Protokoll der Sitzung vom 01.07.2010

Das Wort bekommt Herr Kerstan.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Man kann über Verträge mit Investoren kräftig streiten. Das haben wir in der Vergangenheit getan und Sie haben auch mit Recht darauf hingewiesen, dass die GAL-Fraktion diesem Vertrag in der letzten Legislaturperiode nicht zugestimmt hat. Insofern ist es auch richtig, jetzt darüber zu reden, ob die Anpassungen dieses alten Vertrages zum Vorteil oder zum Nachteil der Stadt sind. Was ich nicht in Ordnung finde, Herr Grote, ist, dass Sie so tun, als ob die Stadt zu irgendeinem Zeitpunkt die Wahl gehabt hätte, diesen alten Vertrag für nichtig zu erklären. Denn wenn Sie jetzt sagen, die Alternative wären zusätzliche Mietgarantien gewesen und wenn der Senat das jetzt nicht verhandelt hätte, dann wäre gar keine Belastung der Stadt entstanden, dann ist das schlicht und ergreifend falsch. Dieses Stillhalteabkommen des Senats ist mit dem Investor deshalb geschlossen worden, weil dieser gesagt hat, wir werden die Option auf 50 000 Quadratmeter Fläche Anmietung durch den Senat jetzt ziehen. Die Verhandlungen haben sich abgezeichnet, als klar wurde, dass der vereinbarte Termin überschritten werden würde. Und darum war die Alternative einer zusätzlichen Mietgarantie, wie Sie sie immer darstellen, nicht vorhanden, sondern es soll jetzt eine Mietgarantie geben anstelle der Verpflichtung, dort zu Quadratmeterpreisen anzumieten.

(Hans-Detlef Roock CDU: Genau!)

Und aus haushalterischer Sicht – das mag Ihnen als stadtentwicklungspolitischer Sprecher nicht so wichtig sein – ist das ein großer Unterschied, denn wenn diese Vertragsanpassung nicht erfolgt wäre, dann wäre die Stadt juristisch verpflichtet, 50 000 Quadratmeter selber zu nutzen. Das ist der alte Vertrag, von dem ich damals nicht gut fand,

dass er geschlossen wurde. Aber man kann doch nicht einfach sagen, ich fand den Vertrag nicht gut und deshalb tue ich jetzt so, als ob es ihn gar nicht gäbe. Das ist wirklich nicht korrekt und das ist unehrlich, Herr Grote.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Zuruf von Andy Grote SPD)

Jetzt mietet die Stadt nicht 50 000 Quadratmeter an, sondern 24 000. Für die restlichen 26 000 Quadratmeter werden der Stadt keine Kosten entstehen, wenn sie, im Gegensatz zu dem alten Vertrag, dort einen anderen Mieter findet, der einen Preis von etwa 14 Euro – die genaue Zahl habe ich jetzt nicht im Kopf – zahlt.

(Dr. Joachim Bischoff DIE LINKE: 14,20 Euro!)

In der Tat besteht dort ein Risiko. Es kann sein, dass sich eine Differenz ergibt, wenn das nur zu einem geringeren Preis vermietet werden kann, aber die Kosten sind für die Stadt immer noch deutlich geringer, als wenn sie die gesamten 50 000 Quadratmeter selber nutzen müsste.

(Grote: Dann verzichten Sie aber auf den Kaufpreis!)

Darum ist es schlicht und ergreifend falsch, wenn Sie sagen, dass es eine zusätzliche Mietgarantie über etwa 45 Millionen geben würde.

(Grote: Das hat keiner gesagt!)

In den Ausschussprotokollen kann man sehr gut nachlesen, dass das Ihre These ist. Das ist einfach nicht ehrlich und darum glaube ich, dass wir als GAL-Fraktion mit diesen Verhandlungsergebnissen richtig liegen. Der alte Vertrag von Herrn Peiner, der in Teilen schädlich für die Stadt war, ist durch diesen Senat verbessert worden und das sollten Sie jetzt nicht leugnen, Herr Grote.

(Andy Grote SPD: Der neue Vertrag ist nicht besser! Absurd!)

Das wird die Stadt weniger belasten, wenn es gut ausgeht, als der alte Vertrag.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Und was, wenn es schlecht ausgeht?)

Und als Haushälter finde ich das in der jetzigen Situation gut, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Risiko, das Sie ansprechen, besteht in der Tat darin, dass man gar keinen Ersatzmieter findet. Und wenn die Stadt nicht in der Lage sein sollte, in 15 Jahren in der erweiterten Hamburger Innenstadt auch nur einen Mieter zu finden, der bereit ist, dort einen Quadratmeterpreis zwischen 10 und 14 Euro zu bezahlen, wenn man in der Hamburger Innenstadt in zentraler Lage nicht mehr in der Lage sein sollte, 24 000 Quadratmeter zu vermieten,

(Andy Grote)

(Michael Neumann SPD: 24 gibt es immer!)

dann hat diese Stadt ein wirtschaftliches Problem, das sich gewaschen hat. Dann würde keiner mehr über das Überseequartier reden, dann hätte die Stadt ganz andere Probleme und das zeigt, wie spekulativ dieses Risiko ist, das Sie hier an die Wand malen. Auch das ist einfach nicht ehrlich, Herr Grote.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

In der Tat kann man natürlich überlegen, ob es richtig ist, inmitten einer großen Wirtschaftskrise, wo Büroraum leer steht, weitere Gewerbeimmobilien zu bauen. Da muss man sich doch einfach einmal überlegen, was wir dort eigentlich machen. Wir bauen dort eine Erweiterung der Hamburger Innenstadt für die nächsten 100 bis 200 Jahre. Da hat es einen Masterplan gegeben, der auf einen lebendigen Stadtteil zielt, in dem es nicht nur Büros gibt, sondern auch Einzelhandel und Wohnungen. Und ich frage Sie, ob es eigentlich richtig ist, einen guten Masterplan – da waren wir uns damals alle einig – für die nächsten 100 Jahre infrage zu stellen, nur weil wir seit drei Jahren konjunkturelle Probleme haben, die in fünf Jahren vorbei sein sollen?

(Dr. Andreas Dressel SPD: Herr Kerstan denkt in großen Dimensionen!)

Das ist eine sehr kurzfristige Perspektive, die der Zukunftsfähigkeit dieser Stadt nicht gerecht wird, und auch dort springen Sie eindeutig zu kurz, Herr Grote.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Wenn man einen Vertrag neu hätte schließen müssen, dann hätte man ihn vielleicht anders geschlossen, doch diese Freiheit hatte der Senat zu keinem Zeitpunkt, sondern er musste einen alten Vertrag erfüllen. Aber ich will noch auf eines hinweisen: Wir sind mitten in einer Wirtschaftskrise und dieser Senat, sehr zur Freude der SPD, will jetzt konsequent sparen. Natürlich ist die Wirtschaft im Moment noch nicht so stabil, sodass Herr Bischoff zu Recht die Sorge äußert, ob dieses Sparen jetzt eigentlich gut für die Wirtschaft ist und ob dadurch nicht die nächste Rezession ausgelöst wird. Das ist eine Debatte, die man führen kann, darüber kann man streiten und die eine oder die andere Position vertreten. Aber wenn Sie die Meinung vertreten, es sei unbedeutend, wenn private Investoren in dieser kippligen Wirtschaftslage und angesichts der Sparpläne des Staates bereit sind, mehrere hundert Millionen Euro in dieser Stadt zu investieren, dann muss ich Ihnen sagen, so einfach und so rosig ist es im Moment nicht. Und wenn der Staat und auch Investoren in dieser Stadt nicht mehr investieren sollen,

(Zuruf von Andy Grote SPD)

dann möchte ich die Schlangen vor den Arbeitsämtern nicht erleben. Darum ist auch das eine unehrli

che und kurzsichtige Betrachtungsweise, die Sie an den Tag legen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Wenn man all das betrachtet, dann stellt man fest, dass dieser Senat im Interesse der Stadt einen in der Vergangenheit geschlossenen Vertrag angepasst hat. Wenn es gut geht, werden dadurch keine weiteren Kosten entstehen, es werden der Stadt aber Kosten erspart.

(Andy Grote SPD: Sie verzichten doch auf Einnahmen!)

Insofern wird dieses zentrale Erweiterungsprojekt, das in den nächsten 100 Jahren für Hamburg wichtig sein wird und das auch in den letzten zehn Jahren schon wichtig für die Stadt war, trotzdem realisiert werden. Andere Städte in diesem Land wären froh, wenn sie noch Investoren hätten, die bereit wären, Hunderte von Millionen Euro zu investieren. Die sollten sie nicht so gering schätzen,

(Andy Grote SPD: Die haben wir in jeder Wohnungswirtschaft!)

wie Sie es gezeigt haben. Wir machen das nicht und ich glaube, das ist eine gute Entscheidung für die Entwicklung der HafenCity und auch Hamburgs. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort bekommt Herr Dr. Bischoff.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kerstan, Sie müssen aufpassen, dass Sie die Ebenen nicht durcheinanderbringen.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Richtig ist, dass im Jahr 2005 ein Vertrag geschlossen worden ist mit der Option, größere Büroflächen für die Stadt anzumieten. In diese Entscheidung waren wir nicht involviert, es ist aber so und Verträge müssen eingehalten werden. Das hat, auch im Ausschuss, niemand infrage gestellt. Was jetzt kritisiert wird, ist Folgendes: Als Sie dies auf den Weg gebracht haben, haben Sie erklärt und niedergeschrieben, Sie würden dort die BSU und das Bezirksamt Hamburg-Mitte unterbringen. Dann sind Sie davon abgerückt, obwohl Sie spätestens ab Herbst 2009, nach dem Stillstandsabkommen, wissen mussten, dass Sie mit dieser Option konfrontiert werden würden, und haben hier im Parlament das Projekt BSU in Wilhelmsburg auf den Weg gebracht, das die Stadt 200 Millionen Euro kostet. Das hätte man in der Situation diskutieren müssen, denn die Krise war längst da und ihre Auswirkungen auf die Steuereinnahmen und alle Folgen, die jetzt zur Beschönigung kreativer

(Jens Kerstan)

Buchführung genannt werden, waren doch längst im Raum. Sie haben das gemacht, weil Sie das Projekt durchziehen wollten, und aus diesem Grund ist das Ziehen dieser Option mit erheblichen Mehrkosten für die Stadt verbunden.

(Jens Kerstan GAL: Die BSU hat damit doch jetzt nichts zu tun!)

Doch, die Drucksache zur Umsetzung der BSUPläne wurde am 3. November 2009 eingebracht. Es hatte vorher Verhandlungen gegeben und Sie hatten ein Stillhalteabkommen geschlossen. Sie hätten damals die Möglichkeit gehabt zu sagen, wir bleiben bei unserer ursprünglichen Projektion und bringen die beiden Behörden dort unter.

In der Drucksache haben Sie formuliert, Sie hätten sich nach sorgfältiger Abwägung aller Varianten so entschieden. Dass dies kein stichhaltiges Argument ist, haben wir Ihnen auch schon im Ausschuss gesagt. Herr Schreiber sagt mir, das könne gar nicht ernst gemeint sein, dass man jetzt mit dem Hinweis auf Mehrkosten das Bezirksamt dort nicht unterbringen wolle; die BSU-Mitarbeiter sehen jedenfalls den Einzug in das alte BWA-Objekt sehr viel kritischer.

(Zuruf von der CDU)

Es kann sein, dass Sie das alles auf den Tisch gelegt haben. Aber das alles sind Punkte, die Sie, wenn Sie ehrlich mit der Opposition und ehrlich mit den Finanzen umgehen würden, im Ausschuss auf den Tisch hätten legen müssen. Dass Sie das nicht gemacht haben, ist der entscheidende Punkt.

Jetzt kann man sagen, dieses ganze Projekt sei nicht mehr zu retten. Sie sagen selbst, Sie wollten einem fast toten Projekt noch ein bisschen Leben einhauchen.

(Jens Kerstan GAL: Das habe ich nicht ge- sagt! – Thies Goldberg CDU: Das hat doch keiner gesagt! – Hans-Detlef Roock CDU: Das hat die SPD gesagt!)