Freien und Hansestadt Hamburg, Anja Hajduk, gehört zu den Unterzeichnerinnen. Das begrüßen wir ausdrücklich.
Wir betrachten das als vertrauensbildende Maßnahme. In dieser Erklärung heißt es, dass jede Laufzeitverlängerung ohne vorherige Zustimmung der Länder die vom Grundgesetz geschützte Verwaltungs- und Organisationshoheit der Länder verletze und verfassungswidrig sei. Nun könnten wir darauf vertrauen, dass auch Hamburg sich einer Normenkontrollklage anderer Landesregierungen vor dem Bundesverfassungsgericht anschließen wird, und nicht, Herr Kerstan, damit sich noch mehr Länder einer Klage anschließen, sondern damit dieser Senat und diese Koalition, die grün angehaucht ist, ein Zeichen setzt und nicht nur die Umweltsenatorin Flagge zeigt.
Am 1. Juni hat die Bürgerschaft auf Antrag von CDU und GAL – Frau Dr. Schaal hat schon darauf aufmerksam gemacht, dass es der CDU und auch dem Senat möglicherweise entgangen ist, was sie beantragt hat und was die Bürgerschaft beschlossen hat – Folgendes beschlossen – ich zitiere –:
1. sobald ein konkreter Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Atomgesetzes vorliegt, genau zu prüfen, inwieweit der Bundesrat zur Beschlussfassung einzubeziehen ist. Bei positivem Ergebnis ist auf eine Befassung des Bundesrates hinzuwirken.
2. darauf hinzuwirken, dass die Frage der Laufzeitverlängerungen von KKW auf Bundesebene nur gemeinsam mit einer Überprüfung des Energiekonzeptes für die Bundesrepublik Deutschland behandelt wird und die Bundesländer dabei einbezogen werden."
Auf der Grundlage dieses Beschlusses hätte der Senat als Ganzes längst aktiv werden müssen. Davon ist bis heute nichts bekannt und das passt ins Bild. Wir haben es auch von Frau Stöver gehört, dass offenkundig gar nicht daran gedacht wird.
Wir haben wiederholt erfahren müssen, dass dieser Senat Beschlüsse der Bürgerschaft einfach nicht umsetzt. So hätte zum Beispiel schon lange eine Auswertung der Störfälle im AKW Krümmel vom Juli letzten Jahres vorliegen müssen. Das ist am 1. September 2009 mit der Drucksache 19/3990 beschlossen worden. Inzwischen hat es zwei neue Störfälle gegeben und wir haben immer noch keine Auswertung, wir haben noch nicht einmal einen Zwischenbericht.
auch erlebt mit der letzten Regierungserklärung von Ole von Beust, wo vollmundig eine Erhöhung des Spitzen- und des Reichensteuersatzes angekündigt wurde. Was dieser Senat betreibt, ist nichts anderes als eine konsequente Missachtung des Parlaments und das ist ungeheuerlich.
Das werden wir auch in Zukunft immer wieder deutlich machen, wir werden es nicht akzeptieren. Deshalb stellen wir heute einen Antrag zur Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken mit einer einzigen Forderung, die lautet:
"Der Senat wird aufgefordert, sich einer Klage der Bundesländer vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Festlegung von Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke ohne Beteiligung des Bundesrates anzuschließen."
Nun habe ich schon gehört, dass die GAL, die sich außerhalb des Parlaments gern als Speerspitze der Anti-Atomkraft-Bewegung gibt, heute im Parlament argumentieren wird, dass in dem Antrag, den ich gerade zitiert habe, gar nicht die Rede von einer Klage sei. Die Grünen auf Bundesebene – allen voran der Bundesvorsitzende Jürgen Trittin, der das sogenannte Energiekonzept nicht als Revolution, sondern als Konterrevolution bezeichnet hat – sind ganz klar zu dem Ergebnis gekommen, dass der Bundesrat einzubeziehen ist. Auch die grünen Landesvorsitzenden aus den fünf norddeutschen Ländern Niedersachsen, SchleswigHolstein, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen und Hamburg haben erklärt, dass es keinen Ausstieg aus dem Atomausstieg geben darf. Und wie in der "Hamburger Morgenpost" zu lesen war, hat GALFraktionschef Jens Kerstan geschimpft:
"Die Bundesregierung betreibt einen gefährlichen Alleingang. Gegen den mehrheitlichen Willen der Bevölkerung und der Bundesländer will sie den Energiekonzernen ein Milliardengeschenk machen und nimmt dabei ein hohes Sicherheitsrisiko in Kauf."
Sie und ihre Fraktion müssen hier im Parlament Farbe bekennen. Sie möchten sich heute vor einer klaren Aussage drücken, indem Sie verhindern, dass es zu einer Abstimmung des Antrages der Fraktion der LINKEN und auch des Antrages der SPD kommt. Das ist Ihr Konzept: vertagen, verschleiern, verhindern. Und das macht überhaupt keinen Sinn, denn morgen, in der 63. Sitzung des
Deutschen Bundestages, wird die Zwölfte Änderung des Atomgesetzes eingebracht und in erster Lesung behandelt werden.
Ja, ich habe mich erkundigt, das kommt in den Fachausschuss und die zweite Lesung wird spätestens am 17. Dezember stattfinden.
Wenn wir heute diese beiden Anträge an den Umweltausschuss überweisen, dann bin ich ziemlich sicher, dass es im Bundestag lange beschlossen ist, bevor es dort auf der Tagesordnung auftaucht. Insofern macht das überhaupt keinen Sinn.
Ihr Vorgehen in der Hamburgischen Bürgerschaft bezeichnen wir als absolute Trickserei und dafür ist das Thema entschieden zu ernst.
Es gibt noch ein weiteres Glaubwürdigkeitsproblem für Sie. Am 25. August haben Sie zusammen mit der CDU, sozusagen als Abwehrantrag gegen die Anträge von der LINKEN und der SPD, die Drucksache 19/7074 eingebracht, die Laufzeitverlängerungen insbesondere für Reaktoren vom Typ älterer Siedewasserreaktoren wie des AKW Krümmel für nicht verantwortbar erklärt. Die jetzige Regelung sieht vor, dass Brunsbüttel bis zum Jahr 2020 ohne Sicherheitsauflagen fortgeführt wird, Krümmel bis zum Jahr 2033. Und sollte einer dieser Schrottreaktoren vorher stillgelegt werden, können die Restlaufzeiten auf Brokdorf angerechnet werden und dann läuft Brokdorf sogar bis zum Jahr 2060 – Brokdorf, das Symbol für die Anti-Atomkraft-Bewegung, das ist unglaublich.
Auch dazu müssen Sie als Regierung und auch Sie als GAL sich verhalten und das bringt der Punkt 4 des SPD-Antrags auch noch einmal zum Ausdruck.
Wir von der LINKEN wollen eine Abstimmung über unseren Antrag hier und heute. Einer Überweisung an den Umweltausschuss werden wir nicht zustimmen, weil das Blödsinn ist.
(Beifall bei der LINKEN und der SPD – Wolf- gang Beuß CDU: Ach Gottchen! Sie haben aber die Mehrheit nicht!)
Wenn eine Zustimmung zu unserem Antrag und zu dem Antrag der SPD über das Weiterbestehen der schwarz-grünen Koalition entscheidet, wie Frau Stöver und auch Herr Kerstan angedeutet haben, dann möchte ich Sie doch wirklich bitten, diese
Chance sehr schnell und beherzt zu ergreifen. In Abwandlung eines Zitats von Molière möchte ich der GAL sagen: Sie sind nicht nur für das verantwortlich, was Sie tun, sondern auch dafür, was Sie nicht tun.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Gerade gab es den qualifizierten Zwischenruf von Herrn Beuß: Sie haben aber die Mehrheit nicht. Nun hat ihr politisches Vorbild Michael Freytag hier auch immer die These vertreten, Mehrheit sei Wahrheit. Wo der jetzt ist, wissen Sie, und wo Sie enden werden, wissen Sie damit auch.
Alle, die sich seit Jahren, zum Teil seit Jahrzehnten, ernsthaft mit dem Thema Technologie und ihren Folgen beschäftigt haben, und alle, die in diesem Parlament vernunftbegabt sind, wissen, was von Atomenergie zu halten ist. Auch wir haben da unsere schmerzlichen Erfahrungen machen müssen und auch erst nach der furchtbaren Katastrophe von 1987 eine Kehrtwendung vollzogen. Aber offensichtlich gibt es hier im Hause eine konservative Hartleibigkeit, die nicht bereit ist, die Fakten zur Kenntnis zu nehmen. Das ist, wie Jens Kerstan gesagt hat, eine Gefahr für die Sicherheit der Menschen in unserer Stadt und in unserem Land. Und das starre Beharren auf Mehrheiten ist darauf nicht die richtige Antwort.
Deshalb möchte ich gar nicht weiter über die Risiken und Gefahren von Atomenergie sprechen, sondern darüber, ob wir als Hamburgerinnen und Hamburger es uns bieten lassen, dass die Bundesregierung uns und unsere Mitbestimmungsrechte im Bundesrat aushebelt. Frau Stöver hat gesagt, das sei dann so, wir seien uns einig, dass das nicht in Ordnung sei, aber wehren würden wir uns dagegen nicht. Ich will das noch einmal zuspitzen: Nicht der Bund hält sich Länder, sondern die Länder halten sich den Bund.
Und wenn der Bund meint, unsere Rechte einschränken zu müssen, dann müssen wir auch mit allen rechtsstaatlichen Mitteln dagegen vorgehen.
Deshalb gebe ich zu, dass der Antrag, den Schwarz-Grün damals eingebracht hat und der hier beschlossen worden ist, die Formulierung beinhaltete, der Senat müsse darauf hinwirken, dass der
Offensichtlich wurde er aber in der Koalition unterschiedlich interpretiert. Mich interessiert jetzt, wie der Senat das denn einschätzt. Wie hat sich der Senat denn eigentlich vorbereitet?
Wie hat das "Hinwirken" stattgefunden, wie wird es stattfinden? Da erleben wir – ich kann das menschlich sehr gut nachvollziehen – eine leidende, aber schweigende Umweltsenatorin, die offensichtlich an der kurzen Leine des Bürgermeisters gehalten wird und deshalb hier nicht reden darf. Das ist nicht nur schade, weil ich glaube, dass wir inhaltlich einer Meinung sind, sondern es ist auch vor allen Dingen eine große Gefahr für die Grünen, denn es geht um den Kernmarkenbestand der Grünen. Es geht darum, ob ihre Kernkompetenz, der Umweltschutz und insbesondere der engagierte gesellschaftliche Kampf gegen die Atomenergie, weiterhin ihr Markenzeichen bleibt oder ob Sie diese Kompetenz auf dem Altar der schwarz-grünen Koalition für nur noch 18 Monate an der Regierung opfern wollen oder nicht. Das ist die Frage.