Protokoll der Sitzung vom 05.05.2010

Ich will, anders als Herr Müller, ein paar Zahlen nennen. 450 Millionen Euro fließen jährlich in die Kindertagesbetreuung, weitere 70 Millionen Euro werden in den nächsten zwei Jahren zusätzlich zu den 450 Millionen Euro folgen. Wir leisten es uns als Solidargemeinschaft, rund 50 Prozent Mindestbeitragszahler in den Kitas zu haben, das heißt, 50 Prozent aller Kinder zahlen aus unterschiedlichen Gründen nur zwischen 15 und 49 Euro Elternbeitrag. Das Mittagessen, das von Frau Veit angesprochen wurde, wird nach wie vor mit 3 bis 5 Euro pro Essen subventioniert.

(Carola Veit SPD: Das möchte ich aber wis- sen!)

Die Eltern zahlen zukünftig nicht mehr als 1 Euro für ein Mittagessen in der Kita und 2 Euro für ein warmes Mittagessen im Hort. Da kann jeder einmal nachrechnen, wie er dafür zu Hause etwas kocht. 10 Millionen Euro, so haben wir kürzlich gehört, gibt der Senat mehr aus für die Bezahlung von Erzieherinnen und für Sachleistungen in den Kitas.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Wir leisten uns eine Geschwisterkindermäßigung, die es in vielen anderen Kommunen nicht gibt. Nur das jüngste Kind zahlt voll, das zweite ein Drittel und das dritte gar nur den Mindestbeitrag. Wir haben weitreichende Rechtsansprüche, die den Eltern die Sicherheit geben, Familie und Beruf vereinbaren zu können, und das ist insbesondere in den westlichen Ländern eine Besonderheit. Seit August 2009 gibt es das beitragsfreie Jahr, das die Eltern immerhin mit 3500 Euro komplett entlastet.

(Carola Veit SPD: Aber nicht alle!)

Wer angesichts dieser Leistung und dieser Ausgabensteigerung von Sparstrumpf spricht, hat sich mit den Fakten nicht beschäftigt und will die Realität nicht sehen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Wenn ich von Realität spreche, meine ich aber auch die Realität der Wirtschaftskrise, die Herr Müller hier richtig angeführt hat und die uns Steuereinbrüche von 4,7 Milliarden Euro beschert. Aber ich meine auch die Realität der Steuergeschenke, die uns die Bundesregierung macht und die Hamburg in Millionenhöhe belasten. Allein für das Lieblingsprojekt der FDP, das sogenannte

(Stephan Müller)

Wachstumsbeschleunigungsgesetz, muss Hamburg 130 Millionen Euro aufbringen beziehungsweise fehlen diese hier im Staatshaushalt. Das ist der finanzielle Hintergrund, vor dem der schwarz-grüne Senat Sparmaßnahmen in allen Bereichen festgesetzt hat, aber im Kita-Bereich nur eine Begrenzung von steigenden Ausgaben beschlossen hat. Das sind keine Sparmaßnahmen, sondern eine Begrenzung der steigenden Ausgaben. Vor diesem Hintergrund wird jetzt ein Viertel aller Kita-Eltern einkommensabhängig stärker zur Mitfinanzierung der Kita-Plätze herangezogen. 75 Prozent aller Eltern trifft das nicht. Frau Veit, das haben Sie eben nicht richtig wiedergegeben, die durchschnittlichen Kosten der Kindertagesbetreuung werden zu 80 Prozent von Hamburg getragen.

(Carola Veit SPD: Da habe ich mich verspro- chen!)

Das heißt, ein Kita-Platz wird im Durchschnitt zu 80 Prozent von der Stadt Hamburg bezahlt und nur zu 20 Prozent von den Eltern, denn natürlich gibt es auch die anderen Beispiele, die ich gerade nannte, die Mindestbeitragszahler, die etwa für einen Fünfstundenplatz 27 Euro bezahlen, wobei der Platz aber weit teurer ist.

Vor diesem Hintergrund sage ich aber auch, dass die Mehrbelastungen für die Eltern dieser Stadt schmerzlich sind. Ich sage das auch als alleinerziehende Mutter von drei jugendlichen Kindern. Ich weiß sehr wohl, wie lieb, aber auch wie teuer uns die Kinder sind. Dennoch habe ich gemeinsam mit meiner Fraktion Ja zu den Anhebungen der Elternbeiträge gesagt, das ist richtig. Das habe ich nicht zuletzt deswegen getan, weil es uns in der Abwägung der Begrenzung der Ausgaben sehr viel wichtiger war, die kompletten Leistungen der Kindertagesbetreuung zu erhalten und diese sogar noch weiter auszubauen. Wir werden 40 Prozent mehr Krippenplätze schaffen und 20 Prozent mehr Hortplätze, es wird in der Sprachförderung weitere Investitionen geben und wir werden diesen Ausbau weiter fortführen. Alles auf einmal wird man nicht schaffen, das ist eine Kraftanstrengung. Verantwortungsvolle Politik sieht genau so aus, wie sie hier von uns praktiziert wird. Alles andere, da würde ich mich anschließen, ist Realitätsverlust.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort hat Herr Yildiz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wieder einmal hat der Senat die Familien zur Kasse gebeten, um Haushaltslöcher zu stopfen.

(Viviane Spethmann CDU: Da machen Sie es sich einfach!)

Jetzt müssen Familien mit Kindern für die Finanzkrise büßen, während die Krisenverursacher ungeschoren davonkommen. Die familien- und kinderfeindliche Politik dieses Senats ist nicht akzeptabel. Der Senat hat den Eigenanteil und die Essensgeldpauschale durch eine Senatsverordnung erhöht, ohne das vorher in der Bürgerschaft zu diskutieren. Das betrifft Tausende von Kindern und Familien in dieser Stadt, aber der Senat hält es nicht einmal für notwendig, dass wir uns in der Bürgerschaft damit befassen. Wir tun das leider nur in der Aktuellen Stunde. Das ist weder demokratisch noch akzeptabel und macht nochmals die Ignoranz des Senats gegenüber der Bürgerschaft und der Opposition deutlich.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Kommen wir zurück zu den Kürzungen, erstens zum Argument der Besserverdienenden. Was versteht dieser Senat unter Besserverdienenden? Wenn ein Ehepaar jeweils 1500 Euro verdient und zusammengerechnet 3000 Euro nach Hause bringt, gelten sie als Besserverdienende und es werden bei ihnen bis zu 100 Euro zusätzlich pro Monat und pro Kind für die Kita abkassiert. Dazu kommen noch 21 Euro Essensgeld für die Kita oder 42 Euro für das Essen im Hort. Auf gut Deutsch gesagt, zockt der Senat nicht bei den Gewinnern der Krise ab, sondern bei den Familien.

Zweitens: Kinder mit Behinderung haben vorher den Mindestbeitrag von 31 Euro bezahlt, jetzt aber werden diese Familien, die sowieso Probleme haben, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, mit bis zu 200 Euro zur Kasse gebeten. Das ist ein Schlag ins Gesicht dieser Familien. In der Diskussion bei "Schalthoff Live" argumentierte Herr Senator Wersich damit, dass die UN-Behindertenrechtskonvention dazu auffordere, Behinderte und Nichtbehinderte gleich zu behandeln. Hier wird Ungleiches gleich behandelt.

(Beifall bei der LINKEN – Christiane Schnei- der DIE LINKE: Das ist ungerecht!)

Diese Familien haben genug Nachteile, jetzt sollen sie den einzigen Vorteil verlieren – nicht mit uns, Herr Senator Wersich. Es ist und bleibt eine Ignoranz des Senats gegenüber den betroffenen Kindern und man sieht, wie der Senator die UN-Behindertenrechtskonvention für seine Sparpolitik auslegt.

Drittens: der Bereich der sozial Benachteiligten. Diese haben bisher 13 Euro Essensgeld und einen Eigenanteil von 31 Euro gezahlt. Jetzt müssen sie durch die Erhöhung 17 Euro Essensgeld und 36 Euro als Eigenanteil bezahlen. Das zusammengerechnet macht etwa 25 Prozent des Regelsatzes aus, der, wie Sie wissen, 211 Euro pro Kind beträgt. Sogar das Bundesverfassungsgericht hat die Hartz-IV-Regelsätze für Kinder als nicht angemes

(Christiane Blömeke)

sen kritisiert. Das macht noch einmal deutlich, wie realitätsfern der Senat ist. Wissen Sie überhaupt, wie oft Kinder Schuhe, Kleidung et cetera brauchen, weil sie schneller wachsen und dadurch größere Bedürfnisse als Erwachsene haben? Kita-Gebühren sind nicht im Regelsatz enthalten. Ist das verfassungskonform, Herr Senator Wersich? Es scheint, als seien Ihnen die Bedürfnisse dieser Familien und ihrer Kinder völlig egal.

Viertens: Sie senken das Alter, bis zu dem ein Rechtsanspruch auf einen Hortplatz besteht, von 14 auf 12 Jahre. Gerade die Kinder, die der frühkindlichen Bildung am dringendsten bedürfen, werden von ihr ausgeschlossen. Das ist selbst haushaltstechnisch kontraproduktiv und wird im nachgelagerten sozialen Bildungssystem zu höheren Kosten führen, das sehen wir jetzt auch im Bereich der Hilfen zur Erziehung.

(Beifall bei der LINKEN)

Fünftens: Ich frage Sie, was von dem Koalitionsvertrag bezüglich der Kindertagesbetreuung übrig geblieben ist. Der Rechtsanspruch auf Betreuung ab dem zweiten Lebensjahr ist weg, ebenso die Sprachförderung als Kriterium für besonderen Förderbedarf und nun kürzen Sie noch zusätzlich.

Eines kann man deutlich sagen: Die Kita-Politik dieses Senats ist im wahrsten Sinne des Wortes gescheitert. Das ist politisch ein Armutszeugnis. Nehmen Sie die Kürzungen zurück und verhindern Sie, dass die Gesellschaft immer weiter auseinanderfällt. Wir setzen uns für eine gebührenfreie Bildung von der Kita über die Schule bis zur Universität ein. Bildung darf keine Ware sein, auch frühkindliche Bildung nicht.

(Glocke)

Ich komme zum Ende. Wir unterstützen die Volkspetition des Landeselternausschusses. Ich hoffe, dass diese Elterninitiative ein Erfolg wird und der Senat durch sie noch einmal einen Schlag ins Gesicht bekommt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat Senator Wersich.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst einmal weise ich, entgegen Ihren Behauptungen, die Vorwürfe der Opposition entschieden zurück. Hamburg ist kinder- und familienfreundlich.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Wir haben in den letzten Jahren eine Menge gemacht und das Herzstück sind unsere bundesweit vorbildlichen Kitas mit ihren engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und ihren aktuellen Bildungsstandards. Wir haben eine Anzahl von Be

treuungsplätzen ermöglicht und einen Betreuungsumfang realisiert, der nicht nur in unserer Metropolregion nicht noch einmal zu finden ist, sondern auch in ganz Westdeutschland seinesgleichen sucht. Die Stadt Hamburg trägt 80 Prozent der Kosten und hat, gemeinsam mit Berlin, von allen Bundesländern die höchsten Pro-Kopf-Ausgaben für die Kinderbetreuung.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Wer sich die Mühe macht, über den Tellerrand zu schauen und in diesen Tagen eine Zeitung aufschlägt, der liest, dass in anderen Kommunen der Kita-Ausbau aufgrund der Finanzlage sogar infrage gestellt wird. Wir tun das nicht.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

In Gütersloh wird der Höchstbeitrag ab August auf einen Schlag um 230 Euro erhöht. Wir tun das nicht.

In Berlin beträgt das Essensgeld seit Jahren 23 Euro. Wir erhöhen es jetzt auf 21 Euro.

Mit seinen Senats- und Koalitionsbeschlüssen sichert Hamburg den weiteren Ausbau der Kitas: 40 Prozent mehr Krippenplätze und Steigerungen im Hortbereich – und das auch in schwierigster Zeit.

Wir sichern nicht nur den Ausbau, wir sichern auch die Qualität. Kitas leisten längst mehr als Versorgung und Betreuung; sie stehen für frühe Förderung und Bildung und deswegen wird es keine Standardabsenkung geben. Wir sichern zudem – das ist schon angesprochen worden – eine bessere Bezahlung der Kita-Kräfte. Ich erinnere mich gut daran, dass Eltern des Landeselternausschusses im letzten Jahr für eine Erhöhung der Kita-Gehälter demonstriert haben. Die Eltern zahlen dieses Jahr knapp 9 Millionen Euro mehr. Wir zahlen alleine knapp 10 Millionen Euro dafür, dass die Kita-Kräfte endlich besser bezahlt werden können.

(Beifall bei der CDU und der GAL – Carola Veit SPD: Das ist Tariflohn!)

Die Wahrheit ist: Jeder von den Eltern zusätzlich gezahlte Euro fließt in die Hamburger Kitas. Wir haben erst mit diesen Beschlüssen die Perspektive dafür eröffnet, den Ausbau realisieren zu können, ohne neue Schulden zulasten unserer Kinder machen zu müssen.

Ich sage ganz klar: Wir hätten uns alle etwas anderes gewünscht und ich weiß auch, dass es für die betroffenen Eltern ärgerlich ist, dass die Beiträge erhöht werden. Nach fünf beziehungsweise zehn Jahren ohne Beitragserhöhung ist das aber leider unvermeidlich. Natürlich ist das für die Opposition ein gefundenes Fressen. Dass Sie das jetzt ausschlachten, kann ich verstehen. Wer weiß, vielleicht hätten wir das auch gemacht.

(Frank Schira CDU: Nein, nicht so!)

(Mehmet Yildiz)