Protokoll der Sitzung vom 24.11.2010

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Das Wort hat Herr Goldberg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ein paar Kleinigkeiten möchte ich noch einmal gerade rücken, lieber Herr Dr. Schäfer.

Erstens: Sie haben recht, was die Immobilien angeht. Sie sollten aber dann auch erwähnen, dass allen privaten und öffentlichen Krankenhausträgern in der gesamten Bundesrepublik die Grundstücke kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Das ist keine Hamburgensie.

(Dr. Martin Schäfer SPD: Gemeinnützig!)

Zweitens: Sie haben recht, Eilbek wurde verkauft. Gleichzeitig hat Asklepios im Wert von 75 Millionen Euro Rissen in das gemeinsame Unternehmen eingelegt. Insofern stimmt auch das nicht, was Sie hierzu gesagt haben. Auch das, was Sie zum Gewinn sagen, stimmt nicht, denn veröffentlicht wird der sogenannte EBITDA, also das Unternehmensergebnis vor Zinsen, vor Steuern und vor Abschreibung. Das Nettoergebnis fällt deutlich geringer aus. Außerdem besteht Asklepios nicht nur aus dem LBK in Hamburg, sondern aus einer ganzen Reihe weiterer Klinikbeteiligungen und macht insgesamt über 2 Milliarden Euro Umsatz.

(Zuruf von der SPD: Das ist ja noch schlim- mer!)

Wenn Sie einmal richtig analysieren, was Asklepios mit den Erträgen bisher gemacht hat, dann werden Sie feststellen, dass es eben nicht zur Ausschüttung kommt, sondern ganz im Gegenteil, dass Asklepios seit Bestehen des Unternehmens bis heute jeden Ertrag reinvestiert hat. Ich kann nicht erkennen, dass Sie an der Stelle mit Ihrer – ein bisschen im Artusschen Sinne – nachgeholten Kapitalismuskritik wieder einmal recht hätten.

Zum Thema Rückkehrer und Pensionslasten kann ich Ihnen nur sagen, dass dies nicht dieser Senat und auch nicht der Vorgängersenat zu verantworten haben, sondern dass dieser Fehler bereits bei der Errichtung des Landesbetriebs Krankenhäuser gemacht wurde. Bereits zu diesem Zeitpunkt hat man das sogenannte Rückkehrrecht erfunden, mit dem man den Mitarbeitern des Unternehmens einen besonderen – nennen wir es einmal – Schutz gewähren wollte.

(Wolfgang Rose SPD: Das ist Ihnen ein Dorn im Auge!)

Selbstverständlich, lieber Herr Rose, ist mir das ein Dorn im Auge.

Warum wird zulasten der Steuerzahler

(Ingo Egloff SPD: Gut, dass Sie das noch mal sagen!)

den Beschäftigten einzelner Unternehmen ein Sonderrecht eingeräumt,

(Ingo Egloff SPD: Weil sie Mitarbeiter der FHH waren!)

das in der sonstigen Wirtschaft kein einziger Arbeitnehmer hat? So etwas zu tun, lieber Herr Rose, halte ich in der Tat für nicht in Ordnung. Auf jeden Fall haben Sie dieses Problem verursacht und nicht wir.

(Beifall bei der CDU)

Herr Dr. Bischoff, zum Thema Pensionslasten: Die Pensionslasten, die wir heute tragen, sind diejenigen, die bis zum Teilverkauf entstanden sind. Sie wurden also sowieso von der Freien und Hansestadt Hamburg getragen und waren auch vor der Teilprivatisierung nicht passiviert, da im LBK keine Rückstellungen gebildet wurden, was man eigentlich hätte machen müssen. Auch das war bei der Errichtung des LBK falsch, aber die heutigen Pensionslasten sind völlig unabhängig von der Teilprivatisierung. Deshalb ist es leider falsch, das in einen Topf zu werfen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Dr. Schäfer.

In aller Kürze, Herr Goldberg.

Erstens: Sie sagen, die bisher erwirtschafteten Erlöse beziehungsweise Gewinne wurden reinvestiert. Ist ja gut. Die Geschäfte wurden dennoch in den ersten vier Jahren so geregelt, dass zum einen die Ergebnisse schlecht genug waren, um den Kaufpreis mindern zu können, und es zum anderen notwendig war, von dieser sogenannten atmenden Kreditlinie in Höhe von 75 Millionen Euro 60 Millionen Euro in Anspruch zu nehmen. Merkwürdigerweise sieht das erste Jahr danach plötzlich besser aus.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Richtig!)

In diesem ersten Jahr danach wurden Gewinne erzielt, von denen aber im Moment noch niemand sagt, was mit ihnen geschehen ist beziehungsweise geschieht, also ob sie reinvestiert worden sind oder ob sie ausgeschüttet werden. In der Verkaufsdrucksache stand, dass Gewinne auszuschütten seien, es sei denn, beide Seiten seien damit einverstanden, etwas anderes damit zu tun. Das kann nur bedeuten, dass diese Gewinne, die neuerdings dort erzielt worden sind, unter Beteiligung und mit Billigung der Stadt wieder reinvestiert worden sind. Das will ich nicht kritisieren, ich möchte nur wissen, ob es tatsächlich so ist. Deswegen würde ich gerne vonseiten der Stadt erfahren, a) wie hoch die Gewinne waren, und b) wo sie reinvestiert beziehungsweise ob sie überhaupt

reinvestiert worden sind. Darüber haben wir bisher noch nichts erfahren. Das wäre aber schon interessant, denn bisher waren die Verluste so, dass die Stadt nachzahlen musste.

Zweitens: Die Sache mit den Rückkehrern ist Ihnen offenkundig wirklich ein Dorn im Auge. Aber es ist nun einmal so, dass diese Menschen, die vor Jahren ihre Arbeit im öffentlichen Dienst begonnen haben, von ihrem Rückkehrrecht Gebrauch machen können. Das wusste auch der Käufer ganz genau und die Stadt selbst hat sich wieder einmal sehenden Auges in den Irrtum begeben zu meinen, es käme keiner zurück, weil dieser neu gewonnene strategische Partner so mit seinen Beschäftigten umgehen würde, dass sie gerne dort arbeiten; alles Irrtum. Ganz viele der knapp 2000 Mitarbeiter mit Rückkehrrecht haben es in Anspruch genommen und die meisten haben es auch bekommen. Deswegen ist es, wie es ist, und die Stadt zahlt dafür. Das war bereits zum Zeitpunkt des Verkaufs abzusehen, alles andere war Augenwischerei. Die Stadt zahlt und Asklepios macht Gewinne.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Damit ist die Zeit für die Aktuelle Stunde abgelaufen.

Wir kommen dann zu Punkt 8 der Tagesordnung, Senatsantrag: Haushaltsplan-Entwurf der Freien und Hansestadt Hamburg für die Haushaltsjahre 2011 und 2012 sowie Finanzplan 2010 bis 2014.

[Senatsantrag: Haushaltsplan-Entwurf der Freien und Hansestadt Hamburg für die Haushaltsjahre 2011 und 2012 sowie Finanzplan 2010-2014 – Drs 19/8000 –]

Diese Drucksache ist am 18. November 2010 bereits im Vorwege federführend an den Haushaltsausschuss und mitberatend an die zuständigen Fachausschüsse überwiesen worden.

Zur Einbringung des Haushalts spricht zunächst der Senator. – Das Wort hat Herr Senator Frigge.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Einbringung des Entwurfs des Haushaltsplans 2010/2011 liegen die größten haushaltspolitischen Herausforderungen dieser Legislaturperiode nun hinter uns. Jetzt liegt die Arbeit bei Ihnen. Wenn ich mir den Haushaltsplan-Entwurf und Ihre ersten Reaktionen darauf so ansehe, dann stelle ich fest, dass zumindest in drei grundsätzlichen Positionen der Finanzpolitik ein hohes Maß an Einigkeit besteht, was mich freut.

(Thies Goldberg)

Erstens: Defizitäre Haushalte sind als Dauerzustand nicht akzeptabel. Der Staat darf nicht von permanenter Neuverschuldung und nicht vom Verzehr seiner Vermögenssubstanz leben.

Zweitens: Wir müssen jetzt handeln und die Haushalte konsolidieren. Wir müssen jetzt mit einer langen Tradition öffentlicher Defizite brechen und können und wollen das Problem nicht ungelöst an kommende Generationen weitergeben.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Wenn wir an die Schuldenbremse des Bundes denken, dann dürfen wir das auch gar nicht länger.

Drittens: Wir müssen die Leistungsfähigkeit des Staates in seinen wichtigen Aufgabenfeldern auch unter den veränderten finanzwirtschaftlichen Rahmenbedingungen erhalten. Konsolidierung muss geleistet werden, ohne die Zukunftsfähigkeit unseres Gemeinwesens aufs Spiel zu setzen.

Über diese drei Grundsätze herrscht Konsens in diesem Senat und in dieser Koalition. Über diese Grundsätze herrscht nach meiner Wahrnehmung auch Konsens mit dem größeren Teil der Opposition und das freut mich. Was noch viel, viel wichtiger ist: Einig über diese Grundsätze sind wir uns auch mit einer ganz großen Mehrheit von Bürgerinnen und Bürgern. Eine wenige Tage alte Umfrage von forsa zeigt, dass ausufernde Staatsschulden und eine Destabilisierung der öffentlichen Finanzen auf der Sorgenliste der Menschen an erster Stelle stehen, sogar noch vor der Sorge um den Arbeitsplatz. Ganz offensichtlich ist die Solidität der öffentlichen Finanzen nicht nur ein Thema für ein paar berufsmäßige Mahner und Warner in Finanzbehörden und Rechnungshöfen. Solide Staatsfinanzen sind zu Recht ein zentrales Anliegen der großen Mehrzahl der Menschen. Darauf kann sich verantwortliche Finanzpolitik stützen und daraus erwächst eine große Verpflichtung, der wir mit diesem Haushalt gerecht werden.

Verantwortliche Finanzpolitik ist keine leichte Aufgabe, insbesondere dann nicht, wenn der Staat mit großen Herausforderungen in seinen verschiedenen Aufgabenfeldern konfrontiert ist und gleichzeitig vielen nachdrücklich formulierten Erwartungen gegenübersteht, die teils mehr, teils weniger berechtigt sind. Vor dieser Situation stand der Senat im Frühjahr dieses Jahres, als er Anmeldungen zum Haushalt für 2011 und 2012 vor sich liegen hatte, die um rund eine halbe Milliarde Euro über den Werten der geltenden mittelfristigen Finanzplanung lagen, und zwar nicht, weil die Behörden maßlose oder unüberlegte Forderungen erhoben hätten, sondern aus vielen unausweichlichen Gründen. Da gab es steigende Fallzahlen und Bedarfe bei der Sozialhilfe und anderen gesetzlichen Leistungen, höhere Verlustdeckungsbedarfe bei öffentlichen Unternehmen aufgrund der Wirtschaftskrise, Mehrkosten beim BAföG aufgrund

bundesgesetzlicher Änderungen, deutlich gestiegene Mehrbedarfe für Beihilfen an Versorgungsempfänger und vieles andere mehr.

Unsere Aufgabe war es, den unabweisbaren Mehrbedarfen gerecht zu werden und trotzdem den Rahmen der Mittelfristplanung einzuhalten, und das war nicht einfach. Wir haben dafür drei Monate länger gebraucht, als es für eine normale Haushaltsaufstellung üblich wäre, drei sehr arbeitsreiche Monate für den Senat und die Behörden. Aber heute können wir sagen: Wir haben diese Aufgabe erfüllt.

Mit dem Ihnen vorliegenden Haushaltsplan-Entwurf – noch ohne die Ergebnisse der jüngsten Steuerschätzung, auf die ich später zu sprechen kommen werde – steigen die Hamburg verbleibenden Steuereinnahmen 2011 und 2012 um durchschnittlich 4,6 Prozent pro Jahr, während die Gesamtausgaben des Haushalts in diesem Zeitraum sogar leicht zurückgehen. Die Finanzierungsdefizite – auch dies gilt ohne Berücksichtigung der neuen Steuerschätzung – verringern sich ebenfalls deutlich: von veranschlagten 2,2 Milliarden Euro in 2010 über 1,6 Milliarden Euro in 2011 auf 1,3 Milliarden Euro in 2012. Die Neuverschuldung sinkt im Jahr 2011 auf weniger als die Hälfte des Planwerts für das Vorjahr und liegt zudem in den Jahren 2011 bis 2013 auch unter dem Wert, den der Senat noch bei Aufstellung der letzten Finanzplanung im Dezember 2009 für erforderlich gehalten hatte.

Zum Ausgleich des Haushalts werden in den Jahren 2011 und 2012 auch weiterhin die vor der Krise gebildeten Rücklagen eingesetzt, aber dies geschieht von 2011 bis 2014 in abnehmendem Maße. Das sind positive Entwicklungen. Ich will sehr deutlich sagen, dass wir uns nur mit weniger Neuverschuldung, nur mit weniger Verzehr von öffentlichem Vermögen und Rücklagen nicht zufrieden geben können und werden.

Neuverschuldung und Vermögensmobilisierung, beides bedeutet nichts anderes als Leben von der Substanz, wenn man damit laufende Haushaltsdefizite finanziert. Leider hat dies in unserer Stadt eine lange, unrühmliche Tradition. In den letzten 40 Jahren summieren sich die negativen Finanzierungssalden der hamburgischen Haushalte, die durch neue Schulden und Vermögensmobilisierung ausgeglichen wurden, auf 28 Milliarden Euro. Weil Hamburg in den letzten Jahren begonnen hat, sein Vermögen, seine Schulden und seine sonstigen Zukunftslasten wie ein ordentlicher Kaufmann zu erfassen, wissen wir, dass wir seit Ende 2009 ein negatives Eigenkapital haben. Das ist das Ergebnis eines über Jahrzehnte währenden Lebens von der Substanz.

Die CDU-geführten Senate und meine beiden Vorgänger im Amt haben sich diesem Prozess des Vermögensverzehrs entgegengestemmt

(Senator Carsten Frigge)

(Heiterkeit bei der SPD und der LINKEN – Beifall bei der CDU)

mehr übrigens, als viele SPD-geführte Senate es getan haben – und haben im sogenannten Jesteburg-Prozess auch schon bemerkenswerte Erfolge erzielt. 2007 und 2008 konnten Hamburgs Haushalte erstmals seit 30 Jahren ohne neue Schulden ausgeglichen werden.

(Beifall bei der CDU)