Protokoll der Sitzung vom 29.09.2010

(Wolfgang Rose SPD: Recht hat er!)

Ich weiß nicht, Herr Rose. Wenn man sich ansieht, wie im Moment die Konjunktur läuft, muss man doch einfach sagen, viel mehr hätten wir gar nicht in die Hand nehmen müssen,

(Ingo Egloff SPD: Das hat zu dem Zeitpunkt nur keiner gewusst!)

denn dann hätten wir noch mehr Kredite aufnehmen oder Geld ausgeben müssen, was wir nicht haben. Insofern war es auch eine richtige Entscheidung, Investitionen vorzuziehen und nicht noch weiter in die Verschuldung zu gehen. Schließlich müssen zukünftige Generationen auch noch leben können, sie erben von uns schon genügend Belastungen. Vor dem Hintergrund der Situation, in der wir uns jetzt befinden, war auch das eine vernünftige Entscheidung.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Damals in der Krise war natürlich schon allein die Ankündigung eines solchen Programms wichtig. Da bin ich ganz bei Keynes – ich weiß, dass Keynes von Gewerkschaftern auch gern gelesen wird –,

(Ingo Egloff SPD: Bei uns auch!)

der unter anderem gesagt hat, die Hälfte der Wirtschaftspolitik sei Psychologie. In der Tat war in der Krise, als die Verunsicherung so groß war, schon allein das Bekenntnis der Hamburger Politiker, zusätzliche Mittel des Bundes in Anspruch zu nehmen, aber auch eigene Mittel aufzuwenden, genauso viel wert wie die eine oder andere Maßnahme, die man dann später auch getroffen hat.

(Wolfgang Rose SPD: Aber Ankündigungen allein reichen auch nicht!)

Es war eine kluge Politik, auch das einzubeziehen. Jetzt sehen wir, dass die Konjunktur anspringt, obwohl manche Maßnahmen, die wir uns vorgenommen hatten, noch gar nicht ins Laufen gekommen sind und manche auch länger dauern, als wir uns das gewünscht haben.

(Wolfgang Rose SPD: Trotz dieses Senats!)

Aber auch das war eine vernünftige Politik, vieles mit Augenmaß bereitzustellen.

Angesichts einer Unterfinanzierung der Investitionen war es dringend notwendig, dass wir auch Mittel des Bundes in Anspruch genommen haben. Auch wenn das in Hamburg vielfach die öffentliche Meinung zu sein scheint, hat diese Stadt in den letzten Jahrzehnten nicht zuviel investiert.

(Wolfgang Rose SPD: Viel zu wenig!)

Sie hat nicht zu viel Geld in die Schulen investiert, es gibt in Hamburg nicht zu viele Schulen, sondern zu wenige. Darum waren diese Bundesmittel nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

(Karl Schwinke)

(Wolfgang Rose SPD: Richtig!)

Und an der einen oder anderen Stelle ist eine notwendige Investition, die in den vergangenen Jahren eigentlich hätte getätigt werden müssen, für die aber kein Geld da war, endlich angestoßen worden, um einer Unterfinanzierung der öffentlichen Infrastruktur wenigstens ansatzweise entgegenzuwirken; auch damit haben wir gemeinsam etwas Gutes bewirkt.

(Wolfgang Rose SPD: Viel zu wenig!)

Da gebe ich Ihnen durchaus Recht, Herr Rose, viel zu wenig, aber immerhin.

Meine Damen und Herren! Wenn man sich das Ganze jetzt ansieht, muss man sagen, wir haben unseren Job gemacht, wir haben unseren Beitrag dazu geleistet, dass die Wirtschaft nicht auch noch die Gesellschaft mit in den Abgrund gerissen hat. Natürlich gibt es in Zukunft noch viel zu tun und wir werden uns mit Sicherheit in den nächsten Jahren auch noch mit der Unterfinanzierung des öffentlichen Sektors auseinandersetzen müssen, nicht nur in Hamburg, sondern auch im Bund. Ich hoffe, dass wir gemeinsam in der schwarz-grünen Koalition auch in den nächsten Monaten den einen oder anderen Beitrag dazu leisten können, in Zukunft in diesem Bereich die Lasten und notwendigen Investitionen gerechter zu finanzieren, als das bisher gelungen ist. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Wolf- gang Rose SPD: Nicht in den nächsten Jah- ren, jetzt schon!)

Herr Bischoff, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will zu Beginn sehr deutlich sagen, dass es richtig war, dass so etwas gemacht wurde. Wir haben damals, Herr Kerstan hat es erwähnt, darüber gestritten, ob man das nicht anders hätte dimensionieren und ausrichten müssen. Nehmen Sie mir bitte ab, dass ich diese Position aufrechterhalte, dass man das besser hätte anlegen können. Aber Hamburg hat in der Hinsicht sicherlich vorbildlich gewirkt und Sie haben sich jetzt auch mehrfach auf die Schulter geklopft.

(Jens Kerstan GAL: Uns allen!)

Trotzdem, Frau Ahrons und Herr Kerstan, ist es jetzt nicht Nörgelei, denn Sie sind ein bisschen vorschnell, indem Sie immer in der Vergangenheit reden. Das müssen Sie mir zubilligen, dass ich Ihnen da noch nicht beipflichte. Hamburg ist zwar im Vergleich zum Bundesdurchschnitt besser durch die Krise gekommen, die Schrumpfung betrug nur 3,5 Prozent. Wir sind auch mit dabei gewesen, als dieser Schrumpfungsprozess aufgeholt wurde.

Aber wir müssen heute zur Kenntnis nehmen, dass wir im Vergleich zu den 3 Prozent – im Verlauf dieses Jahres vielleicht sogar noch ein bisschen mehr – inzwischen nachhinken. Das heißt, wir haben nicht in diesem Umfang partizipiert. Dafür gibt es vielerlei Gründe, aber ich will daraus jetzt nur den Schluss ziehen – und darin sind wir uns wahrscheinlich einig –, dass Hamburg Strukturpolitik nach wie vor bitter nötig hat. Es ist nicht so, dass wir uns auf dem jetzigen Niveau ausruhen könnten.

Zweitens, Herr Kerstan, müssen wir uns doch das Ganze im Nachhinein noch einmal ansehen und uns fragen, ob wir nicht etwas hätten besser machen können.

(Jens Kerstan GAL: Das stimmt!)

Auch in der Hinsicht bin ich etwas zurückhaltend mit dem Schulterklopfen. Und wenn ich mir die zwei Programme, das Landesprogramm und das mit dem Bund, ansehe – Herr Schwinke, das beunruhigt mich eigentlich noch mehr als die Ostbake oder Herrn Schiras Lichterfest –, dann sind von dem Landesprogramm laut Bericht per 15. August 102 Millionen Euro ausgegeben worden und es sind bis zum Jahresende noch 190 Millionen Euro offen. Ich weiß, dass alles beplant ist, aber ich stelle mir schon die Frage, ob wir uns nicht genauer ansehen müssen, warum es so lange gedauert hat, bis das wirksam wurde.

Ich will dazu gar keine Vermutungen äußern. Mir geht es darum, dass das Gegensteuern eine so wichtige Sache ist und wir uns daher mit diesen langen Reaktionszeiten befassen müssen. Im Übrigen sieht das beim Bundesprogramm ähnlich aus, auch da sind bislang nur knapp 100 Millionen Euro abgeflossen und bis zum Jahresende stehen noch weitere 240 Millionen zur Verfügung. Da bin ich allerdings ganz gelassen, denn die Programme laufen in den Jahren 2012 und 2013 weiter und bieten eine bestimmte Sicherheit; sie eröffnen die Chance für Hamburg, einiges weiterzuführen.

Herr Münster hat eben in seinem Zwischenruf schon darauf hingewiesen, dass man sich natürlich jetzt den Hafen ansehen und sagen kann, da sind wir mit einem blauen Auge davongekommen. Aber die Probleme sind nicht gelöst. Was den Ausbau der Infrastruktur im Hafen angeht, der Infrastruktur im Cluster Gesundheitswirtschaft oder der Logistik, so sind eine ganze Reihe von Aufgaben offen. Das eine ist die Unterfinanzierung des öffentlichen Sektors. Das macht aber nur dann Sinn – Sie wissen, dass ich gegenüber der Kreativwirtschaft immer einen gewissen Vorbehalt habe –, wenn wir auch die strukturellen Stärken der Hamburger Wirtschaft weiterentwickeln, und da gibt es reichlich Aufgaben. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD – Wolfgang Rose SPD: Damit hat (Jens Kerstan)

die GAL ein Problem! – Jens Kerstan GAL: Nein, nein!)

Herr Senator Karan, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie Sie wissen, ist dies meine allererste Rede in der Bürgerschaft und ich bin gerührt und geehrt. Ich habe hier eine Rede, die vielleicht etwa eine Stunde dauern wird.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL – Heiterkeit im ganzen Hause)

Aber wenn ich auf die Uhr sehe, wollen Sie wohl nicht, dass ich so lange rede. Ich werde mich kurz fassen, wenn Sie mir versprechen, dass Sie auf den Plätzen bleiben und es keine Zwischenrufe gibt.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Hamburg ist mitten in einer konjunkturellen Erholung. Herr Bischoff hat das gerade bestätigt, ich danke ihm. Das Bruttoinlandsprodukt wuchs im ersten Halbjahr um 2,3 Prozent. Die Beschäftigung übertrifft aktuell die im Vorjahr um 1 Prozent; die Arbeitslosenzahl liegt um 7 Prozent niedriger. Niemand hätte im letzten Jahr eine solche Entwicklung erwartet. Ohne das weltweite beherzte Einschreiten aller Verantwortlichen, inklusive der CDU-SPD-Regierung in Berlin, würden wir heute die Folgen einer tiefen Rezession spüren.

Hamburg hat die Wirtschaftskrise besser als andere Regionen überwunden. Das Bruttosozialprodukt ging im Jahr 2009 um 3 Prozent zurück, im Bund sogar um 4,7 Prozent. Berlin und Hamburg waren die einzigen Bundesländer, die keinen Beschäftigungsrückgang hatten. In vielen Branchen ist das Vorkrisenniveau wieder erreicht. Die Zahl der Kurzarbeiter, die mit 16 000 Mitte des letzten Jahres ihren Höhepunkt hatte, ist auf rund 6000 gesunken. Da gibt es immer noch Handlungsbedarf, dessen bin ich mir bewusst.

Hamburg war eines der ersten Bundesländer, das mit breiter Unterstützung in der Stadt zusätzlich zum Konjunkturprogramm des Bundes eine eigene Initiative entwickelte und in Kraft setzte. Wir investieren mit beiden Programmen in die Zukunftsfähigkeit der Stadt, in die Bildungsinfrastruktur, in die Forschungsinfrastruktur, in die Energieeffizienz, in die medizinische Versorgung, in die nachhaltige Stadtentwicklung und in die Verkehrsinfrastruktur.

Insgesamt werden 67 Hamburger Maßnahmen rein aus dem Hamburger Haushalt finanziert und haben ein Gesamtvolumen von 598 Millionen Euro. Von den 486,8 Millionen Euro, die ausgabewirksam sind, sind mit dem Stichtag 15. August 2010 insgesamt 149 Millionen Euro an Aufträgen erteilt und

davon 102 Millionen Euro ausgegeben worden. Neun Maßnahmen sind bereits abgeschlossen.

Das Konjunkturprogramm II des Bundes mit einem Gesamtvolumen von 309,2 Millionen Euro umfasst zurzeit 61 Vorhaben mit 158 Einzelmaßnahmen. Mit 304,7 Millionen Euro ist das Ausgabevolumen fast vollständig beplant.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Mit dem Stichtag 15. August 2010 sind 111 Millionen Euro an Aufträgen erteilt und 98 Millionen Euro ausgegeben worden. Fünf Maßnahmen sind bereits abgeschlossen.

Nach Berechnung der Prognos AG bewirken die Maßnahmen der Stadt und die Infrastrukturprogramme des Bundes in Hamburg unmittelbar einen Impuls von 0,4 Prozentpunkten. Über den temporären Effekt hinaus wurden nachhaltige positive Struktureffekte ausgelöst, die in den Folgejahren 2011 bis 2014 wirksam werden. Diese Effekte entsprechen jährlich 0,3 Prozentpunkten der Wirtschaftsleistung des Jahres 2008.

Trotz aller Euphorie müssen wir wachsam bleiben. Die Risiken sind unverkennbar, die Schuldenkrise bedeutender Euroländer, der sogenannten PIIGSStaaten, der Zwang zur nachhaltigen Konsolidierung der Staatsfinanzen, ungelöste Probleme in den USA, Überhitzungen in China, Finanzierungsprobleme im Schiffbau und bei kleineren Unternehmen. Deshalb ist es besonders wichtig, dass durch die Konjunkturmaßnahmen der Stadt in den Jahren 2010 und 2011 bis zu 5000 Arbeitsplätze geschaffen oder gesichert werden.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Programme der Europäischen Union und der Agentur für Arbeit kommen hinzu. Ein großer Teil des Ausgabevolumens entfällt auf Bauleistungen und davon wesentlich auf Ausbaumaßnahmen. Das Hamburger Bauhauptgewerbe verzeichnet im zweiten Halbjahr 2009 im öffentlichen Bau ein Umsatzplus von 29 Prozent, für das erste Halbjahr 2010 ist ein Plus bei den Auftragseingängen von 8,2 Prozent zu melden. Bekanntlich verzögerte sich die Arbeit witterungsbedingt. Das weniger witterungsanfällige Ausbaugewerbe, das vor allem von Sanierungsmaßnahmen profitiert, konnte im ersten Halbjahr 2010 ein Umsatzplus von 15,9 Prozent verzeichnen.