Protokoll der Sitzung vom 03.06.2010

Außerdem ist dieses südliche Überseequartier grundsätzlich eine zentrale Stelle der HafenCity und von der Prägung her eine Geschäftsstadt. Als solche ist sie konzipiert und muss mit ihrer Urbanität dort eine Schlüsselrolle spielen. Sie muss auch überwiegend aus Gewerbe bestehen und da wird

(Andy Grote)

viel Geld für Hamburg verdient werden. Wenn Sie das als Pleiteprojekt geißeln, dann sehen Sie eine Seite, die vielleicht im Moment populär ist, aber nicht die, die langfristig wirtschaftlich trägt. Das muss eine Geschäftsstadt sein, sie ist wichtig auch für die Entwicklung des Einzelhandels an dieser Stelle.

(Karin Timmermann SPD: Wer soll denn da einkaufen, wenn da keine Menschen woh- nen?)

Insofern ist der Charakter sehr sorgfältig städtebaulich geplant worden. Diese Pläne werden jetzt in einer Zeit umgesetzt, in der sich die Finanzierungsbedingungen deutlich verschlechtert und die Anforderungen der Banken an das Konsortium deutlich erhöht haben. Sie wissen das auch, es werden Eigenkapitalquoten von 30 Prozent und Vormietungsquoten von 60 Prozent verlangt; das sind schwierige Bedingungen.

Wir müssen ein Zeichen setzen, dass die Entwicklung an dieser entscheidenden Stelle auch wie geplant weitergeht. Wenn wir es nicht täten, dann würden Sie sagen, die HafenCity sei am Ende und die Entwicklung sei am Ende

(Hans-Detlef Roock CDU: Das hat er ja schon gesagt!)

und wir würden gar nicht mehr selber an das glauben, was wir da machen. Das ist ein Zeichen, das auf keinen Fall an potenzielle Investoren gehen darf. An dieser Stelle liegen Sie wirklich verkehrt.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Ich bin mit Ihnen einer Meinung, dass für den Betriebshaushalt zwei Millionen Euro zusätzliche Mietkosten und dann eine Bürgschaft, die sicherlich nicht in dieser vollen Höhe in Anspruch genommen wird, aber doch ein gewisses Erpressungspotenzial birgt, kein unangreifbares Paket darstellt. Man muss ganz klar sagen, dass es seine Schwächen hat, aber der Schaden, wenn wir es nicht täten, wäre größer.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort hat Herr Dr. Bischoff.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Becker, wahrscheinlich hatten Sie, als Sie das angemeldet haben, gedacht, dass wir über die östliche HafenCity sprechen. Aber auch da, Herr Lafrenz, muss man bei den Fakten bleiben. Der Senat hat Anfang des Jahres verkündet, dass er den Masterplan überarbeiten würde, und warum sollte er überarbeitet werden? Das kommt doch nicht von der Opposition, sondern das hat der Senat selbst erklärt. Es gebe Unzufriedenheiten über die gegenwärtige

Entwicklung dieses neuen Quartiers, das – ich zitiere –

"[…] zu wenig lebendig, zu wenig und zu teuren Wohnraum biete und viel zu stark als Standort für hochpreisige Büroflächen ausgerichtet sei."

Das war die Ansage und dann ist er nach zwei, drei Monaten überarbeitet vorgelegt worden.

Herr Roock, Sie melden sich. Sie haben in Ihrer Presseerklärung mitgeteilt, das wäre eine einmalige Chance, Hamburg noch attraktiver zu gestalten. Wenn ich mir die Überarbeitung des Masterplans ansehe, dann bleibt die anfängliche Kritik, zu wenig lebendig, zu teuer der Wohnraum, zu hochpreisige Büroflächen, nach wie vor der entscheidende Punkt.

Nun ist Ihnen, Herr Becker, in der Tat etwas dazwischengehagelt, was Sie wahrscheinlich so nicht vermutet haben, nämlich dass wir demnächst in der Bürgerschaft über eine Veränderung eines Grundstücksvertrags entscheiden sollen. Dieser Grundstücksvertrag für das Überseequartier – Herr Grote hat schon gesagt, dass man das eigentlich gar nicht machen kann – ist die pure Erpressung, die Sie wollen, und Sie haben nur versucht, das ein bisschen schönzureden. Die Hansestadt Hamburg soll in eine Option von 50 000 Quadratmetern Büroraum einsteigen, damit also eine gewaltige Erhöhung für die Betriebskosten in Kauf nehmen und gleichzeitig sagt – und das ist wiederum keine Erfindung der Opposition – Herr Bruns-Berentelg, er könne noch nicht einmal garantieren, dass nicht doch alles auseinanderfalle, wenn das so durchgewunken und kein Komma versetzt werde.

In dieser Situation haben Sie das Angebot der Wohnungswirtschaft, das uns auch total überrascht hat, Schluss zu machen mit diesem Wahnsinn, dort Büroflächen hochzuziehen. Es muss die Option gewählt werden zu überlegen, ob man in der HafenCity den Mietwohnungsanteil erhöhen kann. Das wird keine einfache Lösung, kein einfacher Weg sein, weil die Wohnraummieten von zwölf Euro netto kalt aufwärts pro Quadratmeter, die Sie dort in der Regel haben, nur für einen begrenzten Teil der Bevölkerung bezahlbar sind.

(Jens Kerstan GAL: Teure Wohnungen feh- len nicht!)

Herr Kerstan, es bleibt aber dabei, dass bei den Büroflächen schon ein Leerstand vorhanden ist und Sie im Grunde nicht verantworten können, den noch weiter auszugestalten. Wir haben im letzten Jahr 17 Prozent Zuwachs beim Büroleerstand gesehen. Was Sie jetzt an Heilung anbieten, nimmt die Stadt mit dem Umzug von Behörden in diesem Bereich ganz stark in Haftung und Sie bekommen den Leerstand nicht weg. Insofern geht es ganz nüchtern darum, und zwar gerade in einer Situation, wo wir über Paradigmenwechsel reden, ob

(Horst Becker)

man etwas Vernünftiges daraus machen kann oder ob Sie wiederum nach der Logik "Augen zu und durch" ein weiteres Millionengrab programmieren.

Abschließend will ich anmerken, dass es wirklich ein Skandal ist, dass der Senat beziehungsweise Herr Bruns-Berentelg in dieser Situation seit über einem Jahr verhandeln. Jetzt wird uns diese Veränderung des Grundstücksvertrags auf den Tisch gelegt mit dem Druck, das müsse innerhalb von wenigen Wochen durchs Parlament gehen. Wir haben im Grunde, wenn wir das akzeptieren, gar keine Chance, alternative Möglichkeiten zu prüfen. Es wird die entscheidende Frage für die Ausschüsse und für die Bürgerschaft sein, ob sich dieses Haus die Zeit nimmt zu prüfen, ob es eine Möglichkeit ist, in dem Wohnraumanteil aus diesem Dilemma herauszukommen.– Danke.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dirk Kien- scherf und Jan Quast, beide SPD)

Das Wort hat Herr Roock.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Grote, was Sie in den letzten Tagen und heute in den Medien zur HafenCity abgeliefert haben, ist nicht nur schlecht, sondern schadet dem neuen Stadtteil und Hamburg insgesamt.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL – Ingo Egloff SPD: Man kann die Op- position auch abschaffen!)

Sie blenden in Ihren Beiträgen die weltweit größte Wirtschafts- und Finanzkrise aus und ignorieren die durch Griechenland erneut verunsicherten Finanzmärkte. Wenn es nach Ihnen ginge, dann würde die Stadt zur Verunsicherung der nationalen und internationalen Investoren beitragen. Das wäre ein falsches Signal mit fatalen Folgen und von daher ist das mit uns nicht zu machen. Die Frage der Vertragstreue der Stadt und das damit verbundene Vertrauen sollte sich auch der BFW – Herr Grote hat darauf hingewiesen – für seine im Verband organisierten Unternehmen stellen.

(Ingo Egloff SPD: Das ist ne Sache auf Ge- genseitigkeit, so ein Vertrag!)

Diese Unternehmen wären nicht begeistert, wenn die Stadt anders handeln würde. Ich kann dem BFW mit seinen Unternehmen nur zurufen, sich im Wohnungsbau in der östlichen HafenCity zu engagieren, dort gibt es noch viel zu tun.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Meine Damen und Herren! Wir werden vielmehr das investitionsfreundliche Klima in der Stadt und unsere Glaubwürdigkeit aufrechterhalten, um so einen Vertrauensverlust zu vermeiden. Das muss die Botschaft sein, denn Hamburg ist nach wie vor

einer der begehrtesten Immobilienstandorte in Europa und das soll auch so bleiben.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Herr Grote, und auch Sie, Herr Dr. Bischoff, unterstellen der Stadt, erpressbar zu sein. Das ist völlig absurd, denn es wird lediglich eine Vertragsanpassung vorgenommen,

(Andy Grote SPD: Das hat doch Herr Becker selbst gesagt!)

um den Investoren im Überseequartier die nötige Sicherheit zu bieten. Dies ist wegen der erhöhten Anforderungen der Banken aufgrund der Finanzkrise, die Sie ignorant ausblenden, notwendig. Bei Abschluss des Vertrags 2005 war der Senat weitsichtig genug, diese Option zu schaffen und diese wird nun aus gegebenen Umständen auch gezogen. Fazit: Wir können uns als Verantwortliche nicht aus der Sache heraus stehlen, das wäre das absolut falsche Signal und wir würden damit das Herzstück der HafenCity gefährden.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Nun noch ein paar Bemerkungen zum Wohnungsbau und zur Attraktivität, Herr Dr. Bischoff. Fakt ist, dass wir in der östlichen HafenCity mehr Wohnungen bauen. In der westlichen HafenCity haben sich bereits Genossenschaften engagiert und hundert preisgünstige Wohnungen erstellt. Es dürfte Ihnen auch nicht verborgen geblieben sein, dass in der östlichen HafenCity Genossenschaften am Baakenhafen 600 preisgünstige Wohnungen erstellen wollen und dort sind sie auch am richtigen Platz. Das wirkt insgesamt mietpreisdämpfend und entspricht genau unserer Zielrichtung.

Insofern, Herr Grote, ist Ihre Aussage, die HafenCity würde ein teures Pflaster, nicht haltbar, zumal auch sozialer Wohnungsbau entstehen wird. Und Ihre Nörgeleien, wirren und merkwürdigen Schlüsse, die Sie aus dem ziehen, was wir tun, erinnern mich zunehmend an eine uralte Fernsehsendung mit Alfred Tetzlaff. – Dankeschön.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort hat Frau Senatorin Hajduk.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! So sehr ich davon überzeugt bin, dass das Parlament der Raum für die notwendigen Kontroversen der Stadt ist, so sehr finde ich es aber auch richtig und möchte dafür werben, Projekte, die in ihrer Entwicklung nicht nur eine große Bedeutung, sondern aktuell auch eine unheimlich hohe Aufmerksamkeit und positive Ausstrahlung für die Stadt haben, nicht durch Kritik an

(Dr. Joachim Bischoff)

einem Einzelprojekt kleinzureden. Wir haben mit der HafenCity in den letzten zehn Jahren eine Entwicklung, um die ganz viele andere Städte – nicht nur in Deutschland, sondern europaweit und mit weltweiter Ausstrahlung – uns beneiden, dass wir trotz der schwierigen wirtschaftlichen Phase diese Dynamik haben, diese Dynamik mit der ganzen Lebendigkeit und den vielen Besuchern dort. Lassen Sie uns die Bedeutung der HafenCity in dieser Debatte heute nicht aus dem Blick verlieren.

(Hans-Detlef Roock CDU: Richtig!)

Das wäre ein sehr enger Horizont, den sollte dieses Parlament nicht haben.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Herr Bischoff, wenn wir darüber sprechen, dass wir einen Masterplanungsprozess haben, der offen ist für Veränderung, dann ist das ein Qualitätsaspekt von Masterplanung.

(Andy Grote SPD: Das gilt fürs Übersee- quartier aber nicht!)