es schade, dass Herr Kienscherf so sehr vom Thema abgewichen ist. Es ging eigentlich um das Thema Pflege und nicht um Formalien aus irgendeinem Ausschuss und Streitereien zwischen den Fraktionen.
Kommen wir zurück zur Pflege. Ich war erstaunt über die Äußerung von Herrn Kienscherf, dass sich die Behörde von der stationären Pflege zurückziehe und die Leute allein lasse. Es ist gestern im Ausschuss deutlich geworden, dass 73 Prozent aller stationären Heimbewohner Hilfe zur Pflege beziehen. Da kann man doch nicht davon sprechen, dass sich die Stadt hier aus einer Verantwortung zurückzieht und schon gar nicht die Behörde. Ich glaube, Herr Kienscherf, das haben Sie ein bisschen überinterpretiert.
Die Anfrage gibt in der Tat gut Auskunft, nicht zuletzt aufgrund der umfassenden Antworten. Ich denke, sie ist sehr hilfreich, wenn man über Pflege redet. Der Vorspann der SPD ist vielleicht etwas kritischer, er wirft überholte Planung vor und kritisiert das Fehlen einer verantwortungsvollen Pflegepolitik. Das sehen wir anders. Nicht zuletzt hat die Sozialbehörde in der Zwischenzeit den Entwurf zur Rahmenplanung bis zum Jahr 2015 vorgelegt und darin sind zum Beispiel zwei interessante Ergebnisse zu finden. Zum einen ist die Pflegebedürftigkeit nicht so stark angestiegen, wie wir zunächst angenommen hatten; das heißt, die Zahlen, auf denen die Planungen beruhen, sind durchaus korrekt. Und zum anderen haben wir in den letzten Jahren eine erfreuliche Entwicklung bei den Fachkräften, das war auch ein Anliegen von Herrn Kienscherf. Die Zahl der ambulant Gepflegten ist um 4 Prozent gestiegen, die Zahl der ambulant tätigen Pflegefachkräfte aber um 34 Prozent; hier hat sich also das Verhältnis verbessert. Auch im stationären Bereich stieg die Zahl der Pflegebedürftigen um 6 Prozent und die der Fachkräfte um 14 Prozent. Das ist sicherlich eine positive Entwicklung.
Aber es ist unbestritten – da gebe ich der SPD recht –, dass die Zahl der Pflegebedürftigen in den nächsten Jahren weiter ansteigen wird und wir darauf reagieren müssen sowohl in Bezug auf die Zahl der Fachkräfte als auch in Bezug auf die Ausbildung in der Altenpflege. Die Altenpflegeausbildung muss als betriebliche Aufgabe verstanden werden, denn es liegt natürlich nicht nur in unserem Interesse, sondern auch im Interesse der Pflegeeinrichtungen, für qualifizierten Nachwuchs zu sorgen. Aus diesem Grund ist natürlich das Bündnis für Altenpflege, das schon mehrfach erwähnt wurde, ein positives Beispiel dafür, wie der schwarz-grüne Senat in der Ausbildungsförderung aktiv geworden ist. Erste Ansätze haben Erfolg gezeigt und Ende des letzten Jahres gab es eine positive Bilanz. Aus grüner Sicht liegt ein Schlüssel zur Sicherung des Berufsnachwuchses in einer qualifizierten und modernen Pflegeausbildung. Modern bedeutet gerade in diesem Sinne auch, dass wir die Pflegeausbildung zusammenführen wollen. Wir haben die Kranken-, Kinder- und Altenpflege und es ist ganz wichtig, eine generalisierte Pflegeausbildung ins Leben zu rufen, alles andere ist nicht mehr zeitgemäß. Hamburg hat sich unter Senator Wersich an der eingesetzten Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Reform der Pflegeausbildung beteiligt und aus meiner Sicht ist positiv zu vermerken, dass die generalisierte Pflegeausbildung auch hier in Hamburg weiter forciert wird. Ich denke, dass die Ergebnisse der Bund-Länder-Arbeitsgruppe uns noch einmal beschäftigen werden, entweder hier im Parlament oder im Ausschuss.
Wir Grüne wollen ein durchlässiges und abgestuftes Ausbildungssystem. Hier sehe ich auch an den Antworten auf die Anfrage noch weiteren Handlungsbedarf, gerade was die unbürokratischen Weiterbildungsmöglichkeiten angeht, denn noch immer ist es sehr schwierig, von der Pflegeassistenz zur Pflegefachkraft zu kommen oder gar zum Studium der Pflege. Daran müssen wir noch weiter arbeiten, um die Weiterbildungsmöglichkeiten zu verstärken.
Herr Kienscherf sprach auch die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege an und die Pflegezeit. Die Pflegekräftesituation ist nämlich nur eine Seite der Medaille. Neben qualifizierten Professionellen sind auch gute Rahmenbedingungen für die Pflege durch Freunde und Angehörige notwendig. Das Pflegesystem – und das heißt nicht, dass wir nun sämtliche Pflegefachkräfte durch Angehörige ersetzen wollen – würde ohne die Bereitschaft von Angehörigen und Bezugspersonen, im Pflegefall Verantwortung zu übernehmen, heute schon gar nicht mehr funktionieren. Das muss uns allen bewusst sein.
Aus diesem Grund besteht auch dort erheblicher Handlungsbedarf, auf den die Bundesregierung bereits reagiert hat. Anfang März dieses Jahres hat Familienministerin Schröder ein Modell für eine bis
zu zweijährige Familienpflegezeit für erwerbstätige pflegende Angehörige vorgestellt. Es ist nun einmal so, dass im Pflegebereich ganz viel nicht nur in Hamburg passiert, sondern auch im Bund. Dieser Vorschlag ist auch aus grüner Sicht ein Schritt in die richtige Richtung, allerdings überraschte hier, bei allem Respekt für den Vorstoß der Ministerin, wie undurchdacht er an vielen Stellen war. Menschen, deren Angehörige nicht am selben Ort leben, profitieren von diesem Modell nicht. Was passiert beispielsweise, wenn Arbeitnehmer nach zweijähriger Pflegezeit nicht auf eine Vollzeitstelle zurückkehren können? Was passiert, wenn während der Pflegezeit Arbeitsunfähigkeit eintritt? Muss dann vorausgezahltes Gehalt zurückgezahlt werden? Das alles sind Fragen, auf die zumindest die Bundesregierung noch keine Antwort wusste.
Die Pflegezeit soll zudem nur engeren Familienmitgliedern gewährt werden und das widerspricht aus unserer Sicht den heutigen Lebensmodellen und behindert die Verantwortungsübernahme auch außerhalb familiärer Bindungen. Aus diesem Grund hat sich Familienministerin Schröder erst einmal bereit erklärt, das Modell auszusetzen; die Vorschläge werden noch einmal überarbeitet und neu eingereicht.
Hier wird allerdings deutlich, dass diese Einzelmaßnahmen – allein schon, wie eine Pflegezeit aussehen soll – künftig natürlich einen Beitrag dazu leisten können, wie die Förderung der Pflegebereitschaft von Angehörigen aussehen kann. Dies ist aber nur ein Baustein. Wir brauchen ein pflegerisches Gesamtkonzept, um denjenigen wirklich zu helfen, die Pflege und Beruf besser miteinander verbinden möchten. Aber auch für diejenigen, die sich ausschließlich der Pflege widmen möchten, brauchen wir zielgerichtete Entlastungsangebote.
Das heißt konkret, wir brauchen den Ausbau ambulanter Leistungsangebote, wie der Tages-, Nacht- und Kurzzeitpflege, wir brauchen Förderund Anreizstrukturen für mehr bürgerschaftliches Engagement sowie für den Ausbau komplementärer und haushaltsnaher Dienstleistungen im Bereich der Pflege und wir brauchen vor allen Dingen die weitere Förderung und den Ausbau alternativer Wohn- und Versorgungsformen. Mit diesen ist Hamburg schon auf einem sehr guten Weg, weil wir sehr viele ambulante Betreuungsmaßnahmen geschaffen haben, und es gilt für uns nach wir vor der Grundsatz: ambulant vor stationär. Auch die Große Anfrage zeigt, dass Hamburg auf einem sehr guten Weg ist, den wir natürlich in diesem Sinne weiter beschreiten werden.
Herr Präsident, sehr geehrte Herren und Damen! Wir haben es derzeit mit einem Versorgungssystem in der Pflege zu tun, das ausschließlich in privaten Händen liegt. Zu Hause pflegen Angehörige ihre Eltern oder Schwiegereltern und in der ambulanten und stationären Pflege sind es ausschließlich privatwirtschaftlich organisierte Träger, in deren Obhut sich pflegebedürftige Menschen begeben. Der Anteil an Pflegebedürftigen wird laut Prognose ansteigen und darunter werden sich überproportional viele Frauen befinden, die schon jetzt den Großteil der pflegebedürftigen Menschen ausmachen. Es werden zudem mehr Menschen mit einer von Migration geprägten Lebensgeschichte hinzukommen als derzeit. Auch der Anteil an Behinderten, die pflegebedürftig werden, wird zunehmen. Gleichzeitig wird die Anzahl der Angehörigen, die pflegen könnten, objektiv abnehmen, weil der Anteil an Jüngeren zurückgehen wird.
Mitte März veröffentlichte der Senat seinen Entwurf für eine Rahmenplanung der pflegerischen Versorgungsstruktur, wie Frau Blömeke eben schon erwähnte. Hierin prognostiziert er die Entwicklung der Hilfe- und Pflegebedürftigkeit, den Bedarf an Fachkräften und künftige Maßnahmen bei der Dementenbetreuung. Der Entwurf, das darf ich Ihnen an dieser Stelle sagen, spricht für ein in vielen Bereichen sehr verantwortungsvolles Herangehen an dieses wichtige sozialpolitische Thema.
Aber welche Konsequenzen aus den Prognosen und Einschätzungen gezogen werden, wird leider nicht gesagt, und das wiederum finde ich kritikwürdig. Ich sehe es als einen Affront an, dass der Senat auch in der Antwort auf die Große Anfrage keine Auskunft darüber gibt, wann der Entwurf beraten sein wird oder wann er annimmt, dass dies der Fall sein könnte. Es gehört sich nicht, die Antwort dort auszusparen, denn es war klar erkennbar, dass als Antwort ein Datum gewünscht war. Wenn Sie es nicht wissen, dann schreiben Sie es wenigstens; das ist dann auch eine Aussage.
Ich muss ebenfalls kritisieren, dass in den Antworten keinerlei kritische Einschätzung zu den Prognosen abgegeben wird. Dies wäre ohne Weiteres möglich gewesen, aber es wurde nach dem Motto geantwortet – das wurde von Herrn von Frankenberg auch noch einmal bestätigt –: alles gut, wir haben es im Griff. Ich befürchte, Sie haben nur wenig im Griff. Das ist zum großen Teil selbst verschuldet, hierzu komme ich noch.
In der Rahmenplanung wurden zwei ganz wesentliche Aspekte überhaupt nicht thematisiert, obwohl sie von Relevanz sind. So stellte die Diakonie in Person von Landespastorin Annegrethe Stoltenberg vor einem Jahr ihr Konzept für ein Obdachlosenpflegeheim vor. Dieser Vorschlag findet sich überhaupt nicht in der Rahmenplanung wieder. Das ist mehr als schade, weil es ein wichtiger und
realisierungswürdiger Vorschlag wäre und ich weiß, Herr Wersich, dass Ihnen dieses Konzept vorliegt. Obdachlose Menschen sterben derzeit an Krankheiten, die leicht heilbar wären. Sie benötigen dringend ein spezielles Pflegeangebot, weil sie in der Regel unter 60 Jahren sind, wenn sie pflegebedürftig werden und es kaum möglich ist, sie in andere Pflegeeinrichtungen zu integrieren. München macht es vor und warum macht Hamburg es nicht nach?
Außerdem haben Sie die Kürzung des Zivildienstes ab 2011 nicht einbezogen. Dies wird aber deutliche Auswirkungen haben, weil Zivildienstleistende einen wichtigen Platz in der Pflege einnehmen. Zudem fehlt eine Angabe darüber, wie vernetzt Haus- beziehungsweise Facharztpraxen, ambulante Pflegedienste und Seniorenvereine und -verbände in der Stadt sind.
Sehr geehrte Herren und Damen! Private Träger von Pflegediensten und Einrichtungen werden mächtig gefördert. Für alle, die diese Große Anfrage nicht im Detail gelesen haben, nenne ich einmal einige Zahlen: Von 2001 bis 2009 erhielten 17 Einrichtungen in der Tagespflege 4 743 712 Euro. In der Kurzzeitpflege erhielten von 2007 bis 2009 allein zwei Einrichtungen zusammen 948 199 Euro. In der vollstationären Pflege erhielten von der Hamburgischen Wohnungsbaukreditanstalt zehn Einrichtungen insgesamt 25,6 Millionen Euro. Vor dem Hintergrund dieser enormen Summen hätte ich erwartet, dass in der Rahmenplanung und auch aus den Antworten auf die Große Anfrage konkretere Anforderungen an die Träger gestellt werden, was die pflegerische Versorgungsstruktur angeht.
Es scheint aber fast so, als wollten Sie der Opposition noch genügend Stoff für weitere Kleine und Große Anfragen lassen. Wir müssen davon ausgehen, dass einige dieser Förderungsgelder völlig umsonst gewesen sind, weil nämlich absehbar ist, dass sie an den wirklichen Bedarfen vorbei geplant wurden. So weiß der Senat bereits heute, dass in den Bezirken Hamburg-Mitte, Harburg und Bergedorf der Anteil der Pflegebedürftigen massiv und überproportional ansteigen wird. Allein in Bergedorf wird in den nächsten Jahren mit einer Zunahme von 17 Prozent gerechnet. Doch ob die Träger ausreichend Plätze anbieten werden, ist fraglich, denn es hängt allein von den Investitionskostenentscheidungen der Träger ab, wie sich das Angebot an Plätzen entwickelt und wo sie angeboten werden.
Hinzu kommt das Überangebot in der vollstationären Pflege und ich wundere mich, dass meine Vorrednerinnen und Vorredner das noch nicht angesprochen haben. Dieses Überangebot ist einerseits kein Wunder, denn in der vollstationären Pflege wird richtig Geld verdient. Sie ist geradezu prädestiniert für den Wettbewerb und das Überange
bot in diesem Bereich der Pflege wird sich laut Prognose sogar ausweiten. In der Folge werden einige Träger – und das steht so im Rahmenplanungsentwurf, das ist nicht meine Interpretation, aber ich teile sie – in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Das heißt aber im Umkehrschluss auch, dass vermutlich viele Millionen der Förderung, die an die Träger geflossen sind, umsonst gewesen sein werden, weil ein Überangebot gefördert wurde.
Unterm Strich bedeutet das, dass der Senat mit Millionen Steuergeldern auch Einrichtungen fördert, die vermutlich aufgrund des Wettbewerbs in der privatisierten Pflege in die Pleite rasseln werden. Der Senat weiß zwar ungefähr, wie viele Menschen in den nächsten Jahren pflegebedürftig werden und auch, welche Bezirke davon in welchem Ausmaß betroffen sein werden, aber er kann nicht entscheiden, wo und in welchem Umfang Pflegedienstleistungen angeboten werden. Immer mehr Pflegebedürftige werden von Sozialhilfe abhängig werden, weil die Durchschnittseinkommen sinken, alleinlebende Frauen in Hamburg in Zukunft mit einer Durchschnittsrente von 473 Euro auskommen müssen und die einkommensabhängige Einzelförderung, die bei meinen Vorrednerinnen und Vorrednern auch schon zur Sprache kam, sprich, die Bezuschussung zu den Wohnkosten, gestrichen werden soll, wenn das Landespflegegesetz wirklich geändert wird. Dazu sage ich am Schluss auch noch etwas.
Auffallend ist doch, dass die Behörde wenig über die Qualität der ambulanten Pflegedienste in Hamburg aussagen kann. Welche Kriterien werden eigentlich vorgegeben, um einen privaten Pflegedienst zuzulassen, der auch den differenzierten Pflegesituationen, zum Beispiel Demenz und Schlaganfallpatienten, gerecht wird? Wie wird die Weiterbildung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der ambulanten Pflege organisiert und finanziert? Wer kontrolliert die Qualität der Ausbildung an den Hamburger Altenpflegefachschulen? Hier fehlen wichtige Informationen für die Planung.
Der entscheidende Punkt beim Thema Qualität der Pflege sind aber die Beschäftigten. Doch auch hier weist der Senat erhebliche Wissenslücken auf. In diesem Zusammenhang weiß ich sehr wohl zu würdigen, dass Herr von Frankenberg sich kritisch zu dem Einsatz von Zeitarbeiterinnen und Zeitarbeitern in der Pflege geäußert hat. Der Senat weiß aber zum Beispiel nicht, wo Tariflöhne gezahlt werden und das ist kritikwürdig. Damit ist nämlich ein wesentliches Merkmal, das eine Aussage über die Qualität der Pflege treffen kann, nicht bekannt. Dass für die Pflege ein Mindestlohn vereinbart wurde, ist objektiv gesehen zwar ein Fortschritt, aber dass ein großer Anteil der in der Pflege Beschäftig
ten nur Teilzeit arbeitet – in der ambulanten Pflege sind es 71 Prozent, in der stationären 56 Prozent –, mindert den Fortschritt des Mindestlohns erheblich.
Gerade gestern war im Radio zu hören, in der Zeitung zu lesen und im Pressespiegel der Bürgerschaft lesen Sie es auch, dass der Anteil der Menschen, die zu ihrem Einkommen auf staatliche Zusatzleistungen angewiesen sind, weiter ansteigen wird. Davon dürfte auch ein beträchtlicher Teil nicht nur aus dem Einzelhandel, sondern auch aus der Pflege kommen.
Übrigens ist es bemerkenswert, dass sich trotz dieser schlechten Bezahlung immer noch Menschen finden, die in der Pflege arbeiten möchten, obwohl sie zudem noch häufig als Einstieg Schulgebühren zahlen müssen, denn nur 21 Prozent aller Auszubildenden in der Altenpflege in Hamburg lernen an staatlichen Schulen. Dass sich nicht genug Menschen dafür finden, wundert mich wiederum auch überhaupt nicht. Aus meiner Sicht sind alle Bemühungen des Bündnisses für Altenpflege für eine Verbesserung des Images dieses Berufs fragwürdig, wenn die materielle Bewertung dieser Tätigkeiten so miserabel ist. Ob dies dann durch verbesserte Aufstiegsmöglichkeiten komplett ausgeglichen werden kann, bezweifle ich, denn nicht jede und jeder möchte unbedingt aufsteigen, wohl aber anständig für seine Arbeit bezahlt werden.
Aus Sicht der Linksfraktion fördert die Privatisierung in der Pflege den Pflegenotstand und die nicht bedarfsgerechte Ausgestaltung der Versorgung nach Bezirken und nach Personengruppen. Sie fördert sowohl die Unterbezahlung und Ausbeutung bei den Beschäftigen als auch die personelle Unterversorgung. Der Senat ist sich der Dimension des demografischen Wandels zwar bewusst, doch stößt er an seine selbst gesetzten Grenzen, weil er sich wesentliche Steuerungselemente durch die Privatisierung von PFLEGEN UND WOHNEN genommen hat. Ich fordere daher die Regierungsparteien CDU und GAL auf, den Rahmenplanentwurf unbedingt nachzubessern, konkrete Vorschläge für die Lösung der von mir angesprochenen Probleme zu unterbreiten und ein Konzept zu entwickeln, das die Pflege wieder in die öffentliche Hand zurückführt.
Noch eine Anmerkung zur geplanten Änderung des Landespflegegesetzes. Wie viele von den insgesamt 43 700 pflegebedürftigen Menschen in Hamburg betroffen sind, wurde schon gesagt, es sind ungefähr 7300. Sie erhalten derzeit noch diesen Zuschuss zum Wohngeld, die sogenannte einkommensabhängige Einzelförderung, vielen auch als EEF bekannt, die nun mit der Änderung des Landespflegegesetzes wegfallen soll. Damit soll der Haushalt entlastet werden, weil künftig Angehörige aus ihrem Einkommen etwas zu den Pflege
kosten beisteuern sollen und müssen. Wie gestern im Sozialausschuss bekannt gegeben wurde, plant der Senat zwar einen Bestandsschutz, dazu aber zwei Anmerkungen.
Erstens: Es ist ein völlig falsches Signal, das Sie an die Menschen in Hamburg senden. Die Bürgerinnen und Bürger nehmen doch wahr, dass sie nach der Erhöhung der Kita-Gebühren und des Essensgeldes erneut für die Löcher im Haushalt bezahlen müssen. Was ist das für ein Senat, der die Kosten bei Luxusbauten und das Missmanagement bei den Banken nicht im Griff hat, uns aber weitere Zahlungen abnötigt. Der Senat verspielt langsam jede Glaubwürdigkeit und heizt die aufgeladene Stimmung in der Stadt weiter an.
Zweitens: Die Maßnahme ist auch politisch zweifelhaft, weil nicht klar ist, wie hoch die Entlastung des Haushaltes überhaupt sein wird. Das gibt der Senat sogar selbst zu. Ich hoffe, die öffentliche Anhörung, die gestern im Sozialausschuss gefordert wurde und die am 26. Mai stattfinden wird, wird den Senat noch umstimmen.
Insofern fand ich es absolut undemokratisch, dass gestern diese Abstimmung einfach so durchgeführt wurde, weil von SPD und LINKE mehr als deutlich gemacht wurde, wie groß der Beratungsbedarf zu dieser Thematik noch ist. Immerhin haben die Oppositionsparteien einer Vorwegüberweisung an den Ausschuss zugestimmt. Dann am gleichen Tag das Ding abstimmen zu lassen und durchzupeitschen, ist ein undemokratischer Akt, sehr geehrte Herren und Damen.
Offensichtlich sind Sie sich der Tragweite dieser Entscheidung noch gar nicht bewusst, deswegen wird Ihnen die öffentliche Anhörung hoffentlich auch gut tun, und sagen Sie nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt.
Ich habe Ihnen gestern noch vor der Abstimmung gesagt, worauf das hinsteuern kann. Deswegen fordere ich den Senat erneut auf, die Bezuschussung zu den Wohnkosten weiterhin zu gewähren und das Landespflegegesetz nicht zu ändern.
Meine Damen und Herren! Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Dann kommen wir zur Abstimmung.