Protokoll der Sitzung vom 15.09.2010

Herr Ahlhaus, ich verlange gar nicht, dass Sie in Ihrer anderthalbstündigen Rede alle Menschheitsprobleme lösen.

(Frank Schira CDU: Ihre ist schon so lange!)

Ich erwarte nicht, dass Sie alle Menschheitsprobleme in einer Rede zu lösen versuchen, aber all den salbungsvollen Worten von Versöhnung zwischen Ökonomie und Ökologie fehlt die klare Perspektive, die Konkretisierung und die praktische Umsetzung. Gestern stellten Sie Green Capital, Green Hospital und Green Music Festival vor und die Umbenennung der Mülldeponie Georgswerder in Energieberg.

(Beifall bei Thomas Böwer SPD)

Das ist alles nett, das mag auch kreativ sein, Herr Ahlhaus, aber das kann doch nicht ernsthaft Ihre Antwort in Ihrer Regierungserklärung auf die Probleme Hamburgs sein. Das kann nicht der Weg sein, mit dem Schwarz-Grün versuchen will, in den nächsten 17 Monaten Hamburg gut zu regieren.

(Beifall bei der SPD und bei Kersten Artus und Dora Heyenn, beide DIE LINKE)

Solch eine Regierungserklärung ist nicht nur die persönliche Erklärung eines Bürgermeisters – obwohl er gerne von ich, ich, ich gesprochen hat –, sondern auch das Programm des gesamten Senats für die noch verbleibenden 17 Monate. Deshalb auch noch den einen oder anderen Satz zur Regierungsmannschaft. Die drei grünen Senatoren machen trotz der gescheiterten Primarschulreform, trotz des Totalausfalls beim Wohnungsbau und trotz der erheblichen Differenzen bei der Sicherungsverwahrung im Vergleich zu den Kollegen der CDU noch eine ganz anständige Figur.

(Barbara Ahrons CDU: Anschleimen oder was soll das sein? – Karl-Heinz Warnholz CDU: Ich höre die Glocken läuten!)

Zu den drei neuen Senatoren ist vieles gesagt und geschrieben worden und das öffentliche Urteil über

diese Besetzung des Senats war noch nicht einmal gespalten. Die Kündigung von Herrn Schirmer ist nach den vielen Flunkereien des Wirtschaftssenators, der heute leider nicht da ist, ein weiterer Tiefpunkt. Aber aus meiner Sicht sind die eigentlichen Fehlentscheidungen die drei alten CDU-Senatoren.

Nehmen wir uns einmal Herrn Frigge vor. Das ist der Senator, der den Wechsel vom Unternehmensberater zum Finanzsenator bis heute mental noch nicht vollzogen hat. Das ist der Senator, von dem alle wissen: Was der ankündigt, kommt sowieso nicht. Der Senat sollte halbiert werden, Bezirke und Bezirksämter sollten abgeschafft werden, nichts davon ist umgesetzt worden. Das ist ein Senator, dem aus den Bezirken – aus Harburg wie aus Eimsbüttel – vorgehalten wird, er würde öffentlich die Unwahrheit sagen.

(Thomas Böwer SPD: Ach nein!)

Ich sage Unwahrheit, weil ich das Wort Lüge nicht benutzen darf. Aber öffentlich wird dieser Vorwurf erhoben und das ist einzigartig in der hamburgischen Geschichte, dass das unwidersprochen im Raume steht. Er ist ein Mann, der offensichtlich mit seinen eigenen Ermittlungsverfahren, die gegen ihn laufen, mit den Hausdurchsuchungen und der Staatsanwaltschaft derart beschäftigt ist, dass er sich um den Haushalt eben nicht so kümmern kann, wie es notwendig ist. Deshalb ist der Verbleib von Herrn Frigge ein Schaden für die gesamte Politik, für uns alle gemeinsam und vor allen Dingen für den Ruf unserer Stadt. Das war ein schwerer Fehler.

(Beifall bei der SPD und bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Schauen wir uns Herrn Wersich an, laut "Welt" der Möchtegernbürgermeister. Er hat sich durch seine Haltung zu gesetzlichen Leistungen, durch die Hürden, die aufgebaut werden müssen, damit Menschen gesetzliche Leistungen nicht mehr in Anspruch nehmen können, und die unsägliche Erhöhung der Kita-Gebühren als Sozialsenator ohnehin disqualifiziert. Er ist aber auch der Sozialsenator, der fröhlich zugeschaut hat, wie sich sein Parteifreund Kuhlmann auf Kosten der Staatskasse die Taschen vollgemacht hat, und nichts dagegen getan hat. Ein Sozialsenator, der öffentlich sagt, dass derjenige, der Menschen helfen will, eben gerade bei diesen Menschen sparen müsse, der hat in einem Hamburger Senat nichts zu suchen.

(Beifall bei der SPD und bei Elisabeth Baum und Dora Heyenn, beide DIE LINKE)

Zu guter Letzt in diesem Trio infernale haben wir dann noch Wissenschaftssenatorin Gundelach, die sich immer noch nicht mit ihrem grandiosen Scheitern des Uni-Umzugs abgefunden hat. Sie ist eine Senatorin, die in Kombination mit ihrem Staatsrat das genaue Gegenteil von Innovation, Dynamik und Modernität ausstrahlt, also genau das Gegen

teil davon ist, was unsere Universität in Hamburg braucht.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Im "Hamburg Journal" sagten Sie, das sei eine Senatstruppe, die Hamburg richtig voranbringen würde, Herr Ahlhaus. Ich weiß nicht, wo Sie hinwollen mit der Truppe. Mein Eindruck ist, der Senat ist Konkursverwalter in eigener Sache. Es gibt ein Wort von Helmut Schmidt, an das ich mich immer erinnere, wenn ich Sie da so sitzen sehe. Er hat einmal gesagt:

"Zweitklassige Leute sammeln ein drittklassiges Team um sich."

Recht hat er.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU – Viviane Spethmann CDU: Ein bisschen sachlicher!)

Bei aller angebrachten Kritik am Senat wird ein sozialdemokratisch geführter Senat sicherlich nicht alles anders machen, aber das Wesentliche werden wir besser machen, vor allen Dingen in den Bereichen Haushalt, Inneres, Schule, Wirtschaft und in der für Hamburg entscheidenden Frage der sozialen Spaltung. Ich gebe zu, dass die CDU in den letzten Jahren auch versucht hat, diese Themen zu betonen, aber es gibt da entscheidende Unterschiede. Wir werden die Krise der Finanzen in Hamburg nicht immer weiter vertagen, sondern sie zum Kern unseres zukünftigen Regierungshandelns machen. Wir werden nicht zuerst bei den Menschen kürzen, die unsere Unterstützung und unsere Hilfe brauchen, sondern bei den immer weiter aufgeblähten Präsidialbereichen und Wasserköpfen der Verwaltung.

(Frank Schira CDU: Da habt ihr eine tolle Er- fahrung!)

Wir werden nicht Tennisturniere und Pferderennen finanzieren und am Ende dafür die Kita-Gebühren erhöhen und wir werden diejenigen endlich zur Kasse bitten, die uns diese Krise eingebrockt haben und die jetzt von den Staatshilfen profitiert haben.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Dazu gehören ausdrücklich nicht nur Umverteilungen, sondern auch Einnahmeverbesserungen. Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Die Diskussion darüber, dass Ihre ersten Kürzungsvorschläge gleich den Bereich der Mütterberatung, der Elternschulen oder der Seniorenarbeit betreffen, macht doch nur eines deutlich: Sie sparen nicht zuletzt bei den Schwachen, sondern Sie sparen zuerst bei den Schwachen.

(Farid Müller GAL: Das ist doch Quatsch!)

Das ist der Unterschied zwischen einem CDU-geführten Senat und einem sozialdemokratisch geführten Senat.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Wir haben uns nach dem Tod von Jessica alle gemeinsam in die Hand versprochen, alles Menschenmögliche zu tun, damit so etwas in unserer Stadt nie wieder geschehen kann. Nicht nur, dass Sie viele von den hier einstimmig beschlossenen Handlungsempfehlungen wie die verbindliche U-Untersuchung bis heute noch nicht umgesetzt haben, Sie haben auch noch weiter vor, bei den Schwächsten unserer Gesellschaft zu kürzen, bei den Familien, bei den Kindern und bei den Senioren. Das macht deutlich, dass Sie die falschen Prioritäten haben, und das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns. Das ist der Unterschied zwischen konservativer Beliebigkeit und sozialdemokratischem Politikentwurf für Hamburg. Da unterscheiden wir uns.

(Beifall bei der SPD)

Zur Haushalts- und Finanzpolitik: Da darf es nicht ständig einen Wechsel von Vollgas und Vollbremsung geben. Erst geben Sie Vollgas bei den Ausgaben und nach zweieinhalb Jahren Bleifuß kommt jetzt die Vollbremsung. Jetzt treten Sie voll in die Eisen, weil Sie die Mauer auf sich zuschießen sehen.

(Rolf Harlinghausen CDU: Sie haben doch gar keinen Führerschein!)

Ich bin dafür, dass wir uns in Hamburg ein Vorbild an der Haushaltspolitik von Bill Clinton nehmen. Er hatte ebenfalls einen völlig maroden Haushalt von den Konservativen übernommen, setzte dann aber durch, dass jedes Gesetz mit Mehrausgaben gleichzeitig auch Bestimmungen zu Mehreinnahmen oder Ausgabenkürzungen an anderer Stelle in gleicher Höhe beinhalten musste. Nach zwei Amtsperioden war der amerikanische Haushalt nicht nur ausgeglichen und saniert, sondern erwirtschaftete sogar Überschüsse.

(Frank Schira CDU: Das kriegen Sie nie auf einem Parteitag durch!)

Diese Überschüsse wurden dann nicht in sinnlose Steuersenkungen für Vermögende investiert und verpulvert, sondern sie wurden in die Bereiche Bildung und Soziales investiert. Dieses Prinzip nennt sich "pay as you go" und ich bin dafür, dass wir es auch in Hamburg als einen Maßstab für unsere Haushaltspolitik entwickeln, denn nur eine strikte Haushaltspolitik und eine strikte Haushaltsdisziplin – gerade auch in den guten Zeiten – verhindern Haushaltskrisen wie die jetzige. Auch das ist der Unterschied zwischen Solidität auf der einen Seite und dem Getöse um angeblich aus eigener Kraft ausgeglichene Haushalte, die in Wirklichkeit immer

defizitär waren. Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns.

(Beifall bei der SPD – Wolfgang Beuß CDU: Gott sei Dank!)

Kommen wir zu einem neuen Lieblingsthema, zur Schulpolitik, weiß Gott kein leichtes Feld. Vielleicht erinnert sich Frank Schira noch daran, dass wir vor zweieinhalb Jahren bei der ersten Regierungserklärung von Herrn von Beust unter Schwarz-Grün schon diagnostiziert hatten, dass das lustig werden wird für die CDU. Es ist für die CDU nicht lustig geworden und es ist für die Stadt nicht lustig geworden. Aber es war schon atemberaubend, wie die CDU sich verhalten hat. Erst erklärte sie sich vor der Bürgerschaftswahl zur Schutzpatronin der Gymnasien und peitschte dann nach der Wahl in der neuen Koalition gegen jeden internen und gesellschaftlichen Widerstand eine Schulreform durch. Alle Ihre Grundsätze wurden einmal eben über Bord geworfen. Macht und Koalition, das hatte Priorität, das wollten Sie. Die Schulreform war – auch aus Sicht der GAL, der Linksfraktion und von uns Sozialdemokraten – in ihrer Grundausrichtung richtig,

(Wolfgang Beuß CDU: Die SPD hat über- haupt keine Linie!)

aber sie kam zu wenig werbend, zu wenig vermittelnd und zu wenig kompromissbereit daher. Hätten Sie gleich das Elternwahlrecht beibehalten, gleich eine Lösung für die altsprachlichen Gymnasien angeboten und hätten Sie vor allem bei der Umsetzung mehr Zeit und Ruhe vorgesehen, dann hätten Sie weniger Widerstand herausgefordert und die Reform wäre nicht gescheitert. Aber Sie wollten wieder einmal mit dem Kopf durch die Wand und das Ergebnis sehen wir jetzt. Der Volksentscheid war leider aus unserer Sicht nicht erfolgreich. Das ist schlecht für unsere Stadt.

(Beifall bei der SPD und bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Welche Konsequenz zieht die Hamburger CDU daraus? Sie verabschiedet sich in Windeseile vom Ziel des längeren gemeinsamen Lernens. Das belegt aber, dass das eben nie eine Herzensangelegenheit für Sie gewesen ist, sondern dass die Primarschulreform für die CDU immer nur ein Projekt zum bloßen Machterhalt und zum Erringen der Koalition gewesen ist.

(Wolfgang Beuß CDU: Das tut weh!)

Es ging Ihnen eben nie um das Ziel des längeren gemeinsamen Lernens, es ging Ihnen nur um die Machtfrage und deshalb stehen Sie jetzt so da, wie Sie dastehen.

(Beifall bei der SPD)

Hier wird auch deutlich, wenn man die Diskussionen oder die Nichtdiskussionen auf CDU-Parteita