Protokoll der Sitzung vom 01.07.2010

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Dr. Dressel, vielleicht noch ein paar Bemerkungen. Ich habe nicht gesagt, Sie würden hier einen Kramladen von Vorschlägen vortragen, sondern ich habe gesagt, Sie machen diese Debatte zu einem Kramladen. Sie greifen in alle Töpfe, die Ihnen zum Thema Innenpolitik einfallen, und bringen sie mit ein, wo wir eigentlich mit dem Versuch einer Analyse verschiedener, völlig unterschiedlicher Vorfälle und schrecklicher Gewalttaten begonnen haben. Beide Senatoren haben sich erlaubt, nicht nur mit den manchmal etwas platten politischen Aussagen zu kommen, sondern haben tatsächlich eine Art Seminar-Charakter entstehen lassen. Ich finde das schlicht und einfach richtig.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Heiter- keit bei der LINKEN)

Mit der notwendigen Ernsthaftigkeit und Ehrlichkeit wurde verdeutlicht, dass der uns zur Verfügung stehende Instrumentenkasten an Möglichkeiten, präventiv auf Jugendliche einzuwirken, Haftentlassene bei der Resozialisierung zu begleiten oder in sich zuspitzenden sozialen Situationen einzugrei

fen, eben nicht ausreichend ist, um jede Situation abzudecken oder zu vermeiden.

Wenn wir uns auf ein Messerverbot in dieser Stadt verständigt hätten, dann hätten Sie gesagt, jetzt werde mit Steinen geworfen und warum wir die denn noch nicht verboten hätten. Das ist einfach nicht die Ebene, auf der wir diskutieren wollen. Im Übrigen vielleicht noch einmal der Hinweis – der Justizsenator sagte es schon –, dass diese am Wochenende erfolgten Straftaten so schwer bestraft werden, wie es angemessen ist. Eine Strafverschärfung, wie sie auf Bundesebene von der Innenministerkonferenz diskutiert wird, hätte hier weder etwas geholfen, noch hätte sie abgeschreckt, noch ist sie notwendig; sie gehört nicht in diese Diskussion.

(Beifall bei der GAL und der LINKEN)

Beim Messerverbot fragen Sie gern, warum nicht gemacht werde, was die Grünen wollen, und bei der Verschärfung des Strafrechts behaupten Sie, die Grünen würden die Schwarzen ausbremsen. In Wirklichkeit ist es ganz anders. Es findet eine bundesweite Debatte statt und diese Debatte sollte auch bundesweit geführt werden. Wenn sich die Justizminister- und die Innenministerkonferenz damit befassen, dann ist das genau der richtige Ort.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Die Gesetze ma- chen Bundestag und Bundesrat!)

Das wird auf der Bundesebene zu entscheiden sein. Sie sollten sich vielleicht manchmal nicht so sehr in den Koalitionsvertrag einlesen,

(Zurufe von der SPD: Nein! – Dirk Kien- scherf SPD: Das tun Sie auch nicht mehr!)

sondern hier mit uns aktiv Politik machen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Meine Damen und Herren! Es bleiben weniger als 15 Minuten, um das zweite Thema der Aktuellen Stunde aufzurufen. Wird vonseiten der anmeldenden Fraktionen eine Vertagung der Aussprache auf morgen beantragt? – Das ist der Fall. Dann werden wir morgen mit dem zweiten Thema beginnen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 2, Drucksache 19/5627, Unterrichtung durch den Präsidenten: Wahl eines vertretenden Mitglieds der Vertrauensleute für den Ausschuss zur Wahl der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter beim Hamburgischen Oberverwaltungsgericht.

[Unterrichtung durch den Präsidenten der Bürgerschaft: Wahl eines vertretenden Mitglieds der Vertrauensleute für den Ausschuss zur Wahl der eh

renamtlichen Richterinnen und Richter beim Hamburgischen Oberverwaltungsgericht – Drs 19/5627 (Neufassung) –]

Der Stimmzettel liegt Ihnen vor, er ist heute grün und enthält je ein Feld für Zustimmung, Ablehnung und Enthaltung. Ich bitte Sie, den Stimmzettel jeweils nur mit einem Kreuz zu versehen. Stimmzettel, die den Willen des Mitglieds nicht zweifelsfrei erkennen lassen oder Zusätze enthalten, sind ungültig. Auch unausgefüllte Stimmzettel gelten als ungültig. Bitte nehmen Sie nun Ihre Wahlentscheidung vor.

(Die Wahlhandlung wird vorgenommen.)

Ich darf Frau Thomas und Herrn Hakverdi bitten, mit dem Einsammeln der Stimmzettel zu beginnen.

Sind alle Stimmzettel abgegeben worden? – Das ist der Fall. Dann schließe ich die Wahlhandlung. Das Wahlergebnis wird nun ermittelt. Ich werde es Ihnen im Laufe der Sitzung bekannt geben.

Wir kommen zu Punkt 29c der heutigen Tagesordnung, Drucksache 19/6569: Gemeinsamer Bericht des Haushaltsausschusses und des Stadtentwicklungsausschusses: HafenCity – Anpassung des Grundstückskaufvertrags für das Überseequartier.

[Gemeinsamer Bericht des Haushaltsausschusses und des Stadtentwicklungsausschusses über die Drucksache 19/6162: HafenCity – Anpassung des Grundstückskaufvertrags für das Überseequartier (Senatsan- trag) – Drs 19/6569 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 19/6630 ein Antrag der SPD-Fraktion vor.

[Antrag der Fraktion der SPD: Aktenvorlageersuchen nach Artikel 30 HV zur Änderung des Grundstückskaufvertrags für das Überseequartier – Drs 19/6630 –]

Bevor ich Herrn Grote das Wort gebe, darf ich die Senatsvertreter bitten, Ihre Beratungen zu unterbrechen oder draußen weiterzuführen, das ist für den Redner störend. – Herr Grote hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir sprechen über die Anpassung des Kaufvertrags zum Überseequartier und damit über nichts Geringeres als über die Frage, ob das Herzstück der zukünftigen HafenCity auf der Grundlage der bisherigen Konzeption noch realisierbar ist oder nicht. Der gesamte Vertrag ist eine Hinterlassenschaft des früheren CDU-Senats, der entgegen aller Warnungen, damals insbesondere aus den Reihen der GAL, entschieden hat, dieses Mammutprojekt langfristig an einen einzi

(Antje Möller)

Siehe Seite 3570

gen Investor zu geben. Das hat sich im Kaufvertrag niedergeschlagen und heute stehen wir vor den Folgen dieser Entscheidung und können feststellen, dass diese Konzeption von vor fünf Jahren gescheitert ist.

(Beifall bei der SPD)

Gerade einmal ein Drittel ist realisiert. Das Projekt ist wirtschaftlich tot und kann nur mit erheblichen zusätzlichen öffentlichen Subventionen künstlich am Leben gehalten werden. Genau das will der Senat und das liegt uns heute zur Entscheidung vor.

(Vizepräsident Wolfhard Ploog übernimmt den Vorsitz.)

Worum geht es konkret? An zwei Punkten lassen sich die finanziellen Risiken vielleicht besonders gut festmachen.

Der eine Punkt ist die Frage der Anmietungsverpflichtung der Stadt. Hier erhöhen sich die potentiellen Kosten für die Flächen, die die Stadt Hamburg anmieten muss, von bisher 125 Millionen Euro auf bis zu 167 Millionen Euro, das sind 42 Millionen Euro mehr. Wenn wir bis zum 1. Januar 2012 14 000 Quadratmeter an Dritte vermieten, haben wir die Chance, diesen Betrag auf 115 Millionen Euro zu reduzieren. Wie wahrscheinlich es ist, dass das gelingt, darüber kann man trefflich streiten.

Der zweite Punkt ist der Verzicht auf einen Mehrerlös zum Kaufpreis aufgrund einer gestiegenen Miethöhe. Wenn man sich das aufgrund der Informationen, die wir trotz entsprechender Nachfragen im Ausschuss nur sehr spärlich bekommen haben, einmal anschaut, dann kann man das hin und her rechnen, wie man will, aber die Stadt verzichtet auf einen Betrag von mindestens 40 Millionen Euro. Das ist eine Dimension, die in der Drucksache nicht benannt ist und bei der ich davon ausgehe, dass sie auch in den Koalitionsfaktionen so nicht erörtert wurde. Wenn es schlecht läuft, können es bis zu 100 Millionen Euro sein. Diese Änderung des Vertragswerks ist unterm Strich auf jeden Fall eine erhebliche finanzielle Schlechterstellung für die Stadt und insofern ist sie auch deutlich zu kritisieren.

(Beifall bei der SPD)

Nun könnte es ja sein, dass dem ein entsprechender Nutzen gegenübersteht. Was ist der Nutzen? Sie werden sagen, das sei die Fortführung des Projekts. Das Projekt ist aber notleidend geworden. Es wird eine gigantische Menge an Bürofläche produziert, die keiner braucht und für die es keinen Bedarf gibt. Das ist der Kern des Problems, vor dem wir stehen. Es wird ein staatlich subventionierter Büroleerstand in einem bisher nicht gekannten Umfang produziert. Der Investor sagt, das müsse so sein oder er stelle seine Bemühungen

ein. In dieser Situation kommt nun die private Wohnungswirtschaft und bietet dem Senat an, einzuspringen und die Entwicklung des Überseequartiers ohne Subventionen und mit einem deutlich erhöhten Wohnanteil in der HafenCity fortzuführen und abzuschließen. Da könnte man meinen, dass das zu Dankbarkeit führt, aber was macht Schwarz-Grün? Sie reagieren beleidigt und entrüstet und Herr Becker spricht von einem ominösen Angebot. Das Angebot war ernst gemeint. Kurz nachdem er das Angebot ausgesprochen hat, hat der BFW bei der Senatorin um ein Gespräch gebeten. Dort ließ man ihn ziemlich kühl abblitzen und gab zu verstehen, dass man kein Interesse an einem Gespräch habe.

(Jörn Frommann CDU: Waren Sie dabei?)

Der BFW steht für rund 70 Prozent des aktuell in Hamburg realisierten Wohnungsneubaus. Er ist, unter anderem bei den Wohnbauoffensiven, ein wichtiger Vertragspartner Hamburgs. Es ist mir unbegreiflich, wie man in einer solchen Situation so mit einem solchen Angebot umgehen kann und dass man einen wichtigen Vertragspartner der Stadt in dieser Art und Weise vor den Kopf stößt. Dafür fehlt mir jedes Verständnis.

(Beifall bei der SPD)

Wenn der Senat im Wohnungsbau noch irgendwelche ernsthaften Ziele hätte, dann wäre er mit dem BFW an dieser Stelle so nicht umgegangen.

Im Übrigen ist es auch nicht so, dass, wie gern behauptet wird, auf den Flächen kein Wohnungsbau möglich sei. Wir haben das in den Ausschussberatungen vertieft und inzwischen liegen auch Antworten auf Kleine Anfragen vor. Auf vier der sechs Baufelder, um die es geht, ist Wohnungsbau möglich. Er ist schwierig und zum Teil mit Einschränkungen, wie es auch anderswo in der Stadt der Fall ist, aber er ist möglich.

Richtig ist natürlich, dass es mit Risiken verbunden ist, wenn man das Projekt an einer solchen Stelle mit dem bisherigen Partner abbricht und es auf eine andere Grundlage stellt, um es mit neuen Partnern fortzusetzen. Das ist kein einfacher Prozess, aber es bieten sich auch erhebliche Chancen. Es ist die Chance, dieses Projekt auf eine funktionierende Grundlage zu stellen und die Hamburger Immobilienwirtschaft, insbesondere die Wohnungswirtschaft, mit einzubinden. Es ist die Chance, aufgrund des höheren Wohnungsanteils eine Nutzung zu erhalten, der auch eine Nachfrage gegenübersteht und die deswegen realisiert wird und nicht auf staatliche Subventionen angewiesen ist. Und schließlich ist es die Chance auf ein urbaneres, vielfältiges und lebendiges Überseequartier. Das sind die Chancen, die Sie heute vertun und die Sie nicht einmal prüfen wollen. Ich glaube, das ist ein schwerer Fehler.– Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Roock.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Grote, genau diesen Beitrag habe ich von Ihnen erwartet. Durch mehrfaches Wiederholen von absurden Vorwürfen werden Sie nicht glaubwürdiger. Sie schaden damit nicht nur dem Projekt, sondern Hamburg insgesamt.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Ich werde im Einzelnen noch darauf zu sprechen kommen.

Wir haben diese Drucksache sehr ausführlich im Stadtentwicklungsausschuss und im Haushaltsausschuss beraten, drei Stunden im Stadtentwicklungsausschuss und drei Stunden im Haushaltsausschuss.

(Andy Grote SPD: Sie haben aber keine Fra- ge gestellt!)