Protokoll der Sitzung vom 10.11.2010

Aber den Verteufelungen der AGHs habe ich auch immer widersprochen.

(Zuruf von Wolfgang Joithe-von Krosigk [DIE LINKE])

Da haben wir auch unseren Strauß, Herr Joithe-von Krosigk.

Wir haben tatsächlich die Auffassung, dass AGHs eine sehr, sehr wichtige Funktion haben. Glauben Sie mir, auch wenn ich selbst keine Betroffene bin, so habe ich doch mit vielen Betroffenen gesprochen. Und in den Institutionen, die ich eben am Rande erwähnt habe, "Cafée mit Herz", "Jenfelder Kaffeekanne" und Ähnliches, werden Betroffene aufgefangen, die wirklich sehr schwer in den Arbeitsmarkt zu integrieren sind und vielleicht auch nie mehr integriert werden. Das kann ich nicht voraussehen und möchte es auch nicht hoffen, aber trotzdem sind diese Menschen unendlich dankbar, dass sie über einen Euro-Job dort Anerkennung finden, ihre Arbeitskraft einsetzen können und tatsächlich auch den einen oder anderen Euro zusätzlich haben und in die Förderung kommen. Natürlich vertreten wir ein Programm, den sozialen Arbeitsmarkt zu stärken und dort sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze zu finden, aber so ist die Wirklichkeit im Moment nicht. Vielleicht finden wir auch bessere Maßnahmen, die besser abgesichert sind. Aber einfach zu sagen, dies sei unwürdig für jeden Betroffenen, ist einfach realitätsfern. – Danke.

(Vizepräsident Wolfhard Ploog)

(Beifall bei der SPD und bei Linda Heitmann und Antje Möller, beide GAL)

Das Wort bekommt Herr Senator Karan.

Herr Präsident! Vielleicht habe ich mich nicht richtig ausgedrückt. Da meine Rede zerrissen war zwischen zwei verschiedenen Redezeiten, Frau Badde, haben Sie das vielleicht nicht so ganz verstanden. Meine Aufforderung war ein Dialog. Ich brauche keine Ideen, wir haben sie schon. Sie sehen, dass wir von 75 000 jetzt auf 70 000 heruntergekommen sind. Nur ist es auch eine gute Gepflogenheit, andere Ideen zu finden und anderen Menschen zuzuhören, denn wenn wir nicht bereit sind zu lernen, dann können wir auch nichts bewegen. Ich würde mich freuen, wenn wir einen Dialog fortsetzen könnten. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und bei Horst Becker und Antje Möller, beide GAL)

Das Wort hat Herr Joithe.

(Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren! Es gibt keinen Grund, sich darüber aufzuregen. Herr Joithe, bitte.

Ich mache es deswegen auch ganz kurz. Frau Badde, als Replik zu Ihrer letzten Aussage: Ich meine, dass es realitätsfern ist, wenn man Arbeitsgelegenheiten, die einem Zwang unterliegen, eben nicht als unwürdig bezeichnet. – Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Gibt es weitere Wortmeldungen? – Das sehe ich nicht. Wir kommen dann zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der SPD–Fraktion aus der Drucksache 19/7670 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen? – Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Das ist dann mehrheitlich abgelehnt.

Ich rufe den Punkt 23 der Tagesordnung auf, Drucksache 19/7674, gemeinsamer Antrag der GAL- und der CDU-Fraktion: "Neue Mitte Altona" – ein neuer Stadtteil für das 21. Jahrhundert.

[Antrag der Fraktionen der GAL und CDU: "Neue Mitte Altona" – ein neuer Stadtteil für das 21. Jahrhundert – Drs 19/7674 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 19/7808 ein Antrag der Fraktion DIE LINKE vor.

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Neue Mitte Altona – Mitbestimmung von Bezirk und Bürger/-innen verbindlich sichern und Wohnungsnot lindern – Drs 19/7808 –]

Diesen möchte die Fraktion DIE LINKE an den Stadtentwicklungsausschuss überweisen.

Zur Drucksache 19/7674 liegt ein Antrag der SPDFraktion auf Überweisung an den Stadtentwicklungsausschuss vor.

Das Wort hat Herr Becker.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! "Neue Mitte Altona" ist das Thema, "Neue Mitte Altona" sagen wir in den Fraktionen, den Sprachgebrauch haben wir uns angewöhnt. Die Behörde kommuniziert, darauf bin ich hingewiesen worden, den Begriff "Mitte Altona"; gemeint ist damit dasselbe. Ich glaube, auf den Sprachgebrauch wird man sich einigen können. Inhaltlich wissen Sie sicherlich, worum es geht. Es geht um das künftig nach der HafenCity zweitgrößte Bauprojekt in Hamburg, um eine Konversionsfläche der Deutschen Bahn, die insgesamt 29 Hektar groß ist und von denen 8 bis 10 Hektar als Grünverbundfläche hergestellt werden sollen. In einem ersten Bauabschnitt werden es ungefähr 12,5 Hektar sein, auf denen überwiegend Wohnungsbau entstehen soll. Der Prozess hat bereits angefangen.

Es ist eine große Aufgabe, in bestehende Stadtteile ein neues, großes Quartier hinzuzufügen. Die Anforderungen, die wir stellen und die auch von der Öffentlichkeit an eine solche zukunftsgerichtete Planung gestellt werden, sind äußerst vielfältig. Ich will einige Aspekte herausgreifen. Einmal gibt es die sozialen Anforderungen, die wir stellen müssen. Wir wünschen uns natürlich, dass es eine gute Mischung der Bevölkerung ist, ein guter sozialer Mix an Menschen, den wir in diesem Stadtteil bekommen werden. Idealerweise kann ich vonseiten meiner Fraktion sagen, dass wir uns vorstellen, dass dort im Wohneigentum gebaut wird, dass auch frei finanzierter Wohnungsbau entsteht, dass geförderter Wohnungsbau entsteht und auch Baugemeinschaften die Möglichkeit bekommen, tätig zu werden. Schön wäre es natürlich, wenn alles in etwa gleich großen Blöcken zustande käme.

Weiterhin haben wir natürlich ökologische Ansprüche daran. Wir wollen ein Viertel, das für das kommende Jahrhundert gebaut wird, das energetisch den Anforderungen gewachsen ist und vom Wohnkomfort her heutigen Standard aufweist. Das ist natürlich nicht ohne Anspruch, aber wir gehen davon aus, dass dort etwas energetisch Zukunftsweisendes entsteht. Dann soll das Ganze auch ökonomisch tragfähig sein. Das bedeutet, dass wir mit den privaten Eigentümern Verhandlungen führen

(Elke Badde)

müssen, dass wir die Erschließung erreichen müssen und dort Infrastruktur entsteht. Es sollen auch gesamtstädtische Ziele derart verankert werden, dass all unsere Ziele finanzierbar werden für öffentliche und private Investoren.

Ein weiterer Punkt ist die Architektur und das Stadtbild. Es geht bisher noch weniger um die äußerliche Gestaltung, aber letztlich passen wir den neuen Stadtteil ein in eine Umgebung, die teilweise 100 Jahre alt ist. Das stellt natürlich auch Anforderungen an die äußere Gestaltung.

Ein weiterer Aspekt ist unser Wunsch nach generationengerechtem Leben in diesem neuen Quartier. Dass wir Spielflächen für Kinder haben, Naherholungsflächen für alle, wo man auch spazieren gehen kann. Kinder sollen auch betreut werden und wir wollen barrierefreies Wohnen für die ältere Generation ermöglichen.

Im Bereich des alten Güterbahnhofs werden wir mit der historischen Bausubstanz umgehen müssen, das heißt, es gibt auch Anforderungen des Denkmalschutzes. Der Verkehr stellt große Anforderungen, denn er soll nicht zu viel Fläche wegnehmen, er soll aber auch alle Verbindungen schaffen, die wir räumlich brauchen. Wir brauchen nicht nur die strukturelle Vernetzung des Gebiets mit den umgehenden Quartieren, wir brauchen auch die räumliche Vernetzung. Ebenso brauchen wir Oberflächenentwässerung, die wahrscheinlich sehr anspruchsvoll sein wird.

Dies alles ist ein komplizierter Prozess mit sehr vielen Aspekten, die in die Planungen einfließen und sehr sorgfältig bedacht werden müssen. Das Ganze soll nun auch nicht hinter verschlossenen Türen vorangehen. Wir wünschen uns, dass diese ganze Planung auch der Öffentlichkeit transparent vorgestellt wird und sie angemessen durch Diskussionen beteiligt wird. Deswegen hat es auch schon Veranstaltungen gegeben. Es hat im Rahmen des Wettbewerbverfahrens durch eine Zwischenrepräsentation schon eine Öffentlichkeitsbeteiligung gegeben. So, wie ich es bis jetzt beobachte, wird mit sehr großer Transparenz auch vonseiten der Verwaltung berichtet. Dieses Angebot wird sehr engagiert angenommen und sehr engagiert darüber diskutiert. Im Vergleich mit anderen Prozessen, die wir hatten, ist das aus meiner Sicht bisher vergleichsweise sehr gut gelaufen.

Heute bringen die Koalitionsfraktionen einen Antrag ein, der in einem noch frühen Stadium Leitlinien setzen soll für den weiteren Prozess. Wir setzen hier auf auf der Beschlussfassung, die es in der Bezirksversammlung Altona bereits mit einigem Einvernehmen, wie ich hörte, gegeben hat. Wir machen das natürlich nicht so dezidiert wie die Bezirksversammlung, die schon sehr weit geht. Wir sind der Meinung, dass sich im Planungsprozess weitere Dinge klären werden. Diesen Antrag, der durch Leitlinien für die Ausgestaltung eine Grund

richtung vorgibt, bringen wir heute ein und für den bitten wir um Zustimmung.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Ich möchte noch auf den Antrag der LINKEN eingehen, der uns als Zusatzantrag zugegangen ist.

(Dirk Kienscherf SPD: Gehen Sie doch mal auf Ihren Antrag ein! – Martina Gregersen GAL: Das macht er doch die ganze Zeit! – Jörn Frommann CDU: Dem Kienscherf muss man nicht zuhören, der hat die ganze Zeit geschlafen!)

Ich habe nichts anderes gemacht, Herr Kienscherf.

Ich werde jetzt begründen, warum wir diesen Antrag nicht annehmen werden. Wir werden ihn ablehnen und werden ihn auch bei punktweiser Abstimmung ablehnen. Wir würden ihn auch bei einer Abstimmung nach Buchstaben ablehnen. Sie fordern, dies in die Zuständigkeit des Bezirks zurückzugeben, um eine Beteiligung sicherzustellen. Ein Beteiligungsverfahren hängt wirklich nicht davon ab, wer es macht, sondern wie es gemacht wird.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Bis jetzt ist das ziemlich gut gemacht worden. Wenn man dies an den Bezirk zurückgeben würde, so hat er gar nicht die Haushaltskompetenzen, um Verhandlungen mit derartigen finanziellen Auswirkungen zu führen; das führt in der Sache nicht weiter.

Sie wollen ferner 70 Prozent Sozialwohnungen festsetzen. Ich will nicht auf die Fehler der Siebzigerjahre verweisen, aber genau das stellen wir uns nicht unter einer gesunden und funktionierenden Mischung in unseren Quartieren vor. Ich gewinne hier den Eindruck, dass Sie den Antrag so formulieren, damit er abgelehnt wird.

(Beifall bei Jörn Frommann und Ekkehart Wersich, beide CDU)

Hinter diese Forderung können wir uns niemals stellen.

Beim Vorkaufsrecht verhält es sich folgendermaßen: Wenn die Stadt im Rahmen der Möglichkeiten kauft, die das Baugesetz für ein Stadtentwicklungsgebiet aufzeigt, dann wäre das eine Ultima Ratio, die aber in keinem Fall per Bürgerschaftsbeschluss festzustellen ist. Im Moment ist es vernünftig, dass die Verwaltung mit den privaten Grundeigentümern verhandelt.

(Vizepräsidentin Dr. Eva Gümbel übernimmt den Vorsitz.)

Wenn man es nämlich schafft, Ziele zusammenzubinden und Synergien zu nutzen, um gesamtstädtische Ziele zu erreichen, dann ist es vernünftig, das auch mit den Privaten zu machen. Sollte das nicht gelingen, könnte auch ein anderer Fall eintreten.

Ansonsten bleiben wir auf den ganzen Planungsund Erschließungskosten hängen, das ist für die Stadt nachteilig. So etwas zu beschließen, würde absolut in die falsche Richtung gehen, das machen wir nicht.

(Beifall bei Martina Gregersen GAL)

Sie formulieren einen Antrag, der den Eindruck erweckt, als ob er abgelehnt werden sollte. Sie nehmen eine Position ein, durch die Sie sich außerhalb dieses Verfahrens stellen, so nehme ich es jedenfalls wahr. Sie versuchen, aus politischem Kalkül dieses Verfahren von außen zu diskriminieren. Sie nehmen nicht verantwortlich an diesem Prozess teil, um dem Quartier, dem Prozess und der Stadt damit zu nützen. Ich finde dieses Verhalten verantwortungslos und falsch.

(Beifall bei der GAL und der CDU)