Protokoll der Sitzung vom 30.09.2010

(Ingo Egloff SPD: Das passierte ja mithilfe von Herrn Koch den Bundesrat!)

Und alle wissen, dass das SPD-geführte Sozialministerium vor dem Bundesverfassungsgericht noch

(Wolfgang Joithe-von Krosigk)

im Herbst 2009 den Standpunkt vertreten hat, dass die bestehenden Regelleistungen für Erwachsene und Kinder ausreichend seien.

(Jörg Hamann CDU: Ach! Hört, hört!)

Verantwortet wurde diese Auffassung von dem uns in Hamburg gut bekannten SPD-Bundesminister Olaf Scholz. Es ist bemerkenswert, wie erstaunlich still er derzeit zu diesem Thema ist.

(Michael Neumann SPD: Mal früher aufste- hen, Herr Wersich, nicht so lange in der Be- hörde schlafen!)

Ich weiß, dass Ihnen das weh tut, aber Sie müssen sich diesen Dingen stellen.

(Beifall bei der CDU)

Ihre Argumentation von heute ist eine deutlich andere als seine im vergangenen Jahr. Er sagte vor einem Jahr nicht nur, dass die Regelsätze für Erwachsene und Kinder ausreichend seien, sondern er hat damals schon festgestellt, dass die Regelsätze für Kinder eigentlich zu hoch sind, und zwar gemäß seinem Ministerium bei den Null- bis Fünfjährigen um 16 Euro und bei den 14- bis 18-Jährigen um 18 Euro. Schon damals hat die Bundesregierung entschieden, die Regelsätze nicht nach unten anzupassen, sondern beizubehalten; genau dasselbe, was die Bundesregierung jetzt tut. Das kann doch nicht der Untergang des Abendlandes sein.

(Beifall bei der CDU – Elke Badde SPD: Das haben wir doch auch gar nicht gesagt!)

Ein weiteres Beispiel, der Anteil für Tabakwaren. Hierzu wurde vom Bundesarbeitsministerium unter Olaf Scholz ausgeführt – ich will das einmal zitieren –:

"Strikte Gegner des Rauchens würden Ausgaben für Tabak wahrscheinlich gar nicht berücksichtigen, Raucher dagegen zu 100 %. Jede dieser Bewertungen […] ist nachvollziehbar. Und jede dieser Entscheidungen würde im Rahmen des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers liegen."

Das ist O-Ton Bundesministerium für Arbeit und Soziales, von Herrn Scholz geführt. Warum, meine Damen und Herren von der SPD, soll das, was Olaf Scholz verlauten ließ, heute nicht mehr gelten?

(Beifall bei der CDU – Michael Neumann SPD: Weil Sie bei der Rechnung geschum- melt haben, deshalb!)

Ihre Versuche der Vergangenheitsbewältigung mittels überzogener Kritik an der neuen Bundesregierung werden nicht aufgehen, denn Sie unterschätzen die Erinnerung der Menschen. Und ich glaube, Sie unterschätzen das Gespür der Menschen, und zwar gerade der normalen, der einfachen, der so

genannten kleinen Leute, die von ihrer Hände Arbeit leben.

(Michael Neumann SPD: Denen Sie keinen Mindestlohn zukommen lassen!)

Die wissen sehr genau,

(Michael Neumann SPD: … dass sie von Ih- nen kurz gehalten werden! – Glocke)

Herr Neumann, keine Zwischenrede bitte. Das waren drei Sätze. – Herr Senator, fahren Sie fort.

(Zuruf von der CDU: Soweit kann er nicht zählen!)

Ich nutze das, um einen Schluck Wasser zu trinken; machen Sie ruhig noch ein paar Zwischenrufe.

(Michael Neumann SPD: Tja, da ist Ihnen die Spucke weggeblieben!)

Sie unterschätzen nicht nur die Erinnerung der Menschen, sondern auch ihr Gespür. Diese Menschen wissen sehr genau, dass das Grundsicherungsniveau vom Steuerzahler bezahlt wird. Sie beobachten sehr genau, was als Existenzminimum von der Gesellschaft auch ohne eigenes Tun zugrunde gelegt wird und lesen in den Zeitungen, dass kein anderes Land in der EU seinen Bürgern eine vergleichbare Absicherung gewährleistet wie Deutschland es tut.

(Beifall bei der CDU – Norbert Hackbusch DIE LINKE: Dänemark!)

Nein, auch Dänemark nicht.

Diese Menschen wissen auch, dass der Leistungsempfänger schon mit einem kleinen Nebenjob zusätzlich Beiträge behalten kann, die seinen Regelsatz um 40 Prozent erhöhen. Gerade bei diesen Menschen ist die Ausweitung von Hartz IV alles andere als populär. Da hilft auch eine erneute Belebung der Mindestlohndebatte nicht, Herr Neumann. Zum einen haben wir mittlerweile in vielen Bereichen Mindestlöhne,

(Ingo Egloff SPD: Dank Olaf Scholz!)

und zum anderen wissen Sie, dass die Folgewirkungen umstritten sind. Die Behauptung, dass der Mindestlohn vielen Menschen aus Hartz IV heraushelfen würde, stimmt leider nicht.

(Beifall bei der CDU)

Es kann jeder nachrechnen, dass man mit einem Bruttolohn von 7,50 Euro die Stunde auf rund 1200 Euro im Monat kommt, das sind weniger als 1000 Euro netto. Das reicht für einen Alleinstehenden, aber viele Alleinerziehende und erst recht Familien mit Kindern sind damit nicht jenseits der Grenzen von Hartz IV.

(Senator Dietrich Wersich)

(Michael Neumann SPD: Deswegen sollen sie noch weniger kriegen und für 3,50 Euro arbeiten!)

Deshalb machen Sie den Menschen etwas vor, wenn Sie sagen, dass durch den Mindestlohn der Transferleistungsbezug in den Familien zu reduzieren wäre.

(Beifall bei der CDU – Ingo Egloff SPD: Des- wegen subventionieren Sie lieber irgendwel- che Unternehmer!)

Aber ich glaube, es gibt noch etwas, was Sie so richtig auf Zinne bringt, …

(Uwe Grund SPD: Trickser! – Glocke)

Herr Grund, das Wort "Trickser" unterlassen Sie bitte.

… nämlich, dass Sie bis Ende des vergangenen Jahres immerhin elf Jahre das Bundesarbeits- und Sozialministerium geführt haben und jetzt ausgerechnet eine CDU-Ministerin, Frau von der Leyen, als erstes die Idee verwirklichen will, dass auch die Arbeits- und Sozialverwaltung mehr für Kinder tut. Sie möchte, dass angesichts der Probleme, die Kinder aus Familien im Transferleistungsbezug haben, die Arbeits- und Sozialverwaltung nicht nur einfach den Regelsatz an die Eltern auszahlt,

(Ingo Egloff SPD: Das verhindert die CSU!)

sondern auch einmal nachfragt, wo die Förderbedarfe dieser Kinder sind. Das bringt Sie offenbar auf die Palme.

Das Konzept von Frau von der Leyen sieht nicht nur dieses Nachfragen vor, sondern auch ein Bildungspaket von mehreren Hundert Millionen Euro, um genau diesen Kindern an den Stellen zu helfen, wo es bisher keine Hilfe gab.

(Michael Neumann SPD: Jetzt weiß ich, warum die den Ahlhaus genommen haben!)

Das alles ärgert Sie offenbar.

Diese Idee von Frau von der Leyen ist aber nicht nur sozialpolitisch bestechend konsequent, sondern sie ist notwendig, denn alle Experten sagen uns, dass das größte Risiko von Kindern aus armen und bildungsfernen Familien nicht der materielle Notstand ist, sondern die hohe Wahrscheinlichkeit brüchiger Bildungsbiografien, schlechterer Gesundheit und einer geringeren sozialen und kulturellen Teilhabe. Deshalb verdient Frau von der Leyen nicht nur unseren Respekt, sondern auch unsere Unterstützung.

(Beifall bei der CDU)

Ich werbe deshalb so entschieden für das geplante Bildungspaket, weil es genau diese Aspekte in den

Blick nimmt und dafür sorgt, dass die gezielte Förderung auch bei den Kindern ankommt. Natürlich ist vieles noch im Detail zu klären, aber ich warne alle, über diesen Details die ganze Idee infrage zu stellen. Sie spielen damit denen in die Hände, die nichts bewegen, sondern Geld sparen und es am liebsten bei der alten Sozialverwaltung belassen würden,

(Michael Neumann SPD: Wer ist denn das?)

die sich nicht um die Kinder kümmert und nur Regelsätze auszahlt.