Protokoll der Sitzung vom 10.11.2010

(Beifall bei der CDU, der GAL und der SPD)

Ich bitte trotzdem um Nachsicht, denn ich bin das Taktieren nicht so gewohnt, aber ich lerne es, wie ich Ihnen schon sagte, so schnell wie möglich. Ich werde nicht alles wiederholen, was ich schon gesagt habe, ich denke, dass Sie das trotz der vielen Reden, die Sie zwischendurch gehört haben, alles behalten haben; deswegen fahre ich fort.

(Beifall bei der CDU und der GAL und bei Elisabeth Baum DIE LINKE)

Für den Senat war es wichtig, dass trotz der erheblichen Bundesmitteleinsparungen ein Kompromiss zur Umsteuerung bei den Arbeitsgelegenheiten gefunden wurde. Es ist sichergestellt, dass die Arbeitslosen in den Stadtteilen auch weiterhin gefördert und die Beratungsstellen und Dienstleistungen für die Bewohner der Quartiere weitestgehend aufrechterhalten werden. Zu den von einigen geforderten ausgleichenden Maßnahmen der Stadt möchte ich Folgendes sagen: Hamburg setzt sich aktiv für die Arbeitslosen in dieser Stadt ein.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

(Wolfgang Joithe-von Krosigk)

Es ist auch ein Herzenswunsch von mir persönlich, dass die Arbeitslosenzahl von heute um die 70 000 hoffentlich auf 65 000 heruntergebracht werden kann. Wir können jedoch in Zeiten knapper Kassen die Bundesmitteleinsparungen von voraussichtlich mehr als 50 Millionen Euro nicht aus Hamburger Steuern ausgleichen. Dennoch müssen wir konstruktiv und parteiübergreifend zusammenarbeiten und viel mehr gute Lösungen für die Arbeitslosen finden.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Ich würde meine Rede gern damit beenden, dass ich Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, aber auch meiner eigenen Fraktion, versichere: Ich stehe zur Verfügung, ich brauche Ihre Ideen und Ihre Hilfe, um den Arbeitslosen, insbesondere den Langzeitarbeitslosen zu helfen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der GAL und bei Elisabeth Baum DIE LINKE)

Das Wort bekommt Frau Baum.

Sehr geehrter Herr Präsident, geehrte Abgeordnete! Sehr geehrter Herr Senator, ich freue mich, dass Sie die Situation der Langzeitarbeitslosen, insbesondere in Hamburg, verbessern wollen und ich kann Ihnen auch versichern, dass wir Sie dabei unterstützen. Aus meiner Sicht möchte ich die Ausführungen von Herrn Joithe noch etwas ergänzen. Der Senat hält sich zwar etwas bedeckt, wie er sich die Umsetzung der geplanten Kürzungen der Mittel für die Eingliederungsmaßnahmen in den nächsten drei Jahren vorstellt, aber es ist jetzt schon absehbar, dass die sogenannten teuren, längerfristigen Maßnahmen zur beruflichen Qualifizierung nahezu vollständig wegfallen sollen. Mit dem Scheinargument der Wirtschaftlichkeit wird hier der ohnehin im Zuge der Hartz-Reformen stark aufgeweichte Sinn von arbeitsmarktpolitischen Instrumenten noch mehr ausgehöhlt. Was will man denn arbeitslosen Menschen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt noch bieten? Bewerbungstraining 1 bis 6 – und das war es. Inwiefern soll sich denn daraus ergeben, dass jemand aufgrund einer solchen Maßnahme besser eine Arbeit findet als ohne sie? Hier werden die tatsächlichen Probleme von fast 140 000 in Hamburg als arbeitsuchend gemeldeten Menschen und die Probleme der 100 000 Menschen, die sich ausschließlich mit geringfügigen Beschäftigungen durchrangeln müssen, vollkommen ignoriert. 200 000 Hartz-IV-Bezieher und die darin enthaltenen 26 000 Aufstocker finden hier einfach nicht statt. Das Recht von mehr als 15 Prozent der Hamburger und Hamburgerinnen auf eine echte Chance, wieder eine Arbeit zu finden, durch

die man auch in Würde leben kann, wird übergangen.

Wie die Hamburger Kinder, die derzeit laut Auskunft der BWA in Armut leben müssen, unter diesen Voraussetzungen jemals eine Chance bekommen sollen, erschließt sich mir nicht. In jüngeren Studien wird immer wieder deutlich, mit welch dramatischen Ausmaßen junge Menschen mit dem Übergang von der Schule in den Beruf zu kämpfen haben. Und in dieser Situation streicht man nahezu alle öffentlich finanzierten beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen. Von dem Vorhandensein einer wirklichen Arbeitsmarktpolitik, die diesem Zweck dienen soll, die Menschen langfristig in eine auskömmliche Erwerbsarbeit zu bringen, kann man unter diesen Voraussetzungen nicht sprechen.

Noch einmal direkt zu dem Antrag der SPD-Fraktion: Es ist äußerst löblich, dass Sie die Belange der Erwerbslosen nicht aus den Augen verloren haben. Und ich teile Ihre Ansicht, dass gegen diese unsozialen und die Wirkung jeglicher Arbeitsmarktpolitik aushebelnden Kürzungsmaßnahmen in jedem Fall etwas getan werden muss. Mit den vorgeschlagenen Maßnahmen bin ich auch einverstanden. Aber uns reicht das nicht, nicht unter den Bedingungen, die nach fünf Jahren Hartz IV auf dem Arbeitsmarkt herrschen. Hier muss Geld in die Hand genommen werden. Und es ist im ersten Zuge gar nicht einmal so viel, wie man meinen könnte, ein für Hamburger Verhältnisse vergleichsweise geringer Beitrag von 50 Millionen Euro. Die SPD hat aufgezeigt, dass die Steuermehreinnahmen dieses finanzieren könnten.

(Zurufe von der CDU)

Wenn in den Einstieg in den Arbeitsmarkt tatsächlich fördernde Arbeitsmarktpolitik investiert würde, ohne die Fortführung entwürdigender AGHs, die weiter nur die Lohnkosten der Arbeitnehmer bezuschussen und die Löhne drücken, könnte man sicher schon viel mehr erreichen auf dem Hamburger Arbeitsmarkt.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn die Wirtschaft so boomt, wie immer wieder erwähnt wird, und der Fachkräftemangel ein so stark wachsendes Problem ist, ist eine wirksame Qualifizierung von Erwerbslosen unverzichtbar. Qualifiziertes Personal für solche Maßnahmen haben wir in den Trägern. Wenn allerdings alles so bleibt, wie CDU und GAL das für Hamburg planen, wird die durch die Hartz-Reform arbeitskräftemäßig bereits halbierte Trägerlandschaft durch die aktuellen Kürzungen noch einmal stark dezimiert und die Erwerbslosen haben keine Chance, durch eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme tatsächlich noch in Arbeit zu kommen. Eine andere Arbeitsmarktpolitik ist machbar und auch finanzierbar. Sie ist auch bitter nötig. Wie bereits von Herrn Joithe ausgeführt wurde, stimmen wir dem SPD-Antrag zu.

(Senator Ian Karan)

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Frau Möller. Frau Badde, das Wort bekommt Frau Möller.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Badde, auch ich habe die Rednerreihenfolge nicht so ganz verstanden. Ich weiß, dass man den Präsidenten nicht kritisieren darf, tue ich auch nicht.

Ich will noch einmal zu dem Thema sprechen, über das wir heute eigentlich reden wollen. Man sieht vielleicht an diesen beiden Redebeiträgen der Kollegin und des Kollegen von der LINKEN, dass die Grundeinschätzung des Eingliederungstitels auch innerhalb einer Fraktion sehr unterschiedlich sein kann. Das genau zeichnet auch die gesamte Arbeitsmarktdebatte aus, deswegen ist sie eventuell auch so wenig interessant für uns alle. Es ist vielleicht auch eine Insider-Debatte für diejenigen, die sich tagtäglich oder zumindest sehr häufig mit dem Thema beschäftigen. Deswegen will ich noch einmal auf die Punkte kommen, die heute für Hamburg relevant sind. Anders als Frau Baum sehe ich in dem SPD-Antrag keine Maßnahmen, die dort vorgeschlagen werden. Sie schlagen nichts vor, Sie fragen Dinge ab. Aber das ist etwas wenig für einen politischen Antrag.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Wir hatten in Hamburg die Situation, drastische Kürzungen abwehren zu müssen und nicht, drastische Kürzungen umsetzen zu wollen, Herr Joithe. Das ist ein ganz gewaltiger Unterschied. Und es ist uns mit einer heftigen Kraftanstrengung gelungen, drastische Kürzungen abzuwenden. Wir haben die Kürzungen des Eingliederungstitels insgesamt hinzunehmen, es bleibt Hamburg gar nichts anderes übrig. Aber um die Art und Weise, wie diese Kürzungen umgesetzt werden und welche drastischen und dramatischen Auswirkungen das hat, haben wir uns gekümmert.

Ich glaube, dass das jetzt vorliegende Ergebnis für die Erwerbslosen, für die Träger, genauso aber auch für uns, die wir politisch entscheiden müssen, können und dürfen, und die ARGE team.arbeit.hamburg, die das dann umsetzen muss, zwei Folgen haben wird. Die eine Folge ist, dass es erst einmal für ein gutes halbes Jahr eine Perspektive für diejenigen gibt, die in Maßnahmen sind, und auch für die Träger der Maßnahmen, um sich mit der Notwendigkeit der Umsteuerung vertraut zu machen, um nicht sofort in die Insolvenz zu gehen und nicht sofort für Projekte die Türen verschließen zu müssen.

Darüber hinaus haben wir die große Aufgabe, etwas zu tun genau in den Bereichen, die wir zum Teil sehr unterschiedlich, aber doch mit demselben

Fokus diskutiert haben, bei denen wir Quartiersarbeit leisten, zum Beispiel im Bereich der Grünpflege, den Schulküchen oder in anderen sozialen Einrichtungen; im Übrigen auch in den Elbvororten, wenn ich das einmal so platt sagen darf,

(Frank Schira CDU: Richtig!)

weil die Betreuung von Älteren, aber auch Nachhilfe von Schülerinnen und Schülern alles Projekte sind, die zum Teil auch durch Arbeitsgelegenheiten getragen werden. Hier hat DIE LINKE einen anderen Ansatz als die CDU, als wir oder auch als die SPD. Die Debatte ist sicher spannend und wird heute teilweise auch geführt, ist aber nicht das eigentliche Thema, denn wir mussten abwehren, dass die vorgeschlagene Umsetzung der Einsparungen zu drastischen Auswirkungen in diesem Segment führt, und das ist gelungen. Wir haben im Übrigen natürlich auch die Aufgabe, nicht nur für das nächste Jahr, sondern längerfristig konzipiert, hier für Abhilfe zu sorgen.

Wenn man jetzt noch einmal auf die Debatte über die Pförtnerlogen bei der SAGA GWG zurückkommt – das haben wir schon einmal diskutiert, übrigens unter einem ähnlichen Lärmpegel wie jetzt diese Debatte –, dann gibt es mit einer sehr kleinen Größenordnung plötzlich doch Bewegung. Wir wollten, dass es ein Drittel der ungefähr 200 Pförtnerlogen regelhaft als AGHs im Angebot der SAGA gibt, und das wird erreicht. Es wird zu etwa 66 bis 70 festen, sozialversicherungspflichtigen, teilweise auch geförderten Arbeitsplätzen kommen. Das sind die Erfolge, die wir brauchen, auch wenn sie erst einmal nur eine kleine Größenordnung darstellen.

(Beifall bei Hjalmar Stemmann und Ekkehart Wersich, beide CDU)

Es ist wichtig, dass wir alle wissen, wovon wir reden. Deswegen sind auch die Fragen, die sich der SPD stellen – vielleicht, weil die politischen Konzepte fehlen, vielleicht auch nur, weil sich erst einmal Fragen stellen –, natürlich die richtigen. Es wird genau darum gehen, in welchem Umfang welche Maßnahmen verändert und gestrichen werden, wie dort gewichtet wird und wie sich dadurch die Struktur im ganzen Segment der Angebote für Langzeitarbeitslose verändern wird, aber eben auch, inwieweit das Angebot für alle anderen, die von AGHs profitieren, verändert wird. Das bleibt schlicht und einfach die Aufgabe bis zum Sommer.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Meine Damen und Herren! Ich habe einige Anmerkungen. Zunächst zu Ihnen, liebe Frau Möller. Alles Menschenwerk ist mit Fehlern behaftet und ich bin auch nicht fehlerfrei. Hätte ich Ihre Wortmeldung vor der von Frau Baum gesehen, hätte ich Sie vorher auch aufgerufen, aber ich habe sie erst später

(Elisabeth Baum)

wahrnehmen können. Ich bitte insofern um Nachsicht. Ich habe es auch nicht als Kritik aufgefasst, aber auch ich unterliege der Kritik.

Ein zweiter Punkt: Meine Damen und Herren, es ist einfach zu laut und eine bestimmte Seite des Hauses tut sich dadurch besonders hervor. Ich habe immer wieder darum gebeten, dass Sie Ihre sonstigen Gespräche bitte nach draußen verlegen. Frau Möller beklagte dies schon, zuvor auch Herr Joithe. Ich will nicht sagen, dass ich es leid bin, aber ich bin einer der Wenigen, die dies immer wieder anführen und ich weiß nicht, ob es sein muss, dass wir uns gegenseitig derartig behindern. Ich wiederhole es noch einmal: Wir möchten unsere Argumente austauschen und kraft unserer Argumente die besten Entscheidungen treffen. Wenn aber die Argumente nicht durchdringen und nicht vorgetragen werden können, dann ist es schwierig für alle. Ich darf Sie bitten, das zu beherzigen.

Nun hat das Wort Frau Badde, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich werde Sie nicht mehr lange strapazieren, aber einige Dinge dürfen nicht ungesagt bleiben.

(Zurufe von der CDU und Beifall bei Jörg Hamann und Stephan Müller, beide CDU)

Selbstverständlich möchten wir mit allen Kräften zusammenarbeiten. Herr Karan sagte, dass wir natürlich nicht auf einmal 50 Millionen Euro ausgleichen können, das ist richtig. Aber ich habe vorhin auch dargelegt, was seit 2001 passiert ist, und das war eine Kürzung um 70 Millionen Euro. An die rechte CDU-Seite gerichtet: Wenn man nicht so frühzeitig diese Einsparungen gemacht und das Geld in Wirtschaftsmaßnahmen bis hin zu Kaimauern gesteckt hätte, die von den Arbeitsmarktmitteln gebaut wurden, dann hätten wir heute auch einen eigenen Stadtetat, mit dem wir sehr viel auffangen könnten.

(Beifall bei der SPD und bei Elisabeth Baum DIE LINKE und Wolfgang Joithe-von Krosigk [DIE LINKE])

Genau hier liegt das Problem. Gegen die Bundesmaßnahmen kann sich die CDU nicht herausreden, sie kann es höchstens auf die FDP schieben, aber das ist schlecht bei einer CDU-Bundesarbeitsministerin. Dort wird als erstes der Arbeitsmarktbereich als großes Sparopfer ausgesucht, aber man verliert kein Wort darüber, dass es eine schwierige Situation ist und dass es auch für die Länderhaushalte problematisch ist. Und dann von der Opposition zu verlangen, dass sie die Lösungen dafür hat, finde ich schon ziemlich frech.

(Beifall bei der SPD – Antje Möller GAL: Und ein paar Vorschläge!)

Apropos Vorschläge: Sie haben Gott sei Dank selbst erwähnt, dass jetzt eine Lösung für die Hausbetreuerlogen gefunden wurde; das wollte ich in aller Bescheidenheit nicht selbst tun. Ich habe es mit Freude vernommen. Auch hier hat man versucht, verschiedene Lösungen zusammenzustricken. Dies ist vielleicht noch nicht ideal, aber was ist schon ideal im Leben. Aber dies beruht auf einem Antrag der SPD, dass man zu einer Lösung gefunden hat. Das darf man dann auch einmal erwähnen.

(Beifall bei der SPD)

Eine zu lange Debatte über die Arbeitsgelegenheiten ermüdet die Kollegen vielleicht etwas. Aber niemals hat sich die SPD gegen Arbeitsgelegenheiten in Quartieren gewandt. Wir haben immer gesagt, dass wir die Stadt mit den allermeisten Arbeitsgelegenheiten sind, aber 10 000 Arbeitsgelegenheiten sind definitiv zu viel. Man verlässt sich hier nur auf den Bund. Und was wir jetzt erleben, ist die Quittung dafür, denn Quartiersarbeit kann nicht allein aus Bundesarbeitsmarktmitteln finanziert werden. Das ist nun das Problem, wir kommen hier nicht mehr weiter, weil man sich zu sehr darauf verlassen hat.

(Beifall bei der SPD)

Aber den Verteufelungen der AGHs habe ich auch immer widersprochen.