Protokoll der Sitzung vom 30.09.2010

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Einen Punkt möchte ich heute auch vor dem Hintergrund der Konkurrenz verschiedener Projekte noch einmal betonen. Wir befinden uns in der Phase der Überprüfung des Verkehrswegeplans des Bundes und ich sehe schon in dem Gutachten – insofern war diese Diskussion und dieses Aufschrecken im Sommer vielleicht gar nicht so falsch für uns alle –, dass hier sehr deutlich herausgearbeitet wurde, wo denn das fernverkehrliche Interesse bei diesem Projekt liegt. Die Kapazitätsengpässe im Hamburger Hauptbahnhof haben mehrheitlich ein Bundes- und ein fernverkehrliches Interesse und wir müssen besonderen Wert darauf legen, das auch zu betonen, damit der Bund sich daraus nicht zurückziehen kann.

(Beifall bei der GAL und der CDU und ver- einzelt bei der SPD)

Herr Bischoff, deswegen ist es ganz wichtig, dass wir uns nicht auf die nahverkehrliche Konkurrenz zwischen verschiedenen Projekten zurückziehen,

sondern betonen, dass Hamburg wie andere Metropolen im Süden verlangen kann, dass diese Ausstrahlung der Metropolregion auch gestützt wird. Gerade Hamburg mit seinem Hafen kann viel mehr fernverkehrliche Argumente für seine Verkehrsprojekte in Berlin in die Waagschale legen und das sollten wir gemeinsam tun. Deswegen finde ich es auch gut, dass dieses Haus und Kiel das gemeinsam tun, denn das erhöht die Glaubwürdigkeit in Berlin.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Wir sind in Hamburg also gut beraten, diese Projekte parallel zu verfolgen, und der Norden ist gut beraten, sich auf bestimmte Projekte zu einigen. Ich möchte einmal die Behauptung wagen, mit Blick auf eine Winterolympiade wird dieser Verkehrsminister nicht lange brauchen, ein Programm für den Süden Deutschlands aufzulegen, und dann müssen die norddeutschen Ministerpräsidenten sich auf ein Programm Nord geeinigt haben, weil wir in Verkehrsinvestitionsfragen nicht mehr weiter so zurückstehen dürfen, wie das leider in der Vergangenheit zu verzeichnen war.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Insofern hoffe ich, dass diese auch von Ihnen mitinitiierte und gut vorbereitete gemeinsame Maßnahme zwischen dem schleswig-holsteinischen Landtag und der Hamburgischen Bürgerschaft unsere beiden Länder stärkt, unsere norddeutschen Prioritäten zu setzen und dabei die S4 ganz hoch anzusiedeln. Davon hätten viele Hamburgerinnen und Hamburger etwas, insbesondere im Osten, aber, da bin ich sicher, auch stadtweit. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU und ver- einzelt bei der SPD)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat Herr Lafrenz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist gut für die S4, dass wir uns in diesem Hause über ihre Planung einig sind, es ist gut für den öffentlichen Personennahverkehr und es ist gut für die Entflechtung der Verkehre im Hauptbahnhof. Planerisch sind wir der Realisierung dieses Projekts eigentlich viel näher, als es das Petitum des Antrags vermuten lässt, denn es hat bereits Mitte der Achtzigerjahre Planungen für einen zusätzlichen zweispurigen Ausbau einer SBahn-Strecke nach Ahrensburg gegeben. Das Projekt hieß damals allerdings nicht S4 nach Ahrensburg, sondern Ausbau der höhengleichen Bahnübergänge zu höhenfreien Bahnübergängen. Im Zusammenhang damit sind planfeststellungsreife Planungen für die S4 aufgestellt worden. Es sind aber auch Bebauungspläne aufgestellt und festgestellt worden, die diesen vierspurigen Ausbau be

(Senatorin Anja Hajduk)

reits in allen Kreuzungs- und Bahnhofsbereichen berücksichtigen. Folglich sind damals auch die Kreuzungs- und Bahnhofsbereiche so gebaut worden, dass dieser zusätzliche Ausbau von zwei Gleisen ohne Probleme möglich gewesen wäre. Es ist wichtig, auf diese Pläne zurückzugreifen, weil es die planerischen Schritte beschleunigen und vielleicht auch verbilligen könnte. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat Herr Buschhüter.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn die CDU hier schon eine zweite Runde eröffnet, dann muss ich dazu doch noch etwas sagen, denn wenn Herr Lafrenz sich hier hinstellt und sagt, es würde im Prinzip schon fast fertige Pläne aus den Achtzigerjahren geben – das erzählt er gelegentlich –, dann ist das so nicht richtig.

(Wolfgang Beuß CDU: Fragen Sie doch ein- mal Herrn Wagner!)

Es gab in den Achtzigerjahren die Untersuchung zu den Bahnübergängen. In dem Zusammenhang hat man auch überlegt, wie man die Brücken und Tunnel anstelle der Bahnübergänge so baut, dass sie einem späteren S-Bahn-Ausbau nicht im Weg stehen. Das hat man damals gemacht, aber dieser Punkt wird heute ein Stück weit infrage gestellt. Wenn wir uns zum Beispiel die neueste Brückenbaumaßnahme ansehen, dann sagt die Behörde offiziell, dass sie einen dreigleisigen Ausbau bei der Brückenplanung berücksichtigt habe, obwohl jetzt schon bekannt ist, dass an der Stelle vier Gleise gebaut werden sollen. Das ist zumindest die offizielle Aussage der Behörde dazu. Dass es faktisch möglicherweise doch passen wird, vier Gleise darunter zu legen, ist eine andere Sache, aber man hat schon den Eindruck, dass man auch für die Frage der Bahnübergänge jetzt endlich diese Vorentwurfsplanung braucht, um darauf auch Rücksicht zu nehmen.

Frau Senatorin, Sie haben vorhin auf die Betriebssimulation Bezug genommen und so getan, als wäre die noch nicht fertig. Tatsache ist doch, dass sie schon seit mehreren Monaten fertig ist und insofern dem nichts mehr im Weg steht, diese Vorentwurfsplanung endlich in Auftrag zu geben.

Ein letztes Wort zu dem Kollegen Klimke aus dem Bundestag,

(Wolfgang Beuß CDU: Gott sei Dank!)

weil er eben so sehr gelobt wurde; wir konnten es gar nicht glauben. Sie sollten Herrn Klimke einmal im Wahlkreis hören, wenn er konfrontiert wird mit den Aussagen zum Bundesverkehrswegeplan und welche Diskussion es zu dem Projekt, das dritte

Gleis herauszustreichen, gibt. Da redet er ganz anders als hier, Herr Hesse. Sie haben deutlich unsere Position geteilt, dass das gefährdet ist und im Bund auf der Kippe steht. Herr Klimke stellt sich hin, beschwichtigt und sagt, das sei alles falsch, was da berichtet wird, und wir sollten uns keine Sorgen machen, das ginge alles so durch. Aber genau das sollten wir nicht machen. Man darf sich nicht zurücklehnen – das hat eine Zeitung kürzlich auch sehr nett geschrieben – und sagen, die Argumente seien so gut, das Ganze käme von alleine, sondern man muss wirklich dafür kämpfen. Ich bin froh, dass wir das jetzt gemeinsam tun. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir zur Abstimmung.

Wer möchte dem gemeinsamen Antrag der Fraktionen der CDU, SPD und GAL aus der Drucksache 19/7366 seine Zustimmung geben? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist somit einstimmig angenommen.

Tagesordnungspunkte 45 und 40, Drucksachen 19/7287 und 19/7282, Antrag der SPD-Fraktion: Beteiligung des Bundesrates bei Entscheidung über Laufzeitverlängerungen von Atomkraftwerken mit Antrag der Fraktion DIE LINKE: Verfassungsklage gegen Missachtung des Bundesrates bei der AKW-Laufzeitverlängerung.

[Antrag der Fraktion der SPD: Beteiligung des Bundesrates bei Entscheidung über Laufzeitverlängerungen von Atomkraftwerken – Drs 19/7287 –]

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Verfassungsklage gegen Missachtung des Bundesrates bei der AKW-Laufzeitverlängerung – Drs 19/7282 –]

Beide Drucksachen möchte die GAL-Fraktion an den Umweltausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Frau Schaal, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Am Dienstag hat das Bundeskabinett sein Energiekonzept beschlossen. Danach gibt es eine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke von durchschnittlich zwölf Jahren für alle Meiler; selbst unsichere alte Reaktoren dürfen weiterlaufen. Vor gut einem Monat hatte die Bürgerschaft mit den Stimmen von CDU und GAL den Senat aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass Brunsbüttel und Krümmel von einer Laufzeitverlängerung ausgenommen werden. Doch der Hambur

(Hans Lafrenz)

ger Bürgermeister hat offensichtlich keinen so großen Einfluss bei der Bundeskanzlerin wie Vattenfall, denn auch Krümmel und Brunsbüttel werden trotz vieler Pannen in der Vergangenheit länger laufen und schon 2011 offensichtlich wieder ans Netz gehen.

Das Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des Atomgesetzes beginnt nächste Woche und soll bis Ende des Jahres abgeschlossen werden. Der Senat hat also noch Zeit, den Parlamentsbeschluss umzusetzen, vor allem aber dafür zu sorgen, dass der Bundesrat nicht umgangen wird. Das ist unsere Forderung.

(Beifall bei der SPD und bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Die Bundesregierung hat sich sehr preiswert von den Atomkonzernen einkaufen lassen. Die vermeintliche Gewinnabschöpfung in Form einer Brennstäbesteuer ist auf 2,3 Milliarden Euro gedeckelt und kann von den Konzernen auch noch als Betriebsausgabe von anderen Steuern abgesetzt werden. Bis 2016 sollen die Unternehmen 300 Millionen Euro pro Jahr in einen Fonds für erneuerbare Energien einzahlen. Das sind Peanuts gegenüber den 100 Milliarden Euro Zusatzgewinnen aus der Laufzeitverlängerung. Und noch schlimmer ist, dass sich die Bundesregierung für diese mageren Abgaben auch die Sicherheit der Anlagen hat abkaufen lassen. Kein Atomkraftwerk, schon gar nicht die älteren, ist auf dem neuesten Stand der Sicherheitstechnik. Um Nachrüstungskosten möglichst niedrig zu halten, sollen sie auf 500 Millionen Euro pro Meiler begrenzt werden. Jeden Mehraufwand können die Unternehmen dann von den Zahlungen an den Ökofonds absetzen. Der Bundesumweltminister hatte ermitteln lassen, dass bei einer Laufzeitverlängerung von zwölf Jahren für alle Meiler gut 20 Milliarden Euro für den Sicherheitsaufwand ausgegeben werden müssten. Durch die Kostendeckelung sparen die Konzerne 11,5 Milliarden Euro; kein Wunder, dass in den Chefetagen die Sektkorken geknallt haben.

(Jörn Frommann CDU: Waren Sie dabei?)

Das kann man sich denken.

Aber es kommt noch teurer. Laut "Spiegel Online" hat eine Arbeitsgruppe aus Vertretern des Bundesumweltministeriums und der fünf Bundesländer mit Atomkraftwerken einen Nachrüstungs- und Sicherheitskatalog aufgestellt. Die Anforderungen sollen aber derartig niederschwellig angelegt sein, dass sie von den neueren Atomkraftwerken heute schon als erfüllt gelten sollen. Für die älteren Reaktoren sind die Sicherheitsanforderungen gar nicht relevant, weil sie erst mittel- bis langfristig umgesetzt werden sollen. Aber die Altmeiler sollen nur kurzfristig, nämlich acht Jahre, am Netz bleiben. Es wird also auch bei den alten Atomkraftwer

ken zu gar keiner Nachrüstung kommen. Das ist ein böser Taschenspielertrick.

(Beifall bei der SPD, vereinzelt bei der LIN- KEN und bei Jens Kerstan GAL)

Doch das hat Methode. Die Bundesregierung will ihr Energiekonzept aufgrund veränderter Mehrheitsverhältnisse bekanntermaßen am Bundesrat vorbeibringen. Sie versucht dabei, die Länderkammer zu umgehen. Da die Atomaufsicht aber Ländersache ist, will die Bundesregierung nun weismachen, die Länder bekämen durch die Laufzeitverlängerung gar nichts Zusätzliches zu tun. Mehr Sicherheit, kann man zynisch sagen, ist auch nicht gefragt nach dem Konzept der Bundesregierung; das können wir aber nicht durchgehen lassen.

(Beifall bei der SPD)

CDU und GAL haben vor vier Monaten einen Antrag gestellt und den Senat aufgefordert, im Falle der Änderung des Atomgesetzes genau zu prüfen, wie weit der Bundesrat zur Beschlussfassung einzubeziehen ist, und bei positivem Ergebnis auf eine Befassung im Bundesrat hinzuwirken. Geprüft ist, denn in einer ganzen Reihe von juristischen Fachartikeln, unter anderem vom ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, HansJürgen Papier, ist dargelegt, dass die Bundesländer als aufsichtführende Behörde an der Novellierung des Atomgesetzes beteiligt werden müssen. Auch der Einwand, beim Zustandekommen des Gesetzes 2002 hätte der Bundesrat ebenfalls nicht mitgewirkt, zieht nicht, denn damals führte das Gesetz zu einer Verminderung der Länderaufgaben dadurch, dass die Laufzeiten begrenzt wurden. Deshalb war das Gesetz nicht zustimmungspflichtig. Im Übrigen haben die Länder seinerzeit auf eine Mitwirkung am Atomgesetz verzichtet und auch keinen Einspruch gegen das Gesetz erhoben.

Entscheidend ist jetzt, dass das von Schwarz-Gelb auf Bundesebene geplante Gesetz den Länderaufsichtsbehörden neue Aufgaben von wesentlich anderer Bedeutung und viel größerer Tragweite aufbürdet. Zum einen sind bei älteren Reaktoren nach 2002 umfassende Nachrüstungen unterblieben, weil die Betriebszeit begrenzt war. Wir wissen, dass Stade schon längst vom Netz ist und Brunsbüttel es auch schon sein sollte. Werden jetzt die Betriebsdauern für alte Reaktoren erneut verlängert, entfällt deswegen die Rechtmäßigkeit dieser alten sicherheitstechnischen Zugeständnisse. Für eine weitere Betriebsgenehmigung, die jetzt ansteht, müssen die Reaktoren nachgerüstet werden, was für die Genehmigungsbehörden mit erheblichem Aufwand verbunden ist.

Es hat sich außerdem die Sicherheitslage nach dem 11. September 2001 bekanntermaßen grundlegend verändert. Das Bundesverwaltungsgericht hat 2008 den Standpunkt aufgegeben, dass terroristische Anschläge auf ein Atomkraftwerk nur ei

nem Restrisiko zuzuordnen seien. Schon im Gesetzgebungsverfahren 2002 wurde die Begrenzung der atomrechtlichen Betriebsgenehmigungen auch damit begründet, dass diese Risiken nur für tolerabel gehalten werden, weil der Zeitraum begrenzt ist. Diese Risiken und Nachrüstungsbedarfe zu prüfen und zu bewerten wird die Aufgabe der Länder sein und deshalb müssen sie auch mitreden und entscheiden können, ob sie wollen, dass Atomkraftwerke weiterlaufen. Ich mache keinen Hehl daraus, dass die SPD keine Laufzeitverlängerung will.

(Beifall bei der SPD)

Auch Senatsvertreter haben beim Amtsantritt geschworen, Gefahren von der Bevölkerung abzuwenden; also muss gehandelt werden. Ende August hat Senatorin Hajduk bereits gemeinsam mit weiteren acht Länderkolleginnen und -kollegen erklärt, dass sie das Bundesverfassungsgericht anrufen würde, falls die Laufzeitverlängerung ohne Befassung des Bundesrates verabschiedet werden soll. Das würde auch die SPD tun. Frau Senatorin, machen Sie ernst, überzeugen Sie den Senat davon, einer Klage beizutreten, die die Aushebelung der Länderkammer verhindert.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Schneider DIE LINKE)