Protokoll der Sitzung vom 16.06.2010

(Beifall bei der SPD – Farid Müller GAL: Und was will die SPD?)

Es gibt im Grunde nur zwei Möglichkeiten. Entweder haben die Finanzsenatoren Ihnen hinterrücks die tatsächliche Finanzlage verheimlicht und haben Sie getäuscht oder aber Sie haben dieses wahrheitswidrige Theaterstück vom ausgeglichenen Haushalt mitinszeniert und mitgespielt. Beides ist Anlass genug nicht nur für die Rücktritte der Finanzsenatoren, sondern auch für die Frage, ob ein Hamburger Bürgermeister nach den Schauermärchen, die er uns hier über Jahre erzählt hat, nicht

Grund hätte, auch die persönliche Konsequenz zu ziehen.

(Beifall bei der SPD – Viviane Spethmann CDU: Was wollen Sie?)

Deshalb ist die zentrale Frage, ob man dem, was Sie hier vorgetragen haben, glauben kann und ob man Vertrauen in das setzen kann, was Sie gesagt haben, denn wir stehen vor unglaublichen Herausforderungen. Richtig ist, dass die Grundlage für das Meistern dieser Herausforderungen konsolidierte und stabile Finanzen sind. Aus unserer Sicht darf dabei nicht dort gekürzt werden, wo es um die Zukunftschance unserer Stadt geht, nämlich im Bereich der Arbeit, der Bildung, der Wissenschaft und der Zukunft unserer Kinder. Wenn ich die Vorschläge noch einmal Revue passieren lasse, die Sie heute angedeutet haben, dann sind sie in weiten Teilen ungewiss geblieben. Bei so vielen Millionen als Beitrag der öffentlichen Unternehmungen sehe ich schon wieder Mieterhöhungen bei der SAGA vor mir. Dann kommt das Zauberwort Effizienzsteigerung in der Verwaltung, das war auch eine der vielen Floskeln von Herrn Freytag. Effizienzsteigerung, intelligente Lösungen ist genau das, was uns über Jahre erzählt worden ist. Da bin ich sehr gespannt auf das, was es wirklich einmal bedeuten wird. Sie haben vom Spitzensteuersatz gesprochen, Sie haben von der Kooperation in Norddeutschland gesprochen und das Ganze wollen Sie bis zum Haushaltsplan-Entwurf im Herbst dieses Jahres hinbekommen. Da bin ich gespannt, das ist ein ambitioniertes Programm. Es sind vor allem aber jede Menge ungedeckte Schecks. Und nach den Erfahrungen, die wir, aber auch die Hamburgerinnen und Hamburger mit Ihnen gemacht haben, gibt es in dieser Stadt so gut wie niemanden mehr, der sich von Ihnen noch einen ungedeckten Scheck ausstellen lässt.

(Beifall bei der SPD)

Sollte es wirklich Vorschläge von Ihnen geben, die wir auch schwarz auf weiß in der Bürgerschaft haben, dann sage ich Ihnen die ernsthafte Prüfung zu. Ich sage Ihnen auch zu, dass es kein reflexartiges Ablehnen der Vorschläge geben wird,

(Zurufe von der CDU: Nein, nein!)

denn die Situation ist so, wie sie ist. Wir können sie nicht ändern. Sicherlich haben wir, das klingt vielleicht auch klug im Nachhinein, immer wieder darauf hingewiesen, das ist aber jetzt vorbei. Der Drops ist gelutscht, die Situation ist eingetreten und deshalb steht der Senat in der Verantwortung, jetzt seine Vorschläge zu unterbreiten. Meine sozialdemokratische Fraktion sagt Ihnen die ernsthafte Prüfung zu und dass es kein reflexartiges oppositionelles Ablehnen geben wird.

(Frank Schira CDU: Ach so!)

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen, und das auch seit Jahren in der Opposition, für ein solides, stabiles und vor allem sozial ausgewogenes Finanzierungskonzept. Wir haben in den letzten Jahren immer wieder Vorschläge im Parlament gemacht, wie der Haushalt auf Vordermann gebracht werden kann. Die wenigen Dinge, die Sie heute genannt haben, gehen auf unsere Vorschläge zurück. Das ist auch gut und richtig,

(Heiterkeit bei der CDU)

das zeigt aber auch, dass wir Sozialdemokraten zu unserer Verantwortung als Hamburger für Hamburg stehen.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb möchte ich den einen oder anderen konkreten Punkt zu unseren Vorstellungen nennen, wie sich eine verlässliche und berechenbare Finanzpolitik aus unserer Sicht darstellt.

Das Erste ist, und daran hapert es noch, um auch wieder Vertrauen wachsen zu lassen, dass ein wirklich glaubwürdiger und transparenter Kassensturz her muss. Was Sie heute und über Wochen in den Zeitungen geäußert haben, hat noch nicht einmal den Anschein eines wirklich transparenten, nachvollziehbaren Kassensturzes und ohne den brauchen wir über Weiteres gar nicht zu reden.

(Olaf Böttger CDU: Geht's auch konkreter?)

Wir wollen Zahlen, wir wollen Fakten und dann werden wir uns daran auch beteiligen und unsere Verantwortung als Opposition wahrnehmen.

(Beifall bei der SPD)

Das Zweite: Wir wollen politische Schwerpunktsetzung und unsere Schwerpunkte sind Kinder, Familien, Bildung und Arbeit. Wir wollen – das ist heute eingeräumt worden, da sind wir uns einig – den sofortigen Verzicht auf den Universitätsumzug.

(Olaf Böttger CDU: Das haben Sie doch heute schon gehört!)

Wenn ich aber höre, welche Gedanken Sie sich machen, was kreative Bilanzierung, Übertragung von Grundstücken und solche Dinge angeht, will ich nur einen Satz sagen: Schulden bleiben Schulden, egal, wo sie verbucht werden. Das ist ohnehin ein Teil Ihrer kreativen Buchführung, ganz viel aus dem Kernhaushalt herauszubuchen und in Sondervermögen zu übertragen. Deshalb wird auch da gelten: Transparenz. Wir werden das Spielchen Ihrer angeblichen Sondervermögen nicht weiter mitmachen.

(Beifall bei der SPD)

Weiterhin brauchen wir einen sofortigen Verzicht des Neubaus der Baubehörde. Wir brauchen die Streichung des HafenCity-Universitätsgebäudes. Wir wollen die verwaltende Verwaltung und vor allem die bestehenden Doppelstrukturen innerhalb

der Verwaltung reduzieren. Dort sehen wir ein Einsparvolumen von mehr als zweistelligen Millionenbeträgen. Wir wollen auch gemeinsam mit Ihnen die Initiative zur Einführung des Mindestlohns und der Vermögensteuer auf den Weg bringen. Wir wollen die Erhöhung des Spitzensteuersatzes, so wie sie der Wirtschaftsrat und auch Herr von Beust heute eingeräumt hat. Und wir wollen über die Möglichkeit reden, einen erhöhten Mehrwertsteuersatz auf Luxusgüter einzuführen, wie Ministerpräsident Müller aus dem Saarland es gefordert hat.

(Beifall bei Thomas Böwer SPD)

Diese Vorschläge summieren sich über den Daumen auf gut 2,77 Milliarden Euro an Investitionskürzungen und gleichzeitig gut 500 Millionen Euro an dauerhaften Hamburger Einnahmeverbesserungen, die aber vor allen Dingen – und das ist entscheidend – sozial gerecht sind und die Schere zwischen Arm und Reich in unserer Stadt nicht weiter öffnen.

(Beifall bei der SPD – Olaf Böttger CDU: Das ist unerträglich!)

Herr von Beust, Sie sind heute meiner Ansicht nach der grundlegenden Frage nach Ihrer Bürgermeisterstrategie für ein gerechtes Hamburg wieder einmal ausgewichen. Sie haben Dinge angedeutet – beim Fußball hätte man vielleicht Körpertäuschung angedeutet –, aber Sie sind nicht auf den Punkt gekommen. Sie haben gesagt, es könne daran liegen, dass Sie zu wenig Zeit hatten, es vorzubereiten. Das sei Ihnen zugestanden, Sie sind erst seit neun Jahren im Amt. Wir wollen Ihnen bis zu den Haushaltsplänen im Herbst die Zeit geben, aber dann wird es zum Schwur kommen, ob das, was heute angekündigt wurde, auch wirklich erreicht wurde und ob es vor allen Dingen sozial ausgeglichen und gerecht zugeht, denn das ist der entscheidende Punkt.

Es geht um die Frage, wie wir auch in dieser Krise, in einer wirtschaftlich schwierigen Situation, Hamburg gerecht gestalten und dem werden wir uns als Opposition nicht entziehen. Wir werden Verantwortung dafür übernehmen.

(Rolf Harlinghausen CDU: Und das 40 Jahre lang!)

Wir haben Vorschläge gemacht und ich stelle Ihnen anheim, über diese Vorschläge nachzudenken. Wir bekennen uns auch als Opposition zu unserer Verantwortung für unsere Stadt. Wir stehen zu dieser Verantwortung und wir machen es uns nicht leicht und gehen in schwierigen Zeiten von Bord. Deshalb noch einmal: Nehmen Sie die Vorschläge an, insbesondere, was die Einnahmeverbesserungen angeht,

(Unruhe bei der CDU)

um das Gefühl in Hamburg entstehen zu lassen, dass es gerecht zugeht, alle betroffen sind und ins

besondere diejenigen, die mehr tragen können, auch mehr beitragen werden. Das ist das zentrale Signal, das von Ihnen heute nicht ausgegangen ist, das aber die Sozialdemokratie in Hamburg ausstrahlt. – Vielen Dank.

(Lang anhaltender Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Schira.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Was strahlt diese Rede aus, Herr Neumann? Gehässigkeit und Polemik strahlt sie aus. Auch wenn man mit Herrn Dr. Tschentscher unterschiedlicher Meinung sein kann, so bemüht er sich zumindest annähernd um Sachlichkeit. Aber wenn Sie von Verantwortung reden, dann hat man nicht das Gefühl, dass Sie sie auch tatsächlich wahrnehmen. Das ganz persönlich an Sie, Herr Neumann.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Der Bürgermeister hat in seiner Regierungserklärung sehr deutlich gesagt, wo in den nächsten zwei Jahren die zentralen Herausforderungen für Hamburg liegen. Wir müssen alles in unserer Macht Stehende zur Überwindung der Finanzkrise und zur Sanierung unserer Finanzen tun. Es geht um die Zukunftsfähigkeit unserer Stadt.

Deutschland hat in den vergangenen Jahren den stärksten wirtschaftlichen Einbruch seit Gründung der Bundesrepublik erlebt. Die Rahmenbedingungen für Politik haben sich auch in Hamburg grundlegend geändert, unser Gestaltungsspielraum ist erheblich eingeschränkt. Es scheint – das ist das Gefühl – wieder bergauf zu gehen; die Konjunkturprogramme und die Kurzarbeiterregelung haben einen dramatischen Einbruch am Arbeitsmarkt verhindert. Die Politik der krisenbedingten Ausgabenprogramme muss jetzt aber vorbei sein, die Finanzlage aller Gebietskörperschaften gibt es einfach nicht mehr her. Wir müssen in allen Bereichen sparen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Diese Riesensummen, mit denen wir Schlimmeres verhindert haben, müssen natürlich auch zurückgezahlt werden. Auch wenn die Statistik wieder ein leichtes Wachstum der Wirtschaftsleistung verkündet, so weiß doch niemand von uns – und da sind Sie nicht schlauer als wir –, wie die tatsächliche wirtschaftliche Entwicklung und damit die Steuereinnahmen in den nächsten Jahren sein werden. Die Neuverschuldung erreicht zunächst leider bisher nicht gekannte Höhen. Die Finanzlage in ganz Deutschland, egal wer regiert, ist dramatisch.

Aber energisches Handeln gegen die Krise und gleichzeitig einen Haushalt ohne Neuverschuldung

(Michael Neumann)

zu fordern, wäre völlig wirklichkeitsfremd. Gerade deswegen ist eine konsequente Sparpolitik jetzt ohne Alternative und dies tun wir, darum bemühen wir uns. Wir wissen, dass das noch nicht reicht, das sagte der Bürgermeister auch. Die Behörden werden in ihren Bereichen nach weiteren Möglichkeiten suchen und dies wird zum Teil schmerzhafte Einschnitte erfordern. Einsparungen sind immer unbequem, aber sie sind leider unausweichlich. Nicht kopfloses Handeln, sondern Besonnenheit und der Mut auch zu unpopulären Entscheidungen sind jetzt wichtig. Das haben wir bereits vor acht Jahren mit der ersten Runde bei den Jesteburger Beschlüssen getan und das gilt jetzt auch für die beschlossenen Sparmaßnahmen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Insbesondere in der Haushaltspolitik – das ist mit Händen zu greifen – wiederholen sich natürlich altbekannte Rituale: Sie greifen an, wir verteidigen. Sie müssten sich aber deutlich mehr Gedanken zu Alternativen, zu konkreten Vorschlägen machen, Herr Neumann. Und Sie, Herr Dr. Tschentscher, forderten in einer Zeitung

(Dr. Monika Schaal SPD: Er hat doch noch gar nichts gesagt!)

eine Begrenzung der Betriebsausgaben ohne Kahlschlag im Sozialbereich, aber das Ganze mit einer effizienten Kostenkontrolle. Das wollen wir eigentlich auch. Was steckt eigentlich in dieser konkreten Aussage? Diese Forderung ist gleichwohl wässerig und entzieht sich jeglicher Logik. In einer anderen Zeitung ist zu lesen, dass Ihr haushaltspolitischer Sprecher die Luxusinvestitionen streichen will. Aber, Herr Dr. Tschentscher – ich weiß jetzt nicht wo er ist –, wenn Sie in den letzten Tagen dem Finanzsenator richtig zugehört hätten, dann hätten Sie festgestellt, dass es damit keinesfalls getan ist. Die von Ihnen geforderte strenge Ausgabendisziplin unterstützen wir.

Herr Neumann ließ sich vor einiger Zeit mit den Worten in einer Zeitung zitieren, in diesen Zeiten müsse alles wegsparbar sein.