Die mächtige Antiatomdemonstration vor nicht einmal zwei Wochen rund um das Reichstagsgebäude in Berlin war nach der sagenhaften Menschenkette von Brunsbüttel bis Krümmel ein weiterer eindrucksvoller Beweis dafür, dass die Menschen die Energiewende tatsächlich wollen: weg von der Atomenergie, hin zu erneuerbaren Energien. Doch die rot-grüne Energiewende wird durch das schwarz-gelbe Energiekonzept versperrt. Dazu muss die Hamburger Politik Flagge zeigen.
Auch darum muss die Hamburger Politik Flagge zeigen: Der Titel europäische Umwelthauptstadt 2011 ist Hamburg schließlich nicht fürs Abtauchen verliehen worden, wenn in Umwelt- und Klimapolitik wichtige Ziele auf dem Spiel stehen.
Die SPD ist der Auffassung, dass das Energiekonzept der Bundesregierung auch das Hamburger Klimaschutzprogramm aushebeln könnte, wenn nicht gegengesteuert wird. Die grüne Umweltsenatorin Hajduk hat sich am Dienstag zusammen mit ihren grünen Kollegen aus anderen Bundesländern bereits kritisch zu dem Konzept der Bundesregierung geäußert.
Atomenergie feiert und in Hamburg mit atomkritischen grünen Partnern strahlend Händchen hält. Wir haben zusammen in Berlin demonstriert, Frau Hajduk, gehen wir gemeinsam nach Karlsruhe. Darum lassen Sie uns die vorliegenden Anträge beschließen und nachträglich überweisen; das wäre die sauberste Lösung. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Dr. Schaal, das war eine Meisterleistung von Ihnen, Sie sind förmlich über sich hinausgewachsen, ohne dass Sie neue Aspekte genannt haben.
Ich möchte mein Schlusswort vorwegnehmen, es betrifft die Bundesratsbeteiligung beziehungsweise die Verfassungsklage. Hamburg vertrat und vertritt auch heute noch die Auffassung, dass der Bundesrat beteiligt werden sollte. Dass wir aber so weit gehen, uns einer Klage gegen die Laufzeitverlängerung anzuschließen, geht entschieden zu weit. Das können Sie und auch unser Koalitionspartner nicht von uns verlangen.
Frau Dr. Schaal hat vorhin schon angedeutet, dass das Energiekonzept für Deutschland vom Kabinett wie erwartet mit kleinen Änderungen beschlossen wurde. Und wie erwartet ist es die Opposition, die das Energiekonzept auf die Laufzeitverlängerungen reduziert und dementsprechend kritisiert. Andere weisen auf die Chancen hin. Das Energiekonzept ist weitergehender und deutlich umfassender als nur der kleine Teil der Laufzeitverlängerungen. Weitere Kapitel des Energiekonzepts stellen den Fahrplan dar, der den Weg in das Zeitalter der erneuerbaren Energien aufzeigt. Das hat die ehemalige rot-grüne Bundesregierung versäumt, als sie den Atomausstieg beschlossen hat. Rot-Grün ist uns die Antwort auf die Frage schuldig geblieben, wie eine Energieversorgung mit überwiegend erneuerbaren Energien erreicht werden kann.
Meine Damen und Herren! Ich wiederhole mich hier zum x-ten Mal, wenn ich feststelle, dass es zwischen uns inhaltlich mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede gibt. Wir alle wollen den Umbau der Energielandschaft hin zu erneuerbaren Energien.
Wir haben mittlerweile auch alle festgestellt, dass es nicht nur auf die Quantität der erneuerbaren Energien ankommt. Die Branche der erneuerbaren Energien treibt mit Euphorie und Herzblut den Ausbau voran, sie kann und wird die Prognose in der Quantität sogar übertreffen. Aber es kommt auch die Arbeit auf uns zu, den Weg strukturell zu begleiten; das ist alles nichts Neues. Der Netzausbau muss vorangetrieben werden. Die dena-Studie bescheinigt uns, dass es erhebliche Verzögerungen im Netzausbau gibt und dass der Zuwachs nicht ausreichend sein wird, um die gesteckten Ziele bis zum Jahr 2015 zu erreichen. Nicht genug damit, es kommt auch noch hinzu, dass die Akzeptanz für Hochspannungsanlagen weiter abnimmt.
Der nächste Punkt ist, dass die Speichertechnologien neu erforscht und bis zur Marktreife gebracht werden müssen. Forschung, das wissen Sie alle, braucht Zeit und Geld.
Die Energieeinsparungen und CO2-Reduktionen sollen durch Steigerung der Energieeffizienz erreicht werden; auch dies ist schon gesagt worden. Übrigens ist die Kritik an der Umsetzung der EDLRichtlinie auf Bundesebene nicht nachvollziehbar. Die in Deutschland seit Langem kontinuierlich durchgeführten Maßnahmen tragen erheblich dazu bei, dass das indikative 9-Prozent-Ziel für Deutschland vergleichsweise sicher erreicht werden kann.
Das höchste Gut – auch etwas, das wir alle gemeinsam verfolgen – ist die Sicherheit, und zwar einmal die Sicherheit für die Menschen.
(Michael Neumann SPD: Nichts ist sicherer für die Menschen als ein Atomkraftwerk, das abgeschaltet ist!)
Damit beschäftigt sich auch der zweite Teil des Gesetzentwurfs zum Atomgesetz. Aber natürlich sind wir auch in der Wohlstandsgesellschaft darauf angewiesen und wir wünschen es gar nicht mehr anders, als dass der Strom ständig verfügbar ist. Wer möchte schon, dass wir tagelang Stromausfall haben.
Bis hierher habe ich die Gemeinsamkeiten zwischen uns vorgebracht; jetzt komme ich zu den zwei gravierenden Unterschieden.
Ich komme schon auf die zwei gravierenden Unterschiede, die Sie so gern diskutieren wollen. Einmal ist es der Zeitplan. Wir sehen unseren Zeitplan als realistisch an. Den Zeitplan, den die Opposition vertritt, sehen wir als visionär an.
Die Bundesregierung hat aus dem Gutachten zum Energiekonzept geschlossen, dass der Weg zu den erneuerbaren Energien nicht in der Zeit des geplanten Atomausstiegs bewältigt werden kann, sondern dass wir noch mehr Zeit für den Strukturausbau brauchen und auch weitere finanzielle Mittel erforderlich sind.
Union und FDP wollen die Finanzierung über die Gewinnabschöpfung während der Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke sicherstellen. Sie, Herr Neumann, und die SPD kritisieren, dies behindere den Ausbau der erneuerbaren Energien. Das ist eine starke Behauptung, die nicht nachgewiesen werden kann. Im Gegenteil, der Ausbau der erneuerbaren Energien ist der Bundesregierung ebenso wichtig wie Ihnen.
Die Bundesregierung hat sich für den Ausbau des Anteils erneuerbarer Energiequellen am Stromverbrauch hohe Ziele gesteckt. Bis zum Jahr 2030 soll er auf 50 Prozent steigen, bis zum Jahr 2050 sogar auf 80 Prozent. Für diesen Ausbau sollen zum einen die Erlöse aus den CO2-Zertifikaten genutzt werden, zum anderen sollen dazu Gewinne aus den längeren Laufzeiten der Kernkraftwerke beitragen. Und es werden über 60 Prozent der zusätzlichen Gewinne abgeschöpft.
Vielleicht stellt sich auch die Frage, inwieweit sich die SPD an Halbwissen aus der Presse orientiert
(Dr. Andreas Dressel SPD: Unterirdisch! – Michael Neumann SPD: Sie sind so ein net- ter Mensch, was reden Sie da?)
Wenn Sie das Energiekonzept richtig gelesen hätten, dann wäre der Antrag, den Sie diskutieren, relativ unnötig. Im Energiekonzept steht ausdrücklich, dass zum Sofortprogramm der Bundesregierung auch ein Kreditprogramm der staatseigenen KfW-Förderbank zum Ausbau der Offshore-Windenergie über 5 Milliarden Euro gehört. Weiter soll
das CO2-Sanierungsprogramm im Jahr 2011 um satte 500 Millionen Euro aufgestockt werden. Drittens legt die Bundesregierung aus dem Sondervermögen beim BMWI in Abstimmung mit dem BMU ab 2011 einen Energieeffizienzfonds auf, aus dem besondere Maßnahmen, wie zum Beispiel Energieund Stromspar-Checks für private Haushalte, aussagekräftige Energieausweise und vieles andere finanziert werden sollen.