Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Hackbusch, Sie können sicher sein, dass ich alles gelesen habe, was die LINKE zum Thema Europa von sich gegeben hat. Ich muss Ihnen aber sagen: Allerdings mit Schrecken. Das Thema ist viel ernster und grundsätzlicher, als dass man einfach einen Vertrag so ablehnen könnte, wie Sie das hier vorgetragen haben. Das Thema ist viel ernster und grundsätzlicher.
Herr Hackbusch, das vereinte und auch versöhnte Europa mit jetzt mehr als 450 Millionen Menschen war und ist die politisch-moralische Antwort auf die Verbrechen und Kriege in den letzten Jahrhunderten. Wer aber wie Sie und Ihre Partei den europäischen Reformvertrag – ich habe das gelesen, Sie haben das hier nicht immer ganz so deutlich gesagt, das ist bei Ihnen aber alles nachzulesen – als antisoziales, sogar kriegtreibendes und undemokratisches Machwerk verunglimpft, hetzt die Menschen gegen Europa auf und geht mit diesem Linksnationalismus auf einen ganz opportunistischen Stimmenfang. Und das machen Sie.
Das führt mich dazu, Ihnen auch zu sagen – auch wenn Sie das für sich anders sehen: In Wahrheit ist Ihre Partei eine europafeindliche. Das muss ich Ihnen an dieser Stelle sagen.
Der Vertrag von Lissabon schafft keine neue Europäische Union, aber sie bekommt mit diesem Vertrag ein neues Fundament. Der Reformvertrag – schauen Sie bitte hinein – bekennt sich zum Frieden, zur Solidarität, zur Nachhaltigkeit, zur Beseitigung von Armut, zu den Menschenrechten und so weiter. Europa wird mit diesem Vertrag eindeutig solidarischer, demokratischer und auch handlungsfähiger. Die Parlamente werden gestärkt, die Bürger erhalten mehr Rechte und eine rechtsverbindliche Charta mit Grundrechten. Deshalb haben wir Sozialdemokraten
und auch die anderen Parteien im Bundestag und im Bundesrat mit fester Überzeugung diesem Vertrag zugestimmt und bekräftigen das hier und heute auch in der Hamburgischen Bürgerschaft.
Herr Heintze, wenn Sie von Zuverlässigkeit reden – Herr Schira ist gestern auch auf das Stimmverhalten der SPD eingegangen –, dann sage ich Ihnen einmal: Die CDU/CSU-Fraktion hat im Bundestag noch nicht einmal geschlossen für diesen Vertrag gestimmt. Der CDU/CSU-Abgeordnete Gauweiler geht mit Herrn Dehm von den LINKEN Hand in Hand zum Bundesverfassungsgericht. Das ist auch eine Realität Ihrer Partei.
Sorgen Sie im Übrigen einmal dafür, dass der amtierende Bundesratspräsident von Beust bei so bedeutenden Entscheidungen im Bundesrat auch anwesend ist. Fassen Sie sich einmal an Ihre eigene Nase, bevor Sie auf andere zeigen.
Ich will nicht weiter auf den erweiterten Sicherheitsbegriff eingehen. Wir haben hier nicht so viel Zeit, aber ich sage Ihnen dazu: Es ist völlig abstrus – ich sage es den Linken –, diesen europäischen Sicherheitsbegriff als militaristisch und kriegtreibend zu bezeichnen – welch eine bösartige Unterstellung und Diffamierung der europäischen Friedenspolitik. Das muss an dieser Stelle auch einmal gesagt werden.
Zum Thema Volksabstimmung sage ich Ihnen Folgendes: Auch wir Sozialdemokraten hatten damals für eine gleichzeitige europaweite Volksabstimmung über den damaligen Verfassungsvertrag viel Sympathie. Das war aber nicht zu realisieren und die Verfassung ist darüber hinaus gescheitert, wie Sie wissen. DIE LINKE ist mit ihrer populistischen Forderung nach einer Volksabstimmung über den Reformvertrag jetzt völlig jenseits politischer Realitäten. Das kann man gar nicht mehr ernst nehmen. Der Vertrag wird im nächsten Jahr in Kraft treten und das ist gut für die Menschen in Europa.
Ein letzter Aspekt: Europa muss in der Tat eine soziale Union werden. Das sehen wir so wie Sie. Die soziale Dimension Europas muss gestärkt und entwickelt werden. Damit meinen wir Arbeitnehmerrechte, die Ausgestaltung der Marktwirtschaft als eine die Menschen schützende soziale Marktwirtschaft, Daseinsvorsorge, betriebliche Mitbestimmung, Mindestlohn und menschenwürdige Arbeitsbedingungen. Wenn konservative und neoliberale Kräfte ein soziales Europa behindern, dann werden sich die Menschen in Europa andere politische Mehrheiten suchen und suchen müssen. Im schlimmsten Fall werden sie sich von Europa abwenden. Nur ein soziales Europa wird die Zukunft Europas sichern können.
Die politische Realität gibt den Sozialdemokraten die Möglichkeit, den Menschen in Europa zu zeigen, wer ein soziales Europa will und wer nicht. – Schönen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin Ihnen, der Partei der LINKEN, ganz dankbar, dass wir einmal über Ihre europapolitischen Vorstellungen sprechen können. Sie fordern mehr direkte Demokratie im Zusammenhang mit Europa. Direkte Demokratie fordern wir Grünen auch, das ist nicht unser Problem. Aber hier wird doch ganz deutlich, dass Sie die direkte Demokratie und Volksentscheide nur fordern, um Ihre europapolitischen Vorstellungen und Ihre Ablehnung von Europa zu verbrämen. Worum geht es bei Ihren europapolitischen Vorstellungen? Da geht es darum, dass Sie im Prinzip die Europäische Union ablehnen. Da muss eine Europaabgeordnete von Ihnen auf den Parteitag gehen und muss eine Rede halten unter dem Motto "Wir bejahen die Europäische Union". Da wird also Ihren Parteitagsabgeordneten noch einmal von der Europaabgeordneten erzählt, dass Sie eigentlich doch für die Europäische Union seien. Aber daran kann man ganz erhebliche Zweifel haben, ob das wirklich so stimmt.
Wir von den Grünen finden Lissabon natürlich gut. Es ist ein richtiger und wichtiger Schritt. Der Kollege Heintze und auch der Kollege Franke haben schon gesagt, wo der Vertrag auf dem Weg zu einer europäischen Verfassung und zu einem geeinten Europa inhaltlich richtig und gut ist. Aber es ist leider erst einmal nur ein Schritt. Aber so funktioniert die Politik in Europa. Schritt für Schritt kommen wir voran, was man an den fast 50 Jahren Entwicklung nachvollziehen kann. Einiges bleibt noch offen. Natürlich wollen wir eine richtige Verfassung haben. Natürlich wollen wir, dass das Europaparlament ein Parlament mit allen Rechten ist, so wie auch der Bundestag oder die anderen Landesparlamente. Natürlich sind wir von den Grünen auch noch unzufrieden mit den sozialen Rechten, die dort festgeschrieben sind.
Wir wollen zum Beispiel auch soziale und arbeitsrechtliche Mindeststandards, die festgeschrieben werden. Wir wollen auch, dass Mindestregeln für Unternehmensbesteuerung festgeschrieben werden. Wir wollen zum Beispiel auch, dass das Einstimmigkeitsprinzip in der Sozialpolitik aufgehoben wird. All das wollen wir und dafür werden wir uns auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten einsetzen – in der eigenen Partei und auch mit den Kollegen aus den anderen Parteien. So funktioniert Europa. So, wie Sie das angehen, dass Sie sagen, Sie wollten alles, und zwar jetzt und sofort, und wenn Sie nicht alles bekommen, stimmen Sie mit "Nein", so funktioniert Europa nicht. Europa funktioniert aus einem Kompromiss von 27 Staaten. Da geht es leider nur Schritt für Schritt voran.
Es ist zutiefst unpolitisch, zu sagen, dass man dagegen stimmt, wenn man nicht das bekommt, was man will. Was mich bei Ihnen ebenfalls ziemlich entsetzt hat, ist, dass Sie sich an den Urteilen des EuGH, des Europäischen Gerichtshofs, abarbeiten. Der EuGH hat nichts mit dem Lissabon-Vertrag zu tun. In Europa ist die Rechtsprechung unabhängig. Es gibt auch in Europa Gewaltenteilung. Wenn der EuGH Recht spricht, das Ihnen und auch uns im Detail nicht gefällt, dann ist das okay. Aber das hat mit Lissabon nichts zu tun und deshalb kann man doch diesen europäischen Einigungsprozess nicht infrage stellen.
Herr Frank hat es deutlich gemacht. Es ist ganz schön einsam um Sie geworden mit Ihren europapolitischen Vorstellungen. Sie haben in Deutschland noch Peter Gauweiler auf Ihrer Seite, einen alten Recken der CSU, so muss man das sehen.
In Europa – wenn wir auf das ganze Gebiet der Europäischen Union schauen – ist es nicht ganz so einsam um Sie. Da haben Sie noch LePenn von Front National in Frankreich bei sich. Sie haben noch Jörg Haider von der FPÖ bei sich.
Das sind alles die Parteien und Politiker, die Lissabon ablehnen. Informieren Sie sich, schauen Sie sich das an. Das sind die rechtskatholischen Kreise in Polen um Lech Kaczy#ski und die flämischen Nationalisten. Da sind Sie in sehr illustrer Gesellschaft.
und dass das ein ziemlich hilfloser Versuch war, den Sie in Berlin gestartet haben. Und das soll auch so bleiben. – Danke.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Verehrter Herr Hackbusch, wir kennen uns lange. Und ich glaube, dass das, was Sie gesagt haben, eigentlich nicht Ihrer inneren Überzeugung entspricht. Denn, dass Sie sich zum Wortführer derjenigen machen, die im linken und rechten trüben Gewässer von Europagegnern fischen, ist eigentlich nicht Ihr Anstand und Ihre Art, Herr Hackbusch. Das passt nicht zu Ihnen.
Wir haben eben gehört, wo noch die Gegner dieses Vertrages sitzen, und ich habe ein bisschen den Eindruck, ohne Ihnen zunahe treten zu wollen, dass mehr der populistische Wille bei denjenigen, die aus welchen Gründen auch immer – da gibt es teilweise sehr skurrile Gründe – gegen die Einigung Europas sind, auf Ihr Stimmverhalten wirkt. Das finde ich aber der Bedeutung dieses Themas absolut nicht angemessen.
Wer die Einigung Europas verzögert oder verhindert, schadet den Interessen der Menschen in Deutschland, allen voran in Hamburg. Das steht für mich fest. Dieser Vertrag von Lissabon hat – man kann über einzelne Formulierungen streiten – eine Historie, eine Geschichte. Die Geschichte ist die, dass in einigen Ländern die europäische Verfassung gescheitert ist. Da kann man sagen: gut oder schlecht, wie auch immer. Aber die Europäische Verfassung, die in wesentlichen Elementen in diesem Vertrag enthalten ist, hat zum ersten Mal – und das finde ich gut und wichtig für Europa – moralische, wertbezogene inhaltliche Elemente, die wir brauchen, um Europa weiter zusammenzuführen. Wir brauchen Moral und Werte. Und das wollen Sie mit Ihrem Beitrag verhindern. Das finde ich nicht in Ordnung.